Reif und schön

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Das sich wandelnde Schönheitsideal der Silver-Generation
Reif und
schön
Ein Beitrag von Michael Schuhmann, Bad Wörishofen/Deutschland
„Das Alter ist eine Maske, die uns die Zeit aufsetzt - darunter sind wir gleich geblieben.” (Simone de Beauvoir)
Das durch die Medien transportierte Bild der jugendlichen Ästhetik, insbesondere das weiße Lächeln, das uns
von Bildschirm, Leinwand und aus bunten Blättern anstrahlt – und sei es auch digital nachbearbeitet - verändert
langsam das Schönheitsideal der Menschen.
Bei allen Altersschichten gewinnt das strahlende Weiß eine zunehmende Bedeutung. Auch Mittfünfziger und
ältere Patienten, die im „goldenen” Herbst des Lebens stehen wünschen sich eher eine helle Zahnfarbe, als eine
gedeckte.
Die „Silver-Generation“ ist die finanziell potenteste Altersgruppe und wenn es um Zahnersatz geht, möchte sie
für das investierte Geld nicht nur wieder richtig zubeißen können und beim Schlafengehen die neuen Zähne ins
Glas legen. Der meist gut informierte und anspruchsvolle Patient möchte komfortablen, festsitzenden und optisch ansprechenden Zahnersatz. – Dies bietet uns Zahntechnikern auch in Zukunft Chancen, die wir ergreifen
müssen. Immer öfter wird an uns der Patientenwunsch herangetragen werden, helle, „ästhetische” und nicht
naturidentische Zähne zu schaffen. Bei Totalrestaurationen ist dies schon heute Realität. Im Falle von Einzelzahnoder Teilrestaurationen werden wir unsere Arbeiten künftig auch häufiger in ein gebleachtes Umfeld einfügen.
Von der Vorstellung, unbedingt ein altersgerechtes Zahnbild kreieren zu müssen, werden wir uns wohl verabschieden. Bei allen Altersschichten gewinnt das strahlende Weiß eine zunehmende Bedeutung.
Indizes: Ästhetik, altersgemäßer Zahnersatz, implantatgetragener Zahnersatz
Der Patientenfall
Der Patient, ein lebenslustiger, innerlich jung gebliebener Herr in den besten Jahren, wünschte sich sehnlichst ein jugendliches Lächeln zurück (Abb. 1). Auf
ein gepflegtes Äußeres legt er sehr viel Wert.
Der hier exemplarisch vorgestellte Fall konnte festsitzend gelöst werden. Im Oberkiefer wurde eine einteilige Brücke auf sechs Implantaten gefertigt, im
Unterkiefer zwei Brücken auf vier Implantaten im
Seitenzahnbereich. Die Ausgangssituation vor Beginn der zahntechnischen Versorgung zeigt (Abb. 2
und 3), dass beide Kiefer nur bis einschließlich der
zweiten Prämolaren mit Zahnersatz versorgt sind, die
Molaren sind nicht ersetzt.
Nach der Modellherstellung und Übertragung der
zahnärztlichen Informationen (Abb. 4 und 5) erfolgt
ein erstes Wax-up im Oberkiefer (Abb. 6). Davon
wurde ein Silikonschlüssel angefertigt, mit dessen
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Hilfe die individuellen Abutments exakt ausgerichtet
und beim Modellerien nach Wunsch ergänzt werden
konnten (Abb. 7 und 8).
Eine auf den Abutments aufsitzende Kunststoffstruktur trug nun das diagnostische Wax-up. Im
Seitenzahnbereich wurden die Abutments mit den
bereits gefertigten Brückengerüsten im Unterkiefer
mittels Stopps verschlüsselt (Abb. 9 und 10).
Die folgende kombinierte Abutment-/Ästhetikeinprobe zeigte erst im zweiten Anlauf ein befriedigendes Ergebnis. Eine erste Einprobe war für den
Patienten enttäuschend verlaufen – er zeigte beim
Lachen zu wenig Zähne (Abb. 11 bis 15)!
Mit den aus dem Wax-up gewonnenen Informationen konnte das große Oberkiefer-Gerüst konstruiert
werden. Wir wählten eine hochgoldhaltige Auf-
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Abb. 1
Der Patient vor
Beginn der
Behandlung. Er
legt sehr viel Wert
auf ein gepflegtes
Erscheinungsbild
und wünscht sich
einen jugendlichen
Zahnersatz, der
sein Lebensgefühl
unterstreicht.
2
1
Abb. 2
Im Unterkiefer ist
die insuffiziente
Kronenversorgung
an den Prämolaren
sowie die Schaltlücken im Molarenbereich gut zu erkennen. Im Oberkiefer war der Restzahnbestand mit
einer kunststoffverblendeten
Brücke versorgt. Im
Molarenbereich
fehlte jegliche
Bezahnung.
Abb. 3
Die Situation nach
Freilegung der
Implantate, vor
Beginn der
prothetischen
Behandlung.
3
4
5
6
7
Abb. 4
Die erstellten
Modelle mit Modellanalogen …
Abb. 5
… werden nach
den Informationen
des Behandlers mit
Bissregistraten und
Übertragungsschlüsseln in den Artikulator übertragen.
Abb. 6 Mit Wachsfacetten erfolgt ein erstes Wax-up
im Oberkiefer. Der Silikonschlüssel des Wax-ups ermöglicht das exakte Positionieren der individuellen
Abutments.
Abb. 7 Die Abutments werden individuell in Wachs modelliert und in hochgoldhaltiger Legierung gegossen.
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Abb. 8 Das Fräsen der Abutments (2°).
Abb. 9 Die gefrästen noch nicht polierten Abutments auf dem
Modell
Abb. 10 Kunststoffgerüst mit diagnostischem Wax-up und BissStopps
Abb. 11 Das diagnostische Wax-up sowie Kunststoffstopps zur
Verschlüsselung der Bisssituation. Die Atrophie des Oberkieferknochens machte es erforderlich, Zahnfleischanteile kosmetisch
zu ergänzen.
Abb. 12 Erstes Wax-up mit den Wachsfacetten: Der Patient war
mit der Einprobe unzufrieden, obwohl wir lege artis einen funktionellen, altersgemäßen und im Verhältnis zur Oberlippe stimmigen
Zahnersatz konstruiert hatten.
Abb. 13 Der Patient monierte jedoch: hier sind „zu wenig
Zähne zu sehen“.
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Abb. 14 Das zweite Wax-up traf den Geschmack des Patienten
weitaus mehr: In enger Zusammenarbeit mit dem Patienten verlängerten wir die Zähne ohne die Funktion zu beeinträchtigen.
Abb. 16 Die einteilige Brücke wird mit Hilfe des durch das
Wax-up gewonnenen Silikonschlüssels modelliert.
Abb. 15 Hier zeigt der Patient wieder sein strahlendes selbstbewusstes Lächeln, so wie er es sich gewünscht hatte.
brenn-Legierung mit Palladium-Beimischung, verzugsfrei und brennstabil – für große Konstruktionen
auf Implantaten unverzichtbar. Hiermit kann der
Keramiker auch auf einen individuellen Brennträger verzichten (Abb. 16 bis 21).
Verblenden
In einem ersten Schritt wurden die Seitenzahnbrücken
im Unterkiefer verblendet, danach ging es an die erste
Schichtung im Oberkiefer (Abb. 22 und 23).
Während der zweiten Schichtung wurde das durch
die Zahnverlängerung nötig gewordene keramische
Zahnfleisch angetragen (Abb. 24 bis 26). Gemäß
den Ästhetikeinproben und den funktionellen Aspekten setzen wir die Zahnform und die Oberflächengestaltung um (Abb. 27 und 28).
Abb. 17 Um Spannungen zu vermeiden werden die einzelnen Segmente
getrennt und wieder verbunden. An den 6er-Kronen, disto-cervikal, wurde
das „Putzfüßchen”anmodelliert. Dieses wird dem Patienten später das
Reinigen der endständigen Implantate mittels Interdentalbürstchen erleichtern.
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Abb. 18 „Kühlrippen“ sorgen für einen spannungsfreien Guss
und ein homogenes Gefüge im Objekt.
Abb. 19 Die Modellation wird sorgfältig eingebettet.
Abb. 20 Die Konstruktion wird in der Legierung Orplid Implant
gegossen.
Abb. 21 Das Objekt passt nach wenigen Schleifkorrekturen auf
das Modell.
Abb. 22 Die Unterkiefer-Brücken sind bereits verblendet.
Abb. 23 Das Ergebnis nach dem ersten Brand
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Abb. 24 Mein Arbeitsplatz während einer Langzeitschichtung:
Die Zellstoffstreifen sorgen für eine permanente Befeuchtung
der Keramikmasse.
Abb. 25 Die Restauration wird mit Schneide- und Transpamassen ergänzt. Auch das keramische Zahnfleisch wird aufgetragen.
Abb. 26 Der zweite Brand sieht schon unbearbeitet sehr
ansprechend aus.
Abb. 27 Die Oberkieferbrücke nach dem Ausarbeiten vor dem
Glanzbrand. Die Rohbrandeinprobe steht nun noch bevor.
Rohbrandeinprobe
Der Tag der Generalprobe nahte – die Rohbrandeinprobe. Visuelle Kontrolle und Sprachproben zeigten: wir waren etwas übers Ziel hinausgeschossen,
die Incisivi mussten in ihrer Länge gekürzt werden
(Abb. 28 bis 32). Bei der Rohbrand-Sitzung wurde
nicht nur die visuelle Ästhetik geprüft. Auch Phonetik, Okklusion, richtige Pontic-Einlagerung und die
Möglichkeit, die Implantate sauber zu halten, wurden abgeklärt.
Im Labor erfolgten die nötigen Korrekturen, bevor
der abschließende Glanzbrand mit nur minimalen
Charakterisierungen durchgeführt werden konnte
(Abb. 33 bis 36).
Abb. 28 Gold- bzw. Silberpuder lässt die Oberfläche und Form unverfälscht erkennen – die unbestechlichste Form der Oberflächenkontrolle.
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Abb. 29
Die Generalprobe –
Rohbrandeinprobe mit dem
Patienten. Der Patient steht im
Mittelpunkt der Einprobe und fühlt
sich sichtlich wohl.
Abb. 30 Beim genaueren Prüfen fällt uns jedoch auf, dass sich die …
Abb. 31 und 32 … Schneidekanten als etwas zu lang erweisen.
Abb. 33 Nach den Korrekturen erfolgte der Glanzbrand mit
minimalsten farblichen Charakterisierungen.
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Abb. 34 Hier wird besonders die saubere Verarbeitung von
basal deutlich.
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Abb. 35 Die Brücke von okklusal
Abb. 37
Nun werden die
Abutments eingeschraubt …
Abb. 36 Die Endkontrolle im Artikulator. Das Zahnfleisch
ergänzt die durch die Atrophie des Knochens verlorengegangenen Partien sehr sensibel. In diesem Fall ein ausschlaggebendes Kriterium für die ästhetische Wirkung.
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40
Abb. 38
… und die Brücke
zementiert.
Abb. 39
Ansicht in situ –
eine gelungene,
harmonische
Gestaltung von
keramischen
Gingivaanteilen,
Zahnersatz und
oralem Umfeld.
Abb. 40
Detail im
Halbprofil.
Abb. 41
Die obere künstliche Zahnreihe
ergänzt die untere
natürliche.
Eingliedern der Restauration
41
Endlich war der Tag, den unser Patient so herbeigesehnt hatte da: Die Abutments wurden eingeschraubt,
die Schraubenkanäle verschlossen und die Brücken
zementiert. Es dauerte einige Minuten bis sich die
Brückengliedauflagen unter leichtem Druck in die
Schleimhaut einlagerten, doch würden sie das Zahnfleisch in einigen Monaten schön ausformen. Okklusal
erfolgten nochmals kleinste Korrekturen. Dann war es
geschafft – und das Ergebnis mehr als akzeptabel:
Behandler und Techniker waren mit ihrer Arbeit zufrieden und der Patient strahlte (Abb. 37 bis 44).
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Abb. 43 …modische Accessoires wie die markante
Gürtelschnalle…
Abb. 42 Der charismatische Patient legt größten Wert auf sein
Äußeres: Silberhaar und strahlende Zähne …
Abb. 44 … das extravagante Schuhwerk. Von der Haarwurzel
bis zu den Schuhspitzen – jedes noch so kleine Detail ergänzt
sich perfekt zu einem unverwechselbaren Gesamtbild.
Danksagung
Mein Dank gilt neben dem Behandlerteam der
Gemeinschaftspraxis Dr. Ralf Masur & Partner, Dr.
Ralf Masur, Implantologie, und Dr. Andreas Kraus,
Prothetik, in ganz besonderer Weise unserem Patienten. Er begleitete aktiv und voller Motivation
unsere Arbeit und zeigte darüber hinaus viel Geduld bei der Erstellung der Fotodokumentation. K
Produktliste
Indikation
Implantate
Legierung Abutments
Legierung Brücken
Verblendkeramik
Wachsfacetten
Name
syn-octa
Orplid EH
Orplid Implant
Creation Classic
CALLAplus
Hersteller/Vertrieb
Straumann
C. Hafner
C. Hafner
Willi Geller
Teamziereis
Zur Person
Michael Schuhmann ist seit 1990 Zahntechniker. 1991 absolvierte er seinen Wehrdienst (unter anderem bei der
Zahnarztgruppe) und war anschließend in verschiedenen Laboratorien in Bayern und Niedersachsen auch als Laborleiter
tätig. Seit 2005 arbeitet er in einem kleinen aber feinen auf implantatgetragenen ästhetischen Zahnersatz spezialisierten
Labor in Bad Wörishofen. Auf Fort - und Weiterbildung legt er großen Wert. Er absolvierte Fortbildungen bei Bob Winter
DDS, Willi Geller, Dieter Schulz, Thilo Vock, Dr. Gernot Mörig, Michael Brüsch, Uli Werder, Peter Sauter, André Baur und
Jürg Stuck.
Kontaktadresse
IDEAL-Dental GmbH • Michael Schuhmann • Kneippstr. 12 • 86825 Bad Wörishofen • Fon +49 8247 992818
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