1 Predigt Ostersonntag, 27.03.2016, Marienhagen Liebe Gemeinde, zu Ostern geht ein Ruf um die Welt: “Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!“ Dieser Ruf basiert u.a. auf einem Bibelabschnitt des Apostels Paulus, in dem er ein noch älteres christliches Bekenntnis zitiert. In 1.Korinther 15,1-11 heißt es: Textlesung Lassen Sie uns dem Bekenntnisruf in vier Schritten nachgehen. 1) „Christus ist auferstanden“, der Ruf, der den Tod des Todes verkündigt Paulus zitiert ein ältestes Glaubensbekenntnis. “Christus ist gestorben für unsere Sünden nach den Schriften und ist begraben worden, er ist auferweckt worden am dritten Tage nach den Schriften.“ Der Tod Jesu wird bestätigt durch das Begräbnis. Die Auferweckung wird belegt durch die Erscheinung Christi vor Petrus und dem Zwölfer- Kreis sowie vor weiteren 500 Brüdern. Sie bezeugen, dass der gekreuzigte Jesus und der auferweckte Christus identisch sind. Der allmächtige Gott hat sein „Ja“ zum stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz gesprochen. Sünde und Tod sind besiegt. Der Ruf „Christus ist auferstanden“ ist ohne Karfreitag weltenthoben und geschichtslos. Mit der Auferstehung hat sich Jesus Christus nicht von dieser Welt verabschiedet. Im Gegenteil: die göttlichen Verheißungen werden ins Recht gesetzt. 2 Stellvertretend trägt Jesus Christus die Sünde der ganzen Welt und überwindet sie in seiner Auferstehung. Christi Tod und Auferstehung sind das Stoppzeichen Gottes gegen die Mächte der Hölle und des Todes. Das weltenwendende Ereignis der Auferstehung ist der Sieg des Lebens über den Tod. Die Auferstehung bedeutet eine Ächtung von Gewalt und Terror. Alle lebensfeindlichen Mächte werden damit demaskiert. Der widerwärtige und infame Bombenanschlag von Brüssel gegen arg- und wehrlose Menschen bedeutet einen Fundamentalangriff gegen das göttliche Ringen um Leben und Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit. Der Terrorakt ist ein Aufbäumen gegen die Osterbotschaft der Befreiung von Tod und Sünde. Am Karfreitag hat Gott um unseretwillen in Jesus das tiefste Leid und den Tod erlitten. Jesus war bei den Leidenden, den Sterbenden und selbst bei den Toten. Wenn das so ist, dann dürfen wir darauf vertrauen, dass der Auferstandene auch heute mitten unter uns ist: Er ist mitten im Leid Verzweifelter, deren Angehörige den Bomben von verblendeten Terroristen in Brüssel zum Opfer gefallen sind, in ihrem Ringen nach dem Warum und in unserem Entsetzen über einen Irrglauben, der in der Tötung von Menschen einen letzten Sinn zu finden sucht. Der Auferstandene ist mitten in den Kriegsschauplätzen dieser Welt an der Seite von Leidenden, von Hilfe suchenden Kreaturen, von Flüchtenden und Gequälten. Er ist an der Seite der Opfer und der Trauernden. Der Auferstandene ruft uns auf, der Leidtragenden in unseren Fürbitten zu gedenken und ihnen das zu tun, was ihre Not wendet. 3 Der Auferstandene ist auch mitten unter uns in unserer Krankheit und beim Abschied von vertrauten, lieben Menschen. Er entzieht sich dieser Welt nicht, sondern ist mitten in Trauer und Leid gegenwärtig. Er steht auch an unseren Sterbebetten. Wenn wir in den Wüsten unsers Lebens unterwegs sind, wenn wir alles verloren zu haben scheinen, dann heißt das Osterbekenntnis: Christus trägt auch meine Krankheit und Sünde, meine Schuld und meine Einsamkeit. Dann heißt Auferstehung: niemand bleibt im Leben und im Sterben allein. Dann heißt das todesüberwindende Handeln: der Gekreuzigte und Auferstandene trägt auch unsere Selbstverkrümmung. Er nimmt auch unsere Abkehr von Glaube, Liebe und Hoffnung auf sich. Dann bedeutet das Osterereignis: wir sterben zwar mit Jesus Christus. Uns ist aber auch verheißen, dass wir mit ihm auferstehen. Martin Luther sagt: „Durch den Tod Jesu wird der Tod getötet.“ Die Furcht und Angst vor Sterben und Tod haben nicht das letzte Wort, denn auch diese Furcht hat Jesus in seinen Schrei am Kreuz mitgetragen. Der eine Tod Jesu am Kreuz ist der Tod des Todes. Gott identifiziert sich mit dem gekreuzigten und begrabenen Jesus Christus. Gott durchbricht den Unheilszusammenhang von Sünde und Tod. Ja, unser Leben ist ein Leben zum Tode. Unser Sterben macht uns hilflos und lässt uns nicht - wie in der griechisch-römischen Antike heroisch in den Tod treten. Aber Jesus Christus verbürgt sich an unserer Statt für ein neues Leben aus dem Tod. Die Sünde ist tot und das Leben ist eröffnet. So steht Jesus als der Überwinder des Todes an unseren offenen Gräbern, an den Orten von Leid und schlimmen Geschehnissen, in den Konfrontationen und Auseinandersetzungen verfeindeter Menschen. 4 So nimmt der Gekreuzigte und Auferstandene unser Leben mit seinen glücklichen Momenten, aber auch mit seinen Einschnitten und Abbrüchen, mit seinen Verletzungen und seinem Scheitern, in seine durchbohrten Hände, um es nie mehr loszulassen. 2) „Christus ist auferstanden“, der Ruf, der unsere Hoffnung begründet Seit Ostern geht unsere Hoffnung auf Sinn und Leben, Zukunft und Ewigkeit nicht ins Leere. Sie hat einen lebendigen Adressaten. Der Karfreitag sagt uns über unserem Leben: wir sind Gott das Kreuz wert. Und seit dem Ostersonntag gibt es ein getrostes Vertrauen in unsere Rettung. Der Auferstandene stellt uns in den Raum der Hoffnung. Wir wissen, dass unser Leben zerbrechlich und beladen ist. Wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann wäre unser Leben ohne Perspektive und Hoffnung. Seit der Auferstehung Jesu Christi fällt in die tiefsten Dunkelheiten jedes Abschieds ein Strahl der Ostersonne. Die frühen Christen haben mit Ihrem Bekenntnisruf: “Der Herr ist wahrhaftig auferstanden“ auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben gehofft. Sie haben ihr ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt. Sie haben ihr Leben nicht der Ewigkeit des Geistes oder der Unsterblichkeit der Seele anvertraut. Sie haben nicht an einen ewigen Kreislauf der Natur geglaubt. Ihre Hoffnung ruhte nicht auf der Unzerstörbarkeit der Materie und auf einer Rückkehr in den bisherigen Leib. Vielmehr haben sie nach einem alles verändernden Eingriff Gottes gefragt. Sie haben sich nach einem neuen, von Gott geschenkten Leben ausgestreckt. 5 Dabei haben sie auf die Auferstehung der Toten gehofft, auf den Übergang in eine neue Lebenssphäre. Der erste Korintherbrief gibt uns die Hoffnung, dass in Niedrigkeit gesät wird und dass wir in Herrlichkeit auferstehen, dass in Armseligkeit gesät wird und dass wir in Kraft auferweckt werden. Gott verspricht uns mit der Auferweckung seines Sohnes ewiges Leben. Ein Leben nicht als Verlängerung des irdischen Lebens, sondern als Anteilgabe an Gottes Ewigkeit. In einer Hoffnung über den Tod hinaus. In der Zusage, dass wir in Gottes Ewigkeit geborgen sind. In der Gewissheit, dass wir auch im Sterben nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Ostern erdet unsere Hoffnungen und beflügelt unser Leben. Weil Gott seinen Sohn auferweckt hat und er uns in ihm das Leben schenkt, nehmen wir das: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst.“ für uns und unser Leben in Anspruch. Gott ruft uns bei unserem Namen. Wir gehören zu ihm (s. Jes. 43,1). Dieser neue, weite Horizont lässt uns leben als Menschen der Hoffnung gegen Angst und Furcht, Sterben und Tod. Schrecken und Sehnsucht, Angst und Zuversicht unseres Lebens werden aufgehoben in der Zusage des Auferstandenen: „Ich erwarte dich.“ 3) „Christus ist auferstanden“, der Ruf, der uns entschlossen und „beherzt“ handeln lässt Ostern führt uns hinein in die Verantwortung für diese Welt. Die Begegnung mit dem Auferstandenen lässt niemanden unverändert. Die Sorge allein für das eigene Seelenheil entspricht nicht der Erlösung Gottes für seine Kreatur. 6 Ostern führt uns zu einem Handeln, das entschlossen ist, dem Wirken lebensfeindlicher Mächte entgegenzutreten. Zu einem Handeln, das dem Terrorismus in aller Schärfe widerspricht. Zu entschiedenen Maßnahmen gegen fehlgeleitete Fundamentalisten, die das Morden Unschuldiger zur obersten Maxime erheben. In der Autorität des Lebensfürsten ist diesen Kämpfern die Stirn zu bieten. Dies kann nur in der entschlossenen Reaktion auf Gewalt und Terror in der Vernetzung der Sicherheitsbehörden und in ihrer Kooperation in ganz Europa geschehen. Wenn der IS ein globales Netzwerk aufgebaut hat, kann die Antwort nur ein einem abgestimmten europäischen und globalen Handeln bestehen. Ostern heißt, gegen Gewalt und Terror mit der Schärfe der Rechtsordnung aufzustehen. Zugleich aber leitet uns Ostern zu einem Handeln an, das in der Begegnung mit Leidenden „beherzt“ ist und der Botschaft der göttlichen Barmherzigkeit folgt. Christus möchte unserm Glauben Kraft verleihen. Wo Menschen Not wenden und Barmherzigkeit an Hilfesuchenden üben, da sagt Jesus: „Das habt ihr mir getan.“ Deshalb heißt Ostern zugleich, unser Herz für die Leidtragenden zu entdecken und zu öffnen. Ostern heißt, das Leid und die Not genauso wie die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und sich für die Mitgeschöpfe einzusetzen. Der Auferstandene leitet uns dazu an, das eigentliche Leben zu suchen: das Leben in Begegnung und Gemeinschaft, das Leben in Frieden und Versöhnung. Unsere heutige Welt ist gekennzeichnet von Flucht und Vertreibung, einer Herausforderung, die Europa nach dem Zweiten Weltkrieg noch nie erlebt hat. 7 Große Unsicherheiten haben sich breitgemacht, weil für manche der Staat und damit Recht und Ordnung auf dem Rückmarsch sind. Weil Ängste vor einem Erstarken des Islam im Inland zunehmen. Wir haben die Auswirkungen dieser Befürchtungen und Ängste auch anhand des Wählerverhaltens in den vergangenen Landtagswahlen erlebt. Das Handeln im Auftrag des Auferstanden gebietet die gemeinsame und abgestimmte Übernahme von Verantwortung in ganz Europa als einer reichen und leistungsfähigen Staatengemeinschaft. Die globalisierte Welt, Flucht und Vertreibung werden den Kontinent Europa vor weitere Herausforderungen stellen. Der jetzige Vertrag mit der Türkei ist ein Schritt zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Gleichwohl bleiben humanitäre Katastrophen in den Kriegsgebieten und auf den Fluchtwegen. Die Hilfe für Flüchtlinge darf auch an der griechisch-mazedonischen Grenze nicht zum Erliegen kommen. Drauf haben die Hilfsorganisationen mit Nachdruck hingewiesen. Die Zugeständnisse für den Reiseverkehr sind sinnvoll, wenn ein Austausch gelingt. Dazu ist aber eine große Anzahl von Asylentscheidern, Übersetzern und Polizisten nötig. Die große Frage für alle lautet: “Werden wir die Integration schaffen?“ In Deutschland selber ist die Einrichtung einer Vielzahl von Stellen in den Kindergärten und Schulen unabdingbar. Sprache als das grundlegende Mittel der Verständigung und Integration ist unentbehrlich. Dafür und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sieht der neue Bundeshaushalt 2017 entsprechende Mittel vor. Mit der Auferweckung Jesu Christi hat Gott das Handeln Jesu an Schwachen und Ausgegrenzten, Hilfesuchenden und Verfolgten ins Recht gesetzt. 8 Ostern ruft uns deshalb dazu auf, in der Hilfe und Unterstützung im Verbund von Behörden, Organisationen, Vereinen und Kirchen nicht nachzulassen. Ostern ruft uns dazu auf, die Hilfen ggfs. in neue, leistungsfähigere Strukturen zu überführen. Ostern ruft uns auf, die zukunftsträchtigen Impulse zur Ausbildungsförderung und Integration aus Wirtschaft, Industrie und Handwerk dankbar aufzunehmen und zu unterstützen. Ostern ruft uns auf, die Vermittlung der grundlegenden Werte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, vor allem der Beachtung der Menschenwürde, weiter voranzubringen. Ostern ruft uns dazu auf, uns an unseren Orten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Miteinander von Kulturen und Religionen einzusetzen. Ostern ruft uns auf, Gespräche zu führen, Sorgen aufzugreifen und Lösungsstrategien gemeinsam zu bedenken. Ostern ruft uns auf, im Miteinander zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Flüchtlingen Hilfe zu üben und Frieden zu stiften. Ostern steht allerdings gegen Gewalt und Hetze, das Verunglimpfen von Menschen und Gruppierungen sowie die Stigmatisierung und Ausgrenzung von Hilfesuchenden. Die Konsequenz von Ostern ist also zum einem, dem Morden Einhalt zu gebieten und entschlossen jeglichem Terrorismus und gewaltbereiten Fundamentalismus entgegenzutreten, zum anderen, Gesten der Liebe zu üben sowie Maßnahmen der Integration fortzusetzen und zu verstärken, und insgesamt, sich für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen, die Freiheit zu verteidigen und der Menschenwürde in allen Belangen zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei gilt es, entschlossen und „beherzt“ zu handeln. 9 4) „Christus ist auferstanden“, der Ruf, der den Himmel für unser Leben öffnet Durch Kreuz und Auferstehung Jesu, durch sein stellvertretendes Leiden und Sterben sind wir mit Gott versöhnt. Gott nimmt unsere Schuld auf sich und schenkt uns Versöhnung. Damit sind wir befreit, mit Christus als neue Menschen zu leben. Das Evangelium ist mehr als Lebenshilfe. Das Evangelium lässt uns Grenzen überschreiten und entfaltet die Lebenskraft der Hoffnung unter uns. Die Auferstehungsbotschaft führt Himmel und Erde zusammen. Gott und Mensch treten in eine wahre Beziehung. Es gibt keine Begegnung mit dem Auferstandenen ohne Beauftragung. Selbst Paulus, der sich als Fehlgeburt bezeichnet, weil er die Gemeinde Jesu Christ zunächst mit aller Härte verfolgt hat, wird Teil der Ostergeschichte. So wird Ostern zu einer Verstrickung in die Worte, Bilder und Geschichten des Auferstandenen. Ostern muss sich heute neu ereignen. Das bedeutet keinen smileGlauben, kein ständiges freudestrahlendes Auftreten, sondern ein getrostes Leben. Leid und Schuld werden nicht verdrängt, sondern überwunden und vergeben. Gottes Liebe führt zu einem neuen Leben. So dürfen wir im Auftrag Jesu Christi selbst zu Osterboten werden. Denn das ewige Leben gibt unserem zeitlich begrenzten Leben seinen eigentlichen Sinn. Ostern ist mehr als das Nachvollziehen eines mehr oder weniger beweisbaren geschichtlichen Ereignisses. Es bedeutet vielmehr den Glauben an Jesus Christus als den Retter und Erlöser. 10 Gottes Aufstand gegen den Tod tritt mitten in unser Leben hinein. Damit werden wir mutig und frei. „Christus ist auferstanden“ ist dann keine abstrakte Wahrheit, sondern kann lebendige Wirklichkeit und persönliche Erfahrung werden. Ostern eröffnet uns die realistische Chance, dem Auferstandenen heute zu begegnen. Niemand wird dem Tod überlassen. Wir haben Anteil an Gottes Aufstand gegen den Tod. Sein Licht leuchtet, sein Feuer wärmt, Brot und Wein im Gedächtnis an ihn und in der Hoffnung auf ihn stärken uns. Das Grab ist leer. Der Auferstandene erscheint Menschen in vielfacher Weise, redet sie in Vollmacht an und beauftragt sie. Christus ist auferstanden. In der Kraft des allmächtigen Gottes öffnet sich der Himmel auf die Erde hin. Gottes Kraft will in unser Leben Einzug halten. Deshalb ist nach Ostern nichts unabänderlich. Nach Ostern ist keine Situation ausweglos. Wenn wir sagen „Es ist genug“, sagt der Auferstandene: „Es beginnt“. Wenn wir sagen: „ Wir haben keine Kraft mehr“, sagt der Auferstandene: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Wenn wir sagen: „ Es ist sinnlos“, sagt der Auferstandene: „Ich gebe dir Zukunft und Hoffnung.“ Gottes Zukunft überstrahlt unseren Alltag, weitet und erfüllt ihn. So öffnet sich der Himmel über unserem Leben. Hier und heute und für die Ewigkeit. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. 11 Amen. Jürgen Knabe
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