Statusreport Industrie 4.0 – Technical Assets Grundlegende Begriffe, Konzepte, Lebenszyklen und Verwaltung November 2015 Vorwort Der Statusreport präsentiert grundlegende Konzepte zur Modellierung von technischen Assets, ihren Lebenszyklen und ihrer Verwaltung in der Informationswelt. Die Ergebnisse basieren auf Arbeiten des VDI/VDE-GMA Fachausschusses FA7.21 „Industrie 4.0“. Dieser Fachausschuss beschäftigt sich mit Begriffen, Referenzmodellen und Architekturen für ein zukünftiges Industrie-4.0(I4.0)-Systemdesign. In diesem Beitrag werden Ergebnisse eines Arbeits- pakets vorgestellt, das sich mit Referenzmodellen im Umfeld der technischen Assets befasst. Die Referenzmodelle werden vorgestellt und es wird gezeigt, wie diese in einen Gesamtmodellrahmen eingeordnet werden können. Wesentliche Beiträge aus anderen Arbeitsgruppen, insbesondere des ZVEI (SG2), wurden in die Ergebnisse eingearbeitet. Düsseldorf im November 2015 Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Prozessleittechnik www.vdi.de www.vdi.de Industrie 4.0 - Technische Assets 3 Inhalt Vorwort 1 1 Motivation 4 1.1 Referenzmodelle und Architekturen 4 1.2 Inhalt dieses Statusreports 4 2 3 4 5 Technische Assets 5 2.1 Common-Life-Cycle-Schema 5 2.2 Kategorien der Technischen Assets 6 2.3 Wertschöpfungsketten 6 Assets als Basis der RAMI4.0-Architektur 9 3.1 x-Achse: Ordnung der Asset nach Kategorien 9 3.2 y-Achse: Ordnung nach Rollen 9 3.3 Individuelle Ausprägung der RAMI4.0-Architektur in einem konkreten organisatorischen Umfeld 10 Informationswelt 11 4.1 Physischer Träger 11 4.2 Digitales IT-System 11 Verwaltung von Assets in der Informationswelt 12 5.1 Klassifikation des Bekanntheitsgrads von Assets im digitalen IT-System 12 5.2 Verwaltungsschale 13 6 Physische Assets als Informationsträger 6.1 Kommunikationsfähigkeit 14 14 7 Assets als Teil des digitalen IT-Systems 15 7.1 CP-Klassifikation 15 7.2 I4.0-Komponente 15 7.3 Onboard-Ressourcenmanager 15 8 Zusammenfassung 16 9 Begriffe 17 Autoren 22 Literatur 23 www.vdi.de 4 Industrie 4.0 - Technische Assets 1 Motivation Industrie 4.0 befasst sich mit zukünftigen Szenarien der industriellen Produktion [1; 3]. Die „Plattform Industrie 4.0“ [2] sieht drei charakteristische Aspekte dieser zukünftigen Welt: konzeptuelle Referenzmodelle Produkt Prozedur Lebenszyklus eine neue Stufe der Organisation und Steuerung der Wertschöpfungsketten von Produkten über den gesamten Lebenszyklus die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Verknüpfung aller Teilnehmer der Wertschöpfungsprozesse die Schaffung von wandelbaren, in Echtzeit optimierten und selbstorganisierten globalen Wertschöpfungsnetzwerken durch das Zusammenwirken von Menschen, Produkten und Systemen mit ihren Fähigkeiten Die Integration der Steuerung und Organisation dieser neuen Wertschöpfungsnetzwerke in die industrielle Anwendung stellt für die Automatisierung eine große Herausforderung dar. Auf der einen Seite müssen die bestehenden Systeme in der industriellen Automation so ertüchtigt werden, dass sie in der Lage sind, die Anforderungen der überlagerten Managementsysteme zu bedienen. Auf der anderen Seite müssen zukünftige Automatisierungssysteme in der Lage sein, Geschäftsprozesse zur Ausführung von Wertschöpfungsketten direkt in ihrer Funktionalität zu integrieren. Diese Herausforderungen verdeutlichen die Vielzahl der Aufgabenstellungen, die sich für die zukünftigen industriellen Automatisierungssysteme ergeben. Jede zukünftige Referenzarchitektur muss diesen Anforderungen Rechnung tragen. 1.1 Referenzmodelle und Architekturen Systematische und nachhaltige Entwicklungsprozesse benötigen als Rahmen eine Systemarchitektur, die auf einem Satz von stabilen, konsensbasierten und standardisierten Referenzmodellen aufbaut. In den letzten Jahren wurde intensiv an der Entwicklung der benötigten Referenzmodelle gearbeitet. Bild 1 gibt einen Überblick über die im VDI/VDE-GMA Arbeitskreis FA7.21 diskutierten Modelle. Die in den dargestellten Referenzmodellen enthaltenen Konzepte sind vielfach schon lange bekannt und Grundlage bestehender Standards, Richtlinien und industrieller Lösungen. Typischerweise werden sie jedoch anwendungsspezifisch verwendet und sind nur implizit und informativ formuliert. www.vdi.de Wertschöpfungskette Asset Ding Merkmal I4.0Komponente Arbeitsablauf Laufzeitplattform Geschäftsprozess SelfX-Modell Dienstmuster Dienstkonzept GMA FA7.21 ©epple2015 Bild 1. Konzeptuelle Referenzmodelle Für eine Nutzung als allgemeine konzeptionelle Grundlage müssen sie überarbeitet, verallgemeinert und formalisiert werden. Im Rahmen von I4.0 werden neben den Referenzmodellen auch Referenzarchitekturen benötigt. Referenzarchitekturen bilden einen konzeptionellen Rahmen für die Systemkonstruktion. Die Referenzmodelle beschreiben die zu diesem Rahmen gehörenden Bauprinzipien. Das RAMI4.0-Modell (Bild 2) beschreibt eine Referenzarchitektur für I4.0-Systeme. Das RAMI4.0-Modell wird als DIN SPEC 91345 veröffentlicht werden [7]. Bild 2. Die RAMI4.0-Referenzarchitektur [7] 1.2 Inhalt dieses Statusreports In diesem Statusreport stehen die Assets und ihre Verwaltung im digitalen IT-System im Vordergrund. Referenzmodelle der Assets sind für das Verständnis von zentraler Bedeutung, sie bilden die Grundlage für die Modellierung von vielen anderen Referenzmodellen, so z. B. für die Modellierung der Lebenszyklen, der Wertschöpfungsketten und der Produktverfolgung. Assets werden typischerweise elektronisch im digitalen IT-System repräsentiert und verwaltet. Die digitalen Objekte zur Asset-Repräsentation und -Verwaltung bilden eine Grundlage, auf der die Informationsmodelle der überlagerten Funktionsebenen aufbauen. Industrie 4.0 - Technische Assets 5 2 Technische Assets Im Umfeld von I4.0 spielen eine Vielzahl verschiedener Arten von Gegenständen eine Rolle: Menschen, technische Dinge, natürliche Dinge, Firmen usw. Ohne Wertung der Wichtigkeit dieser Gegenstandsarten beschränkt sich dieser Beitrag auf die Betrachtung der technischen Gegenstände. Dabei definieren wir einen technischen Gegenstand wie folgt: Definition Ein technischer Gegenstand ist ein Artefakt, das speziell zur Ausführung einer bestimmten Rolle in einem bestimmten System gedacht ist. Technische Gegenstände sind bewusst hergestellt, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Technische Gegenstände besitzen ein gemeinsames Schema des Ablaufs ihres Lebenszyklus und des damit verbundenen Wertverlaufs. Technische Gegenstände, bei denen die Aspekte „Wertverlauf“ oder „Eigentümer“ eine wichtige Rolle spielen, bezeichnet man auch als „technische Assets“. Da dies praktisch immer der Fall ist, können die Bezeichnungen „technischer Gegenstand“ und „technisches Asset“ als Synonyme angesehen werden. In diesem Statusreport wird der Begriff „technisches Asset“ oder vereinfacht nur „Asset“ verwendet. 2.1 Common-Life-Cycle-Schema ge Asset, es ist jedoch noch nicht funktionsbereit. Die Bereitstellungsphase umfasst alle Vorgänge zwischen der Fertigstellung und der Funktionsbereitschaft am Einsatzort. Zu den Bereitstellungsvorgängen gehören z. B. der Versand, der Transport, die Zwischenlagerung, die Parametrierung, die Montage oder bei Software-Assets z. B. die Freigabe, der Download, die Installation. Nach der Bereitstellung ist das Asset am Einsatzort fertig installiert und betriebsbereit, das heißt bereit, seine vorgesehene Rolle als technische Einrichtung zu erfüllen. In der folgenden Nutzungsphase sind zwei verschiedene Sichten auf das Asset zu berücksichtigen: die Nutzungssicht und die Instandhaltungssicht. Aus Nutzungssicht ist das Asset ein Teil des technischen Systems zur Durchführung der gewünschten technischen (Produktions-, Nutzungs-) Prozesse. Aus Instandhaltungssicht ist das Asset nach wie vor ein Produkt, dessen Funktionsfähigkeit erhalten oder wieder hergestellt werden muss. Die Instandhaltung kann durch den Nutzer selbst, eine externe Werkstatt oder den Hersteller ausgeführt werden. Dabei kann die Arbeit vor Ort, remote oder nach Ausbau in der Werkstatt erledigt werden. Bestimmte Instandhaltungsvorgänge können als eine Rückschleife über eine erneute Herstellphase und Wiederinbetriebnahme angesehen werden, andere nur als eine Statusänderung am laufenden Asset. In zukünftigen Geschäftsmodellen für CPS wird im Einzelfall genau zu klären sein, wer für welche Instandhaltungsaufgaben zuständig ist und wie diese auch remote realisiert werden können. Wie in Bild 4 dargestellt haben alle Assets eine typische, strukturell ähnliche Wertenwicklung über ihren Lebenszyklus. In Bild 3 ist das allgemeine Schema des Lebenszyklus aller technischen Assets dargestellt. 3. Bereitstellung 1. Auftrag 2. Herstellung 4. Nutzung 7. Entsorgung 6. Ertüchtigung GMA FA7.21 5. Instandhaltung ©epple2015 Bild 3. Allgemeines Schema des Lebenszyklus technischer Assets Bild 4. Typische Wertentwicklung eines technischen Assets über seinen Lebenslauf Jedes technische Asset dient einem Zweck und wird gezielt hergestellt. Der Charakter des Herstellprozesses hängt von der Art des Assets ab. Unter Herstellung versteht man z. B. die Entwicklung (eines Typs), das Engineering (einer Anlage), die Messung (einer Zustandsinformation), den Bau (einer Anlage), die Produktion (eines Produkts). Im Sinne des Lebenszyklus der entsprechenden Assets sind dies alles Herstellprozesse. Nach der Herstellung existiert das ferti- Innerhalb der Herstellphase steigt der Substanzwert des Assets. In der Bereitstellungsphase nimmt der Gebrauchswert für den Nutzer weiter zu. Im Laufe der Nutzungsphase nimmt der Wert typischerweise aufgrund von Alterungseffekten wieder ab. Die Wertabnahme kann durch Abnutzungserscheinungen oder durch schlichtes Veralten der Technik verursacht werden. Durch Instandhaltung und Optimierung kann die Wertabnahme teilweise kompensiert werden. www.vdi.de 6 Industrie 4.0 - Technische Assets 2.2 Kategorien der Technischen Assets In I4.0-Systemen gibt es viele verschiedene Arten von technischen Assets. Prinzipiell lassen sie sich fünf Kategorien zuordnen (siehe Bild 5). Bild 5. Kategorien technischer Assets 2.3 Technische Assets können entweder ein Teil der physischen Welt oder der Informationswelt sein. Materielle Assets sind Teil der physischen Welt. Dazu gehören Werkstücke, Rohrleitungen, Motoren, Pumpen, Produktionsanlagen, Computer, Speichereinheiten, Aktenschränke usw. Auch ein Träger mit einer auf ihm digital gespeicherten Software ist insgesamt ein materielles Asset und gehört zur physischen Welt. In technischen Systemen wirken verschiedene Assets in komplexen Netzwerken zusammen. Jedes Asset hat seine eigene Identität und seinen eigenen Lebenszyklus. Aufgrund des Zusammenwirkens im Netzwerk gibt es jedoch vielfältige Abhängigkeiten zwischen den Lebenszyklen der beteiligten Assets. Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Immaterielle Assets sind Teil der Informationswelt. Dazu gehören z. B. Konzepte, Modelle, Pläne, Standards. Metamodelle sind Assets, die nicht direkt instanziiert werden können (z. B. Standards, Grundregeln, Methoden, Technologien, gemeinsame Verfahren). Klassenmodelle sind Assets, die instanziiert werden können. Dazu gehören typischerweise alle Pläne, z. B. die Spezifikation eines Produkttyps, eine SoftwareVersion, die Beschreibung einer Produktfamilie, die Planungsunterlagen einer. Zu den Instanzmodellen gehören Festlegungen, die nur eine bestimmte Instanz betreffen, beispielsweise einen konkreten Produktionsplan, eine spezielle Konfiguration für eine Aufgabe oder die Beschreibung eines konkreten Systems. Obwohl sich die Instanzmodelle auf ein konkretes physisches System beziehen, gehören sie doch selbst zur Informationswelt. Als letzte Kategorie gibt es noch die Kategorie der empirischen Datenmodelle. Durch Datenanalyse können aus den Lebenszykluszuständen der physischen Assets (durch Data Mining, Big-Data-Analysen usw.). Modelle gewonnen werden. Diese stellen einen eigenen Wert dar und sind eine eigene Kategorie von Assets. www.vdi.de Wie in Bild 5 dargestellt, können die Asset-Kategorien noch in Instanzen und Typen unterteilt werden. Ein immaterielles Asset ist nicht das Ding an sich, sondern die Beschreibung eines Dings. Das Ding, auf das sich die Beschreibung bezieht, kann entweder selbst ein abstraktes Objekt (Allgemeinbegriff) oder ein individuelles Objekt (Individualbegriff) sein. In der Semantik der ISO 15926 [16] entspricht dies einem „AbstractObject“ und einem „PossibleIndividual“. Die Bezeichnungen „Typen“ und „Instanzen“ sind leider etwas missverständlich. Sie sollen darauf hinweisen, dass es sich bei der Beschreibung um einen Allgemeinbegriff oder einen Individualbegriff handelt. Genau diese Unterscheidung ist auch im RAMI4.0-Modell auf der x-Achse abgebildet. Wertschöpfungsketten Aggregation technischer Assets Die Festlegung eines Assets ist nicht an eine bestimmte Ebene des Umfangs oder der Komplexität gebunden. Assets können ganz einfach aber auch sehr umfangreich und komplex sein. Ein häufig benutztes Prinzip, um neue Assets zu erstellen, ist das Konstruktionsprinzip. Es ist in allen Kategorien weit verbreitet. Nach dem Konstruktionsprinzip können neue, komplexere Assets durch die Verschaltung von bereits vorhandenen einfacheren Assets erzeugt werden. Das Schema kann rekursiv angewendet werden. Abhängigkeit zwischen Typen und Instanzen Im industriellen Umfeld werden Produkte und Anlagen zunächst geplant und dann gebaut. Jedes physische technische Asset kann als eine Instanz angesehen werden, die gemäß dem in einem Modell hinterlegten Plan konstruiert wird. Das Modell selbst ist jedoch ein eigenes Asset. In den meisten Fällen wird es sich bei dem Planungsmodell um ein Klassenmodell handeln. In speziellen Fällen (Unikatbau) kann man den Plan selbst jedoch auch als Instanzmodell anlegen. Die Konstruktion des physischen Assets erfolgt unter Nutzung des Planungsassets. In diesem Fall setzt die Konstruktion (Herstellung) des physischen Assets die Verfügbarkeit eines fertigen und freigegebenen Plans (Plan in der Nutzungsphase) voraus. Industrie 4.0 - Technische Assets Bild 6 verdeutlicht diese Abhängigkeiten an einem Beispiel: Ein Ausrüster A will einen neuen Bauteiltyp AX auf den Markt bringen. Der Bauteiltyp wird entwickelt und für die Produktion freigegeben. Die Freigabe umfasst einerseits die Veröffentlichung des neuen Bauteiltyps in einem Katalog, in dem die Eigenschaften von AX für potenzielle Käufer beschrieben werden (braune Pfeile) und andererseits sämtliche Pläne, die zur Herstellung des Bauteils benötigt werden (schwarze Pfeile). Der Maschinenausrüster B plant die Konstruktion eines neuen Maschinentyps BY. Er sucht dazu passende Bauteile in den Bauteilkatalogen und wählt AX aus. Daraufhin integriert er die Funktionalität von AX in sein Planungsmodell. Bild 6. Beispiel zur Verkopplung der Lebenszyklusprozesse Der Anlagenplaner C entwirft sein Anlagenmodell und verwendet dabei die Beschreibung der Maschine BY, die er aus der Produktbeschreibung des Herstellers B entnimmt. Bisher gehören alle Assets und Prozesse zur Informationswelt. In der Realität umfasst die Entwicklung von neuen Bauteiltypen auch die Herstellung und den Test von physischen Prototypen, 0-Serien usw., und die Grenze zwischen Entwicklung und Produktion ist nicht so scharf. Dies ändert jedoch nichts am konzeptionellen Prinzip. Die grauen Schwimmlinien zeigen die Lebenszyklen der beteiligten physischen Assets. Wie die physischen Assets herzustellen sind, ist in den Planungsunterlagen beschrieben (schwarze Pfeile). Die grauen Pfeile stehen für die physischen Assets, die bei der Konstruktion in den komplexeren Maschinen und Anlagen verbaut werden. Wie auf der rechten Seite dargestellt, geht ein Bauteil erst mit der Maschine, in der er verbaut ist, in Betrieb (in die Nutzungsphase). Das dargestellte Beispiel verdeutlicht die Verkopplung der Lebenszyklen von aggregierten Produkttypen und physischen Produkten. Weiterführende Erläuterungen findet man in IEC 2890 [6] und [10]. 7 In der industriellen Produktion sind die Lebenszyklen und damit die Wertschöpfungsketten von Produkttypen, Prozesstypen, Produkten (physikalische Instanz) und technischen Anlagen (physikalische Instanz) untereinander verkoppelt. Sie bilden ein charakteristisches Grundmuster für die Wertschöpfungsnetzwerke in der industriellen Produktion (Bild 7). Bild 7. Grundmuster der Wertschöpfungsnetzwerke in der industriellen Produktion [11] Klassische und zukünftigen Produktionsstrukturen unterscheiden sich erheblich im Hinblick auf die Gestaltung von Produktionsketten, den Zuschnitt der Zuständigkeiten und der rechtlichen Kompetenzen, der Steuerung und Organisation der einzelnen Wertschöpfungsprozesse und der Zusammenschaltung von Organisations- und Informationsflüssen. Bild 8 zeigt ein Beispiel eines herkömmlichen „großen“ Herstellers. Der Hersteller (graue Box) hat eine eigene Produktentwicklung und eine eigene Prozess- und Anlagentechnik. Bild 8. Beispiel: klassischer großer Produzent [11] www.vdi.de 8 Industrie 4.0 - Technische Assets Eine solche Situation ist heute typisch für einen großen Hersteller, z. B. in der Prozessindustrie, der Fertigungsindustrie oder der Elektrotechnik. alisierten Produktion dargestellt. In diesem Beispiel wird die Produktion durch ein 3-D-Druck-ServiceUnternehmen realisiert (graue Box). Dieses Unternehmen besitzt 3-D-Druck-Service-Maschinen. In diesem Fall fällt der gesamte Anlagenbau zusammen auf das Aufstellen der gekauften 3-D-Druckmaschinen. Die Produkttypentwicklung wird komplett an den Kunden abgegeben. Sie kann durch eine spezialisierte Design-Firma oder vom Kunden selbst (gelber Kasten) realisiert werden. Das Beispiel zeigt die allgemeine Anwendbarkeit des in Bild 7 dargestellten Grundmusters. Bild 9. Beispiel: 3-D-Druck-Service Eine Veränderung in den Geschäftsmodellen kann die Komplexität der verschiedenen Prozessschritte und die Verantwortlichkeiten erheblich verändern. Damit diese Wandelbarkeit auch in der industriellen Produktion praktisch wirksam werden kann, müssen die einzelnen Wertschöpfungsprozesse strikt modularisiert und über standardisierte Schnittstellen miteinander verkoppelt werden. Neben dem Lebenszykluszustand der Assets sind dabei insbesondere der Steuerfluss, der Kostenfluss und der Dokumentationsfluss zu beachten. Das in Bild 7 dargestellte Metamodell erhebt den Anspruch, für alle Arten von Unternehmensorganisation im Umfeld eines industriellen Produktionsprozesses einen allgemein anwendbaren Rahmen zu bilden. Es kann verfeinert werden, z. B. zur genaueren Erfassung der Informationen, die zwischen den Blöcken ausgetauscht werden [17], und erlaubt eine Darstellung der verschiedensten Geschäftsprozessmodelle. Dazu ist in Bild 9 die Situation im Fall einer individu- www.vdi.de Industrie 4.0 - Technische Assets 9 3 Assets als Basis der RAMI4.0-Architektur Die unterste Ebene des RAMI4.0-Architekturmodells ist die Asset-Ebene (Bild 2). Auf dieser befinden sich die Assets selbst. Es ist eine charakteristische Eigenschaft der RAMI4.0-Architektur, dass ausnahmslos alle Assets, also auch die nicht materiellen Assets der Asset-Ebene zugeordnet werden [7; 8]. Diese Vorstellung prägt die RAMI4.0-Architektur. Sämtliche Arten von Assets befinden sich auf der untersten Ebene des RAMI-Modells. Es bietet sich an, diese zu ordnen. Der gewählten Ordnung liegen fundamentale und allgemeine Prinzipien zugrunde. Leider sind diese aus den Achsendarstellungen in Bild 2 nicht direkt intuitiv zu erkennen. Die folgenden Abschnitte erläutern die wesentlichen Grundzüge. 3.1 x-Achse: Ordnung der Asset nach Kategorien Im RAMI4.0-Modell werden in x-Richtung die Assets entsprechend ihrer Kategorie geordnet. Die Darstellung unterscheidet in „Typen“ und „Instanzen“. Diese Bezeichnung stammt aus der Entstehungsgeschichte von RAMI4.0. Unter „Typen“ sind die Typbeschreibungen (also z. B. eine Produkttypbeschreibung) als eigenständige Assets zu verstehen. Unter „Instanzen“ hat man die materiellen Assets eingeordnet. Eine weitergehende Kategorisierung der Assets, wie in Bild 5 dargestellt, wurde damals nicht vorgenommen. Bild 10 zeigt jedoch, wie die Kategorien durch eine weitere Unterteilung der x-Achse konsistent in das RAMI-Modell abgebildet werden können. Bild 10. Abbildung der Asset-Kategorien auf die x-Achse des RAMI4.0-Modells Die Anordnung der Kategorien auf der x-Achse folgt zwar den wesentlichen Abhängigkeiten in den Wertschöpfungsketten der Asset-Kategorien, wie diese z. B. in Bild 6 und Bild 7 dargestellt sind; es muss jedoch ganz klar zum Ausdruck gebracht werden, dass diese Einteilung der x-Achse nichts mit dem individuellen Lebenszyklus eines Assets zu tun hat. Jedes Asset bleibt auf der x-Achse unabhängig von seinem Lebenszyklus einer festen Kategorie zugeordnet. Wie die Lebenszyklusphase, in der sich ein Produkt typischerweise in einer bestimmten RAMI4.0-Umgebung befindet, dargestellt werden kann, wird in den nächsten Abschnitten erläutert. 3.2 y-Achse: Ordnung nach Rollen Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, ist ein Asset lebenslang einer bestimmten Kategorie zugeordnet. Bei der Rolle, die es in einem technischen Prozess spielt, ist dies anders. Diese Rolle kann sich im Lebenszyklus ändern. Im Umfeld eines technischen Prozesses gibt es für ein Asset zunächst zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von Rollen: Als Teil des technischen Systems (der technischen Anlage) oder als Produkt bzw. Nutzer des technischen Systems. Diese Trennung ergibt sich fundamental aus dem Kernmodell für technische Systeme [6]. Jedes zweckgerichtete System ist technisch in dem Sinn, dass gezielt eine Systemumgebung hergestellt wird, in der die für einen Nutzer oder ein Produkt gewünschten Herstellungs-, Umwandlungs-, Transport- oder Speicherprozesse durchgeführt werden können. Der Nutzer und das Produkt haben in einem technischen Prozess die gleiche Rolle. Sie gehören nicht zum technischen System, sondern sind die Objekte, auf die sich der Prozesszweck bezieht. Im Allgemeinen spricht man von einem Nutzer, wenn dieser das System von sich aus aktiv nutzt, während das Produkt eher passiv den Prozess erfährt. So ist z. B. ein CPS, das seine Produktion selbst steuert, ein Grenzfall – ein CPS kann sowohl als Nutzer als auch als Produkt angesehen werden. Im RAMI4.0-Modell werden die Assets entsprechend ihrer aktuellen Rollen geordnet. Dies erfolgt zunächst durch eine Zweiteilung: Der erste Teil enthält Assets in ihrer Rolle als Nutzer bzw. Produkte, der zweite Teil Assets in ihrer Rolle als Einrichtungsgegenstände des technischen Systems. Diese in Bild 11 dargestellt verallgemeinerte Darstellung des RAMI-Modells ist auf alle technischen Systeme anwendbar, z. B. auf Produktionssysteme, Entwicklungssysteme, Gebäude, Logistiksysteme und andere. Ziel der durch die Plattform entwickelten Architektur war die einfache Anwendbarkeit im Bereich der industriellen Produktion. In diesem Fall kann die Darstellung der Assets in ihrer Rolle als Einheit des hierarchischen Produktionssystems auf der y-Achse weiter verfeinert werden. www.vdi.de 10 Industrie 4.0 - Technische Assets Bild 11. Rollenspezifische Einordnung der y-Achse Als Anmerkung sei noch darauf hingewiesen, dass die Trennung der Rollenbereiche auf der y-Achse primär für die materiellen Assets gedacht ist. Assets anderer Asset-Kategorien können nur teilweise den Rollenbereichen zugeordnet werden. Bei Metamodellen geht dies z. B. im Allgemeinen nicht. Insgesamt ist die Anordnung der Assets auf der y-Achse nur eine Darstellungs- und Verständnishilfe. In Domänen, in denen sie nicht passt, kann sie einfach angepasst werden. 3.3 Individuelle Ausprägung der RAMI4.0-Architektur in einem konkreten organisatorischen Umfeld RAMI4.0 ist ein Architekturmodell, das in jedem lokalen Umfeld angewendet werden kann. Zu jedem Organisationsumfeld gehört eine RAMI4.0 Instanz. Auf der Asset-Ebene enthalten die Instanzen jeweils die konkreten Assets, die in dem entsprechenden Umfeld relevant sind. Dabei kann es vorkommen, dass derselbe Gegenstand in verschiedenen RAMI4.0Instanzen als Asset abgebildet wird. In Bild 12 ist dies am Beispiel einer Kaffeemaschine verdeutlicht. Produktionsunternehmen Logisitikunternehmen Rolle: Transportgut (Produkt) Phase: Bereitstellung Rolle: Produkt Phase: Herstellung Fabrik GMA FA7.21 Mein Haushalt Logistik Rolle: Einrichtungsgegenstand Phase: Nutzung Wohnung ©epple2015 Bild 12. Verschiedene RAMI4.0-Instanzen am Beispiel einer Kaffeemaschine www.vdi.de Die Kaffeemaschine wird bei einem Hersteller A produziert. Im RAMI4.0-Modell des Herstellers A ist die Kaffeemaschine ein physisches Produkt, das sich selbst in der Lebenszyklusphase „Herstellung“ befindet. Nach der Fertigstellung übergibt es der Hersteller dem Logistikdienstleister B. Im RAMI4.0-Modell des Logistikdienstleisters tritt die Kaffeemaschine gar nicht als solche auf. Sie hat nun nur die Rolle eines Transportguts. Für das Logistiksystem sind Lkw, Straßen, Laderampen, Gabelstapler usw. Einrichtungen des Logistiksystems. Transportgüter und Fahrgäste besitzen die Rolle von Produkten bzw. Nutzern des Transportsystems. In diesem Fall hat die Kaffeemaschine als Transportgut also die Rolle eines Produkts. Sie befindet sich im Lebenszykluszustand „Bereitstellung“. Der Lebenszykluszustand Bereitstellung kann sehr schmal oder sehr umfassend sein. Dazu gehören bei einem materiellen Produkt z. B. der Versand, der Transport, die Auslieferung, der Einbau und die Inbetriebnahme. Meine Küche ist ein Teil meiner Wohnung. Wohnungen und Gebäude sind technische Systeme. Nach dem Aufstellen der Kaffeemaschine in der Küche wird die Kaffeemaschine zu einem Einrichtungsgegenstand der Küche. In meinem WohnungsRAMI4.0 ist sie damit ein technischer Einrichtungsgegenstand, der sich in der Lebenszyklusphase „Nutzung“ befindet. Zusammenfassend zeigt dieses Beispiel wie derselbe Gegenstand in verschiedenen RAMI4.0-Instanzen als Asset in verschiedenen Rollen und Lebenszyklusphasen auftauchen kann. Es zeigt auch, dass das RAMI4.0-Modell über die industrielle Produktion hinaus allgemein auf alle technischen Systeme anwendbar ist; man muss dann nur die Rollen Produkt bzw. Nutzer und die Hierarchie der Einrichtungsgegenstände begrifflich an die neue Domäne anpassen. Industrie 4.0 - Technische Assets 11 4 Informationswelt Innerhalb der RAMI4.0-Architektur ist die physische Welt vollständig auf der untersten Ebene in Form der physischen Assets zu finden. Alle anderen Ebenen beschreiben Funktionen und Modelle der Informationswelt. Die Funktionalität der einzelnen Ebenen wird in [7] erläutert. In diesem Kapitel wird auf die Asset-, die Integrations-, die Kommunikations- und die Informationsebene Bezug genommen. Die Integrationsebene beschreibt die verschiedenen Sichten auf die Assets in der Basisebene. Im Folgenden werden einige Aspekte zur Asset-Verwaltung und zur Funktion der Assets als Informationsträger erläutert. Die Kommunikationsebene beschreibt die Kommunikationsbeziehungen zwischen den physischen Trägern, den physischen Trägern und der Informationswelt und zwischen den Objekten der Informationswelt selbst. Die Informationsebene umfasst alle Aspekte die das Speichern, den Austausch oder das Verarbeiten von Informationen betreffen. Informationsidentität. Die Frage, wie Informationen auf Trägern abgelegt und verwaltet werden, ist ein wichtiger Teil des Informationskonzepts. Wie in Bild 14 dargestellt, können Menschen und Computer Informationen speichern, austauschen und verarbeiten. Andere Medien, z. B. Papier, können Informationen nur speichern. Für überlagerte Konzepte kann zunächst mit dem allgemeinen Informationskonzept gearbeitet und von der Ablage und Verwaltung der Information auf den Trägern abstrahiert werden. Die Organisation und Verwaltung auf den Trägern obliegt dann den Funktionen einer speziellen Virtualisierungsschicht. technologische Sicht allgemein Information Mensch andere HMI Informationsebene Papier,.. digitales IT-System 4.1 Physischer Träger Generell gilt, dass jedes immaterielle Ding, also auch jede „Information“ zumindest eine physische Repräsentanz auf einem physischen Medium als Träger besitzen muss. Ein solches Medium kann z. B. ein Blatt Papier, ein menschliches Gehirn oder der Speicher eines digitalen Computersystems sein (Bild 13). Bild 13. Informationsobjekt und physischer Träger Die Art des physischen Trägers hat keinen Einfluss auf den Inhalt der Information. Zum Beispiel kann sich ein menschliches Gehirn einen Plan merken. Dieser kann aber auch als PDF- oder XML-Datei auf einem Computer gespeichert oder auf ein Blatt Papier gedruckt sein. Die Information bleibt in jedem Fall dieselbe. Objekte aus der Informationswelt können nicht ohne einen physischen Träger existieren. Mit der Zerstörung eines Informationsträgers werden auch alle auf dem Träger gespeicherten Informationen zerstört. Um Informationsverluste zu verhindern, können äquivalente Objektabbilder auf beliebig vielen unterschiedlichen Trägern abgelegt werden. In diesem Fall handelt es sich aber immer noch um eine einzige GMA FA7.21 ©epple2015 Bild 14. Bekanntheitsgrad von Assets in der Informationswelt 4.2 Digitales IT-System Bis zu diesem Punkt wurde noch keinerlei Annahmen getroffen, wie die Informationswelt aufgebaut und realisiert ist. Alle bisher diskutierten Konzepte sind unabhängig von der Art der Realisierung und Strukturierung der Informationswelt. Für die weiteren Überlegungen wird das digitale Informationssystem als (neben dem Menschen) alleinigem Träger von Information betrachtet. Unter einem digitalen Informationssystem versteht man hier ein System, das durch das Zusammenwirken aller Informationsobjekte in einem über ein digitales Kommunikationssystem verbundenes Trägersystem gebildet wird. Das Informationssystem ist also ein zusammengehörender Teil der Informationswelt. Der netzwerkweite Zugriff auf alle Informationen innerhalb eines Informationssystems ist mit digitalen Kommunikationsmitteln prinzipiell jederzeit möglich (wenn auch meist aus organisatorischen und sicherheitstechnischen Gründen stark eingeschränkt). Es gibt innerhalb dieses Konzepts also keine Ablage auf Papier oder anderen, nicht digital erfassbaren Medien. Sämtliche betrachteten Gegenstände der Informationswelt sind im digitalen Informationssystem abgelegt. www.vdi.de 12 Industrie 4.0 - Technische Assets 5 Verwaltung von Assets in der Informationswelt Jedes technische Asset existiert an sich und hat seinen eigenen Lebenslauf. Dies gilt für alle Arten von technischen Assets. Die Existenz und Identität eines physischen Assets ist in der Informationswelt zunächst unbekannt. Es ist eine Frage des Systemdesigns ob und inwieweit Informationen über ein physisches Asset in der Informationswelt explizit bekannt gemacht werden sollen. Diese Frage hat einen allgemeinen Charakter. Im Folgenden interessiert jedoch nur die Frage, welche Informationen im digitalen IT-System bekanntgemacht werden sollen. In Bild 15 wird diese Frage im RAMI4.0-Ebenenmodell verdeutlich. Informationsebene allgemein digitales IT-System im digitalen IT-System in der KommunikationsInformationsebene (hier transparent) welt generell Integrationsebene Blickrichtung: Bekanntheitsgrad Bekanntheitsgrade - unbekannt - anonym bekannt - individuell bekannt - als Entität verwaltet Assetebene Asset „an sich“ GMA FA7.21 ©epple2015 Bild 15. Bekanntheitsgrad von Assets in der Informationswelt 5.1 Klassifikation des Bekanntheitsgrads von Assets im digitalen IT-System Je nach Umfang der in der Informationswelt verfügbaren Informationen lassen sich Gegenstände in folgende Kategorien einteilen: nicht bekannt anonym bekannt individuell bekannt als Entität verwaltet 5.1.1 Nicht bekannte Gegenstände Nicht bekannte Gegenstände sind der Informationswelt nicht bekannt. www.vdi.de 5.1.2 Anonym bekannte Gegenstände Bei anonymen, nicht individuell bekannten Gegenständen ist in der Informationswelt lediglich erkennbar, dass ein Gegenstand einer bestimmten Art an einem bestimmten Platz existiert. Ein Beispiel ist eine Schraube in einem Vorratsbehälter. Auch wenn die Anzahl der Schrauben im Behälter bekannt ist, können außer den allgemeinen Typeigenschaften keiner Schraube im Behälter individuelle Eigenschaften zugeordnet werden. Wird ein nicht individuell identifizierbarer Gegenstand in einem System verbaut, dann wird er über seinen Einbauort indirekt identifizierbar. Wird eine Schraube in einer Anlage eingebaut, dann kann man z. B. feststellen, dass genau die Schraube, die an diesem bestimmten Einbauort eingebaut ist, verrostet ist und ausgetauscht werden muss. Dies gilt jedoch nur solange sie eingebaut ist. Nach dem Ausbau landet sie im Schrottkasten und ist nicht mehr identifizierbar. Dasselbe gilt für Produkte wie Stanzteile. Während des Stanzprozesses ist identifizierbar, welches Stanzteil sich in welchem Teil der Matrix befindet. Nach dem Auswurf ist das Einzelteil nicht mehr individuell identifizierbar, es ist in der Informationswelt aber bekannt, dass es dieses Stanzteil gibt, und dass es sich im Auswurfbehälter befindet. 5.1.3 Individuell bekannte Gegenstände Individuell bekannte Gegenstände besitzen einen eindeutigen, systemweit bekannten Namen. Dieser Name ist der Informationswelt bekannt. Das System verfügt über ein Identifikationsverfahren, durch das der Gegenstand in der physischen Welt identifiziert und dem Namensobjekt zugeordnet werden kann. Für das Konzept ist es vollständig unerheblich, mit welcher Technologie die Identifikation erfolgt: über einen am Gegenstand physisch angebrachten ID-Code (Typenschild mit Seriennummer, Barcode, RFID usw.), durch die Analyse charakteristischer physischer Eigenschaften (Fingerabdruck) oder durch eine deterministische und systematische Verfolgungsstrategie im System (Coil, Batch usw.). In jedem Fall kann der erkannte Gegenstand dem Namensobjekt in der Informationswelt eindeutig zugeordnet werden. Industrie 4.0 - Technische Assets 13 5.1.4 Als Entität verwaltete Gegenstände Entitäten sind Gegenstände, die in der Informationswelt eigene Objekte zu ihrer Verwaltung und Nutzung besitzen [6; 10]. Diese „Verwaltungsschale“ kann beispielsweise Funktionen zur Verfolgung des Assets oder zur Aufzeichnung von Lebenszyklusinformationen bereitstellen. Auch können Funktionen zur operativen Kontrolle des Produktionsprozesses des Assets oder zur automatischen Überwachung und Qualitätskontrolle bereitgestellt werden. Ob ein Objekt als Entität betrachtet wird oder nicht, ist eine Designentscheidung [6]. Wie in Bild 16 gezeigt, können sowohl Assets der physischen Welt, als auch Assets der Informationswelt als Entitäten verwaltet werden. Bild 17. Verwaltungsschale Das AAS-Konzept (Bild 17) zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: Für jeden als Entität verwalteten Gegenstand existiert mindestens ein AAS. Jedes AAS hat genau einen Ressourcenverwalter. Der Ressourcenverwalter stellt Dienste für die Integration der AAS in ein I4.0-Dienstesystem bereit. Der Ressourcenverwalter kann auf jedem Knoten im Netzwerk realisiert werden. Bild 16. Assets als verwaltete Entitäten Die linke Seite stellt die Lebenszyklusdokumentation eines Radarsensors da. Der Sensor wird als Entität betrachtet und besitzt seine eigene Verwaltungsschale. Die rechte Seite zeigt die Lebenszyklusdokumentation eines R&I-Fließbilds. Im vorgestellten Fall wird das R&I-Fließbild als Entität betrachtet und besitzt eine eigene Verwaltungsschale. In dem hier verfolgten Modell wird grundsätzlich zwischen dem Asset an sich und seiner Verwaltung unterschieden. 5.2 Verwaltungsschale Die Asset-Verwaltungsschale (AAS – Asset Administration Shell) ist ein Konzept, das zur Organisation der Verwaltung von Assets innerhalb eines IT-Systems entwickelt wurde [9]. Ein AAS besteht aus einer Reihe von exklusiv ihr zugeordneten Informationsobjekten. Die Informationsobjekte können im Netzwerk verteilt sein. Ein AAS kann aktive Komponenten bereitstellen. Ein AAS kann Verweise auf externe Informationsobjekte bereitstellen. In vielen Fällen (siehe z. B. Bild 12) ist derselbe technische Gegenstand über seinen Lebenszyklus hinweg verschiedenen Organisationseinheiten zugeordnet. Wollen diese ihn als Entität verwalten, werden sie jeweils für „ihr“ Asset in ihrem IT-System eine Verwaltungsschale anlegen. Zu demselben Gegenstand kann es also mehrere Verwaltungsschalen geben. Sicher wird ein Teil der Daten aufgrund von vertraglichen Regelungen ausgetauscht, aber viele andere Teile werden vom jeweiligen Eigentümer zurückgehalten. Das AAS-Konzept erlaubt jeder beteiligten Partei die Verwendung einer eigenen AAS. Die Grundlagen der Informationsverwaltung, der dienstorientierte Informationsaustausch und die Synchronisation mit dem Asset-Zustand können standardisiert werden. Nicht standardisiert werden kann der Umfang des Informationsaustauschs zwischen einzelnen AAS. Dies ist Aufgabe des jeweiligen Geschäftsmodells. www.vdi.de 14 Industrie 4.0 - Technische Assets 6 Physische Assets als Informationsträger Physische Assets sind Ressourcen der echten Welt. Sie stellen Fähigkeiten zur Umsetzung von Prozessen wie Umwandlung, Transport oder Speicherung von Materie, Energie oder Information bereit. Einige physische Assets haben die Fähigkeit zur Speicherung, Umwandlung oder zum Austausch von digitalen Informationen. 6.1 Kommunikationsfähigkeit Um Teil eines digitalen IT-Systems zu sein, muss ein Asset in der Lage sein, zu kommunizieren und an ein entsprechendes digitales Kommunikationsnetz angeschlossen sein. Dieser Aspekt ist in Bild 18 dargestellt. Kommunikationsebene Klassifikation: Blickrichtung: Fähigkeit zur Informationsverarbeitung Integrationsebene Kommunikationsfähigkeit - keine - passiv - aktiv - I4.0-konform Assetebene Asset „an sich“ GMA FA7.21 ©epple2015 Bild 18. Klassifikation der Kommunikationsfähigkeit von physischen Assets Die Kommunikationsfähigkeit bezieht sich hier nur auf die Kommunikation in einem digitalen Kommunikationssystem. Die Kommunikationsfähigkeit kann in vier Klassen unterteilt werden: keine passiv aktiv I4.0-konform 6.1.1 Keine Kommunikationsfähigkeit Eine physische Einheit ist nicht in der Lage zu kommunizieren, wenn sie keine Informationsträgerfunktionalität besitzt (z. B. eine Schraube, ein Leiter, ein Tank). Außerdem ist die Einheit nicht in der Lage zu www.vdi.de 6.1.2 Passive Kommunikationsfähigkeit Eine physische Einheit hat passive Kommunikationsfähigkeiten, wenn sie einen Informationsträger besitzt, der mithilfe einer Systemschnittstelle ausgelesen werden kann. Auch wenn der Informationsträger selbst passiv ist, erlaubt er dennoch das Auslesen der Informationen und ermöglicht so beispielsweise die Identifikation des Objekts (RFID, Barcode usw.). 6.1.3 digitales IT-System Informationsebene kommunizieren, wenn sie Informationsträgerfunktionalität besitzt, aber keine digitale Schnittstelle hat (z. B. intelligente konventionelle Waschmaschine, intelligentes (4…20)-mA-Feldgerät ohne HART). Aktive Kommunikationsfähigkeit Eine physische Einheit hat die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme an der Netzwerkkommunikation. Die Einheit identifiziert sich selbst und registriert sich aktiv als Kommunikationsteilnehmer, sobald sie mit dem Netzwerk verbunden wird. 6.1.4 I4.0-konforme Kommunikationsfähigkeit Eine I4.0-konformer Kommunikationsfähigkeit bedeutet, dass eine physische Einheit alle Fähigkeiten für ein I4.0-Dienstesystem bereitstellt. Das heißt sie: ist im Netzwerk eindeutig identifizierbar, unterstützt die für ein I4.0-System allgemein standardisierten Dienstfunktionen und Zustände, bietet für ihre Funktionalität und Daten einen der Aufgaben angemessenen Schutz, ist ihrer Aufgabe angemessen robust und verfügbar, besitzt die für ihre Aufgabe erforderlichen Echtzeitfähigkeiten und unterstützt die für ein I4.0-System standardisierte Semantik. Industrie 4.0 - Technische Assets 15 7 Assets als Teil des digitalen IT-Systems 7.1 CP-Klassifikation 7.2 Der Bekanntheitsgrad eines Assets im Informationssystem ist unabhängig von der Kommunikationsfähigkeit des Objekts. So können z. B. wichtige Anlagenteile wie Pumpen und Druckbehälter im digitalen IT-System verwaltet werden, auch wenn sie nicht kommunizieren können. Die Verfolgung und Registrierung der Lebenszykluszustände muss in diesen Fällen entweder durch externe Messungen oder durch Menschen erfolgen. Natürlich ist es von Vorteil, wenn eine Entität mindestens passiv kommunizieren kann (Signalschnittstelle, RFID und andere). Dies ist jedoch keine zwingende Voraussetzung. Der Bekanntheitsgrad eines Objekts kann für jedes Objekt frei gewählt werden und wird durch Designentscheidungen bestimmt. Die Möglichkeit zur Kommunikation unterstützt die Objektverwaltung, stellt aber keine notwendige Voraussetzung dar. Umgekehrt gilt, dass eine bestimmte Kommunikationsfähigkeit einen bestimmten Bekanntheitsgrad des Objektes innerhalb des Informationssystems voraussetzt. Bekanntheitsgrad und Kommunikationsfähigkeit können durch die kombinierte CP-Klasse beschrieben werden (CP – Communication & Presentation). Diese kombinierte Notation hat sich unter anderem in der Domäne der IP-Schutzklassen als nützlich erwiesen. Die Struktur der CP-Zahlennotation ist in Bild 19 dargestellt. als Entität verwaltet individuell bekannt anonym bekannt unbekannt 1 2 Wenn ein AAS und sein Asset mit einem digitalen Kommunikationssystem verbunden sind, bilden sie eine I4.0-Komponente. Eine strukturelle Voraussetzung ist die Klassifizierung des Assets als CP24-, CP34- oder CP44-Gerät. Wie in Bild 20 dargestellt, können I4.0-Komponenten auf Basis von materiellen oder immateriellen Assets erstellt werden. Bild 20. I4.0-Komponente Eine ausführliche Beschreibung zu den I4.0-Komponenten findet man in [9]. 7.3 Onboard-Ressourcenmanager Wenn die Informationsspeicher- und die Informationsverarbeitungskapazität eines physischen Assets ausreichend groß und flexibel sind, kann der Ressourcenverwalter auf dem Asset selbst realisiert werden. Kommunikationsfähigkeit Bekanntheitsgrad im Informationssystem GMA FA7.21 I4.0-Komponente 2 4 3 P-Klasse 1 3 4 C-Klasse ©diesner2013 Bild 19. CP-Klassifikation So bezeichnet CP33 beispielsweise eine individuell bekannte Komponente, die in der Lage ist aktiv zu kommunizieren (z. B. ein klassisches Feldbusgerät). Ein Behälter, dessen Lebenszyklus aktiv verwaltet und gewartet wird, der aber keine Kommunikationsfähigkeit besitzt, würde mit der CP-Klasse CP14 gekennzeichnet. Bild 21. Onbord-Ressourcenmanager In diesem Fall kann das AAS entweder vollständig auf dem Gerät oder verteilt realisiert werden (Bild 21). Integrierte Ressourcenverwalter ermöglichen die Selbstverwaltung und bilden die Grundlage für CPS- und IoT-Konzepte [12; 13]. www.vdi.de 16 Industrie 4.0 - Technische Assets 8 Zusammenfassung Technische Assets sind die Grundlage sowohl der Realisierung, als auch der Modellierung von I4.0Systemen. Referenzmodelle, die die Eigenschaften von technischen Assets beschreiben, bilden einen guten Ausgangspunkt für die Erstellung der angestrebten Referenzmodelllandschaft. Auch wenn die technischen Assets aus sehr unterschiedlichen Kategorien stammen (Bild 5), haben sie den gleichen charakteristischen Verlauf ihres Lebenszyklus und können mit demselben Metakonzept verwaltet werden. Wenn man berücksichtigt, dass im Prinzip eine Pumpe, eine Norm, ein Schaltplan oder eine Anlage auf die gleiche Weise als Entitäten verwaltet werden können, dann kann die Komplexität der Lebenszyklusverwaltung deutlich reduziert und der Umgang mit diesen Systemen für den Menschen wesentlich intuitiver gestaltet werden. Auch wenn dies nur einen Startpunkt für I4.0 darstellt, so wird dieser doch dringend benötigt. Die stringente Unterscheidung zwischen dem Asset als Ding an sich und seiner Repräsentation in der Informationswelt sowie die Unterscheidung zwischen der Repräsentation im digitalen IT-System und der Kommunikationsfähigkeit sind einfache Konzepte, für das gemeinsame Verständnis der Modellansätze jedoch sehr hilfreich. Wie dieser Statusreport zeigt, lassen sich die dargestellten Konzepte sehr gut in die RAMI4.0-Architektur einordnen. Umgekehrt verdeutlicht diese Einordnung, wie das RAMI4.0 interpretiert werden kann. www.vdi.de In diesem Statusreport wurde der Fokus auf technische Assets und digitale IT-Systeme als Träger von Informationen gelegt. Menschen spielen aufgrund ihrer Flexibilität und Intelligenz eine besondere Rolle [4]. Generell können sie aber in ihrer Rolle als Mitarbeiter in das Asset-Konzept integriert werden. Natürlich wird diese Betrachtung dem Menschen in seiner Einzigartigkeit nicht gerecht. Wie in [1; 2] und im Besonderen in [15] beschreiben spielen Menschen eine umfassende Rolle in der I4.0-Vision. Industrie 4.0 wird das Arbeitsumfeld signifikant verändern. Dies wird die Entwicklungs- und die Produktionsprozesse, den Aftersales-Service, die Geschäftsmodelle, unsere sozialen Strukturen und unser Leben verändern. Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt. Aus dem Gesichtspunkt der Beherrschbarkeit ist es wichtig, auch komplexe technische Systeme verständlich und handhabbar für Menschen zu halten. Standardisierte Referenzmodelle helfen diesem Verständnis. Werden die Referenzmodelle darüber hinaus so implementiert, dass sie zur Laufzeit explizit sichtbar bleiben, dann können aufgrund ihrer formalen oder semiformalen Beschreibung automatisierte und modellbasierte Engineering- und Managementfunktionen integriert werden. Dies ist dann der gesuchte Ausgangspunkt für die automatische Verwaltung von technischen Assets, verbunden mit einer signifikanten Reduktion der Komplexität und Kosten. Industrie 4.0 - Technische Assets 17 9 Begriffe Die Standardisierung wird häufig als eine der Herausforderungen von I4.0 genannt. Dies beginnt immer bei der verwendeten Terminologie. Im Rahmen von I4.0 wachsen die Sprachen und Begrifflichkeiten (also die Terminologie) von Produktion und IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) zusammen. Es existieren jedoch historisch begründete Unterschiede und Unklarheiten bei wichtigen Begriffen rund um I4.0. Die Arbeitsgruppe „Begriffe“ des GMA FA 7.21 unter der Leitung von Frau Dr.-Ing. Miriam Schleipen vom Fraunhofer IOSB ist bemüht, eine gemeinsame „Basis“ (Terminologie) von I4.0 im Sinne sprachlicher und gedanklicher Konstrukte zu erarbeiten. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind Teil des FA 7.21, darüber hinaus gibt es weitere Personen, die sich in die Arbeit rund um die I4.0-Begriffe aktiv als Teil der Gruppe einbringen. Dabei sind Vertreter aus Industrie und Forschung, die im Bereich der Produktion und IKT tätig sind. Häufig sind Begriffe in den Köpfen der Beteiligten aus dem eigenen Umfeld vorbelegt bzw. wecken gewisse Assoziationen. Dies können unterschiedliche Definitionen in den Bereichen der Produktion und der IKT sein, z. B. Dienste. Ebenso häufig existieren aber auch mehrdeutige Definitionen innerhalb einer der beiden Domänen, z. B. Komponente. Die entsprechenden Feinheiten müssen herausgearbeitet und in Einklang gebracht werden. Darüber hinaus gibt es viele Begriffe, die erst im Zusammenhang mit dem Thema I4.0 entstehen, z. B. I4.0-Komponente, I4.0-System oder I4.0-Plattform. Ebenso werden fachfremde Begriffe wichtig, die im technischen Umfeld der Automatisierung zuvor wenig genutzt wurden, z. B. Ökosystem oder Wertschöpfungsnetzwerk. Diese sind aber im I4.0-Umfeld essenziell und müssen daher so formuliert werden, dass jeder etwas damit anfangen kann. Meist ist die Diskussion rund um die Begriffe eine Gratwanderung zwischen einer sehr detaillierten Definition des Themas und der zu allgemeinen und unspezifischen Begriffsdefinition. Die Erarbeitung der Begriffsdefinitionen wird daher auf bestehenden Normen und Standards (z. B. IEC, ISO) aus den Bereichen IKT und Produktion aufgesetzt. Aber auch häufig zitierte Fachveröffentlichungen aus den jeweiligen Bereichen werden berücksichtigt. Ebenso wird immer gegen die Definition aus entsprechenden Wörterbüchern (z. B. Duden) abge- glichen, um Fehlinterpretationen möglichst zu vermeiden. Nicht zuletzt wird bei entsprechenden Themen Kontakt zu den jeweiligen Arbeitsgruppen aufgenommen, z. B. bei Themen wie der Security, der Mensch-Technik-Interaktion oder Cyber-physical Systems (CPS). Weiterhin sollen die Begriffsdefinitionen keine Spezifikation des Themas, sondern lediglich eine ersetzende Definition des Begriffs selbst beinhalten und möglichst kurz (max. 255 Zeichen) gehalten sein. Begriffe, auf die innerhalb der Definitionen verwiesen wird und nicht allgemeingültig sind, fließen ebenfalls in die Begriffssammlung ein. Vorschläge für entsprechende Begriffsdefinitionen werden in der Arbeitsgruppe erarbeitet und beim Erreichen eines gewissen Reifegrads zur Abstimmung in den FA 7.21 übergeben. Dieser stimmt über die Veröffentlichung oder Überarbeitung der Begriffsdefinitionen ab. Treffen Anmerkungen und Hinweise nach der Veröffentlichung der Begriffe über die Webseite ein, werden die Begriffe entsprechend überarbeitet. So können auch Rückmeldungen aus beispielsweise dem ZVEI oder den Arbeitsgruppen der Plattform Industrie 4.0 berücksichtigt werden. Um auch die aktuellen internationalen Arbeiten im Umfeld I4.0 zu berücksichtigen, werden die vorhandenen Definitionen von Zeit zu Zeit gegen die Glossare aus der Schweiz, den USA, Österreich usw. abgeglichen. Die ersten 42 Begriffsdefinitionen haben verschiedene Entwicklungsstadien und Qualitätsstufen durchlaufen und sind zur Veröffentlichung freigegeben. Insgesamt ist eine Liste von rund 150 Begriffen als Arbeitsplan formuliert. Diese Liste enthält bereits jeweils die deutschen Begriffe und deren englische Übersetzung mit einer Zuordnung zu einem der Themenbereiche sowie eine Priorisierung, um die Erarbeitung der Definitionen im Einklang mit dem Arbeitsplan des FA 7.21 zu halten. Dr.-Ing. Dipl.-Inform. Miriam Schleipen Gruppenleiterin Leitsysteme und Anlagenmodellierung Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Abteilung Informationsmanagement und Leittechnik (ILT) www.vdi.de 18 Industrie 4.0 - Technische Assets Der aktuelle Status (extern kommuniziert, in Arbeit, zu definieren) aller Begriffe wird fortlaufend aktualisiert: http://i40.iosb.fraunhofer.de/ Quellenangaben sowie Hinweise auf Quellen, aus denen Begriffe abgeleitet wurden, sind dort hinterlegt. Architektur (architecture) Kombination von Elementen eines Modells aufbauend auf Prinzipien und Regeln zum Zweck seiner Konstruktion, Weiterentwicklung und Nutzung Archivwelt (archive world) Gesamtheit aller Informationen in der Informationswelt, deren Gültigkeit oder Aktualität abgelaufen ist und die damit nicht mehr veränderbar sind Anmerkung 1: Informationen, die an Gültigkeit oder Aktualität verlieren, werden in die Archivwelt übertragen. Beispiel: So entspricht CP33 z. B. einer individuell bekannten aktiv kommunikationsfähigen Komponenten, also z. B. einem klassischen Profibus-Feldgerät. Ein Sicherheitsbehälter, der in seinem Lebenszyklus überwacht und verwaltet wird, aber keinerlei Kommunikationsfähigkeit besitzt, hätte die CP-Klasse CP14. Choreografierung zwischen Diensten (choreography between services) (selbstorganisierende) Interaktion von Dienstteilnehmern im Rahmen von übergeordneten Vorgaben Cyber-Physical System (cyber-physical system) System, das reale (physische) Objekte und Prozesse verknüpft mit informationsverarbeitenden (virtuellen) Objekten und Prozessen über offene, teilweise globale und jederzeit miteinander verbundene Informationsnetze Anmerkung 2: Es wird keine Aussage darüber getroffen, zu welchem Zeitpunkt Informationen von der Modellwelt oder Zustandswelt in die Archivwelt übertragen werden. Anmerkung: Optional nutzt ein CPS lokal oder entfernt verfügbare Dienste, verfügt über MenschMaschine-Schnittstellen und bietet die Möglichkeit zur dynamischen Anpassung des Systems zur Laufzeit. Asset (asset) CPS-Plattform (CPS platform) Gegenstand, der einen Wert für eine Organisation hat Implementierung einer Kommunikations- und Systeminfrastruktur mit erforderlichen Management- und Produktivdiensten und definierten QoS(Quality of Service)-Eigenschaften zum effizienten Aufbau und der Integration von CPS für eine Anwendungsdomäne Begriff (term) Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen unter Ermittlung der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird [DIN 2342-1] Communication&Presentation-Klassifikation – CP-Klassifikation (classification of communication & presentation) www.vdi.de ausgedrückt werden. Eine solche Notation hat sich z. B. im Bereich der IP-Schutzklassen bewährt. Cyber-Physical Production System – CPPS (cyber-physical production system) CPS, das in der Produktion eingesetzt wird Dienst (service) Klassifikation der Kommunikations- und Identifikationsfähigkeit abgegrenzter Funktionsumfang, der von einer Entität oder Organisation über Schnittstellen angeboten wird Anmerkung: Aufgrund der Bedeutung der Kommunikationsfähigkeit und der Erkennbarkeit des Bekanntheitsgrads (Communication and Presentation – CP) kann die Zugehörigkeit eines Elements zu den jeweiligen Klassen in einer kombinierten CP-Ziffernnotation Anmerkung: Die Definition ist nicht deckungsgleich mit der Definition von Services durch das OASIS-RM („Services are the mechanism by which needs and capabilities are brought together“). Industrie 4.0 - Technische Assets 19 Entität (entity) I4.0-Plattform (I4.0 platform) eindeutig identifizierbarer Gegenstand, der aufgrund seiner Bedeutung in der Informationswelt verwaltet wird Implementierung einer (standardisierten) Kommunikations- und Systeminfrastruktur mit erforderlichen Management- und Produktivdiensten und definierten QoS(Quality of Service)-Eigenschaften als Basis für den effizienten Aufbau und die Integration von I4.0Systemen in einer Anwendungsdomäne. Gegenstand (item) objektiv vorhandene, abgegrenzte und identifizierbare Einheit Anmerkung 1: Ein Gegenstand kann virtueller oder physischer Natur sein. Anmerkung 2: Ein Gegenstand kann sein: Gerät, Subsystem, Software, Plan, Lebewesen, Organisation oder Ähnliches. Anmerkung 3: Ein Gegenstand hat einen Lebenslauf. horizontale Integration (horizontal integration) Integration innerhalb einer funktionalen/organisatorischen Hierarchie-Ebene über Systemgrenzen hinweg I4.0-Komponente (I4.0 component) weltweit eindeutig identifizierbarer kommunikationsfähiger Teilnehmer bestehend aus Verwaltungsschale und Asset mit digitaler Verbindung (entspricht CP24, CP34 oder CP44) eines I4.0-Systems, der dort Dienste mit definierten QoS(Quality of Service)-Eigenschaften anbietet Anmerkung 1: Die I4.0-Komponente bietet für ihre Dienste und Daten einen der Aufgabe angemessenen Schutz. Anmerkung 2: Eine I4.0-Komponente kann ein Produktionssystem, eine einzelne Maschine oder Station oder auch eine Baugruppe innerhalb einer Maschine repräsentieren. Anmerkung 1: Um Interoperabilität sicherzustellen, muss einer I4.0-Plattform eine Referenzarchitektur zugrunde liegen. Anmerkung 2: Eine I4.0-Plattform muss eine Relation zum I4.0-System definieren. Individualbegriff (individual concept) Begriff, der einen einzelnen Gegenstand/eine Instanz vertritt/benennt Informationswelt (information world – digital world – cyber world) Ideen, Gedankenkonstrukte, Algorithmen, Modelle, sowie die Gesamtheit der Abbildungen der physischen Gegenstände und Menschen in virtueller Umgebung Anmerkung 1: Der Betrachtungsrahmen der jeweiligen Gesamtheit muss definiert sein. Anmerkung 2: Die Elemente der Informationswelt können über Semantik miteinander in Beziehung stehen. Interoperabilität (interoperability) Fähigkeit zur aktiven, zweckgebundenen Zusammenarbeit von verschiedenen Komponenten, Systemen, Techniken oder Organisationen Anmerkung: Interoperation ist realisierte Zusammenarbeit. I4.0-System (I4.0 system) Kernmodell (core model) System aus I4.0-Komponenten und Komponenten geringerer CP-Klassifizierung, das einem bestimmten Zweck dient, definierte Eigenschaften aufweist und standardisierte Dienste und Zustände unterstützt Referenzmodell von grundlegenden Konzepten und Zusammenhängen, die einen allgemeinen Aspekt von Systemen betreffen Anmerkung 1: Ein System kann als Komponente in einem weiteren I4.0-System auftreten. Komponenten-Manager (component manager) Anmerkung 2: Ein I4.0-System muss eine Relation zur I4.0-Plattform definieren. Organisator der Selbstverwaltung und des Zugriffs auf die Ressourcen der I4.0-Komponente, z. B. I4.0-Kom- www.vdi.de 20 Industrie 4.0 - Technische Assets ponente, Gegenstand, fachliche Funktionalität, virtuelle Repräsentanz Anmerkung 1: Reale Welt entspricht der physischer Welt. Anmerkung: In vielen Dokumenten wird Komponenten-Manager als Ressource-Manager bezeichnet, dieser soll in Zukunft aber als Komponenten-Manager bezeichnet werden. Anmerkung 2: Geladene/im Speicher befindliche Software ist Teil der physischen Welt. Modell (model) schlüssige, ausreichend detaillierte Abstraktion von Aspekten in einem Anwendungsbereich Mensch-Technik-Interaktion (human machine interaction) Zusammenarbeit zwischen Anwender und Technik, z. B. Computer, Maschinen oder CPS Anmerkung 1: Realisiert durch menschen- und aufgabengerechte technische Systeme an der Schnittstelle zwischen Anwender und Technik. Anmerkung 2: Umfasst die Analyse, Gestaltung und Bewertung solcher Systeme. Manifest (manifest) extern zugänglicher definierter Satz von Metainformationen, der Auskunft über die funktionalen und nicht funktionalen Eigenschaften der I4.0-Komponente gibt Anmerkung: Das Manifest kann ähnlich zum Manifest in der Informatik betrachtet werden. Modellwelt (model world) Gesamtheit aller Metadokumente, Pläne und Beschreibungen in der Informationswelt Orchestrierung von Diensten (orchestration of services) flexibles Verbinden von einzelnen Diensten für einen definierten Zweck Anmerkung: Dies kann während der Planungsphase und/oder zur Laufzeit erfolgen. physische Welt (physical world) Gesamtheit real existierender Gegenstände und Menschen www.vdi.de Anmerkung 3: Der Betrachtungsrahmen der jeweiligen Gesamtheit muss definiert sein. Plug & Work (plug & work) Interoperation zwischen zwei oder mehr Beteiligten mit minimalem Arbeitsaufwand herstellen, ändern oder auflösen Anmerkung 1: Interoperabilität der Beteiligten wird vorausgesetzt Anmerkung 2: Minimaler Aufwand kann sich je nach Stand der Technik ändern Anmerkung 3: Plug & Play und Plug & Produce sind Synonyme/ähnliche Begriffe. Referenzarchitektur (reference architecture) Modell für eine Architekturbeschreibung (für I4.0), die allgemein genutzt wird und als zweckmäßig anerkannt ist (Referenzcharakter hat) Anmerkung: Eine Referenzarchitektur kann auf Basis eines Referenzmodells definiert werden. Referenzmodell (reference model) Modell, das allgemein genutzt wird und als zweckmäßig anerkannt ist (mit Empfehlungscharakter), um spezifische Modelle abzuleiten Sicherheit (security) Zustand, der im technischen Kontext unter anderem die funktionale Sicherheit (functional safety), Zuverlässigkeit (reliability) und Informationssicherheit (IT security) umfasst Anmerkung 1: Der deutsche Begriff der Sicherheit wird im Englischen in Security und Safety unterschieden. Anmerkung 2: Aufgrund der Breite des Themenfelds wird diese Begriffsdefinition nicht weiter ausdetailliert. Industrie 4.0 - Technische Assets Service-Orientierung (service orientation) Paradigma, das das einfache Austauschen, Hinzufügen und Entfernen von lose gekoppelten Diensten ermöglicht Smart Factory (smart factory) Fabrik, deren Integrationsgrad eine Tiefe erreicht hat, die Selbstorganisationsfunktionen in der Produktion und in allen die Produktion betreffenden Geschäftsprozessen ermöglicht Anmerkung: Das virtuelle Abbild der Fabrik ermöglicht intelligente Entscheidungen. Ziel ist die Steigerung von Effizienz, Effektivität, Flexibilität und/oder Wandlungsfähigkeit. Smart Product (smart product) hergestelltes oder gefertigtes (Zwischen-)Produkt, das in einer Smart Factory die Kommunikationsfähigkeit (nach außen) zur Vernetzung und intelligente Interaktion mit anderen Produktionsteilnehmern mitbringt Anmerkung 1: Das Produkt ist ein hergestellter oder gefertigter Artikel oder Halbzeug Anmerkung 2: Ein digitales Abbild ist Teil der Produkt-Intelligenz und kann auf dem Produkt selbst, aber auch räumlich entfernt davon lokalisiert sein. 21 Verwaltungsschale (administration shell) virtuelle digitale und aktive Repräsentanz einer I4.0Komponente im I4.0-System Anmerkung: Eine Verwaltungsschale enthält das Manifest und den Komponenten-Manager. Wertschöpfungskette (value added chain) Sequenz von Wertschöpfungsprozessen (linear oder hierarchisch, formal bedeutet das: azyklisch gerichtet) Anmerkung: Unternehmensgrenzen sind für eine Wertschöpfungskette/Wertkette nicht zwingend relevant. Wertschöpfungsnetzwerk – Wertschöpfungssystem (value added system) Netzwerk/System aus Wertschöpfungsketten/ Wertketten, das sowohl Querverbindungen als auch Abhängigkeiten zwischen diesen beinhalten kann Wertschöpfungsprozess (value added process) Prozess, aus dem ein für Abnehmer wertvolles Gut entsteht Anmerkung 3: Eindeutige Identifikation und produktbezogene Informationen des Produkts ermöglicht die Verknüpfung des Produkts mit der Smart Factory. Anmerkung 1: Die betrachteten Güter können dabei nicht nur materiell (z. B. Rohstoffe, Produkte), sondern auch immateriell (z. B. Wissen, Daten, Dienstleistung) sein. Smart Production (smart production) Anmerkung 2: Wertbestimmung und Preisfindung werden hier nicht betrachtet. Dialog zwischen Smart Factory und Smart Product vertikale Integration (vertical integration) Integration innerhalb eines Systems über funktionale/ organisatorische Hierarchie-Ebenen hinweg Anmerkung 3: Wertschöpfungsprozesse sind Wertaktivitäten nach Porter. Zustandswelt (state world) Gesamtheit der aktuell erfassten Informationen in der Informationswelt . www.vdi.de 22 Industrie 4.0 - Technische Assets Autoren Dieser Statusreport stellt Ergebnisse der Diskussionen im GMA-Fachausschuss „Industrie 4.0“ dar. Dieses Gremium konzentriert sich derzeit auf die folgenden Aspekte: Terminologie, Konzepte und Referenzmodelle für I4.0. Der Hauptschwerpunkt liegt auf der konsensbasierten Regelsetzung. Aktive Mitglieder der FA7.21 sind: Thoma Bangemann, ifak e.V. Magdeburg Christian Bauer, Siemens AG Heinz Bedenbender, VDI/VDE-GMA Markus Diesner, MPDV Mikrolab GmbH Ulrich Epple, RWTH Aachen Filiz Elmas, DIN Jens Friedrich, ISW Uni Stuttgart Thomas Goldschmidt, ABB Florian Göbe, RWTH Aachen www.vdi.de Sten Grüner, RWTH Aachen Martin Hankel, Bosch Rexroth AG Roland Heidel, Kommunikationslösungen e.K. Klaus Hesselmann, Your Expert Cluster GmbH Guido Hüttemann, WZL RWTH Aachen Heinrich Kehl, NuK Consulting UG Ulrich Löwen, Siemens AG Julius Pfrommer, Fraunhofer IOSB Miriam Schleipen, Fraunhofer IOSB Bastian Schlich, ABB Thomas Usländer, Fraunhofer IOSB Clemens Westerkamp, Hochschule Osnabrück (FH) Albrecht Winter, J. Schmalz GmbH Martin Wollschlaeger, TU Dresden Industrie 4.0 - Technische Assets 23 Literatur [1] [2] Kagermann, H.; Wahlster, W.; Helbig, J.: Recommendations for implementing the stratetic initiative INDUSTRIE 4.0. acatech,2013. http://www.acatech.de/uk/home-uk/work-andresults.html N.N.: Was Industrie 4.0 für uns ist. Verbändeplattform Industrie 4.0 , Juli 2013. www.plattformi40.de/blog [3] N.N.: Neue Chancen für unsere Produktion – 17 Thesen des Wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0. Verbändeplattform Industrie 4.0, April 2014. www.plattform-i40.de/blog [4] Schüller, A.; Epple, U.; Elger, J.; Müller-Martin, A.; Löwen, U.: Business Processes and Technical Processes – A comprehensive meta model for execution and development. In Proceedings: 11th IEEE International Conference on Industrial Informatics (INDIN), Bochum, Germany; 29-31 July 2013, ISBN 978-1-4799-0751-9 [5] IEC 62890 Life-cycle management for systems and products used in industrial-process measurement, control and automation. IEC, 2014 [6] DIN SPEC 40912 Core models - Specification and Examples. DIN, 2014 [7] DIN SPEC 91345 Referenz-Architekturmodell Industrie 4.0 (RAMI4.0). DIN (in Vorbereitung) [8] N.N.: Umsetzungsstrategie Industrie 4.0. Verbändeplattform Industrie 4.0, April 2015. www.plattformi40.de (in Vorbereitung) [9] N.N.: I4.0-Komponente. ZVEI, April 2015. www.zvei.org (in Vorbereitung) [10] N.N.: Statusbericht; Industrie 4.0; Gegenstände, Entitäten, Komponenten. 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Das überzeugt: Mit rund 154.000 Mitgliedern ist der VDI die größte Ingenieurvereinigung Deutschlands. Als drittgrößter technischer Regelsetzer ist er Partner für die deutsche Wirtschaft und Wissenschaft. www.vdi.de Verein Deutscher Ingenieure e.V. VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) Dr.-Ing. Dagmar Dirzus Tel. +49 211 6214-227 [email protected] www.vdi.de ISBN 978-3-931384-83-8
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