Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Kreisverbände Aurich, Emden, Jever, Norden, Wilhelmshaven und Wittmund LEUCHTTURM Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft in Ost-Friesland Nr. 123 16. November 2015 Inhalt Käpt’n Blaubär erweitert den Bildungs-Kanon - Warum ich in der GEW geblieben bin und mich aktiv einbringe Arbeitszeitstudie läuft weiter! Die Partnerschaft für Demokratie GEW-Landesdelegiertentagung Dolmetscher gesucht! Die Frage ist – wie? Wittmund: LehrerInnen brauchen Hilfe Gegen den Trend der „Antipolitik“ SeniorInnen organisieren sich neu Mahnveranstaltung zum Antikriegstag in Aurich „Veränderungen in der Lehrerschaft“ Kapitulation vor Investoren TTIP - eine Gefahr für die Demokratie? Das Freihandelsabkommen TTIP im Unterricht 2 4 5 5 6 7 8 9 10 11 12 14 16 16 17 37. Jhrg. Gute Bildung kostet „Ehemalige jüdische Schule in Leer“ Reichstes Prozent dürfte rund ein Drittel des Privatvermögens in Deutschland besitzen Fachgruppe Grundschule und Förderschule Emslandlager Moorsoldatenlied Kita haftet nicht für Blechschäden Wie Biedermann es mit den Brandstiftern hält. 40 JAHRE Mitglied unserer GEWerkschaft Anmerkungen zu Bedeutung der Schreibschrift Termine - Schulbezirkspersonalrat - Kurzgerfasst Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus. Alter Schwede! „Angela Merkels teurer Irrweg“ Personalräteschulung AUR - NOR 18 19 20 21 22 23 23 24 25 26 27 28 28 30 31 32 LEUCHTTURM 2 Käpt’n Blaubär erweitert den BildungsKanon ein innovativer Sketsch Käpt’n Blaubär und die drei Gummibärchen treten auf. Heinrich Herlyn Enkel 1: Mensch Opa, du hast während deiner Kur ja mächtig abgenommen! Enkel 2: Man erkennt dich ja kaum wieder, Opi! Enkel 3: Schön, dass du wieder da bist. So allein mit Hein Blöd war es stink-langweilig! Blaubär: Tja, der kann eben nicht so schöne Geschichten erzählen wie ich! Enkel 1: Und bist du nun deine Hepadingsda, also deine fette Leber - oder wie das heißt losgeworden und darfst nun Studienrat werden? Das war doch dein Traumjob. Blaubär: Jawoll, meine Leber und ich sind nun rank und schlank wie’n Zitteraal. Aber Studienrat will ich nicht mehr werden. Enkel 2: Warum denn nicht? Blaubär: Ja, weil nun doch alle Gymnasial-Lehrer wieder auf Klassenfahrt fahren. Die haben ihren Boykott beendet, und für mich bleiben keine Fahrten mehr übrig. Enkel 3: Und wieso das, Opa? Redaktion Leuchtturm Blaubär: Das hohe Gericht in Lüneburg hat die Arbeitszeitverlängerung an den höheren Bildungsanstalten für illegal erklärt. Kriegt ihr denn mal wieder gar nichts mit? Enkel 1: Nun reg dich doch nicht gleich wieder auf, Opa. Denk an deine Leber! Enkel 2: Was willst du denn nun eigentlich machen? Blaubär: Das ist eine gute Frage. Und ich habe auch schon eine gute Antwort. Enkel 3: Willst du uns etwa Redaktionsschluss: 8.11.2015 code für: www.gew-wittmund.de KV W ittmund Wittmund Ronald Wilts Jürgen Kramm Lüdstede 3 Wangeroogestr. 8 KV Jever Heiner Wegener Kniphauser Weg 7 Klaus Blume-WentenJavenloch 5 26487 Neuschoo 26409 Wittmund Tel. 04975 - 366 Tel. 04462 - 6102 26441 Jever Tel. 04461 - 73133 26434 Wangerland Tel. 04464 - 8150 [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] KV A uric h Auric urich Franz Kampers www.aurich.GEWweserems.de Hinter Eschen 16F 26607 Aurich Tel. 04941 - 6988012 [email protected] KV Norden Herbert Czekir Anette Hillen Reithammer Weg 29 26529 Osteel Im Dullert 30 26524 Hage Tel. 04934 - 6766 Tel. 04931 - 7 4474 [email protected] [email protected] Tel. 04921 - 45266 Tel. 04921 - 29778 [email protected] [email protected] KV Emden www.GEW-emd.de Dr. Josef Kaufhold Herm.-Hesse-Str. 4 Hans-Gerd de Beer Graf-Edzard-Str. 20 26721 Emden 26721 Emden ilhelmshav en Wilhelmshav ilhelmshaven KV W Friedrich Fischer Fedderwarder Str. 124 26388 W’haven Tel.04421-502119 Wolfgang Niemann-Fuhlbohm Güstrower Str. 3c 26388 W’haven Tel.04421-87117 [email protected] [email protected] Impressum: GEW-LEUCHTTURM Nr. 123 / 37. Jahrgang vom 16.11.2015 LehrerInnenzeitung für die Kreisverbände Aurich, Emden, Jever, Norden, Wilhelmshaven, Wittmund Herausgeber: verantwortl.: Internet: Druck: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB/Kreisverband Wittmund Ronald Wilts (1. Vors.), Lüdstede 3, 26487 Neuschoo, 04975/366 www .geww eser ems.de - dort auch Informationen aus den Kreisverbänden www.geww .gewweser eserems.de www.janssendruck.de, Finkenburgstr. 47, 26409 Wittmund LEUCHTTURM 3 schon wieder mit Hein-Blöd allein lassen? Blaubär: So leid es mir tut, ja. Ich muss schon bald nach Berlin. Enkel 1: Nach Berlin? Blaubär: Ja, da staunt ihr? Ich soll Staatssekretär bei der Bundesbildungsministerin, Frau Wanka, werden. Enkel 2: Und was sollst du für diese Frau Wanka machen? Blaubär: Ich soll den Landesregierungen neue Schulfächer schmackhaft machen? Alle: Neue Schulfächer?????? Blaubär: Da habt ihr richtig gehört. Enkel 3: Aber wir haben doch schon so viele Schulfächer! Blaubär: Die Zeiten ändern sich eben und damit auch die Herausforderungen an solche kleinen Rotznasen, wie ihr es seid. Das erste Fach, was neu dazukommen soll, nennt sich „Alltagswissen“. Das ist der persönliche Wunsch von Frau Wanka. Enkel 1: Alltagswissen? Was soll denn das sein? Blaubär: In dem Fach lernt man z.B., wie man ohne Mikrowelle etwas kochen kann. Enkel 2: Aber Opa, wir machen doch in der Schule schon einen Ernährungsführerschein. Enkel 3: Und da kochen wir ganz viel ohne Mikrowelle. Enkel 1: Außerdem haben wir von dir gelernt, wie man Labskaus mit Spiegelei macht. Blaubär: Das mag ja sein, das ihr das alles könnt, aber die meisten Kinder und Jugendlichen können nun mal nicht richtig kochen. Enkel 2: Und was soll es noch für neue Fächer geben? Blaubär: Eine ganze Menge: in Medienkompetenz lernt man z.B. was über das Internet, in Wirtschaftskunde kriegt man erklärt, wie man seine Privatrente mit Wertpapieren aufbaut, in Ernährungskunde wird über ungesunde Lebensmittel aufgeklärt und im Fach Benehmen, welches ich für das wichtigste halte, werden Höflichkeit, Rücksichtnahme und Pünktlichkeit eingeübt. Enkel 3: Findest du uns denn so unhöflich und rücksichtslos, Opa? Blaubär: Nun ja, ihr seid rühmliche Ausnahmen, denn schließlich habe ich euch erzogen. Enkel 1: Sag mal Opa, wir haben ja jetzt schon 26 Stunden Unterricht in der Woche. Wenn es so viele neue Fächer geben soll, dann müssen wir doch auch nachmittags in die Schule gehen. Enkel 2: Und jede Menge neue Lehrer brauchen wir dann ja wohl auch! Blaubär: Das ist eben der Irrtum. Ich habe nämlich mal wieder die entscheidende Idee gehabt. Wisst ihr, während so einer Kur da hat man ja viel Zeit nachzudenken. Enkel 3: Wie soll das gehen, Opa? Fünf neue Fächer, ohne mehr Unterrichtsstunden? Blaubär: Ganz einfach! Die Schulstunde wird von 45 Minuten auf 35 Minuten gekürzt. Man spart so pro Schulstunde ganze 10 Minuten. Bei einer Stundentafel von z.B. 26 Stunden wird es so möglich, 7,4 weitere Stunden extra zu erteilen. Bei einer Stundentafel von 30 Stunden kommt man sogar auf 8,5 zusätzliche Stunden. Enkel 1: Aber fehlt denn die Zeit nicht in den anderen Fächern? Blaubär: Die fehlende Zeit wird einfach dadurch wettgemacht, dass die Schüler sich durch das Fach Benehmen in Zukunft völlig anders verhalten. Keiner kommt mehr zu spät und der Unterricht kann viel pünktlicher beginnen. Auch diese ganzen unerfreulichen Streitschlichtungen zu Beginn jeder Stunde fallen weg und alle sind einfach viel aufmerksamer. Hein Blöd:Käpt’n, da ist ein Brief für Sie von irgend so einem Herrn Wonka. Enkel 2: Was? Ist das vielleicht der Willi Wonka von der Schokoladenfabrik? Blaubär: Lass mal sehen, Hein Blöd. Hab ich mir’s doch gedacht. Der Brief ist nicht von einem Herrn Wonka, sondern von der Ministerin, Frau Wanka, und enthält bestimmt meine Ernennungsurkunde. Hein Blöd:Darf ich wieder vorlesen Käptn‘? Blaubär: Wegen mir..... Hein Blöd:Sehr geehrter Käpt’n Blaubär! Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass die Kultusministerkonferenz Ihre Vorschläge bezüglich neuer Fächer abgelehnt hat. Ich persönlich bedaure sehr, dass das Fach Alltagswissen immer noch nicht in unseren Bildungs-Kanon aufgenommen werden kann. Und auch mein Kollege Thomas de Maiziere hätte zu gerne das Fach Internet-Kunde im neuen Bildungs-Kanon gehabt. Erst kürzlich konnte ich wieder beobachten wie meine Neffen und Nichten versuchten, Pommes Frites in der Mikrowelle zuzubereiten. Nach einer im Mai dieses Jahres veröffentlichten Umfrage hätten die Bürger unseres Landes als neue Pflichtfächer am liebsten «Benehmen» (51 %) vor «Wirtschaft» (48 %), «Gesundheitskunde» (42 %), «Suchtprävention» (39 %) oder «Computerprogrammierung» (35 %). Dies zeigt, dass unsere Bevölkerung weitsichtiger ist als so mancher Politiker. Aber leider sind die Zeiten vorbei, da man auf das Volk gehört hat. Deshalb muss ich Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass ich keine Verwendung mehr für sie habe. Vielleicht sollten sie es doch noch einmal als Kapitän versuchen. Ich könnte mich sicherlich bei der Marine für Sie einsetzen. Hochachtungsvoll, Ihre Johanna Wanka LEUCHTTURM 4 Austrittsgedanken? - Warum ich in der GEW geblieben bin und mich aktiv einbringe M Silke Utnehmer Silke Utnehmer, 34J., Lehrerin für Wirtschaft und Deutsch an den BBS 1 Aurich Bitte nehmt gerne Kontakt zu mir auf. E-Mail: silke.gew.aurich @gmx.de einen W eg in die GEW Weg fand ich durch eine Fahrgemeinschaft zur didacta nach Hannover. Eine Kollegin berichtete mir, dass es wichtig sei, organsiert zu sein, nicht nur aus Gründen einer persönlichen Rechtssicherheit, sondern auch aus dem grundsätzlichen Verständnis heraus, dass gute Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung haben zu wollen, sich nicht von alleine ergeben. Hierfür muss eine Gemeinschaft eintreten, und das ist Hauptaufgabe einer Gewerkschaft – eine unabhängige starke Gemeinschaft, die sich für die Bedingungen einer Berufsgruppe einsetzt, so dass am Ende jeder einzelne davon profitiert. Das hat mich, damals noch unorganisiert, im Stillen leicht beschämt, da ich ja bereits jede Gehaltserhöhung dankend angenommen habe, ohne darüber nachzudenken, aus welchen Gründen sich diese Gefälligkeit so zuverlässig einstellt. Ich war überzeugt, in die GEW einzutreten und da wir ohnehin auf dem Weg zur Didacta waren, suchte ich recht gezielt den GEW Infostand auf der Messe auf. Die Kolleginnen und Kollegen des GEW Info-Stands waren sehr sympathisch, offen und klar, sodass ich Teil dieser Gemeinschaft sein wollte. Die Zeit verging und die GEW trat aus meinem Bewusstsein, zumindest so lange ich keine Kontoauszüge holte. „Schon ganz schön teuer...“ , dachte ich manchmal und ertappte mich nach 2 Jahren Mitgliedschaft bei Austrittsgedanken. Da kam eine Zufriedenheitsbefragung der GEW in meinen E-Mail Kasten. „Ob ich gerne aktiver in der GEW sein möchte?“ Ja gerne, aber ich erfahre nicht viel über die Tätigkeiten der GEW. Da antwortete mir nach der Befragung plötzlich direkt jemand aus Hannover! Ich sei herzlich eingeladen zu dem Seminar „GEW mitgestalten“. Huch, na wer A sagt muss auch hingehen. Jeder der dieses Seminar von Laura Pooth kennt, kann sich vorstellen, wie motiviert ich danach war, aktiv in der GEW mitzuarbeiten. Sie stellte den Kontakt zum KV A uric h für mich her, bei dem Auric urich ich ganz herzlich aufgenommen wurde, und ich mich auf jede nächste Sitzung gefreut habe, welche bildungspolitischen Themen aktuell diskutiert werden, welche Aktivitäten für die Mitglieder des KV Aurich gerade anliegen und wer kümmert sich um was? Ich hatte jetzt den Sc hlüssel Schlüssel hlüssel, das Angebot der GEW aktiv zu nutzen und besuchte die Veranstaltung „Betriebsgruppenarbeit anschieben“ und tat dieses danach auch an meiner Schule und ich besuchte das Seminar „Schulung für Funktionärinnen“. Hier ergab sich die Idee, sich für die noch unbesetzte Projektstelle („... zur Unterstützung des Generationenwechsels, der Mitgliedergewinnung und –bindung“) in WeserEms zu bewerben. Es hat geklappt, und nun gehört seit dem 1.9.2015 zu meinem Tätigkeitsprofil u.a. die Erarbeitung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, die auf die jüngere Generation der angehenden Pädagoginnen und Pädagogen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zugeschnitten sind. Meine aktuellen Tätigkeiten belaufen sich auf eine Etablierung und Verbesserung einer regelmäßigen Kommunikation mit den Mitgliedern insbesondere mit Eintrittsdatum der letzten 3 Jahre und einer Analyse der vorhandenen Infrastruktur „GEW am Seminar“ und einem daran anschließenden Ausbau. Mein Ziel ist es, die Kontaktkette mit den Mitgliedern aus dem Bereich, Studium, Referendariat und Berufseinstieg zu systematisieren und aktiv zu pflegen. Hierbei habe ich bereits von vielen GEW Mitgliedern, die seit langer Zeit GEW Berufseinstiegsseminare organisieren oder die Arbeit der GEW an den Studienseminaren und an den Universitäten vorstellen, viele hilfreiche Informationen darüber erhalten, welche Bereiche bereits gut gepflegt werden. Sie dienen als Vorbildstrukturen für Bereiche, die sich noch im Aufbau LEUCHTTURM 5 befinden. Damit ich erfahre, welche Aktivitäten vorhanden sind und/ oder Unterstützung brauchen, verschaffe ich mir im Rahmen meiner Projektstelle „Stärkung der Nachwuchsarbeit“ gerade einen Überblick und freue mich jedesmal, wenn sich Kolleginnen und Kollegen aus dem Bezirk Weser Ems mit mir in Verbindung setzen. Die Mitglieder der GEW machen viel, doch viele wissen gar nichts von den Aktivitäten der anderen. Heute weiß ich, was mir die GEW wert ist und den Kolleginnen und Kollegen, die manchmal so wie ich damals zweifelnd auf ihren Kontoauszug schauen, sage ich: „Ohne gewerkschaftliche Aktivität stellt sich keine regelmäßige Absicherung und Verbesserung in Gehalts- und Arbeitsbedingungen ein und die Leistungsfähigkeit einer Gewerkschaft hängt von ihrer Mitgliederstärke ab, deshalb kommt es auf jeden an.“ Arbeitszeitstudie läuft weiter! P resseberichte im Juli 2015: Die Opposition im niedersächsischen Landtag fordert nach dem OVG-Urteil zur Arbeitszeit der gymnasialen Lehrkräfte, das Kultusministerium solle eine fundierte und umfassende Arbeitszeitstudie der Lehrkräfte in Auftrag geben. What? Sind diese selbsternannten Bildungspolitiker völlig uninformiert? – Die Studie der Sozialwissenschaftler der Uni Göttingen läuft doch schon längst! Allerdings finanziert von der GEW Niedersachsen, – und nicht nur auf die Gymnasien beschränkt! Zum Beispiel: Im Bereich der GEW Kreisverbände Aurich und Wittmund nehmen Kolleginnen und Kollegen von neun Grundschulen und zwei Förderschulen an der täglichen Erfassung ihrer Arbeitszeit teil. Die GEW dankt allen TeilnehmerInnen der Studie ganz herzlich für diese systematische und akribische Erfassung ihrer umfangreichen Arbeitstätigkeiten. Ab April wird ausgewertet, und dann kommen die Fakten der hohen Belastung aller Lehrkräfte auf den Tisch. Zukünftig wird keine Landesregierung mehr daran vorbeikommen. Diese fundierte Studie wird die GEW in die (schon langjährigen) Verhandlungen zur Reduzierung der Arbeitszeit der Lehrkräfte einbrin- gen, ihre Argumentation und Verhandlungsposition stärken und neuen Schwung verleihen. Mal schauen, zu welchen Arbeitskampfmaßnahmen die Mitglieder dann greifen müssen! Die Partnerschaft für Demokratie D er Landkreis Aurich gehört zu den 181 Kommunen, die im Dezember einen Antrag auf Förderung im Rahmen dieses Bundesprogramms gestellt haben. Im Frühjahr 2015 beginnt der Aufbau einer „Partnerschaft für Demokratie“, koordiniert von der KVHS Norden. Zustände wie etwa in Nordens vorpommerscher Partnerstadt Pasewalk, in der sich die NPD als „ganz normale Partei“ etabliert hat, gibt es im Landkreis Aurich gewiss nicht. Doch Präventionsarbeit beginnt schon im Vorfeld, etwa beim vermeintlich harmlosen Alltagsrassismus. Die „Partnerschaft für Demokratie“ im Landkreis Aurich dient der Vernetzung und dem Ausbau von bestehenden Integrationsmaßnahmen – ob von kommunaler Seite oder durch zivilgesellschaftlich Engagierte. In den kommenden Monaten wird das lokale Netzwerk eine gemeinsame Strategie zur Präventions- und Integrationsarbeit entwickeln und im Rahmen der bis 2019 laufenden Förderung umsetzen. Interkulturelle Kompetenz steht dabei genauso im Fokus wie eine Willkommenskultur, die über das bloße „Aushalten von Vielfalt“ hinausgeht und an die pluralistische Tradition Ostfrieslands anknüpft. Doch vor allem geht es um Information: Denn was man kennt, muss man nicht fürchten, sodass gar nicht erst die Furcht aufkommt, die schnell in Ausgrenzung, Hass und Gewalt umschlägt. Auf der Internet-Seite erhaltet ihr Informationen über das Bundesprogramm und über die Strukturen sowie die Strategie der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Aurich: http://www.moin-zusammen.de/ U. a. finden sich auch Anregungen für die aktive Jugendbildungsarbeit. Wie wär´s mit einem Antrag deiner Klasse/ deines Kurses auf Förderung aus dem Aktionsfonds?? LEUCHTTURM 6 Bericht von der GEW-Landesdelegiertentagung in Osnabrück B Hasso Rosenthal 20. Okt. 2015 GEW-OV Rheiderland GEW-KV-Leer GEW-Bez. Weser-Ems ei der Landesdelegiertenkonferenz der GEW war der Bezirk Weser-Ems mit einer starken Fraktion vertreten. Diese Konferenz der gewählten Vertreter der Bezirksverbände unserer Gewerkschaft markiert die Wegmarken auf Landesebene für die nächsten zwei Jahre. Deshalb wurde auch der Landesvorstand neu gewählt. Vorab gab es Kritik am Landesvorsitzenden Eberhard Brandt, dem vorgeworfen wurde, dass er zu oft eigenmächtig Positionen verkündet habe, die nicht GEW-Positionen seien. Zum Beispiel bei den Aktionen der Gymnasialkollegen gegen die Arbeitszeitverlängerung, bei kleinen Schulen oder der Lehrerausbildung. Dass der alte Vorstand wiedergewählt wurde, ist auch der Tatsache geschuldet, dass im Frühjahr Personalratswahlen anstehen und ein Konflikt auf Landesebene den Kolleginnen und Kollegen in den Schulen geschadet hätte. So wurde erneut Eberhard Brandt (mit erheblichen Einbußen) Landesvorsitzender und wurden mit guten Werten Laura Pooth und Sabine Kiel stellv. Vorsitzende. Weiterhin wurden gewählt: Torsten Post (Schatzmeister), Anne Kilian (Tarif- und Beamtenpolitik), Cordula Mielke, Henner Sauerland (Allg.bild. Schulen), Olaf Korek (Jugendhilfe, Soziale Arbeit), Günter Beyer, Rolf Heidenreich, Stefanie Mallon (Ausbildung, Fortbildung, Hochschule), Britta Delique, Detlef Duwe, Martin Grajetzky (Berufl. Bildung und Weiterbildung), Rüdiger Heitefaut (GEW. Bildung, Mitgliederbetreuung, Werbung), Sabine Banko-Kubis, Wencke Hlynsdottir (Frauenpolitik und Gleichstellung). Bei den Anträgen und ihren Diskussionen ging es überwiegend um Praktisches und Grundsätzliches wie der Einforderung von besseren Bedingungen im Bildungsbereich gegenüber der Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Da ging es um Verbesserungen beim Unterricht Kultusministerin Heiligenstadt mit Flüchtlingen, bessere Mitbestimmung in der Schule wie die Rückführung der demokratischen Funktion der Gesamtkonferenz (Wertschätzung der Kollegien), gegen die Zentraltests, für eine Stefan Störmer hilfreichere Umsetzung der Inklusion, bessere Arbeitsbedingungen in den Grundschulen, den Abbau von Belastungen, die Wiedereinführung der Altersermäßigung, die Herabsetzung der Gesamtstundenzahl, um Mindeststandards für Beschäftigte an Hochschulen, den Ausbau der Pädagogischen Zentren, eine grundlegende Verbesserung der Fortbildung, für GEW-Netzwerke an Hochschulen, die einphasige praxisgerechtere Lehrerausbildung, gegen prekäre Beschäftigung im Bildungsbereich. Diskutiert wurde kontrovers und ergebnisorientiert. Eine peinliche Panne passierte dem Präsidium, als die Aktion „Beschwerdewelle der Grundschulen“ ihre Unterschriftenlisten im Saal Frauke Heiligenstadt überreichen wollte und das erst im Nachhinein beim NDR-Interview vor dem Saal gelang. LEUCHTTURM 7 Halbzeit bei der Arbeitszeitstudie: „Ihr macht mit - wir finden das klasse“ Überreichen der Unterschriftenlisten „Beschwerdewelle der Grundschulen“ im Saal an Frauke Heiligenstadt Arbeitsplatz eines/r Delegierten Ein Blick ins Plenum Dolmetscher gesucht! Verständigung ist eine Frage der Sprache M it der Aufnahme eines Flüchtlingskindes in eine Klasse werden Elterngespräche notwendig, die in der Regel Verständigungsprobleme mit sich bringen. Oft genug werden Kinder, die der Sprache mächtig sind, oder bereits vor Ort befindliche Verwandtschaft für das Übersetzen herangezogen. Das ist sicherlich eine Lösung – aber, das sei aus der Erfahrung gesagt, keine gute Lösung. Wenn es um den Ablauf des Alltags, den Schulbesuch, das Mitbringen von Materialien, die schulische Laufbahn, Verhaltensfragen, Lernprobleme, Nutzung der Angebote in Bildung und Teilhabe und, und, und … geht, dann muss eine qualifizierte und vertrauenswürdige Übersetzung erfolgen. Das können nur Dolmetscherinnen oder Dolmetscher leisten, die amtlich vereidigt sind. Ein hoher Anspruch. Sicherlich. Doch von der Wirkung eines Elterngespräches hängt unter Umständen der Lernerfolg des Kindes ab, das sich in einer Lerngemeinschaft orientieren muss. Irrtümer oder verfehlte Übersetzungen durch Dritte können fatale Folgen haben. Das darf nicht sein. J. Kaufhold Die Dolmetscher - „Liste“ In der Regel führen die Amtsgerichte Listen über vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Eine Nachfrage lohnt sich. Viele Schulträger haben sich in der Zwischenzeit auf die Betreuung der ankommenden Flüchtlinge eingestellt. Auch sie können Auskunft über Hilfen weiter nächste Seite geben. LEUCHTTURM Die Kosten Schulen schrecken die Kosten. Das ist nun einmal so. Die Budgets sind knapp und Mittel daraus müssen sparsam eingesetzt werden. Doch um ein Beispiel zu nennen: Eine Übersetzung während eines Elternabends, der für eine Sprachgruppe angeboten wurde, kostete einmalig 60,00 EUR. Eine Investition, die sich in diesem Fall mehr als gelohnt hat. Das Modell „Dolmetscherpool für Emden“ berechnet pro 8 Übersetzung gerade einmal 15,00 EUR bei maximal 60 Minuten Gespräch. Wichtig ist, dass die Schulleitungen die Schulträger über die Ausgaben informieren und zusätzliche Mittel einfordern. Dolmetscherpool für Emden Die Stadt Emden bietet Hilfen über einen Dolmetscherpool an. Vermittelt werden die Dolmetscher über das Mehrgenerationen- haus Kulturbunker Emden. Ansprechpartner ist Frank Olaf Becker, Tel.: 04921/585610 oder per Mail: [email protected]. Die Anfrage sollte mindestens zwei Tage vor dem Gespräch erfolgen und es muss vereinbart sein, in welcher Sprache die Übersetzung erfolgen soll und ob eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher zum Einsatz kommen soll. Die Übersetzer sind unparteiisch und unterliegen der Schweigepflicht. Die Frage ist – wie? Hinweise zu Hilfen, Konzeptionen und Materialien zur Beschulung von Flüchtlingskindern. D J. Kaufhold ie Zahl der Flüchtlinge steigt und damit steigt die Zahl der Kinder und Erwachsenen, die die deutsche Sprache lernen müssen. Hilfen werden in dieser Situation von Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch von ehrenamtlich tätigen Flüchtingsbegleitungen teils händeringend gesucht. Natürlich. Das Erlernen der deutschen Sprache ist Voraussetzung für das Ankommen in gesellschaftlichen Bezügen, sie soll vermittelt werden – und das möglichst rasch. Eine zentrale Aufgabe. Doch die Frage ist – wie? Nicht nur Lehrmittelverlage bieten ein großes Spektrum geeigneter Materialien - für die Hände der Unterrichtenden wie für die der Unterrichteten. Diese Materialien aber sind, je nach Auswahl, unter Umständen sehr teuer. Einfacher ist es, vielleicht vorerst zwecks Einarbeit, Hilfen aus dem Internet zu suchen. Hier eine kleine kommentierte Auswahl: < Grundlage des Unterrichts in Deutsch als Zweitsprache sind die Rahmenrichtlinien „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ). Auf der Seite von NIBIS finden sich nicht nur diese Rahmenrichtlinien, sondern auch weitere Links zu unterschiedlichen Angeboten. Besonders hervorzuheben sind hier die Kontaktdaten zu den neu gegründeten Sprachbildungszentren, bzw. zum DaZ-Net. Die Adresse: h t t p : / / n i b i s . n i . s ch u l e . d e / nibis.php?menid=1129 < Lehrkräfte, die sich im Bereich DaZ fortbilden möchten, sollten vorab die Bedingungen einer qualifizierten Ausbildung genauer anschauen. Den Erwerb der Qualifikation bietet das Goethe Institut an. Schockierend sind erst einmal die Kosten der Ausbildung. Da aber die Schulen für die Führung einer Sprachlernklasse eine DaZ-Fachkraft nachweisen müssen, können sie – nach Beschluss durch den Schulvorstand – die Ausbildungskosten über das Landes-Budget abrechnen. Das ist für den schulischen Betrieb natürlich belastend. Es ist eine Forderung der GEW, diese Ausbildung grundsätzlich aus Landesmitteln zu finanzieren. Die Umsetzung ist in Arbeit. Die Adresse für die Fortbildung DaZ: http://www.goethe.de/lhr/prj/ daz/inf/lkq/deindex.htm Die Seite des Goethe-Instituts bietet aber auch weitere Materialien – unter anderem auch aktuell auch einen Selbstlernkurs für Asylbewerber. < Wer einen Sprachkurs für erwachsene AsylbewerberInnen, die gerade angekommen sind, durchführen möchte, dem helfen die Materialien „Erstorientierung und Deutsch Lernen für Asylbewerber“. Das umfangreiche Papier gibt gezielte Hilfen zur Bewältigung des Alltags. Neben einer didaktisch-methodischen Einführung werden in thematisch gebundenen Modulen Grundlagen vermittelt, die erste Schritte in die neue Gesellschaft ermöglichen sollen. Ein Modul behandelt „Kindergarten und Schule“. Zu finden unter: http://www.equal-sepa.de/material/Produkte/material/ Praxishilfen_web.pdf < Ein kurzer Hinweis zum Ende dieser sicherlich nicht ganz vollständigen Liste. Ein besonderer Tipp zu kindgerechtem Handout. Der renommierte Verlag arsEdition bietet im Internet das Willkomens-ABC an, ein Bildlexikon, das das Erlernen der deutschen Sprache erleichtern soll. Das Lexikon entspricht vielen ähnlich gearteten Kinderbüchern, die es auf dem Markt gibt. Dennoch - allein die Tatsache, dass es vom Verlag kostenfrei angeboten wird, verdient Anerkennung. Das Lexikon ist zu finden unter: http://www.willkommensabc.de/ LEUCHTTURM 9 D en Aufbau eines Netzwerkes für Lehrerinnen und Lehrer, die Kinder ohne Sprachkenntnisse und zum Teil ohne Alphabetisierung unterrichten müssen, hat das RPZ in Aurich umgesetzt. Der Arbeitskreis wird von zwei erfahrenen Lehrerinnen geleitet, die selbst in Sprachlernklassen unterrichten. Katerina Kurth und Yasmin Trautmann, Lehrerinnen der Sprachlernklassen an der Grundschule Grüner Weg in Emden, geben Einblick in die Materialien und Methoden des Unterrichts in Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Im Zentrum steht der Austausch von Erfahrungen, der in regelmäßigen Abständen während der Treffen gepflegt werden soll. Der Aufbau eines Netzwerkes für Ostfriesland dient dazu, Materialien und Methoden zu erproben und Erkenntnisse aus dem Schulalltag anderen zugänglich zu machen. Der Arbeitskreis trifft sich etwa alle sechs bis acht Wochen im RPZ, Fischteichweg 16, 26603 Aurich. Kontakt Lehrkräfte, die Kinder ohne Deutschkenntnisse unterrichten müssen und Interesse an einer Teilnahme haben, können sich bei Frau Wilms im RPZ unter [email protected] oder per Anruf jeweils in den Vormittagsstunden unter 04941 179946 anmelden. Die bislang festgesetzten Termine: 26.11.15 und 10.02.16 jeweils von 15:30 - 17:30 U hr hr.. Weitere Termine und Ankündigungen sind im Internet im Internet zu finden: www.ostfriesischelandschaft.de/ Bildung/Arbeitskreise J. Kaufhold Projekt: Pädagogen unterstützen Flüchtlinge Wittmund: LehrerInnen brauchen Hilfe S eit Anfang September unterrichten und betreuen ca. 20 KollegInnen/Interessierte ehrenamtlich die Flüchtlinge in der Behelfsunterkunft Wittmund. Seit letzter Woche sind 95 weitere Personen in der Unterkunft Altharlingersiel/Carolinensiel untergebracht, die auch beschult werden sollen. Neun zweistündige DeutschKurse laufen derzeit in Wittmund, verteilt über die gesamte Woche. Hierbei starteten wir zunächst aus dem „Nichts“: es gab wenig Stifte und Papier, zwei Tafeln, zunächst aber keine Kostenübernahmen für Kopien, letztendlich kein Konzept... Viele Materialien wurden von Wittmunder Geschäftsleuten und dem DRK gesponsert, so dass wir bald mit dem Nötigsten ausgestattet waren. Unsere eigenen Unterrichtsmaterialien erlangten immer mehr Ordnung, die Flüchtlinge konnten sich eigene Hefter erstellen. Zusätzlich fand täglich eine Kinderbetreuung statt, um allen Eltern eine Teilnahme am Deutschunterricht zu ermöglichen. Auch hier versorgten wir uns zunächst mit Spielen, Malblöcken etc. aus dem privaten Fundus. Angesichts der steigenden Zahlen der Flüchtlinge und der Intensivierung der Kurse reichen nun aber die Spenden und der gute Wille vieler Geschäftsleute nicht mehr aus, um die Nachfrage aller Beteiligter zu decken. Aus diesem Grund benötigen wir Ihre Hilfe. Wer hat Lust – entweder in Wittmund und/oder in Carolinensiel Männern, Frauen und Teens Deutschunterricht zu erteilen? Wer kann sich um die kleineren Kinder während dieser Unterrichtszeit kümmern? Wer hat Ideen etc. zur Finanzierung der Unterrichtsmaterialien? Wer kann auf anderen Wegen helfen? Sowohl Sach- (Schreibmaterial, Spiele, Puzzle,...) als auch Geldspenden werden dringend benötigt, um den Unterricht aufrecht zu halten! Die Hefte „Thannhauser Modell“ für „Deutsch als Fremdsprache‘‘ kosten z.B. pro Stück 6,50 + Porto. Vielleicht haben Sie als Einzelperson oder auch als Lehrkraft, gemeinsam mit Ihren Schülern, eine Idee, wie Sie uns unterstützen können (Adventsaktion, Spendenaktionen, Kuchenverkauf....)? Jede Aktion hilft! Im Namen aller beteiligten Helfer und im Namen der Flüchtlinge sagen wir recht herzlichen Dank! ****** Sofern Sie Interesse haben, melden Sie sich bitte schnellstmöglich bei Angelika S Sccharfenberger Tel.: 0044 44 62-6 10 1 oder 4462-6 62-610 101 Handy: 0017 17 1 33129 129 213 171 1292 Mail: s ch a r f e n b e r g e r. g e l i @ t online.de Nina Dallinger, Kristina Siebels, Christian Ubben, Angelika Scharfenberger LEUCHTTURM Es geht um das Problem, dass bestimmte Politiker die „Gunst der Massen“ gewinnen wollen, indem sie mit plakativen Parolen und den Rückgriff auf gängige Vorur- 10 teile Stimmung in der Regel für rechtsgewirkte Politik machen. „Der Populist kräht wie der Hahn auf dem Mist!“ Dass das „Volk, der große Lümmel“ (Heine) leider in einer denkbaren Mehrheit (die berühmte schweigende) immer wieder darauf hereinfällt, ist eine Gefahr für eine tolerante, demokratische Gesellschaft. Deshalb und dagegen der folgende Text: Gegen den Trend der „Antipolitik“ H Hasso Rosenthal interfragen muss man, warum die Politik in westl. Demokratien einen schlechten Ruf hat und ob das gut begründet ist. Da gibt es Bewegungen wie Pegida oder AFD in Deutschland, in Italien Beppos M5S-Bewegung, da gewinnt die rechtspopulistische dänische Dansk Folkeparti Wählerstimmen, da gibt es in den Niederlanden die aggressiven Parolen eines Geert Wilders’ mit der Partij voor de Vrijheid, in Frankreich Marine le Pen mit dem Front National, UKIP in Großbritannien und viele vergleichbare Strömungen in den entwickelten parlamentarischen Systemen. Da möchte die italienische M5SBewegung einerseits alle Politiker davonjagen („devono andare tutti casa“), will andererseits mit dem Internet potentiell ständige Mitmachmöglichkeiten für Bürger einführen. Doch ist es klug, die „alte“ repräsentative Demokratie mit ihren schwer durchschaubaren Strukturen durch eine unmittelbar regierende Polis zu ersetzen? Die „Antipolitik“ ist populistisch orientiert und wabert zwischen Themen wie Umweltschutz, Friedenspolitik und Zwangsabschiebung von Flüchtlingen mit fremdenfeindlichen Parolen hin und her. Es muss an das alte Gegenargument bei der Forderung nach „Volksabstimmungen“ erinnert werden, mit denen die Todessstrafe oder die Ausgrenzung von `abweichendem Verhalten´ sanktioniert würde. Ein Parlament in der repräsentativen Demokratie filtert, wägt ab, stellt sich wieder zur Wahl. Und sorgt dafür, dass im Großen und Ganzen freiheitliche Grundfor- men selbstverständlich bleiben: Wie Pressefreiheit, Minderheitenschutz, gesicherte Versorgung, Arbeitsrecht, Mitbestimmung usw. Wir haben keine direkte Demokratie, außer am Wahltag, auch weil (nach le Bon und Ortega y Gasset) Massenherrschaft Gefahr für Leib, Seele und Leben eines Teils der Bevölkerung bedeuten kann. Die, die ständig die „Kaste“ der Politiker in der repräsentativen Demokratie angreifen, machen sich nicht klar, dass diese „Methode“ der Wahl, die Autorität des Parlaments, der Regierung, der Kontrollmechanismen von Legislative, Exekutive und Judikative keine gute Alternative kennt. Um den guten, alten Churchill zu Rate zu ziehen: Er benennt das Problem: Es gäbe mit der parlamentarischen Demokratie kein System, das fehleranfälliger, krisengeschüttelter, korrupter sei, als andere. Doch mit dem Blick auf Diktaturen in Ost und West werde deutlich, dass es für das Volk kein besseres System gibt. Gerade weil Kritik, investigativer Journalismus, Abwählbarkeit und die Oberaufsicht durch die unabhängige Justiz Korrektiv jeder Regierung sei, gäbe es keine Alternative, auch weil es in so hohem Maße reparaturfähig sei. Was guten Journalismus ausmacht ist die Tatsache, dass er Alltag dokumentiert, Archiv der jeweiligen Gegenwart wird und aufdeckt, den Finger in die Wunde legt. Zum Beispiel, dass die „existierenden politischen Systeme Herrschaftsinstrumente der Wirtschaftseliten“ (de Saint Victor) sein können. Und dementsprechend durch die Presse und die Justiz Andersdenkende gegen jede Einschüchterung verteidigt werden. Wie zum Beispiel bei den fragwürdigen Versuchen, Journalisten des Geheimnisverrats („Landeverrat“) zu bezichtigen. Ich komme zum Schluss. Nicht „die Politik“ ist schlecht, im Gegenteil, sie verdient die Achtung aller. Die falsche Politik mancher Akteure, die zum Beispiel ausgerechnet die verfolgen, die in Deutschland den NSASkandal aufgedeckt haben, ist zu kritisieren. Und das galt 1962 (Spiegel-Affaire) ebenso wie 53 Jahre später im Jahr 2015. Die parlamentarischen Systeme mit ihrem austarierten Geflecht der Gesetzgebung, der Gesetzesausübung und der juristischen und journalistischen Kontrolle sind nie perfekt, immer verbesserungswürdig. Aber sie haben die Kritik, auch die Selbstkritik systemimmanent und sind unersetzbar. Das Gezwitscher bei Twitter, die „Shitstorm-Attacken“ bei Facebook können populistische Strömungen verdeutlichen, können individuelle Probleme sichtbar machen, aber sie sind nicht Volkes Stimme. Es gilt, dies deutlich zu machen. Die Würdigung der Twitter-Textlawinen in eigenen Rubriken in der Tagespresse bildet sicher keine Urteile der Bevölkerung ab, allenfalls die einiger „Nerds“. Es muss gelingen, Politik wieder als ehrenhafte Beschäftigung für die Bürger unseres Landes bewusst zu machen. Um den engagierten Nachwuchs in Parteien und Verbänden zu bekommen, den wir dringend brauchen. Holthusen, 12. August 2015 LEUCHTTURM 11 SeniorInnen organisieren sich neu Die Vergangenheit: Es begann vor mehr als 10 Jahren. Damals versuchten Ubbo Voss und Herbert Czekir die Fachgruppe SeniorInnen im Kreisverband Norden wieder zu beleben. Mit Erfolg, wie die Geschichte belegt. Unzählige Veranstaltungen wurden für die SeniorInnen organisiert, bei ständig steigenden Teilnehmerzahlen. Dabei stand nicht nur das Vergnügen, sondern auch die gewerkschaftliche Information im Vordergrund. Als der langjährige Bezirksund Landesvorsitzende Erwin Meyer, Westerstede, aus persönlichen Gründen sein Amt abgab, übernahm das Team Voss/Czekir im Mai 2011 auch die Leitung der Bezirksfachgruppe der Ruheständler. Als SeniorInnenvertreter des Bezirkes in der Landesfachgruppe waren beide seit Herbst letzten Jahres gemeinsam als stellvertretende Landesvorsitzende aktiv. Pläne, auch gemeinsam die Leitung der Landesfachgruppe zu übernehmen, wurden durch den Tod von Ubbo Voss hinfällig. Die Gegenwart: Kreis Norden Künftig wird die Fachgruppe SeniorInnen im Kreisverband Norden von Gudrun Jakobs und Susanne Winkler geführt. Beide waren an den letzten Unternehmungen bereits beteiligt und blicken auf eine lange Geschichte in der GEW und im Kreisvorstand zurück. Sie werden den Kreis Norden auch in der Bezirksfachgruppe SeniorInnen vertreten. und Dieter Knutz, Elsfleth, ehemaliger Bezirksvorsitzender, für die Arbeit in der Bezirksfachgruppe der SeniorInnen gewon- Bezirk WeserEms Auf Bezirksebene gestaltete sich eine Nachfolge schwieriger. Doch hier zeigte Wirkung, was das Team Voss/Czekir bereits vor Jahren unterstützt hatte. Neben den gewählten Vertretern waren zu Der neue Bezirksvorstand der Fachgruppe SeniorInnen den BezirkstagunVon links: Dieter Knutz, Ursula Themer, Günter Gross gen immer auch weitere interessiernen werden. Das Team wird te GEW-Mitglieder zugelassen, vervollständigt von Ursula Thedie sich ebenfalls in die Arbeit mer aus Emden, die schon der Fachgruppe einbringen konn- langjähriges Mitglied der Bezirksten. fachgruppe war. Als Herbert Czekir Anfang Alle drei sichern mit ihrer Juli sein Amt als Bezirksvorsit- Erfahrung und Kompetenz die Herbert Czekir, zender aufgab, um für andere erfolgreiche Arbeit der FachgrupAufgaben zur Verfügung zu pe. stehen, stand nach etlichen Günter Gross und Ursula Vorgesprächen ein kompetentes Themer werden den Bezirk in der Team bereit, den Bezirksvorstand Landesfachgruppe vertreten. Dazu übernehmen. mit wurden die Voraussetzungen So konnten Günter Gross, geschaffen, auch auf Landesebene Marienhafe, bisher in verschiede- personelle Veränderungen durchnen Gremien auf Bezirks- und zuführen. Landesebene aktiv, Land Niedersachsen Bereits im letzten Herbst hatte sich der Landesvorstand der Fachgruppe SeniorInnen Gedanken um die Nachfolge der erkrankten Vorsitzenden Christa Burbat gemacht und mit der Wahl eines zweiten Stellvertreters erste Weichen gestellt. Mitte Juli wurde Herbert Czekir nun zum Vorsitzenden der Landesfachgruppe SeniorInnen gewählt. Seinem Wunsch, einen Stellvertreter aus Weser-Ems zu wählen, um eine intensive Teamarbeit zu ermöglichen, folgte der Landesvorstand, indem er Günter Gross zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der Fachgruppe wählte. Der neue Landesvorstand der Fachgruppe SeniorInnen Von links: Herbert Czekir, Günter Gross, Bezirk Weser-Ems LEUCHTTURM 12 Mahnveranstaltung zum Antikriegstag in Aurich Z um Gedenken der Opfer von Kriegen fand am 1. September, dem Antikriegstag, eine Mahnveranstaltung am Panzergrabendenkmal in Aurich-Sandhorst statt. In den letzten Jahren hatte der DGB jeweils nach Engerhafe eingeladen zur Gedenkveranstaltung am ehemaligen Außenlager des KZ Neuengamme, das bis 1944 dort mit ca. 2000 Gefangenen bestanden hatte. Die KZ-Häftlinge mussten unter mörderischen Lebensbedingungen täglich an der Aushebung eines Befestigungsgrabens um Aurich schuften, des sog. Panzergrabens. Im Jahr 2014 wurde an dieser Stelle im Eickebusch in AurichSandhorst ein Mahnmal errichtet, eine Stahlskulptur in Form eines riesigen gelben V. Sie stellt einen Querschnitt durch den Panzergraben in den Originalabmessungen dar – oben 4,50 Meter breit, 3 Meter tief. Die gelbe Farbe steht für die Kreuze, die den Gefangenen auf die Kleidung gemalt wurden. Der Entwurf des Mahnmals stammt von dem Künstler Herbert Müller. In einer bewegenden Rede mahnte Carl Osterwald, sich zu jeder Zeit um das kostbare Gut Frieden zu bemühen, denn Frieden und Solidarität seien nicht selbstverständlich. Aus leidvoller Lebenserfahrung wisse er, dass Menschen verführbar zu allem Bösen seien. Er verwies auf die Tafel neben dem Mahnmal, auf der ein Zitat des HolocaustÜberlebenden Primo Levi steht: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ In einer weiteren Rede verknüpfte Oliver Hublitz, Gewerkschaftssekretär der DGBRegion-Oldenburg-Ostfriesland, das Antikriegsthema mit der derzeitigen Flüchtlingssituation. Seine Rede ist auf den folgenden Seiten dokumentiert. Rede von Oliver Hublitz, Gewerkschaftssekretär in der DGB-Region Oldenburg-Ostfriesland, Geschäftsstelle Leer, zum Antikriegstag 1.9.2015 / Kundgebung am PanzergrabenMahnmal in Aurich: _______________________________________________________________________________________________ M Carl Osterwald oin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe lange überlegt was ich sage und wie ich es sage. Denn ich habe Wut im Bauch. Als 1992 die Flüchtlingsunterkünfte in Rostock Lichtenhagen und Hoyerswerda brannten, wurde nach dem Aufstand der Anständigen•gerufen und er kam auch. Aber die Nazis haben trotzdem gewonnen. Sie haben etwas geschafft, was ich so nicht für möglich gehalten hätte. Sie haben es geschafft, dass das Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit geändert wurde und sie haben es geschafft, dass damit Flüchtlinge sich nicht mehr uneingeschränkt auf das Grundrecht auf Asyl berufen können. Und heute? Die Flüchtlingsheime brennen wieder, die Nazis oder das Pack marschieren wieder, und wieder wird von Seiten einiger Politiker über eine Verschärfung des Asylrechtes diskutiert. Diese und andere Dinge machen mir Wut im Bauch, und nach langem Suchen habe ich einen Text von Christian Dingler gefunden, der sehr gut meine Wut im Bauch ausdrückt. Er heißt: An Euch besorgte Bürger An die Heimatschützer, Patrioten, Biedermänner, Brandstifter, Kleingeister, Zukurzgekommene, Verständnisheuchler — ich muss Euch was sagen. Es ist Zeit, den Mund aufzumachen. Haltung zu zeigen. Denn Ihr, die Lauten, seid in der Minderheit, aber wir, die Mehrheit, schweigt. Ich will das nicht mehr. Wir müssen laut sein. Wir müssen deutlich zu Euch werden. Sehr deutlich. Sachliche Argumente ziehen bei Euch nämlich nicht. Es gibt eine Menge hervorragende Artikel, die zeigen, warum Eure oft gehörten Argumente falsch sind. Es gibt genug Artikel, die beschreiben, warum Zuwanderung nicht nur gut, sondern auch wichtig ist für Deutschland. Allein, Ihr wollt sie nicht glauben. Oder ihr könnt nicht. Also anders. Emotionaler. Diese Haltung:•Die kommen hier her und nehmen uns was weg. Die Jobs, die Sozialleistungen, was auch immer. Bei all Euren Argumenten scheint ein Motiv durch — ein Anspruchsdenken. Als bekämen die etwas, was Euch zustünde. Lasst mich das ein für allemal klar stellen: LEUCHTTURM 13 Euch steht gar nichts zu. Überhaupt nichts. Mir übrigens auch nicht. Das war jetzt übertrieben und nicht zu kurz gekommen seid, aber die Schuld der Flüchtlinge ist das nicht. Ich weiß nicht, was ich die anschließend von der NPD auf ihre Plakate geschrieben werden können.“ Ich mache da nicht mehr mit. Ich werde einen Brandstifter einen Brandstifter nennen. Einen Faschisten einen Faschisten und einen Nazi einen Nazi. Ich werde meinen Nächsten verteidigen, für ihn aufstehen und reden. Und ich werde handeln. Menschlich und emphatisch. Aufforderung: Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen Oliver Hublitz ganz richtig. Es gibt doch ein paar Dinge, die uns allen zustehen. Einfach so. Das Recht auf Leben zum Beispiel. Auf körperliche Unversehrtheit und das Recht frei entscheiden zu können, was wir mit unserem Leben anstellen wollen. Diese Rechte, die jeder von uns hat, nennt man auch Menschenrechte. Vielleicht habt Ihr ja schon mal davon gehört. Menschenrechte, nicht Deutschenrechte. Auch nicht Christenrechte. Schlicht und einfach Menschenrechte. Und die gelten immer und überall. Für jeden! Das ist nicht viel. Aber es reicht. Es reicht, etwas aus sich und seinem Leben zu machen. Man bekommt nämlich eine Chance. Und wenn man diese Chance ergreift, wenn man dafür arbeitet, dann bekommt man irgendwann auch Sachen. Ein großes Auto. Ein Haus. Ein Smartphone. Und genau das geben wir den Flüchtlingen, die zu uns kommen. Eine Chance. Und das ist nichts, was Euch weggenommen wird. Denn Eure Chance habt Ihr schon seit Geburt. Es kann sein, dass Ihr verabscheuungswürdiger finde. Die besorgten Bürger oder die verständnisvollen Politiker. Und mit verständnisvoll meine ich ganz explizit auch die, die ihre Wortwahl nicht sorgsam wählen. Oder sie sogar viel zu sorgsam wählen. Die von einer Flut, von Problemen, von Asylmissbrauch sprechen. Von Familien mit Kindern, die durch Mitlaufen den Spuk unterstützen. Ihr differenziert explizit zwischen den bösen Rassisten, den Anstiftern und Rattenfängern, und den verwirrten Bürgern. Dass es sich hierbei jedoch ebenso im Kern um Rassisten handelt, die die Folgen ihres Handelns schlicht nicht zu reflektieren gewillt sind, wird geflissentlich ausgeblendet. Ihr fischt am rechten Rand. Oder um es mit den Worten von Bodo Ramelow zu sagen: „Wir sollten alle darauf achten, dass wir nicht Worte wählen, aus denen verbale Brandsätze werden können. Politiker demokratischer Parteien sollten keine Sätze verwenden, Die Mahnveranstaltung zum Antikriegstag wird auch im kommenden Jahr wieder am Panzergrabendenkmal in Aurich-Sandhorst stattfinden. Der DGB bittet die Lehrerinnen und Lehrer, mit ihren Klassen bzw. Lerngruppen einen Beitrag zu dieser Gedenkveranstaltung zu erarbeiten und am 1.9.2016 dort vorzustellen. Wer mit Kindern und Jugendlichen etwas beitragen möchte, wende sich an Werner Schlender, Vorsitzender des DGB Kreisverbandes Aurich. Email: [email protected] Telefon: 04941 87604 LEUCHTTURM 14 Vor 40 Jahren - heute „Veränderungen in der Lehrerschaft“ 1. Medien Hasso Rosenthal Die Kunst des Tafelzeichnens galt lange als Bedingung für einen gelungenen Unterricht. Wurden die Grafiken, Tabellen abgezeichnet, entstand die Langsamkeit des ersten, leicht verschmierten, grauen, glänzenden „Lichtpausen“, anschließend die Kopierer und die (Schulassistenten galten als alkoholgefährdet) Umdrucker, deren Vervielfältigung mit den Matrizen immerhin schon (mit der Rasierklinge) korrigierbar waren. Dann hielten die teuren Offsetdrucker Einzug in den Schulen, bessere Kopiergeräte und schlussendlich der Laserdrucker, der sehr schnell relativ preiswert (sehr relativ) hervorragende Drucke anfertigt. 3. Einzelarbeitsplätze Lernprozesses, der im multimedialen Einsatz der heute gebräuchlichen Bilderdatenbanken im Internet, des Streamings von Filmen verloren zu gehen scheint. Die Tafel wird verdrängt vom Whiteboard, vom Beamer. 2. Druckware Wollte man in den 60er Jahren etwas vervielfältigen, blieb oft nur Teuer und oft wenig genutzt wurden die Sprachlabore eingeführt, die in den 90er Jahren (beginnend in den 80er Jahren) von dem rechnergestützten Unterricht (DOS-Rechner, Windows, Apple) abgelöst wurden. 4. Lern-Management Frontalunterricht war früher Standard. Dann galt die Gruppenarbeit als Beweis für Fortschritt, heute gelten Binnendifferenzierung und individuelle Lernpläne als erstrebenswert. Bei der Einführung der Inklusion neben integrativen Formen in heterogenen Lerngruppen Vorbedingung für das Gelingen. 5. Setzungen die Durchschrift mit der Blaupause (blaues „Kohlepapier“), mit dem man mit Dünndruckpapier bis zu zehn Kopien handschriftlich anfertigen konnte (mit der Tendenz zu Sehnenscheidenentzündungen). Dann kamen die Die Richtlinien der 50er Jahre (Richtlinien für die Volksschulen des Landes Niedersachsen 1957) kamen für alle Jahrgänge und alle Fächer mit 138 Seiten aus. Der „Muttersprachliche Unterricht“ wurde erschöpfend von Klasse 1 – 9 auf 18 Seiten dargelegt. Das bedeutete, dass die Lehrerin, der Lehrer sehr viel Spielraum für die Erfüllung des Anspruchs der Allgemeinbildung hatte. Heute fühlen sich die Kollegien geknebelt mit Spiralcurricula, Kernkompetenzkatalogen, Stan- dardsetzungen, einer ungebremsten Regulierungswut, die mit einer 4-stelligen Seitenzahl die Regale füllt. 6. Gehäuse Ich selbst ging noch in die einklassige Volksschule, kam dann über das Aufbaugymnasium (Wechsel in Klasse 7) auf die „Oberschule“ (Nds. Heimschule Wolfenbüttel). Dann kamen die Mittelpunktschulen, Schulzentren, Gesamtschulen, Oberschulen mit einer bundesweit verwirrenden Vielzahl von Organisationsformen. 7. Oberstufenreform Die Universitäten klagen heute über das stark eingeschränkte Grundwissen der Studenten. Vor der Oberstufenreform mussten wir auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium auch im musischen Bereich mehrsprachig alle Bereiche abdecken. Ich will nicht behaupten, dass mir das geschadet hat. 8. Interessenvertretung Herr M. fragt: „Bist Du gewerkschaftlich organisiert?“ Herr M antwortet: „Isst Du?“ Eine noch vor 40 Jahren selbstverständliche Anekdote. Es war selbstverständlich, dass Mann oder Frau sich gewerkschaftlich organisierten. Im AjLE und in der GEW sich zu treffen, war selbstverständlich. Kaum jemand kam auf die Idee, dass es sinnvoll sein könnte, allein für seine Rechte zu kämpfen. Heute ist der Gedankengang für eine gemeinsame Interessenvertretung oft verloren gegangen. Mit zu erwartenden schlimmen Folgen für die Beschäftigten. 9. Reformen Das Wort „Reform“ hat einen LEUCHTTURM 15 ziemlich schalen Beigeschmack bekommen. Viele Reformen sind seit den 80er Jahren „am lebenden Objekt“ ohne wissenschaftliche Vorbereitung (wohl mit pseudowissenschaftlichen Gutachten wie das legendäre des Ehepaars Pfeiffer gegen die OS für Sigmar Gabriel) durchgeführt worden. Ob die Rechtschreibreform (mit der Folge der sinnfremden Verwirrung), oder Schriftreform (vor kurzem zeigte die erste umfassende Untersuchung des Lehrstuhls für Orthografie in Hildesheim, dass die alte lateinische Ausgangsschrift im Vergleich zu allen Nachfolgern offensichtlich am Besten für den Schreiblernprozess geeignet ist), oder die Ablösung der Richtlinien durch Curricula (die haben nichts, wirklich gar nichts mit den bewährten Kerncurricula von Klasse 1 -10 z.B. in Dänemark zu tun). Kompetenzen ersetzen Lehr- und Lernziele, obwohl die „alte“ Form immerhin Facharbeiter und Ingenieure hat bilden helfen, die Deutschland zum Produktivitäts-, Innovations- und Exportweltmeister haben werden lassen. Früher hieß es, um kompetent zu werden (sachkundig) musst Du erst mal Lernziele erreichen. Heute majorisiert die Outputorientierung das Geschehen im Bildungsbereich mit binnendifferenzierungsfeindlichen Zentraltests. Fragt ein Lehrer seine Schüler: „Was fällt euch zum Wort `Reform´ ein?“ Antwort im Chor: „Wenn alles schlechter wird!“ In den 70er und 80er Jahren hatte ich mehrere Wochenlehrgänge mitgemacht, die allein den Änderungen und der Neugestaltung der Rahmenrichtlinien AWT galten. Seinerzeit gab es den Gang: Entwurf von ‘oben´, Diskussion ‘unten´, Bündelung der Ergebnisse, befristete Veröffentlichung des „Entwurfs“, schlussendlich gab es Richtlinien für den Bereich ArbeitslehreTechnik-Hauswirtschaft, die heute für vorbildlich gelten – darum wurden sie ja auch abgeschafft. Kreisverband Aurich Vorankündigung Zum Sonntag, 7. Februar 2016, 11.00 Uhr werden die Mitglieder unseres Kreisverbandes eingeladen zu einer (kurzen) Mitgliederversammlung mit N eujahrsbrunc Neujahrsbrunc eujahrsbrunchh ! LEUCHTTURM 16 Kapitulation vor Investoren Worum es bei TTIP wirklich geht D Von Mechthild Schrooten Die Autorin ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen as geplante TTIP-Abkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA setzt auf drei Säulen: Freihandel, Anerkennung von Standards und Investitionsschutz. Detailinformationen sind rar. Trotz dieser Informationsdefizite gibt es wissenschaftliche Studien, die die Vorteilhaftigkeit des geplanten Freihandelsabkommens berechnen. Die potenzielle Vorteilhaftigkeit von Freihandel und Arbeitsteilung ist eine Erkenntnis aus dem 18. Jahrhundert. Diese Erkenntnis institutionell zu verankern, ist die Aufgabe der Welthandelsorganisation (WTO). Um die WTO ist es in diesen Tagen still geworden. Immer weniger geht es bei aktuellen Handelsverhandlungen und Verträgen um echten internationalen Freihandel - bilaterale Abkom- men beherrschen die Debatten. Auch beim TTIP geht es nicht um internationalen Freihandel, sondern um die Schaffung neuer Wirtschaftsblöcke. Es ist in großem Maße ein Anti-Freihandelsabkommen. Die zweite Säule des TTIP ist die wechselseitige Anerkennung von Standards. Der „Chlorhühnchen- Blick“ verharmlost das Ausmaß der möglichen Anpassung. Denn die USA und die EU sind in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens und der Daseinsfürsorge höchst unterschiedlich aufgestellt: In Europa könnten sich so weitere Liberalisierungsschritte und marktwirtschaftliche Elemente durch die Hintertür des Freihandelsabkommens durchsetzen lassen. Gesellschaftsordnungen sind aber keine standardisierten Fertigprodukte. Wie weit die staatliche Risikoprä- vention in einzelnen Ländern geht, lässt sich nicht sinnvoll durch Verträge zwischen Wirtschaftsräumen festschreiben. Entscheidend ist aber der Investitionsschutz. Staatlicher Investitionsschutz ist das ganze Gegenteil von Freihandel und mehr Markt. Daher ist besonders dann aufzuhorchen, wenn dieser staatliche Schutz im Gewande eines Freihandelsabkommens kommt. Der Investitionsschutz soll durch ein privates Schiedsgericht abgesichert werden. Der Staat kapituliert damit vor den Auslandsinvestoren. Sinnvolle Argumente für einen solchen Investitionsschutz gibt es nicht. Die Politik hat offenbar nicht gelernt, dass dem Staat im 21. Jahrhundert eine komplexere Rolle zukommt, als die Renditen des Unternehmenssektors zu sichern. Zweifel sind angebracht, ob so Zukunftsfähigkeit aussieht. TTIP - eine Gefahr für die Demokratie? Das Freihandelsabkommen gefährdet unsere Souveränität. Ausweg könnte ein internationaler Gerichtshof sein. S Von Oliver Strank 0liver Strank arbeitet als Rechtsanwalt in Frankfurt. Er war UN-Referent und ist Experte für Völkerrecht. elten war etwas, das es noch gar nicht gibt, so umstritten. Für den ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso ist TTIP das größte und billigste Konjunkturprogramm aller Zeiten. Einerseits. Demonstranten gegen TTIP skandieren: „TTIP ist böse“. Andererseits. Bereits die intransparenten Verhandlungen zum TTIP werden zu Recht als undemokratisch empfunden. Ob das Demokratieprinzip gewahrt wird, hängt maßgeblich davon ab, ob TTIP am Ende von demokratisch legitimierten Volksvertretern ratifiziert werden muss. Nur dann kann von jener ununterbrochenen Legitimationskette zwischen dem Souverän den Bürgern Europas - und ihren gewählten Vertretern die Rede sein, die das Demokratieprinzip zwingend voraussetzt. Außer dem EU-Parlament muss in Deutschland auch der Bundestag zustimmen, da TTIP als sogenanntes gemischtes Abkommen zu qualifizieren sein dürfte. Wie ein Tropfen Pastis ausreicht, um ein Glas Wasser zu trüben, machen schon einzelne Unterpunkte eines Abkommens das Abkommen als Ganzes von der Zustimmung aller EUMitgliedsstaaten abhängig. Dieser Tropfen Pastis dürfte bei TTIP zumindest das umfassende Investitionsschutzkapitel sein. Es beschränkt sich nicht auf reine Handelsfragen, für welche die EU-Kommission in der Tat die ausschließliche Abschlusskompetenz besitzt, sondern greift allein aufgrund seiner Tragweite in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten ein. Bundestag und Bundesrat - und alle anderen EUMitgliedsstaaten - müssten Ceta und TTIP daher ratifizieren. Dann wäre zumindest in diesem Punkt das Prinzip der repräsentativen Demokratie gewahrt. Zwar dürfte TTIP als völkerrechtlicher Vertrag vor dem Bundesverfassungsgericht wohl kaum justiziabel sein. Ein entsprechendes Zustimmungsgesetz des Bundestags dagegen schon. Dass die Karlsruher Richter die privaten Schiedsgerichte als verfassungswidrig einstufen, ist kein unrealistisches Szenario. LEUCHTTURM 17 Dann müsste TTIP in diesem Punkt nachverhandelt werden. Was zum geplanten Investorenschutzkapitel an dürftigen Informationen durchgesickert ist, verheißt nichts Gutes. Privaten Investoren soll das Recht eingeräumt werden, Nationalstaaten unter bestimmten Voraussetzungen vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen. Derartige Investor-StaatSchiedsgerichte (ISDS) sind nicht neu. Es gibt sie seit über fünf Jahrzehnten. Deutschland hat sie zum Schutz der eigenen Investoren erstmals im Jahr 1959 in ein bilaterales Abkommen mit Pakistan hineinverhandelt, hat sie also gewissermaßen erfunden. Es gibt Hunderte bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen, alle geheim verhandelt, die meisten mit Investorenschutz. Dass es private Schiedsgerichte seit langem gibt, heißt aber noch lange nicht, dass es sie zu Recht gibt. Sein und Sollen können auseinanderfallen. Führt man sich die Tragweite des im TTIP geplanten Investitionsschutzes vor Augen, so stellt sich erst recht die Legitimitätsfrage. Solange sich nur Privatunternehmen gegenseitig vor privaten Schiedsgerichten verklagen können, berührt dies die Demokratie nicht. Problematisch für die Demokratie wird die Sache, wenn auf Beklagtenseite ein Staat steht. Besonders gefährlich für die Demokratie ist der im TTIP angelegte Schutz einer bereits getätigten Investition vor einer indirekten Enteignung durch künftige Gesetzgebung: Für den Fall, dass ein nationales Parlament etwa einen gesetzlichen Mindestlohn beschließt, der geeignet ist, die Gewinnerwartung eines Investors zu schmälern, so ist es nach dem TTIP in seiner jetzigen Gestalt zumindest denkbar, dass der betreffende Staat dem Investor den entgangenen Gewinn zu ersetzen hat. Gesetze zugunsten des Gemeinwohls und zulasten von Investoren können in Zukunft verdammt teuer für den Steuerzahler werden. Und gegen das entsprechende Urteil kann Deutschland keinerlei Rechtsmittel einlegen. Über jedem Bundestag, der in Zukunft über eine Gesetzesänderung zum Schutz des Gemeinwohls verhandelt, das die Gewinnerwartung von Investoren zu schmälern geeignet ist, schwebt das Damoklesschwert einer drohenden Milliardenklage. In den USA nennt man diesen Effekt „regulatory freeze“ - aus Angst davor, dass bestimmte Gesetze teuer werden können, entscheidet sich das Parlament dazu, sie gar nicht erst zu verabschieden. Mit dem Demokratieprinzip versöhnen ließe sich der Investorenschutz höchstens, wenn es gelingt, ein ständiges öffentliches Schiedsgericht für Streitigkeiten rund um derartige Freihandelsabkommen einzurichten - eine Art „internationaler Handelsgerichtshof “ nach dem Vorbild anderer supranationaler Gerichtshöfe wie etwa dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Ein solcher Handelsgerichtshof müsste öffentlich rechtlich institutionalisiert mit Berufsrichtern besetzt werden, die demokratisch legitimiert sind. Er müsste Rechtsmittel zulassen, damit seine Entscheidungen überprüfbar und korrigierbar sind. Und die Verhandlungen eines solchen Gerichtshofs müssten vor den Augen der Öffentlichkeit stattfinden, damit seine Urteile im Namen des Volkes gesprochen werden. Es ist noch nichts entschieden. Wir Bürger Europas müssen uns nun die 1600 Seiten des veröffentlichten Ceta-Abkommens sehr genau anschauen, um über eine breite öffentliche Debatte in den Bundestag hinein endlich Einfluss auf die endgültigen Vertragstexte von Ceta und TTIP zu nehmen. Oder eben dafür zu kämpfen, dass die Abkommen platzen. Unterrichtsmaterial 1: Das Freihandelsabkommen TTIP im Unterricht GEW-Unterrichtsmaterial: Das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ist umstritten. Befürworter argumentieren, TTIP schaffe neue Jobs, und Verbraucher profitierten von günstigeren Preisen. Gegner befürchten, dass Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz auf der Strecke blieben. Das GEWUnterrichtsmaterial beleuchtet die Argumente ausführlicher, gibt einen historischen Überblick des Freihandels und erklärt, was es mit den umstrittenen Schiedsverfahren auf sich hat. http://www.gew.de/Das_Freihandelsabkommen_TTIP_im_Unterricht.html Unterrichtsmaterial 2: Unterrichtseinheiten der Hans Böckler Stiftung http://www.boeckler.de/39577.htm u. a. zu: Kinderarmut / Gleicher Lohn für gleiche Arbeit / Mindestlohn / Steuern / Minijobs / ...u.v.a.m LEUCHTTURM 18 Gute Bildung kostet W ANDREA5 SCHWARZKOPF er über die richtige Bezahlung für Lehrerinnen und Lehrer diskutiert, muss zunächst Ziele für die Bildung in Deutschland festsetzen. Daran ist die Politik bisher gescheitert. Es gibt die erwartbaren Reaktionen auf den Lehrerstreik. Gebt den Lehrerinnen und Lehrern halt ein paar Euro mehr im Monat, aber schafft endlich das Beamtentum ab, sagen die einen. Wieso sollen die mehr Geld bekommen, die haben doch wegen der Schulferien so viel Urlaub, polemisieren die anderen. Dabei haben vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Probleme noch nie weitergeholfen. Bleibt man auf der tariflichen Ebene, ist der Arbeitskampf der Pädagogen ein normaler Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die darüber verhandeln, wie viel für eine Leistung gezahlt werden soll. Zunächst geht es also um eine Handvoll Euro mehr. Die Länder erinnern in diesem Zusammenhang an die belasteten Haushalte und die steigenden Kosten für die Altersvorsorge vor allem der verbeamteten Lehrer, die vermehrt in Pension gehen. Die Gegenseite verweist auf die gute Konjunktur, die den öffentlichen Etats frische Steuereinnahmen beschert. Diesen Zwist könnte man auch zu einer Frage zuspitzen: Wie viel ist uns eine gute Bildung für unsere Kinder wert?- Spätestens hier wird es kompliziert. Es geht nicht mehr nur um die Höhe des Gehalts, sondern auch um Ziele von Bildung. Und beides ist enger verknüpft, als mancher denkt. Soll der Nachwuchs in eine Schule für alle gehen und ganztägig betreut werden, damit künftig bei einer prognostizierten sinkenden Zahl von Arbeitskräften möglichst viele Väter und Mütter arbeiten gehen können? Oder soll in einem dreigliedrigen Schulsystem weiter vor allem Wissen vermit- telt werden? Aus den Antworten leitet sich das Berufsbild des Lehrers ab. Daraus resultiert das Gehalt. Tatsächlich müssen Lehrer seit langem täglich ihren Klassen nicht nur den Satzbau oder binomische Formeln erklären, sondern häufig Mängel der elterlichen Erziehung auffangen. Darüber wird seit langem geredet, doch hat sich beispielsweise die Lehrerausbildung in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Schule ist auch ein Ort der Integration. Viele unterschiedliche Menschen lernen täglich miteinander, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ob mit oder ohne Behinderung. Um diese Leistungen noch auszubauen und das Ziel einer Ganztagsschule für alle zu erfüllen, müssten wir mehr investieren. Lehrer müssten etwa mit Sozialarbeitern, Trainern oder Musikern den Nachwuchs durch Lern- und entspannende Phasen im Schulalltag begleiten. Über derartige Bildungsziele wird spätestens seit dem PisaSchock leidenschaftlich gestritten. Die bisher gezogenen Schlüsse zeigen: Politiker, Lehrer und Eltern haben sich bei der Schulbildung hierzulande auf den Weg der Veränderung gemacht. Die Zwischenresultate sind noch nicht befriedigend. Das hohe Lied auf Ganztagsschulen etwa hat das ein oder andere gute Beispiel hervorgebracht. Mehrheitlich ist dieses Ziel noch nicht erreicht, häufig wird es verfehlt. Das böse Wort der Verwahranstalt macht die Runde. Mancherorts haben die Verantwortlichen dieses Ziel noch nicht mal in Angriff genommen. Ein Grund für das ungleiche Tempo sind die unterschiedlichen politischen Ziele, die Politiker und Eltern vor Ort verfolgen. Mütter, die tagsüber zu Hause sind, erwarten mehrheitlich anderes von der Schule als Familien, bei denen beide Elternteile einen Job haben. Das Problem ist also, dass sich Deutschland nicht auf ein Ziel für die Schulbildung einigen kann. Und das, obwohl die Pisa-Studie zeigt: In Ländern, die ein einheitliches Ziel verfolgen, ist der Lernerfolg größer ais in Staaten ohne ein solches Ziel unabhängig von der Schulform, zentralistischem oder föderalem Bildungssystem. Der Lernerfolg hängt auch nicht vom Status des Lehrers ab. Sachsen hat sich wie die anderen neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung dafür entschieden, Lehrer nicht zu verbeamten, sondern anzustellen. Das Schulsystem dort ist genauso leistungsfähig wie das Bayerns, wo die meisten Lehrer verbeamtet sind. Der Streit über den Status sollte aber aus einem anderen Grund gelöst werden. In den westlichen Bundesländern führt die Mischform zu einer Zweiklassengesellschaft im Lehrerzimmer. Ein einheitliches Dienstrecht könnte diese Ungerechtigkeit beseitigen, alle gleich gutabsichern und zudem angemessen entlohnen. Diese Lösung verhindern aber viele Minister. Sie scheinen sich an anderen Branchen zu orientieren, wo die Anstellungsverhältnisse sich dramatisch verändert haben. Tendenziell werden dabei die vermeintlich hohen Gehälter oder angebliche Privilegien beseitigt. Werden diese Probleme nicht endlich gelöst, wird es auch weiter zu schulpolitischen Desastern kommen, wie etwa beim verkürzten Abitur. Mit viel Aplomb warben Politiker ftir einen schnelleren Weg durchs Gymnasium zum Studium. Inzwischen entscheiden sich immer mehr Eltern mit ihren Kindern gegen GB und für G9. Das Experiment ist gescheitert. Man hätte es wissen können. Gemessen daran und an den grundsätzlichen Schwierigkeiten wirken ein paar Euro im Monat zusätzlich wie eine Kleinigkeit. 19 LEUCHTTURM Besuch der Gedenkstätte „Ehemalige jüdische Schule in Leer“ des Arbeitskreis der Senioren des GEW-Kreisverbandes Leer D er Arbeitskreis Senioren des Kreisverbandes Leer der GEW besuchte die ehemalige jüdische Schule in Leer. Sie legt Zeugnis ab über die 400 jährige Geschichte deutscher Bürger jüdischen Glaubens, die mit Synagoge, Schule und Lehrerwohnung ihr kirchliches und bürgerliches Zentrum hatten. In der Zeit des deutschen Faschismus wurde viele dieser Mitbürger in Leer verfolgt, misshandelt und ermordet, Nazis eigneten sich deren Eigentum an (Man nannte so etwas Arisierung.), die Synagoge in der Heisfelder Straße in Brand gesteckt. Heute haben Bürger der Stadt, die Stadt selbst und der Landkreis Leer Gedenkstätten und Tafeln eingerichtet, die an dieses schwarze Kapitel der Leeraner Geschichte erinnern. Susanne Bracht führte kundig durch die Ausstellung, in der auch der alte Klassenraum zu besichtigen ist. Die Gedenkstätte, in der auch Zeitzeugenberichte zu erleben sind, steht besonders auch Schulen nach Absprache offen. Hasso Rosenthal GEW-Kreisverband Leer Distelstr. 5 26826 Weener 04951912223 LEUCHTTURM 11.02.2015 20 Neue Studie mit Schätzungen zu Superreichen Reichstes Prozent dürfte rund ein Drittel des Privatvermögens in Deutschland besitzen D Weitere IInfornformationen: Christian Westermeier estermeier,, Markus M. Grabka: Große statistische Unsicherheit beim Anteil der TopVermögenden in Deutschland (pdf), DIW-Wochenbericht 7/ 2015. Kontakt: Dr. Dorothea Voss Sozialexpertin, Forschungsförderung Rainer Jung Leiter Pressestelle ie reichsten Haushalte vereinen höchstwahrscheinlich einen größeren Anteil am Gesamtvermögen in Deutschland auf sich als bislang angenommen. Allein dem vermögendsten Prozent kann bis zu einem Drittel des gesamten privaten NettoVermögens in der Bundesrepublik zugerechnet werden, und nicht nur ein Fünftel. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie, die versucht, die bislang eklatanten Datenlücken zu TopVermögen zu verkleinern. Allerdings ist das Schätzverfahren mit Unsicherheiten behaftet. 55 Milliardäre und Multimilliardäre mit deutscher Staatsangehörigkeit hat das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ 2012 gezählt. 2002 standen erst 34 Deutsche auf der Liste des globalen Geldadels. In den gängigen wissenschaftlichen Untersuchungen zur Verteilung in der Bundesrepublik kommen diese Top-Vermögen bisher aber kaum vor. Der Grund: Da es keine Vermögensteuer mehr gibt, fehlen amtliche Daten zum Vermögen von Superreichen. Die einschlägigen Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) oder der Bundesbank beruhen wiederum auf groß angelegten freiwilligen Umfragen. Die sind zwar für rund 99 Prozent der Bevölkerung repräsentativ. Doch der extreme Reichtum ist so kaum messbar. Denn er konzentriert sich auf eine sehr kleine Personengruppe, die von Umfragen kaum erfasst wird. – Multimillionäre und Milliardäre kommen in gängigen Studien kaum vor So besitzt der reichste Haushalt im vom DIW organisierten Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) netto, also nach Abzug von Schulden, „nur“ knapp 50 Millionen Euro. Die BundesbankStudie „Private Haushalte und ihre Finanzen“ weist für den wohlhabendsten in ihrer Stichprobe erfassten Haushalt einen Nettobesitz von unter 80 Millionen aus. Enorm viel Geld – aber doch weit entfernt vom obersten Ende der Vermögenshierarchie, wo der Besitz mindestens im dreistelligen Millionenbereich liegt. „Im Ergebnis bedeutet dies, dass das wahre Ausmaß an Vermögensungleichheit unterschätzt wird, weil ein wichtiger Teil des Vermögens schlicht im Dunkeln bleibt“, erklären Christian Westermeier und Dr. Markus Grabka vom DIW. Zumal auch die „einfachen“ Millionäre in den Panels untererfasst sein dürften. Dabei ließ sich an der Bundesbank-Untersuchung und den Studien anderer europäischer Notenbanken ablesen, dass die Ungleichheit in Deutschland schon auf Basis der vorliegenden lückenhaften Daten größer ist als in allen anderen Euro-Ländern außer Österreich. In einem Böckler-geförderten Projekt loten die beiden DIWVerteilungsforscher Möglichkeiten aus, die Lücken in der Vermögensstatistik zu reduzieren. Dazu wenden sie ein Verfahren an, um sich dem Besitz von Superreichen anzunähern. Ausgehend von den deutschen Milliardären auf der „Forbes“-Liste lassen sich statistische Muster zur Verbreitung von Top-Vermögen ableiten. Ihr Modell erlaubt auch ergänzende Schätzungen zu den Vermögen von Millionären und Multimillionären, die deutlich häufiger sind als Milliardäre. Allerdings ist das Verfahren mit Unsicherheiten behaftet: Denn bei stichprobenartigen nachträglichen Abgleichen der „Forbes“-Liste mit den Steuerdaten verstorbener US-Superreicher erwiesen sich die geschätzten Vermögen beispielsweise als tendenziell zu hoch gegriffen. Westermeier und Grabka variieren deshalb die Parameter in ihren Schätzungen systematisch. So kommen sie auf verschiedene Szenarien, mit denen sich recht plausible Ober- und Untergrenzen für die Vermögen von Superreichen in Deutschland ansetzen lassen. – Gesamtvermögen könnte um zwei bis drei Billionen Euro höher sein Egal, welches Szenario man wählt, eines wird beim Blick auf die Daten der Forscher sofort klar: Wenn die bislang vernachlässigten Top-Vermögen hinzugeschätzt werden, steigt das Gesamtvermögen in Deutschland stark an. Beispiel 2012: Nach den reinen SOEP-Daten besaßen die privaten Haushalte netto knapp 6,3 Billionen Euro. Bezieht man den geschätzten Besitz der Superreichen mit ein, sind es mindestens rund 8,6 Billionen, maximal sogar etwa 9,3 Billionen Euro. Der starke Zuwachs belege die hohe Relevanz sehr hoher Vermögen für die Vermögensverteilung, schreiben die Forscher. – Dem reichsten Hundertstel dürfte bis zu einem Drittel aller Vermögen gehören… Auch der wirtschaftliche Abstand zwischen den Reichsten und dem Gros der Gesellschaft wächst noch einmal beträchtlich, wenn die geschätzten Top-Vermögen in die Analyse einbezogen werden. Das lässt sich etwa daran ablesen, wie viel das reichste Hundertstel vom gesamten Nettovermögen im Land hält. Zu dieser Gruppe zählen auf Basis der nicht- LEUCHTTURM 21 erweiterten SOEP-Daten Haushalte, die über ein Nettovermögen von mindestens 1,35 Millionen Euro verfügen. Nach der Hinzuschätzung steigt diese Untergrenze noch einmal an – und gleichzeitig fällt der Anteil des obersten Prozents am Gesamtvermögen weitaus größer aus: Statt 18 Prozent, die das SOEP ohne Ergänzung für das Jahr 2012 ausweist, rechnen die Forscher nun mit 31 bis 34 Prozent je nach gewähltem Szenario. Damit wächst auch der Anteil, der auf die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte entfällt: Nach der Zuschätzung sind es zwischen 63 und 74 Prozent aller Vermögen in Deutschland – und nicht nur gut 60 Prozent wie nach den reinen SOEP-Daten. – … dem obersten Tausendstel 14 bis 16 Prozent Wie stark sich die Vermögen gerade an der Spitze der Pyramide ballen dürften, macht eine weitere Rechnung der Forscher deutlich: Die reichsten 0,1 Prozent der Haushalte hielten 2007 rund 7 und 2012 etwa 5 Prozent des gesamten Nettovermögens, wenn man nach den SOEP-Daten ohne Erweiterung geht. Dieser Anteil ist bereits größer als der, den die weniger wohlhabende Hälfte der Gesamtbevölkerung besaß. Erwartungsgemäß steigt der Anteil der Superreichen aber noch einmal sprunghaft, wenn bislang vernachlässigte Top-Vermögen hinzugeschätzt werden: Auf dieser Basis kalkulieren Grabka und Westermeier mit 14 bis 16 Prozent, die das reichste Tausendstel besitzt. Und im Zeitverlauf seit 2002 sei dieser Anteil stabil geblieben. Finanzmarktkrise und Niedrigzinsphase scheinen die TopVermögenden also kaum geschädigt zu haben. GEW - NORDEN Fachgruppe Grundschule und Förderschule N achdem 11 Grundschulen allein im Altkreis Norden im Sommer Belastungsanzeigen auf dem Dienstweg an das Kultusministerium geschickt hatten, trafen sich nun GEW KollegInnen in Norden, um weitere Aktionen zu diskutieren. Die GEW-FG Grundschulen beklagt die steigenden Anforderungen: Inklusion, Ganztagsschule, Gesundheitsförderung, Dokumentationspflichten sind nur einige Punkte im Katalog der zunehmenden Anforderungen an die KollegInnen in den Grundschulen. Vor allem die Zunahme von Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten der Kinder belastet alle KollegInnen sehr. Viele Kollegien haben diese Belastungen und die zunehmenden außerunterrichtlichen Verpflichtungen in ihren Anzeigen an die Kultusministerin eindrücklich beschrieben (mehr als 300 Grundschulen in ganz Niedersachsen) und stellen berechtigte Forderungen nach Entlastung. Auch die Situation der pädagogischen MitarbeiterInnen, die sich teilweise weit über den PMErlass hinaus einbringen, steht damit im engen Zusammenhang. Die Ausweitung der Aufgaben der Schulleitungen, gerade an kleinen Grundschulen, ist ebenfalls gra- vierend, die vielen unbesetzten ten sich Ernst genommen durch Schulleitungsstellen sind der die Landesschulbehörde, doch Beweis. „die zeitliche Belastung“ so eine „Die seit über einem Jahr Kollegin in der Runde „ist nicht rollende „Beschwerdewelle“ muss das hauptsächliche Problem, weiter voran getrieben werden“, sondern die psychische Belaso der allgemeine Tenor während stung“. des GEW-FG-Treffs in Norden. Die KollegInnen wollen Inklu- Anette Hillen Ein fortschrittliches und demokra- sion, wollen den Kindern gerecht tisches Schulwesen gerade im GS- werden, daher die Forderung an Bereich, das den Bedürfnissen den Dienstherrn, die Landesschulund Lebenswelten heutiger Kin- behörde: der und dem neuesten Stand der – Gebt uns die Ressourcen, Pädagogik entspricht, ist das Ziel. die wir brauc hen, um brauchen, Einiges wurde schon umgesetzt extreme Situationen (Eingangsstufe, Ganztag, Inklusidurc hzustehen!!! durchzustehen!!! on ….), jedoch vieles auf Kosten – Sc hulsozialarbeiterInnen SchulsozialarbeiterInnen der KollegInnen durch immer an allen Grundsc hulen !!! Grundschulen mehr Aufgaben. Eine Kampfbe- – Doppelbesetzung in den reitschaft im GS- und für den GSInklusionsklassen !!! Bereich wurde an diesem Nachmittag deutlich. Je mehr mitmachen, desto Näc hstes T EW hNächstes Trreffen der G GEW EW-- Fac Fachgrößer ist die Chance auf gr uppe Gr undsc hule/ För dersc hule gruppe Grundsc undschule/ hule/F ördersc derschule spürbare Veränderungen. Unmut wurde geäußert 1. D ezember 220 0 15, um 16:00 U hr Dezember hr,, Uhr über das Vorgehen der Landesschulbehörde, die die im Mittelhaus, N euer W eg, N or den Neuer Weg, Nor orden Belastungsanzeigen in Osnabrück gestoppt hat, obThemen werden sein: wohl der Adressat das – Wo sind die Belastungsanzeigen geblieKultusministerium ist. ben? Schuldezernenten führten – Inklusion daraufhin Dienstversammlungen in den Grundschulen – Flüchtlingskinder in den Grundschulen durch. u. a. Hilfen zur Sprachförderung Einige KollegInnen fühl- LEUCHTTURM 22 Emslandlager D H. Rosenthal ie Geschichte der unter nationalsozialistischer Herrschaft errichteten Emslandlager ist großen Teilen der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, nahezu unbekannt. Dabei bietet die Beschäftigung mit ihr die Möglichkeit, einen differenzierten Einblick in das Herrschaftssystem des NS-Staates zu erhalten. Die insgesamt 15 Emslandlager hatten von 1933 bis 1945 wechselnde Funktionen. Sie dienten den Nationalsozialisten als Konzentrationslager (19331936) Strafgefangenenlager (19341945) Militärstrafgefangenenlager (1939-1945) Kriegsgefangenenlager (19391945) Außenlager des KZ Neuengamme (1944/45). In vielen Orten Norddeutschlands bestanden außerdem Außenkommandos der Lager, eben- so, im Krieg, in Nordnorwegen und in Westfrankreich. Die unterschiedlichen Funktionen spiegeln die fortschreitende Entwicklung der nationalsozialistischen Herrschaft wider. Zunächst zur Ausschaltung und „Umerziehung“ von tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern des NS-Regimes, später auch zur besonders harten Bestrafung von zivil- und militärgerichtlich Verurteilten sollten nicht nur die unmenschlichen Lebensbedingungen in den Lagern beitragen. Gleichzeitig wurden die Gefangenen zu schwerer körperlicher Arbeit bei der Kultivierung der emsländischen Moore und, ab Kriegsbeginn, in kriegswichtigen Bereichen herangezogen. Die Emslandlager verkörpern daher auch ein Stück Regionalund Wirtschaftsgeschichte. Insgesamt wurden ca. 80.000 KZ-Häftlinge und Strafgefangene und zwischen 100.000 und 180.000 Kriegsgefangene in den Lagern inhaftiert. Bis zu 30.000 Menschen, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, kamen in den Moorlagern um. Bereits im April erteilte das Preußische Innenministerium dem Regierungspräsidenten in Osnabrück den Auftrag, im Emsland für die Unterbringung von 3.000 bis 5.000 Gefangenen mehrere Lager einzurichten. Im Sommer schließlich wurden die Konzentrationslager Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum als „Staatliches Konzentrationslager Papenburg“ fertiggestellt und mit 4.000 Häftlingen belegt, neben politischen Gegnern bald auch u.a. Zeugen Jehovas und sog. ,Sicherungsverwahrte‘. Die Gefangenen, die sich selbst ,Moorsoldaten‘ nannten, wurden bei der Kultivierung der emsländischen Moore zur Zwangsarbeit herangezogen. Mit der Neuorganisation des KZ-Systems unter Aufsicht der SS im Sommer 1934 wurden die Lager Neusustrum und Börgermoor als KZ aufgelöst und von der preußischen Justiz als Strafgefangenenlager übernommen. Esterwegen blieb bis zu seiner „Verlegung“ nach Sachsenhausen im August/September 1936 als Konzentrationslager bestehen und wurde ab Januar 1937 als Lager VII ebenfalls Strafgefangenenlager. Daneben bestanden die Lager I Börgermoor, II Aschendorfermoor, III BrualRhede, IV Walchum, V Neusustrum und VI Oberlangen mit Platz für zunächst 5.500 Gefangene, bevor 1938 im mittleren und südlichen Emsland acht weitere Strafgefangenenlager errichtet wurden: Lager VIII Wesuwe, IX Versen, X Fullen, XI GrossHesepe, XII Dalum, XIII Wietmarschen, XIV Bathorn und XV Alexisdorf. In den Strafgefangenenlagern wurden bis Kriegsende bis zu 70.000 Menschen inhaftiert, darunter u.a. Kriminelle (nach heutigen Rechtsverständnis), Homosexuelle, politische Gegner, sog. ,Asoziale‘ und, ab Kriegsbeginn, zunehmend wehrmachtgerichtlich verurteilte Soldaten. In einem Teil des Lagers Esterwegen und in Börgermoor wurden 1943/ 44 außerdem westeuropäische Widerstandskämpfer, sog. ,Nacht und Nebel‘-Gefangene, inhaftiert. Bereits im September 1939 übernahm das Oberkommando der Wehrmacht die Lager VI und VIII bis XI und nutzte sie als Kriegsgefangenenlager für bis Kriegsende weit über 100.000 Soldaten aus der Sowjetunion, Frankreich, Belgien, Polen und Italien. 1944/45 dienten die Lager Dalum und Versen der SS kurzzeitig Außenlager des KZ Neuengamme. Im April 1945 wurden die Häftlinge der Emslandlager von britischen, kanadischen und polnischen Truppen befreit. LEUCHTTURM 23 Moorsoldatenlied von Johann Esser und Wolfgang Langhoff Melodie von Rudi Goguel Ref.: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor Auf und nieder gehn die Posten, keiner, keiner kann hindurch. Flucht wird nur das Leben kosten, vierfach ist umzäunt die Burg. Wohin auch das Auge blicket Moor und Heide nur ringsum. Vogelsang uns nicht erquicket, Eichen stehen kahl und krumm. Ref.: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor Ref.: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor Doch für uns gibt es kein Klagen, ewig kann nicht Winter sein. Einmal werden froh wir sagen: Heimat, du bist wieder mein. Hier in dieser öden Heide ist das Lager aufgebaut, wo wir fern von jeder Freude hinter Stacheldraht verstaut. Dann ziehn wir Moorsoldaten nicht mehr mit dem Spaten ins Moor. Ref.: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor Morgens ziehen die Kolonnen in das Moor zur Arbeit hin. Graben bei dem Brand der Sonnen, doch zur Heimat steht der Sinn. Ref.: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor Heimwärts, heimwärts jeder sehnet nach den Eltern, Weib und Kind. Manche Brust ein Seufzer dehnet weil wir hier gefangen sind. Aufsichtpflicht Kita haftet nicht für Blechschäden B ewerfen Kitakinder ein geparktes Auto mit Kieselsteinen, haftet der Träger der Kindertagesstätte nicht für entstehende Schäden. Das Oberlandesgericht Frankfurt/ Main urteilte: Der betroffene Autobesitzer muss den Lackschaden auf eigene Kosten ausbessern lassen. Begründung: Kinder unter sieben Jahren können zum einen grundsätzlich nicht belangt werden. Zum anderen haftet der Träger - hier die Stadt - in solchen Fällen nur, wenn Erzieherinnen ihre Aufsichtspflicht verletzen. Um dieser Pflicht gerecht zu werden, müssen sie ihre Schützlinge jedochnicht auf Schritt und Tritt überwachen. Bei einer Gruppe von 15 bis 20 Kindern, so die Richter, sei es gar nicht möglich, jedes einzelne Kind ununterbrochen zu kontrollieren. Die beiden Erzieherinnen waren sofort eingeschritten, als sie mitbekamen, dass vier Kinder am Zaun mit Steinen hantierten. Damit haben sie genügend aufgepasst, befand das Gericht und brummte dem Autobesitzer die Reparaturkosten auf. Dieser hatte die geltend gemachten Schäden obendrein nur unzulänglich dokumentiert (Az. 1 U 76/13). Unterrichtsmaterialien der H. Böckler-Stiftung Böckler Schule Wir bieten aktuelle Materialien für den sozioökonomischen Unterricht in Sekundarstufe I und II: didaktisch aufbereitete Unterrichtseinheiten, Themenhefte zu ausgewählten aktuellen Themen, anschauliche Grafiken und Artikel zu neuesten Forschungsergebnissen. Alle Materialien sind kostenlos verfügbar. mehr: http://www.boeckler.de/39577.htm LEUCHTTURM 24 Wie Biedermann es mit den Brandstiftern hält. Milliardenschwere Beratungsunternehmen sorgen für Einsparungen in Schulen, in Kindergärten, in allen sozialen Bereichen oder - Wie eine Stadt nach Beratern ruft, die Steuersäckel leeren wollen. J J. Kaufhold e komplizierter ein Vorgang, desto schwieriger wird es, die Menschen dafür zu interessieren. Und das Problem ist so vielschichtig, dass selbst Wissenschaftler von kaum durchschaubaren Strukturen sprechen. Das System aber kostet den Staat ein mehrstelliges Millionenvermögen jährlich und Schulsekretärinnen, Hausmeistern und vielen anderen, besonders in sozialen Berufen, den Job. Voraussetzung dazu ist, dass jede öffentliche Einrichtung - von der Kommune bis hin zum Bund – brav dem Ruf der Moderne nach „Lean Administration“, nach „Systemischer Organisationsentwicklung“ folgt. Worthülsen spielen entscheidende Rollen, Luftschlösser allemal. Der Glaube daran sitzt so tief, dass die Bewunderung der neuen Kleider des Kaisers im Märchen eine schwache Vorstellung dagegen ist. Ehrfürchtiges Erstarren ist Vorschrift, Unglaube verwerflich, Erkenntnis strafbar. Mit diesem Thema setzte sich Dr. Werner Rügemer in der Veranstaltung „Die Luft für Soziale Arbeit wird dünner“ im Forum der VHS in Emden auseinander. Rügemer ist Wirtschaftswissenschaftler und Lehrbeauftragter der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln. Er hielt den Kernvortrag: Wirtschaftsprüfer wie PricewaterhouseCoopers (PwC) – was machen die eigentlich? Eingeladen zur Veranstaltung hatte der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit (AKS), ein Zusammenschluss von Sozialwissenschaftlern, die hemmende oder negative Entwicklungen im Sozialwesen unserer Gesellschaft kritisch hinterfragen und Fehlentwicklungen verhindern wollen. Zur Veranstaltung wurde auch geladen - und das lag in der Natur der Sache - der Kämmerer der Stadt Emden, Horst Jahnke. Der Veranstaltungsraum, das sei betont, war gut besucht, Kommunalpolitiker der verantwortlichen Mehrheitsparteien fehlten. Da lag die Vermutung nahe, dass sie der Kritik bereits überdrüssig waren, denn in so mancher Parteiversammlung und in manchem Ortsverein hatte es kräftig gebrodelt. Der Grund: Die Stadt Emden hatte im Rahmen der Haushaltskonsolidierung Ende 2014 ausgerechnet PwC beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Schon in der ersten Presseverlautbarung zu den möglichen Einsparungen war zu lesen: „Standards in Kindergärten oder die Ausstattung von Schulen mit Sekretärinnen“ (OZ, 5.12.14). Grundsätzlich sei gesagt: Banale Ansätze, die jede bekannte Begutachtung bislang mit sich brachte und bringt. Warum auch nicht. Gruppen, die sich wehren können, kommen eh nicht in Betracht. Und die Logik ist auch da: Schulsekretärinnenstunden einkürzen und Kindergärten enger berechnen bei gleichzeitig flächendeckender Einführung der Ganztagsschule und politisch gewolltem Ausbau der frühkindlichen Erziehung. In der Kommunalpolitik offensichtlich kein Problem. Zum Zeitpunkt der Beauftragung 2014 erschienen bereits Berichte darüber, dass PwC mit dem Luxemburg-Modell nament- lich genannten Firmen mit kreativer Finanzgestaltung zur Seite gestanden hatte. Mit ausgeklügelten Steuersparmodellen drückte PwC die Steuerlast der Großunternehmen zum Teil auf unglaubliche 0,1 %. Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber, welche Praktiken PwC dabei pflegte - zum Schaden der Bundesrepublik Deutschland. Und unter Wikipedia gab es deutliche Darstellungen dazu, wie PwC Umsätze generierte. Der Steuerausfall für die Bundesrepublik lag Schätzungen zur Folge im mehrstelligen Millionenbereich. Einmal zur Kenntnis genommen, saßen Fragen den KommunalpolitikerInnen im Genick: Wie geht PwC mit den Erkenntnissen aus Emden um? Verlieren wir wichtige Steuerzahler, wenn PwC diese gleichzeitig berät? Und – warum bot die PwC die Begutachtung so preisgünstig an, wenn…? Ein Stochern im Nebel. Konkrete Antworten dazu gibt es nicht. Wie auch. Doch Fachleuten ist klar, der Schaden ist da. Wenn denn späterhin Einbrüche an Steuern zu verzeichnen sind, werden die Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehbar sein. Der Nebel ist zu dicht. Und der Nebel ist gewollt. Das wurde im Vortrag des Werner Rügemer sehr deutlich. Die genannten Summen, die von den Big Four, den größten vier GlobalPlayern zu denen PwC gehört, für Großunternehmen einzusparen pflegen, liegen nahezu immer in mehrstelligen Millionenhöhen. Die Beratungsfirmen gehen in allen Bereichen nach immer gleichem Muster vor. Das Muster LEUCHTTURM 25 ist seit langem gut bekannt. Aber alle erstarren in Ehrfurcht, sobald Beratungsergebnisse vorliegen. Der Glaube an den Erfolg, das machte Werner Rügemer am Beispiel Köln und anderen Kommunen klar, zog blinden Eifer nach sich. Unterschriften unter tausendseitigen Verträgen bedenkenlos geleistet – und - die Erkenntnis, in eine Falle geraten zu sein, war und ist tatsächlich strafbar. Kommunen mussten zum Teil große Geldbeträge aufwenden, um aus dem Dilemma herauszukommen. Im Grunde doppelt geschädigt. Der Referent sprach deutliche, zu deutliche Worte, beleuchtete den, für politisch bewusst denkende Menschen offensichtlich kriminellen Hintergrund. Ein Fehler. Horst Jahnke nutzte die offene Flanke und reagierte erst einmal hart auf persönlicher Ebene. Der Referent habe Bezeichnungen gebraucht, betonte er, die eine Verpflichtung zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nach sich zögen. Der Referent würde dann schon feststellen, dass alles korrekt gelaufen und krimineller Hintergrund nicht gegeben sei. Der Kämmerer entschied sich also für einen Angriff, für ein Infragestellen des Gegners. Gut. Das war seine Entscheidung. Das Argument zeigt aber auch zugleich die Schwäche des europäischen Systems. Recht und Gesetz eröffnen Möglichkeiten, die jedem normalbürgerlichen Rechtsempfinden zuwiderlaufen. Und die EU Gesetzgebung bildet kein Korrektiv. Europa ist kein Staatenbund, wie der erfolglose Finanzminister Griechenlands, Yanis Varoufakis, in einem ZEITArtikel verbittert feststellte, sondern lediglich ein Bund souveräner Staaten. Luxemburg ist ein souveräner Staat. Gerade diesen Aspekt weiß Jean Claude Junker immer wieder deutlich zu betonen. Die deutsche Strafverfolgung handelt nicht nach Rechtsempfinden, sondern nach geltendem Recht. Der Angriff des Kämmerers unterstrich also quasi noch einmal das Gesagte, doch im Anschluss gab es Versöhnlicheres. Der Kämmerer begründete den Einsatz PwCs, lieferte seinerseits einsehbare Anlässe für die Beauftragung - die Notwendigkeit der Wirtschaftsprüfung zum Beispiel - , er gab andererseits aber auch nach. Man habe eben nur eine Expertenmeinung hören wollen, Entscheidungen im Rahmen der Gutachten seinen schließlich immer noch Angelegenheit des Rates. Und gerade da könne gegen Vorschläge entschieden werden, die nicht sozialverträglich seien. Also: Nichts wird so heiß gegessen, wie … Der Referent versuchte einen Gegenzug, fragte nach bestehenden Gesetzen. Dennoch. Der Schlagabtausch der beiden Kontrahenten blieb unbefriedigend. Bis in die letzte Fragerunde hinein konnte – außer der Feststellung, wie heftig Steuern verloren und soziale Belange gering geschätzt werden - keine grundlegende Klärung erfolgen. Eine klare Aussage hätte nur lauten können: Gesetze, die dieses System ermöglichen, müssen geändert werden. Klar. Der Diskussionsprozess läuft, ob aber diesem gnadenlosen und gefährlichen Unsinn ein (Gesetzes-) Riegel vorgeschoben werden kann, sei dahingestellt. Bis dahin halten es alle so, wie Biedermann es mit seinen Freunden, den Brandstiftern, hielt.* *) Im Drama hält Biedermann zu seinen Freunden, den Brandstiftern. Kurz bevor alles in Flammen aufgeht, tritt der Akademiker, ein Brandstifter, auf und verliest ein Schriftstück, mit dem er sich von den Taten der Brandstifter distanziert. (Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter. Drama. Erstaufführung 28.09.1958) 40 JAHRE Mitglied unserer GEWerkschaft D er GEW Kreisverband Aurich dankt folgenden Kolleginnen und Kollegen für ihre langjährige, nämlich 40jährige Mitgliedschaft in der GEW: Klaus Brendemühl, Dieter Fröhlich, Uwe Geipel, Susanne Karg-Alberding, Heidi Koenig-Gohl, Susanne König, Erika Kroh-Lammers, Elfi Losch, Jutta Meyer, Reinhold Mohr, Jürgen Mühlhausen, Karin Reinken, Berthold Rogga, Grete Saathoff, Hartmut Steffen, Helene Steffen. Der Kreisvorstand nahm dies zum Anlass, die JubilarInnen zu einem Essen einzuladen und das Jubiläum gebührend zu feiern. Die meisten der Eingeladenen sind schon im Unruhestand; so mussten einige leider wegen Ortsabwesenheit absagen: Erika Kroh-Lammers, Dieter Fröhlich, Uwe Geipel und Reinhold Mohr konnten teilnehmen (s. Foto) (Die weiteren Personen auf dem Foto sind die Vorstandsteam-Mitglieder Karl Hoops, Silke Utnehmer, Nicole Bones, Melanie Diehl und Christian Philipp Storm.) LEUCHTTURM 26 Anmerkungen zu Bedeutung der Schreibschrift V Hasso Rosenthal (Quelle: Gegen die Abschaffung der Schreibschrift; Hamburg; 22. 6. 2014; Die Welt) s. auch LT Nr. 119 iele Schulpolitiker deuten das Erlernen der Schreibschrift als überkommenen Bildungsbalast aus dem 19. Jahrhundert. Eigentlich würde man Schülerinnen und Lehrerinnen gern entlasten, um Raum für andere Lerninhalte zu schaffen. So gibt es in Thüringen seit 2010 vorgeschrieben nur noch die Druckschrift, in Hamburg seit 2011. In der Schweiz oder in Finnland will man das Schreiben mit der Hand komplett abschaffen. Man diskutiert die komplette Umstellung des Lese-SchreibLehrgangs auf Tablets. In den Niederlanden gibt es etliche „Steve-Jobs-Schulen“, in denen Schülerinnen nur noch mit Tablets (i-Pods) arbeiten. Prof. Ursula Bredel (Uni Hildesheim – Lehrstuhl Orthografie-Didaktik) kritisiert, dass hier (wieder einmal) eine Reform praktiziert werde, ohne begleitendes Pilotprojekt. „Die Auswirkung (der Abschaffung der Schreibschrift) kann man nicht durch kurzfristige Beobachtungen feststellen. So werde () das Experiment ohne fundierte Kenntnisse des Prozesses (der Entwicklung der Sprach- und Rechtschreibkompetenz) am lebenden Subjekt durchgeführt.“ Sie betont als Vertreterin der Orthografiedidaktik, dass Handschreiben ein „kosmotischer Prozess“ sei, bei dem nicht einzelne Buchstaben isoliert verschriftlicht würden, sondern Buchstabenfolgen, die sprachlichen Einheiten entsprechen (überwiegend Silben und Morpheme). Die Schrift besteht aus Zeichen zur Wiedergabe der Sprache, die intellektuell bedeutsam wirken. „Verbundene Schriften ermöglichen Schülern sprachliche Einheiten als verbundene zu lernen.“ Bredel kritisiert, dass das Fehlen der Schreibschrift beim Schreibprozess kaum untersucht sei. Sie hebt jedoch hervor, dass der bisherige Forschungsstand die lateinische Ausgangsschrift und die Schulausgangsschrift als lernfreundlichste Schriften bezeichnet werden können. Kommunikationsfähigkeit ist die Summe aller Fähigkeiten des Menschen, sich verbal oder schriftlich zueinander zu verhalten (Watzlawick). Die digitale Kommunikation kann ein erhebliches Defizit an Fähigkeiten zur mitmenschlichen Kommunikation bedeuten, da die komplexe und vielseitige Form des wirklichen Umgangs miteinander (face to face) unterentwickelt bleibt. Nur die analoge Kommunikation (Sprechen und handschriftliche Dialoge) bieten das semantische Potential (Watzlawick) der Empathie und der Verständigung (Allegorese). „Haus“ ist ein einfaches Wort. Aber beim Lesen oder Handschreiben dieses Wortes explodiert im Gehirn ein wahres Feuerwerk. Millionen winzige Stromimpulse rasen durch die Nervenbahnen. Sie aktivieren alte Erinnerungen und stimulieren Gefühle. In diesem Moment ist aus einem Wort mehr geworden als vier Buchstaben. Der Schreiber, Leser hat ein Bild vor Augen. Es gibt nach Morris vier Gebrauchsweisen der Sprache: informativ, bewertend, Handlung provozierend, systembildend (ordnend). Es gibt den alten Leitsatz „mit der Hand in den Kopf“. Zwei Forscher der Princeton University untersuchten in Experimenten, wie gut Probanden die Inhalte von Vorträgen wiedergeben konnten, je nachdem ob sie Notizen mit der Hand oder mit dem Computer verfasst hatten. Dabei zeigte sich: Bei reinen Wissensabfragen nach harten Fakten schnitten beide Gruppen ähnlich gut ab. Weitergehende Verständnisfragen jedoch konnte die Handschrift-Fraktion deutlich besser beantworten als diejenigen, die an der Tastatur gesessen hatten. Schreiben und Lesen, miteinander reden, Piktogramme austauschen können in viele Bestandteile zerlegt und untersucht werden. Die Lehre der Funktionsweise der Dialoge, der Debatten (Soziolinguistik mit der „Ethnographie des Sprechens und Schreibens“ in einer bestimmten Gesellschaft) zeigt die typischen sinngebenden Sprach-, Bild- und Kommunikationsmuster. Dabei ist bisher die handschriftliche Aneignung der Sprache mit ihren Funktionen wichtiger Bestandteil der „Aneignung der Deutung der Welt“. Beim handschriftlichen Notieren entsteht eine innere, wörtliche Rede, die unsere Sprachkompetenz (Denotat und Konnotat) weiterentwickelt. Mit der Sprache und ihrer Aneignung schaffen wir ein geordnetes Weltbild (Adam LEUCHTTURM 27 Schaff). Dabei ist die genuineigene Handschrift Teil dieses Aneignungsprozesses. Indem ich verbunden Buchstaben zu Worten, Sätzen und Texten gestalte, schaffe ich auch meinen Sinn für das Verständnis meiner Welt. Wenn ich diese Kompetenz entwickelt habe, kann ich auch sinnentnehmend Lesen. Das Gehirn kann noch mehr. Es passt Lesetempo und Intensität an den Text an. Neben dem Sinn der Wörter erkennt es auch deren grammatikalische Bedeutung. Wie die einzelnen Gehirnregionen dabei zusammenarbeiten, ist noch unklar. „Wir wissen, dass fast die Hälfte der Hirnoberfläche am Lesen beteiligt ist“, sagt Fischer. Das Gedächtnis spielt dabei eine zentrale Rolle. Das Kurzzeitgedächtnis speichert Informationen vom Textanfang, die später mit neuen Inhalten verknüpft werden. Das Langzeitgedächtnis stellt Bilder und Gefühle bereit. Ohne das Langzeitgedächtnis würde der Leser keinen Text verstehen. Er könnte sich nicht einmal daran erinnern, was ein Haus ist. Dabei ist „Haus“ so ein einfaches Wort. »Lesen kann das Auge nicht. Wir sehen mit dem Gehirn. « (Neurologe Burkhart Fischer, Universität Freiburg) Viele Schulpolitiker deuten das Erlernen der Schreibschrift als überkommenen Bildungsbalast aus dem 19. Jahrhundert. Das 19. on mittels der Handschrift. Natürlich ist es mühselig, Schriftsprache zu lernen. Erst Recht, seitdem haptische Grundfertigkeiten über die explosionsartige Nutzung von Tastatur und Bildschirm signifikant zurückge- Jahrhundert war das Jahrhundert der Aufklärung und der Entwicklung der Allgemeinbildung. Es gibt seit 150 Jahren gute Erfahrungen mit der Enkulturati- bildet werden. Doch: Die teilweise handwerkliche Aneignung unserer sprachlichen Fähigkeiten bleibt aktuell wichtig. Termine für die Herbstschulung 2015 Schulbezirkspersonalrat Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch dieses Jahr finden wieder unsere Herbstschulungen für Personalräte in den unterschiedlichen Kreisverbänden statt. In der unterliegenden Tabelle geht Die Mitglieder des Schulbezirkspersonalrats sind montags und mittwochs in der Zeit von 9.00 bis 15.00 Uhr unter der Osnabrücker Nummer in der Landesschulbehörde zu erreichen. Am Freitag sind die Vorsitzende und ihre Stellvertreterinnen in der Zeit von 8.30 bis 12.00 Uhr im Osnabrücker Büro. Außerhalb der Zeiten kann man die Mitglieder des Schulbezirkspersonalrats unter der privaten Dienstnummer erreichen. hervor, an welchem Tag die Herbstschulung stattfindet mit dem dazugehörigen Referenten. Weitere Infos erhaltet Ihr bei eurem Kreisverband. Untergliederung Datum Referentin/Referent KV Emden KV Wittmund KV Wilhelmshaven KV Jever KV Leer BBS Nordkreis KV Varel KV Norden / Aurich Gymnasien (Nord) OL Do, 12.11.2015 Di, 17.11.2015 Di, 17.11.2015 Do, 19.11.2015 Do, 19.11.2015 Di, 24.11.2015 Do, 03.12.2015 Do, 03.12.2015 Do, 25.02.2016 Elisabeth Schramm Enno Emken Astrid Müller Melanie Esters Enno Emken Frederick Schnittker Margret Kohake E. Emken/S. Störmer Sabine Nolte http://gewweserems.de/team/personalrat Eine gute und aktive Personalratsarbeit ist nur möglich, wenn die Akteure bestens informiert werden. Die GEW im Bezirk Weser-Ems hat aus diesem Grunde eine Art „Wissensspeicher“ für Personalräte ins Netz gestellt. Diese Seite, die sich an GEW Personalrät*Innen wendet, beinhaltet auch den alten Ordner „Arbeitsplatz Schule“. http://gewweserems.de/personalrat Informationen aus dem Schulbezirkspersonalrat: kurzgefasst In unregelmäßigen Abständen veröffentlichen die Mitglieder der GEW Fraktion im Schulbezirkspersonalrat aktuelle Informationen in Form einer kleiner Broschüre, .gew -wittmund.de die als Mail verschickt wird. Auch als Download unter www www.gew .gew-wittmund.de Die pdf Datei wird für GEW Mitglieder des Bezirks bei Erscheinen kostenfrei an Personalräte verschickt. LEUCHTTURM 28 Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus. Ein Buch von Ed Patrick Schreiner im PapyRossa Verlag D Quelle: BLZ, Zeitung der GEW Bremen, 7/8-2015 ie 1970er Jahre gelten mit dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse (Bretton Woods-System) im Jahr 1973, der Weltwirtschaftskrise 1974/75 und der damit erfolgenden Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit als ökonomischer Wendepunkt der Nachkriegszeit. Wurde bis dahin der Wohlfahrtsstaat ausgebaut und auf eine aktive Konjunktursteuerung gesetzt, so gerieten sozialstaatliche Regulierungen nun zunehmend unter Druck: Staatliche Tätigkeit wurde als grundlegend ineffizient gegenüber Marktprozessen bewertet, und vermeintlich zu hohe Löhne galten fortan als Bremse für Investitionen. Die internationalen Finanzmärkte wurden mit dem Versprechen einer so erreichbaren optimalen Kapitalallokation – das heißt: Kapitel fließt ohne Schranken in seine besten Verwendungsmöglichkeiten und schafft so ein größtmögliches Wachstum – dereguliert. Diese wirtschaftspolitische Neuorientierung wird als Wendung hin zum Neoliberalismus bezeichnet. Der Neoliberalismus ist dabei mehr als eine wirtschaftspolitische Orientierung: Er versteht sich auch als gesellschaftspolitische Ideologie, deren Ziel die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Ordnungsprinzipien in Alltag und Gesellschaft war und ist. Das Buch Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus von Patrick Schreiner setzt sich kritisch mit den Mechanismen dieser Verankerung neoliberaler Ideologien im Bewusstsein der Menschen auseinander. Der Autor wirft mithin keine ökonomische Fragestellung auf – etwa die Frage, welche neoliberalen Ideen und Vorstellungen die Wirtschaftspolitik dominieren und welche ökonomischen Folgen sie haben. Seine Fragestellung ist vielmehr eine politikwissenschaftlich-soziologische: Wie werden die Menschen zu neoliberalen Subjekten – „zu Menschen also, die etwa marktkonform, wettbewerbsfähig, selbstdiszipliniert, anpassungsbereit, flexibel, egoistisch, aktiv und unternehmerisch sind, sein wollen oder sein sollen; zu Menschen, für die Selbstthematisierung, Selbstoptimierung und Selbstdarstellung eine selbstverständliche und alltägliche Freude sind oder zumindest sein sollen“ (S. 32). Konkret widmet sich Schreiner kritisch den alltäglichen und auf den ersten Blick oft unpolitischen Mechanismen, durch die neoliberales Denken und Handeln als angemessen und alternativlos erscheint: Stark durchdrungen durch den Neoliberalismus ist etwa der Bildungsbereich (S. 33 ff.). So trete die Frage, was Wissen in einer demokratisch verfassten Gesellschaft bedeutet, in den Hintergrund, während Kompetenzen zur flexiblen Wissensaneignung immer wichtiger werden. Naturwissenschaftliches und technisches Wissen genießt gesellschaftlich einen Vorrang gegenüber geistes- und sozialwissenschaftlichem. In die Bildungspolitik selbst haben Marktprinzipien Einzug gehalten, was insbesondere für die Hochschulbildung gilt: Die Lernenden werden als Konsumentinnen und Konsumenten von Bildungsdienstleistungen verstanden. Lernen wird so zur „Arbeit an sich selbst, Gestalten eines eigenen Profils an Kompetenzen und Fertigkeiten, mit denen die Bedürfnisse von Unternehmen bzw. ‚Märkten‘ befriedigt werden.“ (S. 39) In diesem Zusammenhang zeigt Schreiner auch den neoliberalen Gehalt der Aussage „Bildungspolitik ist die bessere Sozialpolitik“ auf: Diese Einschätzung beruht bekanntlich auf der Aussage, dass gut ausgebildete Menschen höhere Gehälter beziehen und weniger von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Diese Argumentation ist aber nicht schlüssig: So werden viele Menschen trotz guter Ausbildung schlecht bezahlt, und bestimmte soziale Gruppen wie Menschen mit Behinderung werden am Arbeitsmarkt systematisch ausgegrenzt. Gleichwohl lässt sich die soziale Frage auf diese Weise individualisieren: Wer seine Bildungschancen nicht nutzt, erscheint als selbst schuld an der eigenen Situation. In seiner unmittelbarsten Form wird neoliberales Denken von Ratgeber- und ManagementLiteratur vermittelt – die Kernbotschaft lautet: „Jeder und jede kann LEUCHTTURM 29 ‚es schaffen‘, … solange man nur an sich und den eigenen Erfolg glaube, motiviert sei und Leistung bringe“ (S. 48). Gesellschaftliche Verhältnisse und Rahmenbedingungen werden ausgeblendet, genauso wie die Tatsache, dass Anstrengungen und Bemühungen nicht automatisch und immer zum Erfolg führen. Auch für Seifenopern, Sport, Castingshows und einiges mehr kann Schreiner Anknüpfungspunkte neoliberalen Denkens aufzeigen. Immer geht es darum, Menschen der Erwartung auszusetzen, „sich permanent selbst zu thematisieren, darzustellen und zu vermarkten. Sie sollen sich als aktiv und attraktiv, als flexibel und anpassungsfähig, als unternehmerisch und wettbewerbsfähig erweisen. Diesem Zweck sollen wiederum Bildung und sportliche Fitness, Soziale Netzwerke und Konsum, Ratgeberliteratur und Esoterik gleichermaßen dienen“ (S. 105). Patrick Schreiner, der beim DGB in Niedersachsen/Bremen/ Sachsen-Anhalt arbeitet, einen lesenswerten Blog (www.annotazioni.de) betreibt und unter anderem regelmäßig auf den NachDenkSeiten schreibt, hat ein ausgesprochen interessantes Buch verfasst: Unterwerfung als Freiheit zeigt, wie weit die neoliberale Ideologie mittlerweile in Alltag und Gesellschaft vorgedrungen ist und in welchem Umfang neoliberales Denken jenseits ökonomischer Debatten gesellschaftlich verankert und handlungsleitend wirkt. Deutlich wird dadurch, dass eine Auseinandersetzung mit neoliberalen Politikkonzepten auch jenseits von ökonomischen Theorien und Wirtschaftspolitik geführt werden muss. Wer sich kritisch mit dem Neoliberalismus auseinandersetzen will, kommt an diesem Buch, das ausgesprochen gut und leicht lesbar geschrieben ist, nicht vorbei. Es ist die beste Grundlage, um die nach wie vor ungebrochene Hegemonie des Neoliberalismus zu verstehen. „Früher an Später denken“ M it dieser Broschüre bietet die GEW Niedersachsen Hilfen für die Bereiche Wohnen und Pflege. Die Broschüre wendet sich ausdrücklich auch an jüngere Mitglieder. Denn beide Themen können für jeden jederzeit aktuell werden! Ist man nicht selbst von Handicaps betroffen, sind es vielleicht (ältere) Angehörige. Neben einer ausführlichen Darstellung der aktuellen Pflegegesetzgebung mit ihren verschiedenen Möglichkeiten, wird auf die entsprechenden Beihilfeverordnungen hingewiesen. „Handbuch Lernziel Gleichwertigkeit“ D as Handbuch‚‚Lernziel G leic hw ertigkeit stellt Gleic leichw hwertigkeit den Präventionsansatz von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage vor und erklärt, wie Diskriminierungheute funktioniert. Es richtet sich nicht nur an die Courage-Schulen, sondern an alle Schulen der Sekundarstufe und an Einrichtungen der politischen Bildung. Es unterstützt Jugendliche, PädagogInnen und SozialarbeiterInnen bei ihrem Engagement für Vielfalt und gegen Diskriminierung und Gewalt. Das Handbuch gibt Antworten auf Fragen wie: Wo findet in der Schule die Konfrontation mit Themen wie Mobbing, Rassismus, Flucht & Asyl, Antisemitismus, Antiziganismus Altersdiskriminierung, Muslimenfeindlichkeit, Salafismus und Genderfragen statt? Wie und in welcher Form können SchülerInnen die Initiative dazu ergreifen und mitmachen, mitgestalten und mitbestimmen? Neue und bewährte Methoden der Menschenrechtserziehung werden anhand praktischer Beispiele dargestellt. Und es finden sich zahlreiche Tipps, wie sich die Aktiven schulübergreifend vernetzen und qualifizieren können. Das Handbuch kostet regulär pro Exemplar 19,95 Euro.• Herausgeber: Die Bundeskoordination von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Loseblattsammlung im DIN A4-Ordner, Vierfarbdruck. ca. 218 Seiten, ca. 200 farbige Abbildungen. Die Bezahlung erfolgt per Rechnung. Bei Bestellungen bis zum 31. Dezember 2015 erhalten Sie einen Sonderpreis. 14,95 EUR = 218 Seiten, 200 farbige Abbildungen. Anzahl Stk. à 14,95 EUR = Gesamtpreis Lieferung und Rechnung an: Name, Vorname Schule / Institution Straße PLZ, Wohnort Telefon / Fax / E-Mail Ort, Datum Unterschrift Die angegebene Adresse ist eine: ? Schule / Institution ? Privatadresse Per Post: Die Bundeskoordination von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, Ahornstr. 5, 10787 Berlin Per Fax: 030 / 21 45 86 20 E--Mail: Per E [email protected] LEUCHTTURM 30 AG Jugendliteratur & Medien der GEW (AJuM) Alter Schwede! Lars Ruppel nutzt zehn Redensarten, um überraschende Geschichten und/oder Einsichten zu vermitteln, die er in gereimter Form schreibt, in Versen und Strophen und lang, wie es sonst nur Balladen sind – oder eben »Poetry-Slam«. Man hört den Text praktisch beim eigenen Lesen und kann dann auch mit ‚unreinen‘ Reimen sehr gut leben. Hervorragend zum Vorlesen in kleiner Runde! Lars Ruppel: Holger, die Waldfee Berlin: Satyr (Buch 2014, CD 2015) Buch: ISBN 978-3-944035-37-6; 96 S CD: ISBN 978-3-944045-49-963 min * je 10,90 • * ab 12 Jahre L ars Ruppel ist Deutscher Meister im Poetry Slam 2014 und eine wahrhaft gebündelte Energie auf der Bühne. Hier macht er aus elf Redensarten Balladen, die sich bezüglich der Dramatik und den Reimen vor denen der deutschen Klassik nicht verstecken muss. »Schmidts Katze«, »Mein lieber Herr Gesangsverein«, »Donnerlittchen« sind einige der Titel, aus denen Lars Ruppel seine Geschichten spinnt. Er erzählt in Versen, vier Verse in einer Strophe, 20 bis über 40 Strophen in jeder Geschichte. Jede bewegt sich am Rand des Absurden, Vorurteile werden nicht nur aufgenommen, sondern sogar überhöht und damit als solche entlarvt. Aber nicht das ist das Motiv für den Autor, er lebt die deutsche Sprache, er liebt die deutsche Sprache. Und er weiß sie zu nutzen: »Aus dem Haus des alten Schweden / tritt eben jener so wie jeden / Tag zur Tür hinaus und steht, / bis hinter ihm die Tür zugeht, / ...« beginnt der Prolog zu »Alter Schwede«. Wer’s noch nicht wusste: Jeder schwedische Junge erhält an seinem dreizehnten Geburtstag eine Axt, mit der er eine Fichte im Wald schlägt. Wozu, was macht er so genial? Ein Regal! Man ahnt schon: Schweden, Holz, Regal. Da gibt es ein bekanntes Möbelhaus, aus dem man sich Einzelteile zum selbst Zusammenschrauben besorgen kann. Warum immer wieder irgendwelche Teile fehlen, wird uns nun dank Lars Ruppel klar: Das liegt an der Fee! Genaueres? CD anhören oder Buch lesen! Er erzählt seine Geschichten in strenger Gedichtform, wobei er ein Reimschema (a-b-c-c-b) einhält, andererseits aber auch »sehr« zu »yeah« gesellt, hier also weniger streng ist. Auch nutzt er einen Wechsel des Reimschemas, um eine Erzählposition deutlich zu machen: In »Holger, der Waldfee« wird mit dem Auftritt der Titelperson von a-b-c-b zu aa-b-b gewechselt, was zu erheblich mehr Nähe führt. Und, um die Äußerlichkeiten damit zu verlassen, es gibt jeweils sehr viele (der zumeist vierzeiligen) Strophen. Im Titelgedicht sind es 29, in »Nicht schlecht, Herr Specht« sogar 42. Wenn es sich nur um Erzählfreude handelte, dann würde sich das Nachlesen bereits lohnen, aber der Autor hat darüber hinaus wirklich noch etwas mitzuteilen. Er personifiziert die Redensarten (aus »Holladi« wird »Holger, die ...«, aus »Voll karacho« wird »Volker Racho«) und kann damit konkret werden. Wer Lars Ruppel schon einmal auf der Bühne erlebte (alternativ: Video-Portal im Internet), weiß, dass er sein Publikum mit den ersten Worten »in der Hand« hat und es ihm gern folgt, wohin er auch gehen mag. Umgekehrt treibt das Publikum den Akteur zu neuen Leistungen. Beim Einsprechen im Studio fehlt dieser Teil, sodass der Hörgenuss einseitig bleibt, ist aber dennoch (sehr) empfehlenswert. P.S. Im gleichen Verlag ist 2014 auch »Die Poetry Slam Fibel« erschienen (Paperback, 287 Seiten, 14,90 •). Zwei Rezension (zu Buch und CD) stehen im Internet unter www .ajum.de (Datenbank) www.ajum.de Ulrich H. BASELAU * Osterstr. 30 * 26409 Wittmund * Ulrich ad Baselau.de LEUCHTTURM 31 Wirtschaftskunde kurz und knackig – und über den Lohn kräftiger Lohnsteigerungen: „Angela Merkels teurer Irrweg“ K rise. Der Euro ist schwach, die Arbeitslosigkeit hoch, Zinsen und Wachstum liegen nahe null. Europas Wirtschaft stürzt ab, weil es Deutschland zum Vorbild nimmt. Glaubt man 95 Prozent aller Kommentare zur Lage in Europa, dann gibt es ein paar tausend Dinge, die in diesem Europa gerade schiefgehen. Von der Korruption in Griechenland über die Bürokratie in Frankreich und die laxe Steuerdisziplin in Italien bis zur Unfähigkeit eines großen Landes, seinen Hauptstadtflugplatz zu bauen: Die Liste institutionellen Versagens scheint unendlich lang zu sein. Wer Europa retten will, muss Zeus, Herkules und Sisyphus zugleich sein. Das aber ist grandioser Unsinn! Es gibt einen einzigen Vorgang, mit dem man alle scheinbar unerklärlichen Phänomene ohne Weiteres erklären kann. Europa versucht, unter der geistigen Führung Berlins, seine Probleme exakt auf die gleiche Weise zu lösen wie Deutschland. Die deutsche Lösung hieß, man mag es so oft drehen und wenden, wie man will: Lohnsenkung. Die Logik der Lohnsenkung zwischen Ländern ist genau die gleiche wie zwischen Unternehmen. Ein Unternehmen allein kann damit seine Lage verbessern. Das ist das ganze Geheimnis der deutschen Agendapolitik vom Beginn des Jahrhunderts. Senken aber alle Firmen die Löhne zugleich, geht es schief. Senkt nur ein Unternehmen die Löhne, bleibt seine eigene Nachfrage intakt, denn die Nachfrage der eigenen Arbeitnehmer, deren Einkommen gesunken ist, spielt in der Regel keine entscheidende Rolle. Senken jedoch alle Unternehmen die Löhne, sinkt bei allen Unternehmen sofort die Nachfrage, weil ja alle Arbeitnehmer unmittelbar mit einer Einschränkung ihrer Ausgaben reagieren. Alle Unternehmen versuchen daraufhin ihre Lage dadurch zu verbessern, dass sie die Preise senken. Das gelingt natürlich nicht, aber die Preise beginnen insgesamt zu sinken, man nennt das dann Deflation. Das verbessert die Einkommenssituation der Arbeitnehmer zwar wieder ein wenig, aber doch nicht so stark, dass die Unternehmen das alte Niveau der Nachfrage wieder zurückgewinnen können. Sie entlassen daher Arbeitskräfte. Weil die Preise sinken, das Wachstum versiegt und die Arbeitslosigkeit steigt, senkt die Zentralbank die Zinsen so weit, wie es nur irgendwie geht. Sind sie bei null, geht es nicht mehr weiter. Nun hofft die Lohnsenkungsregion darauf, dass im Rest der Welt die Löhne nicht auch sinken und ihre eigene Währung nicht aufgewertet wird. Weil man woanders zunächst die Löhne nicht gesenkt hat und die europäische Notenbank die Zinsen auf null gebracht hat, sinkt sogar der Wert der eigenen Währung für einige Zeit, sodass die Löhne, gerechnet in internationaler Währung, richtig stark abnehmen. Wenn das nicht der Durchbruch ist! Jetzt ist ganz Europa endlich da, wo die Deutschen waren, als ihre Erfolgsgeschichte begann. Es gewinnt immer nur einer Jetzt müssen wir nur noch fest die Daumen drücken, dass die anderen nicht so schnell merken, wie die Europäer sie mit niedrigen Löhnen an die Wand drängen. Die anderen müssen jetzt nämlich zehn Jahre aushalten, dass die Europäer ihnen Marktanteile und Arbeitsplätze abjagen, ja, dass die Europäer ihre Arbeitslosigkeit exportieren. Sie müssen immer höhere Leistungsbilanzdefizite machen, sich immer mehr bei uns verschulden, damit wir endlich wachsen können. Da passt es gut, dass wir mit ihnen Freihandelsabkommen aushandeln, wo sie unterschreiben, dass sie nichts tun werden gegen die überlegenen europäischen Unternehmen mit ihren niedrigen Löhnen. Es gewinnt immer der eine, was der andere verliert, so war es schon immer auf der Welt. Früher führte man Kriege, um anderen ihre Schätze abzujagen, oder man setzte die eigene Flotte ein, um die „Handelswege“ zu sichern. Das nannte man Merkantilismus: Nur das macht reich, was ich anderen abgejagt habe. Heute geht man subtiler vor. Im Merkelantismus erklärt man den anderen, dass sie sich verschulden sollen, weil das, bei niedrigen Zinsen zumal, einfach das Beste für sie ist. Man weiß doch, dass Amerikaner ohnehin nicht gerne sparen und Asiaten gerne einmal die Welt sehen möchten. Also produzieren die Deutschen und bald alle Europäer alles Wichtige für die anderen, damit die sich mal einen schönen Lenz machen können. Und die Schulden der anderen? Darüber wollen wir jetzt nicht reden, gerade jetzt nicht, wo wir doch eine so tolle Lösung für alle Probleme Europas gefunden haben.“ Heiner Flassbeck in der Wochenzeitung FREITAG, Ausgabe Nr.13 im Jahr 2015, vom 25.3.2015 LEUCHTTURM 32
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