Fachbeitrag zum RFNP für die Städteregion Ruhr

Fachbeitrag des Naturschutzes und der Landschaftspflege zum RFNP für die Städteregion Ruhr
3.
Heutige potenzielle natürliche Vegetation und Ersatzgesellschaften
Die heutige potenzielle natürliche Vegetation ist im Gegensatz zur realen Vegetation ein konstruierter Zustand für eine bei den gegenwärtigen Standortbedingungen sich entwickelnde
Vegetation, die sich beim schlagartigen Ausschalten der menschlichen Einflüsse (u. a. Düngung, Entwässerung, Bewirtschaftung) einstellen würde. Diese Vegetation wäre eine Waldgesellschaft.
Die heutige pot. nat. Vegetation dient dazu, die Naturnähe einer tatsächlich vorhandenen
Vegetation oder deren Ersatzgesellschaft vegetationskundlich / floristisch-planungsgeographisch hinsichtlich des Grades des menschlichen Einflusses (Hemerobie) beurteilen zu können (vgl. Karte 2*).
Nur bezogen auf die größeren Freiräume des Ballungsraumes lässt sich unter Beachtung
von Kriterien wie z. B. den aktuellen Bodenverhältnissen (Bodenwasser, Bodennährstoff) die
heutige pot. nat. Vegetation als Hilfsgröße für Leitbilder zur Entwicklung der Landschaft heranziehen. Auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen oder in Siedlungs- und Gewerbegebieten, d. h. auf ca. 70 % der Flächen des Plangebietes, ist die heutige pot. nat.
Vegetation nur bedingt einsetzbar.
Soweit unter den aufgezeigten kritischen Anmerkungen zur heutigen pot. nat. Vegetation
vertretbar, werden in der Tabelle 1 die wichtigsten Ersatzgesellschaften der heutigen pot.
nat. Waldgesellschaften aufgelistet, die lediglich der Orientierung dienen, um das Biotopentwicklungspotenzial einschätzen zu können.
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Karte der heutigen pot. nat. Vegetation: Auszug aus dem Deutschen Planungsatlas Band I NRW „Vegetation“ 1972
Der Planungsraum
Flattergras-Buchenwald
Die heute weitgehend besiedelten und verdichteten Landschaftsräume des Westenhellweges und Übergänge zum Ruhrtal, die sich etwa von Mülheim und der Stadtgrenze von Oberhausen nach Osten erstrecken, würden überwiegend gekennzeichnet durch den FlattergrasBuchenwald. Standorte des Flattergras-Buchenwaldes sind mittel basenhaltige zum Teil
pseudovergleyte Parabraun- und Braunerden. Bestandsbildende Bäume sind die Hainbuche,
Stieleiche, Espe, Salweide, Hasel, Weißdorn und Hundsrose.
Heute überwiegt auf den Freiflächen die landwirtschaftliche Nutzung meist Ackerbau, kleinere Wälder, Grünflächen, Friedhöfe und Parks. Die von Nord nach Süd laufenden Freiflächen
und Regionalen Grünzüge zwischen Bochum und Herne, Bochum und Gelsenkirchen sowie
Essen und Oberhausen beinhalten Reste der Waldgesellschaft des Flattergras-Buchenwaldes.
Artenreicher Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald
Die heutige Ruhraue und ihre ehemalige Aue würden durch gehölzartenreiche Mischwälder
mit Stieleiche, Esche, Hainbuche, Buche, Hasel, Hartriegel und Wasserschneeball, d. h. dem
Artenreichen Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald der Stromtäler geprägt. Basenreiche
Gleye und Pseudogleye sind die vorherrschenden Bodentypen. Lehmige Bodenarten prägen
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den Standort. Heute überwiegen landwirtschaftliche Nutzungen, Waldreste und ein hoher
Anteil von Flächen für die Ver- und Entsorgung (Wassergewinnungsanlagen) sowie größere
und abwechslungsreich strukturierte und geschützte Auen mit besonderer Bedeutung auch
für eine artenreiche Fauna und Flora.
Wärmeliebender Hainsimsen-Perlgras-Buchenwald
Teilflächen der Niederbergischen Höhenterrasse, des Bergisch-Märkischen Karbonschieferhügellandes sowie Teilflächen des südlichen Tals der Ruhr würden zu den nördlichen Ausläufern des Wärmeliebenden Hainsimsen-Perlgras-Buchenwaldes gezählt. Diese heutige
pot. nat. Waldgesellschaft wäre vertreten im südlichen Stadtbereich von Bochum (nördlich
der Ruhr), südlich der Ruhr zwischen Selbeck (Mülheim), Raum Werden (Essen), Raum Byfang (Essen) und nördlich des Ruhrtales zwischen Essen-Heisingen und Essen-Bredeney.
Die Standorte sind durch basenhaltige, lockere Braunerden örtlich auch Parabraunerden
gekennzeichnet. Heute dominiert die landwirtschaftliche Nutzung mit häufig abwechslungsreicher gut strukturierter Landschaft insbesondere im Essener- und Bochumer Süden. Diese
Räume zeichnen sich durch einen hohen Freiflächenanteil aus und haben damit eine besondere Bedeutung für die Regionalen Grünzüge und den Biotopverbund.
Trockener Eichen-Buchenwald
Die Heide- und Waldlandschaften im Nordosten von Oberhausen, im Raum westlich Saarnberg (Mülheim), Teilflächen des Vestischen Höhenrücken im Raum Gelsenkirchen-Buer und
kleinere Teilflächen im nördlichen Bereich von Herne-Horsthausen würden zu der heutigen
pot. nat. Waldgesellschaft des Trockenen Eichen-Buchenwaldes gehören.
Vorherrschende Baumart ist die Buche mit beigemischter Traubeneiche. Podsol-Braunerden
und Podsole sind die vorherrschenden Bodentypen. Im Raum Mülheim sind auch heute noch
vergleichbare Wälder (Bissingheim) die vorherrschende Nutzung, während in den übrigen
Räumen Siedlungsflächen vorherrschen.
Feuchter Eichen-Buchenwald
Teilflächen der nordöstlichen Heide- und Waldlandschaften der rechtsrheinischen Sandplatten im Raum Oberhausen, Flächen im Raum nördlich Gelsenkirchen-Scholven und Teile
südöstlich von Gelsenkirchen-Resse (Emscher Bruch) sowie kleinere Teilflächen westlich
Essen-Karnap würden zu den potenziellen Standorten des Feuchten Eichen-Buchenwaldes
zählen. Die Buche, Traubeneiche und Stieleiche sind die bestandsbildenden Arten. Hinzu
kommen Faulbaum und Vogelbeere. Als Feuchtigkeitszeiger tritt regelmäßig das Pfeifengras
auf. Diese Standorte sind basenarm, sandig, lehmig-sandig mit Untergründen auf denen sich
das Niederschlagswasser staut. Bei realer Nutzung herrschen auf meist drainierten Böden
Ackerbau ansonsten Grünland, Nadelforste u. a. Kiefer sowie Laubholzrestbestände vor.
Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald und Eichen-Buchenwald im Wechsel
Teilflächen der Emschertalung, Teilflächen westlich Selbeck (Mülheim) und Teile der nördlichen Emscherplatten im Raum Beckhausen der Stadt Gelsenkirchen würden zu den potenziellen Standorten des Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwaldes und des Eichen-Buchen-
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waldes im Wechsel gehören. Die Steileiche, Espe, Salweide, Hainbuche, Buche, Vogelbeere, Hasel, Faulbaum sind bestandsbildende Arten. Standorte sind mittel basenhaltige Pseudogleye aus Geschiebelehm mit Sanddecke.
Entlang der Emscher gibt es der heutigen pot. nat. Vegetation zuzuordnende kleinere Freiflächen, die aber meist anthropogen überformt sind. Lediglich in der Saarner Mark im Bereich
der Stadt Mülheim gibt es noch größere Freiflächen mit entsprechendem Standortpotenzial.
Artenarmer Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald stellenweise mit StieleichenBirkenwald
Die Ruhr-Emscherplatte und der Emscherkorridor im Raum Oberhausen, Teilflächen der
Boyplatten nördlich Karnap in Essen, Teilflächen der Emschertalung und Teilflächen der südlichen Emscherrandplatten in Herne würden zu den Standorten des Artenarmen Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwaldes gehören. Bis auf wenige Restflächen z. B. im Raum
Oberhausen-Holten sind die potenziellen Standorte anthropogen überformt. Soweit nicht
versiegelt bzw. überformt, sind basenhaltige Pseudogleye aus Geschiebelehm oder auch
Gley vorherrschend. Bestandsbildende Baumarten sind: Stieleiche, Hainbuche, Espe, Salweide, Vogelbeere, Hasel, Weißdorn, Grauweide.
Bei noch realer Nutzung von Freiflächen herrscht die landwirtschaftliche Nutzung vor. Ansonsten auch Grünflächen im städtebaulichen Sinn.
Traubenkirschen-Erlen-Eschenwald stellenweise Erlen-Bruchwald und EichenHainbuchenwald
Kleine Teilflächen im nördlichen Stadtgebiet von Gelsenkirchen (östlich von Prost) und westlich
Polsum und der Teilraum unmittelbar an der Autobahn A 43 im nördlichen Stadtbereich von
Herne (Raum Schloss Strünkede) würden zu den Standorten des Traubenkirschen-ErlenEschenwaldes stellenweise Erlen-Bruchwald und Eichen-Hainbuchenwald gehören. Standorte
sind basenhaltige Nassgleye. Ein Mischwald aus Esche, Schwarzerle, Traubenkirsche, Hasel,
Schneeball wäre bestandsbildend. Bei realer Nutzung herrscht feuchtes Grünland vor.
Stieleichen-Hainbuchen-Auenwald der Berglandtäler einschließlich bachbegleitender
Erlenwälder
Das anthropogen stark veränderte Bachtal des Deilbaches (Essener Süden) und das Bachtal
des Oelbaches östlich Querenburg in der Stadt Bochum sind potenzielle Standorte des Stieleichen-Hainbuchen-Auenwaldes der Berglandtäler einschließlich bachbegleitender Erlenwälder. Bestandsbildend wären Stieleiche mit Hainbuche, an den Bachrändern Schwarzerlen
und Schmalblattweiden. Auenböden und Gleye im Wechsel sowie periodisch oder nur kurze
Überflutungen kennzeichnen die abiotischen Verhältnisse. Bei realer Nutzung sind Dauergrünland und Hochstaudenfluren Ersatzgesellschaften.
Ersatzgesellschaften der Waldgesellschaften
Die in Tabelle 1 aufgelisteten Ersatzgesellschaften geben einen groben Überblick über mögliche Ersatzgesellschaften, die je nach den lokalen Standortverhältnissen und bei der jeweiligen realen Nutzung in Frage kämen.
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Tabelle 1: Heutige pot. nat. Vegetation - Ersatzgesellschaften
Ersatzgesellschaften der Waldgesellschaften im Planungsgebiet von NEITZKE / BIERSCHENK 2007
Heutige pot. nat. Vegetationsgesellschaft
Flattergras-Buchenwald
Anpflanzungen /
Nutzungen
Hecken
Säume
Dauergrünland
Ersatzgesellschaften
Bemerkung
Gebüsch
Nitrophiler Staudensaum
Intensivweide
Fettwiese
Ackerwildkrautgesellschaft auf sandigem Lehm
Nährstoff- und basenreiche Böden
Hecken
Hainbuchen-Schlehengebüsch
Knoblauchsraukengesellschaft
Weidelgras-Weißkleeweide
Tiefland-Glatthaferwiese
Ackerfrauenmantel-Kamillengesellschaft
Erdrauch-Wolfsmilchgesellschaft
Schlehengebüsch
Säume
Schlehen-Ligustergebüsch
Hügelklee-Odermennig Saum
Gebüsch auf Feldrainen, kalkliebend
Basiphytische Saumgesellschaft am Rande von Kalkbuchenwäldern
und Halbtrockenrasen
Der Kalkbuchenwälder, anspruchsvoller Eichen-Hainbuchenwälder
und Auenwälder
Waldlichtungsgesellschaft artenreicher Eichen-Hainbuchenwälder,
Auenwälder und frischer Buchenwälder auf feuchtem Lehm
Nitrophile Saumgesellschaft auf nährstoffarmen Böden
Äcker
Wärmeliebender Hainsimsen-PerlgrasBuchenwald
Basiphytische Tollkirschen-Schlagfluren
Waldklettengesellschaft
Dauergrünland
Äcker
Subatlantische Salbei-Gamandergesellschaft
Fettweiden, Weidelgras-Weißkleeweiden
Tiefland-Glatthaferwiese
Adonisröschen-Gesellschaft
Ackergesellschaft auf nährstoff- und basenreichen Böden
Ackerwinden-Queckengesellschaft
Erdrauch-Wolfsmilchgesellschaft
Trockener Eichen-Buchenwald
Hecken
Säume
Grünland
Äcker
Ackerfrauenmantelgesellschaft
Besenginstergebüsche
Subatlantische Salbei-Gamander-Gesellschaft
Rainfarn-Beifuß Gesellschaft
Fettweiden, Weidelgras-Weißkleeweiden
Tiefland-Glatthaferwiese
Fettweiden des Berglandes
Lämmersalatgesellschaft
Ackerfrauenmantelgesellschaft
Sandmohngesellschaft
Windhalm-Gesellschaften
Hühnerhirsegesellschaft
Fingerhirsegesellschaft
Melden-Gesellschaften
Warme, trockene bis frische Böden
Seltene Gesellschaft (Ackergesellschaft) auf flachgründigen Kalkböden
Ruderalgesellschaft auf nährstoffreichen Böden
Ackergesellschaft auf nährstoffreichen und basenreichen Lehm- und
Tonböden
Auf Lehm- und Sandäckern mit höherer Basenversorgung
Nitrophile Saumgesellschaft auf nährstoffarmen Böden
Mehrjährige Hochstauden Ruderalgesellschaft
Warme, trockene bis frische Böden
Ackergesellschaft auf nährstoffarmen, sauren Sandböden
Auf Lehm und Sandäcker mit höherer Basenversorgung
Auf mageren, lehmigen Sandböden, in Wintergetreide
Auf trockenen, lehmigen Sandböden, in Maisfeldern
Trockene Sandböden, Sommerfruchtkulturen
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Feuchter Eichen-Buchenwald
Hecken
Hecken
Weidengebüsche
Schlehengebüsch
Waldgreiskraut-Weidenröschengesellschaft
Subatlantische Salbei-Gamander Gesellschaft
Nassweiden
Tiefland-Glatthaferwiese
Fettweiden des Berglandes
Windhalm-Gesellschaft
Saatwucherblumengesellschaft
Melden-Gesellschaften
Hainbuchen-Schlehengebüsch
Säume
Waldklettengesellschaft
Säume
Grünland
Äcker
Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald und
Eichen-Buchenwald im Wechsel
Grünland
Äcker
Artenarmer Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald stellenweise Stieleichen-Birkenwald
Hecken
Säume
Grünland
Äcker
Traubenkirschen-Erlen-Eschenwald stellenweise
Erlen-Bruchwald und Eichen-Hainbuchenwald
Säume
Grünland
Stieleichen-Hainbuchen-Auenwald der Bergtäler
einschließlich bachbegleitender Erlenwälder
Äcker
Säume
Grünland
Äcker
Knoblauchsraukengesellschaft
Nassweiden
Tiefland-Glatthaferwiese
Ackergesellschaft auf nährstoff- und basenreichen Böden
Ackerehrenpreisgesellschaft
Huflattichfluren
Ackerwinden-Queckengesellschaft
Hainbuchen-Schlehengebüsch
Schlaggesellschaft kalkarmer Standorte
Nitrophile Saumgesellschaft auf nährstoffarmen Böden
Warme, trockene bis frische Böden
Auf lehmigem Sand, Hackfrucht und Sommergetreidefelder
Gebüsch
Waldlichtungsgesellschaft artenreicher Eichen-Hainbuchenwälder,
Auenwälder und frischer Buchenwälder auf feuchtem Lehm
Nitrophile Säume an Wald- und Parkrändern
Warme, trockene bis frische Böden
Basenreiche Lehm- und Tonböden
Lehmige, wechselfeuchte Böden
Ruderalgesellschaft an Wegen und Straßen
Gebüsch
Knoblauchsraukengesellschaft
Weidelgras-Weißkleeweide
Tiefland-Glatthaferwiese
Ackerfrauenmantel-Kamillengesellschaft
Erdrauch-Wolfsmilchgesellschaft
Wasserdostgesellschaft
Nitrophiler Staudensaum
Intensivweide
Fettwiese
Ackerwildkrautgesellschaft auf sandigem Lehm
Nährstoff- und basenreiche Böden
Mädesüßgesellschaft
Wassergreiskraut-Wiese
Engelwurz-Kohldistelgesellschaft
Nassweiden
Feuchte Hochstaudenflur
Nasswiese auf kalk- und basenarmen Auenböden
Feuchte bis nasse Hochstaudengesellschaft
Standorte ohne Entwässerung nicht ackerfähig
Wasserdostgesellschaft
Mädesüßgesellschaft
Brennessel-Gierschgesellschaft
Wassergreiskraut-Wiese
Engelwurz-Kohldistelgesellschaft
Nassweiden
Feuchte Hochstaudenflur
Stickstoffreiche Staudensäume, meist in Auenwäldern
Nasswiese auf kalk- und basenarmen Auenböden
Feuchte bis nasse Hochstaudengesellschaft
Standorte ohne Entwässerung nicht ackerfähig
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Karte 2
Heutige Pot. nat. Vegetation
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