Unbekannt, aber weit verbreitet

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von-Willebrand-Syndrom
Unbekannt, aber weit verbreitet
Im Vergleich zur Hämophilie tritt das von-Willebrand-Syndrom deutlich häufiger
auf – und wird dennoch meist mit einigen Jahren Verzögerung festgestellt. Oft
führt erst eine Akutblutung zur Diagnose. Eine frühe Identifizierung von BlutungsRisikopatienten kann lebensrettend sein.
Das von-Willebrand-Syndrom (Erstbeschreibung 1926
durch Erich A. von Willebrand) ist die häufigste angeborene Blutgerinnungsstörung in unserer Bevölkerung. Zirka
800 000 Frauen und Männer sind davon betroffen – bei
hoher Dunkelziffer. Hervorgerufen wird die Erkrankung
durch eine mengenmäßige und/oder funktionale Veränderung des von-Willebrand-Faktors. Der von-WillebrandFaktor (vWF) ist ein Protein, das vor allem in der Anfangsphase der Blutstillung eine wichtige Rolle spielt. Das
Protein ermöglicht den raschen Verschluss der Gefäßwände
nach etwaigen Verletzungen, indem es dafür sorgt, dass frei
zirkulierende Blutplättchen sich aneinander und an die
verletzte Gefäßwand anlagern.
Im Alltag zeigen sich eher unauffällige und diffuse Symptome, die von den Patienten meist kaum realisiert werden
und die erst in der Gesamtheit auf eine Gerinnungsstörung
hindeuten. Die Symptome treten häufig nicht alle gleichzeitig auf – und werden als „normal“ empfunden, weil es
anderen Familienmitgliedern genauso geht. Aus diesen
Gründen unterbleibt in der Regel ein gezielter Arztbesuch.
Leitsymptom des klassischen vWS ist die verlängerte
Schleimhautblutung. Weitere Anzeichen können sein (die
Reihenfolge spiegelt wider, wie häufig die Anzeichen auftreten):
• Neigung zu blauen Flecken, auch bei leichten Stößen.
Gliedmaßen und Körperrumpf sind betroffen.
• Häufiges Nasenbluten, länger als ein paar Minuten, auch
unabhängig von mechanischen Reizen und Erkältungen,
das ganze Jahr hindurch (keine zeitliche Beschränkung
auf Pollensaison oder Heizperiode).
• Nachbluten nach Zahnbehandlungen, Operationen oder
einer Entbindung.
• Zahnfleischbluten beim Zähneputzen, zusätzliche Blutungen der Mundschleimhäute.
• Kardinalsymptom des vWS bei Mädchen/Frauen ist die
Hypermenorrhoe. Man spricht von einer verstärkten
Regelblutung, wenn täglich mehr als fünf Monatsbinden
vWS: DD Hämophilie
Nach ein bis drei Minuten kommt es zu einer ersten Stillung der Blutung. Anschließend setzt die zweite Phase der
Blutgerinnung ein, die zum Abdichten der Wunde von entscheidender Bedeutung ist. Der von-Willebrand-Faktor
fungiert hier indirekt als Schutzprotein für den in dieser
Phase wichtigen Gerinnungsfaktor VIII. Dieser würde ohne
Bindung an den von-Willebrand-Faktor sehr rasch abgebaut. Folge: Der dauerhafte Wundverschluss wird verzögert.
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vWS: Diagnostik
verbraucht werden oder ein Tampon in weniger als zwei
Stunden vollgesogen ist und im Menstruationsblut größere Blutkoagel vorhanden sind. Die Menorrhagie hat
einschneidende Folgen, unter anderem eine massive Einschränkung der Lebensqualität (permanente Müdigkeit
durch Eisenmangel, Beeinträchtigung des sozialen
Lebens, Fehltage in Schule und Beruf).
Typen des von-Willebrand-Syndroms
Die Erkrankung wird in drei Klassen eingeteilt:
Typ 1: Der von-Willebrand Faktor liegt im Blut in geringerer Menge als normal vor (Häufigkeit: 80-90 %).
Typ 2: Der von-Willebrand Faktor ist im Blut ausreichend
vorhanden, aber nicht ausreichend funktionsfähig
(Häufigkeit: 10-20 %).
Typ 3: Im Blut ist kein von-Willebrand Faktor vorhanden
(Häufigkeit bis zehn %).
Primäres klinisches Kennzeichen zur Unterscheidung der verschiedenen Typen des von-Willebrand-Syndroms ist die
Schwere der Blutungssymptomatik. Je nach Typus der
Erkrankung können die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Bei Typ 3 – der schwersten Form – treten zusätzlich spontane Gelenk- und Muskelblutungen auf, die vergleichbar sind mit den Blutungen bei Hämophilie-A-Patienten.
Da Faktor VIII physiologisch an den von-Willebrand-Faktor
gebunden ist, kommt es auch zu einem Mangel an Faktor
VIII, wenn keine ausreichenden Mengen des vWF vorliegen.
Fotos: Sport Moments, Digipic
Genetik
Die Erbinformation für den von-Willebrand Faktor liegt auf
dem 12. Chromosom und ist damit nicht an ein GeschlechtsChromosom gebunden. Deshalb tritt das von-WillebrandSyndrom gleichermaßen bei Frauen und Männern auf.
Bei der Erkrankung werden rezessive und dominante Erbgänge unterschieden. Typ 1 des Syndroms wird dominant
vererbt, d.h. die Erkrankung tritt bereits dann auf, wenn nur
ein Elternteil die fehlerhafte genetische Information weitergibt. Typ 3 hingegen wird rezessiv vererbt. Mit anderen
Worten: Ein Kind ist von einem schweren von-WillebrandSyndrom betroffen, wenn beide Elternteile die fehlerhafte
genetische Information weitergeben. Dabei kann es sogar
sein, dass die Eltern nur an Typ 1 leiden, also einer milden
Form der Erkrankung. Die meisten Typen der Klasse 2 folgen einem dominanten Erbgang, jedoch werden zwei Subtypen rezessiv vererbt.
Problematik
Die Symptome werden
isoliert voneinander behandelt, zum Beispiel
• Verödung der Nasenschleimhaut bei
Nasenbluten,
• Verschreibung der „Pille“ oder
• Hysterektomien bei starker Monatsblutung.
In Grenz- und Belastungssituationen können lebensbedrohliche Blutungen auftreten, etwa bei
• Operationen,
• Unfällen und Verletzungen,
• Zahnbehandlungen/implantologischen Eingriffen,
• Schwangerschaft und Geburt.
Oft führt erst eine Akutblutung zur Diagnosestellung.
Auch betroffene Mädchen/Frauen sprechen die Hypermenorrhoe beim Gynäkologen nicht an, weil die starke
Blutung für sie normal ist. Ein allgemeines Nachfragen „Ist
Ihre Blutung normal?“ hilft nicht weiter – der subjektive
Eindruck der Frau kann den Arzt komplett in die Irre
führen. Es gilt, Hypermenorrhagie als richtungsweisendes
Symptom gezielt abzufragen.
Diagnostik
Bei klinischem Verdacht auf ein vWS sollte mindestens
folgende Diagnostik verlasst werden:
• PTT (Partielle Thromboplastinzeit)
• Quick-Wert
• Thrombozytenzahl
• v. Willebrand-Faktor (vgl. Abb.) Faktor VIII.
Die PTT erfasst Patienten mit vWS nur unzureichend und
ist häufig nur geringfügig verlängert. Das Schema auf S. 16
illustriert die Stufendiagnostik. Einen Anamnese-Fragebogen für die Praxis hat das „Netzwerk vWS – eine Initiative
zur Früherkennung des von-Willebrand-Syndroms“ entworfen. Er kann im Arztbereich der Internetplattform
www.netzwerk-von-willebrand.de heruntergeladen werden.
Kontakt
Dr. med. Burkhardt Müller
synlab MVZ Traunstein
Telefon: 08 61 - 7 05 16 67
E-Mail: [email protected]
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