ms hamburg° Schwarzes Meer Kurs auf die Krim Das Schwalbennest ist das bekannteste Postkartenmotiv der Krim, einer Halbinsel im nördlichen Schwarzen Meer und zugleich autonome Republik innerhalb der Ukraine. Vom Schlosscafé aus hat man einen herrlichen Blick über die Bucht von Jalta. 40 °azur.de 1/2013 Foto: PR Die MS Hamburg reiste ab Istanbul zu den schönsten Städten entlang der Küsten des Schwarzen Meers – neun Ziele in fünf Ländern in zehn Tagen. 1/2013 azur.de 41 ° Das Opernhaus von Odessa ist eines der Wahrzeichen der ukrainischen Stadt, wurde nach Entwürfen von Wiener Architekten erbaut und 1887 eröffnet. ms hamburg° Schwarzes Meer In seiner Datscha in Sotchi spielte der russische Diktator Josef Stalin gerne eine Partie Schach mit seinen Gästen. 42 °azur.de In den Ländern entlang der Schwarzmeerküste gehören sie zum Alltagsbild auf Märkten, Pläzen und vor den Häusern in den Straßen. 1/2013 Fotos: PR, Susanne Reinigner Souvenir aus Samsun: Auf der Potemkin-Treppe werden Uniformmützen und Militaria feilgeboten. Stau in Samsun: In der kleinen türkischen Hafenstadt reihen sich auch Obst- und Gemüsehändler in den Berufsverkehr ein. 1/2013 azur.de 43 ° Wahrzeichen von Samsun (Türkei): Die Bandirma ist heute ein Museum, in dem Szenen mit Atatürk und Fotos aus dem Befreiungskrieg zu sehen sind. ms hamburg° Schwarzes Meer Mostalgisch und gemütlich lässt es sich mit dieser uralten Straßenbahn auf der Istiklal Caddesi, einer bekannten Einkaufsstrasse in Istanbul, hinund herpendeln. 44 °azur.de 1/2013 Handwerkskunst aus Nessebar wie Tischdecken, Holzschnitzereien und Kupferschmuck sind beliebte Mitbringsel, die von zumeist älteren Frauen entlang der gesamten Schwarzmeerküste angeboten werden. Fotos: Fotolia, Susanne Reininger, PR Denkmal für den Herzog von Richelieu: Der Gouverneur verhalf Odessa zu frühem Wachstum. An ihn erinnert eine Bronzestatue. Sie zu berühren soll Glück bringen. 1/2013 azur.de 45 ° Die Galatabrücke ist auch nachts die verkehrsreichste Strecke in Istanbul. Ihre Länge beträgt fast 500 Meter. 46 °azur.de 1/2013 Partner und zählt zu den kleineren Schiffen. Während sich ein Teil der Gäste trotzdem immer wieder verläuft, navigieren andere Passagiere kundig von Deck zu Deck. Sie sind nicht zum ersten Mal an Bord. Da hieß das Schiff noch anders, erfahre ich beim Kaffee auf Deck 6 im „Palmgarten“: Bis Februar war die MS Hamburg noch als MS Columbus unterwegs. 1997 in der MathiasThesen-Werft gebaut, fuhr sie als Luxusschiff von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und wurde nach einer Renovierung im Juni 2012 an die Bremer übergeben. Mit der Überführung kamen auch Betty und Natascha an Bord. Sie und die meisten ihrer Kollegen hatten zuvor auf der MS Vistamar gearbeitet, die Plantours nach 22 Dienstjahren ausmusterte. Die erfahrene Hotelcrew der MS Vistamar soll nun auch auf dem neuen Schiff die familiäre Atmosphäre an Bord bieten, nach dem Motto „Kleines Schiff – großer Urlaub“. Der kleine Exkurs in die Genealogie der MS Hamburg ist hilfreich. So erklärt sich der Kontrast von Jack WolfskinFleece und Ralph Lauren-Chic am Frühstücksbuffet. „Wir greifen bewusst beide Traditionen auf, familiäre Atmosphäre und Individualität sind ja kein Widerspruch, beides ergänzt sich“, sagt Hoteldirektor Clinton Gomes, der seit 14 Jahren Gäste auf See beherbergt, davon zwei Jahre auf Schiffen von Royal Caribbean Cruise Line. „Es ist dasselbe Schiff, aber in einer neuen Ära. Die MS Hamburg braucht ein wenig Zeit, um ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Der Schlüsselfaktor ist die Herzlichkeit der Crew von der Küche bis zum Kabinenservice“, sagt der Hotelier, dessen Personal sich aus zwölf verschiedenen Nationalitäten zusammensetzt. Während Stammgäste der ehemaligen MS Columbus und der pensionierten MS Vistamar mit ganz unterschiedlichen Erwartungen an Bord kommen, sind die Novizen auf See einfach nur neugierig auf die Destinationen im Schwarzen Meer, die sonst kein anderes Kreuzfahrtschiff anbietet: Neun Häfen in fünf Ländern stehen auf dem Programm. „Die MS Hamburg ist schlank genug, um Schleusen zu passieren, und mit nur 5,15 Meter flach genug, um in Häfen anzulegen, die die Megaliner nicht ansteuern können“, erzählt Kreuzfahrtdirektor Herzfeld beim Nachmittagskaffee am Pooldeck mit Panoramablick auf die Kuppeldächer der Istanbuler Moscheen und die berühmte Galatabrücke. Herzfeld zeigt in Richtung Schornstein: „Im Mai wurde dort vorne ein Hebekran installiert, und wir haben sechs Zodiacs bekommen, damit starten wir im Januar auf Expeditionskreuzfahrt in die Antarktis.“ W er wie, wo, mit wem im Restaurant zusammensitzt, kann der Gast bereits bei der Buchung beeinflussen, indem er Beruf, Hobbys oder persönliche Vorlieben vermerkt. So könnte sich theoretisch ein Mediziner-, ein Golferoder ein Rosenzüchtertisch ergeben. Am mir zugewiesenen Tisch sitzt eine Familie mit Teenietochter, ein junges Ehepaar mit Fernbeziehung, eine agile Seniorin mit allein erziehender Tochter. Am Nebentisch betreiben vier Ehepaare jenseits der Sechzig gepflegten Smalltalk, während wir Fragen nach Beruf und Familienstand längst abgehakt haben und beim Dessert aufs Du anstoßen. Schlag 24 Uhr. Ein langer, durchdringender Ton aus dem Signalhorn. Die MS Hamburg verlässt den Hafen Foto: Susanne Reininger H allo Jenny, hallo Florian! Schön, euch wiederzusehen!“ Dem Rufen und Winken folgen eine Umarmung und ein Glas Sekt zur Begrüßung auf der MS Hamburg in Istanbul. Dieses Ritual vollzieht sich mehrere Dutzend Male für Kreuzfahrtdirektor Florian Herzfeld, Ausflugsleiterin Jenny Tumanova und ihre Crew. Aufgekratztes Stimmengewirr wie auf einem Klassentreffen älterer Semester. Die erfahrenen Kreuzfahrer unter den Neuankömmlingen wissen, was nun folgt: „Bauch rein, Brust raus“ für das erste einer endlosen Reihe von Erinnerungsbildern der Reise, die von den Bordfotografen gemacht werden. Dazu ist in der Lobby ein hölzernes Steuerrad postiert. „Bitte mal da hinstellen“, dirigiert Fotochef Peter Szivolt seine Laienmodels im Minutentakt. Schräg gegenüber stehen die Kabinenmädchen Spalier, darunter auch Betty und Natascha. Natascha ist für Deck 4 zuständig und bringt mich zu meiner Kabine. Mein Koffer wartet schon vor der Tür. Drinnen, auf 15 Quadratmetern, deutsche Funktionalität made in Wismar: weiße Lampenschirme über den Betten, gemusterte Polstersessel, brauner Bistrotisch und ein abgetrenntes, geräumiges Bad mit Dusche und WC. Der dreitürige, verspiegelte Kleiderschrank könnte mühelos das Dreifache meines Kofferinhalts aufnehmen. Sogar ein großer Rollkoffer verschwindet darin. Im Eckregal mit Unterschrank werden Notebook, Kamera und Rucksack verstaut. Ich bin startklar für die Entdeckung des Schwarzen Meers, des unbekanntesten Meers Europas. Doch mein schwimmendes Zuhause für die nächsten zehn Tage sticht erst um Mitternacht in See. Die MS Hamburg für maximal 400 Personen ist das neue Flaggschiff des Bremer Veranstalters Plantours & Richtung Samsun und gleitet auf die Galatabrücke zu, die das Goldene Horn überspannt. In der Nacht zeigt die Brücke, die die historische Altstadt mit dem modernen Stadtteil Galata verbindet, ihr schönstes Gesicht: Tausende von kleinen Lichtern lassen sie in den Farben Rot, Grün und Blau erstrahlen. Die Passagiere drängen sich mit ihren Fotoapparaten an der Reling. Doch das zauberhafte Lichtspiel der Brücke und der beleuchteten Moscheen am Ufer lässt sich nicht mit Kompaktkameras einfangen. Ein Sonntag auf See. 22 Grad Celsius. Goldes Oktoberwetter. 364 Seemeilen oder 674 Kilometer sind es bis zur ersten Destination, der türkischen Hafenstadt Samsun. Kurz vor dem „Last Call“ fürs Frühstücksbuffet um 9.30 Uhr balanciere ich Pfannkuchen mit Beeren und eine Tasse Milchkaffee zu einem freien Tisch am Pool. Da dröhnen sieben kurze und ein langer Ton über die Bordlautsprecher. Schnell zurück zur Kabine zur Seenotrettungsübung! Nach Kommando traben 385 orangefarbene Schwimmwesten zu den Sammelstellen im Restaurant und in der Lounge. Mittendrin das Blitzlichtgewitter der Bordfotografen. Für den Rest des sonnig warmen Seetags steht Entspannung auf dem Programm. Zeit, um Skatfreunde zu suchen, Shuffleboard oder Dart zu spielen, im Liegestuhl aufs tiefblaue Meer zu schauen oder das Innenleben der MS Hamburg zu erkunden. Auf Deck 1 treffe ich Bordarzt Peter Kalin im Beautysalon. Er lässt seinen silbergrauen Vollbart für den Kapi- tänsempfang in Form bringen. „Meine Frau hat mich geschickt. Heute Abend wird doch wieder fotografiert“, raunt er. „Hier können die Herren nicht fliehen“, feixt Friseurmeisterin Petra Janßen, die auf der MS Hamburg überwiegend männliche Kundschaft frisiert. Es ist der erste Kreuzfahrtjob der Berlinerin: „Wenn’s mir hier gefällt, kann ich die MS Hamburg nächstes Jahr auf Weltreise begleiten. Mal sehen.“ Schon wartet der nächste Kunde. „Man sieht sich!“, verabschiedet sie mich. D eck 5, in der Bibliothek. „Russische Föderation – Westlicher Teil“ steht am Rand der aufgeschlagenen Seite des großformatigen Weltatlas auf dem Schreibtisch. Konzentriert studieren zwei Ehepaare die Reiseroute der MS Hamburg: Istanbul – Samsun – Trabzon – Sotschi – Jalta – Odessa – Constanza – Burgas – Nessebar – Istanbul. „Warum fahren wir eigentlich gegen den Uhrzeigersinn durchs Schwarze Meer?“, fragt eine der Frauen. Die Gatten fachsimpeln über Strömungen, nautische Regeln und strategische Kursplanung. Dabei ist die Antwort so einfach wie plausibel. „So ist das Timing für das Anlaufen der kleinen Häfen besser, und den einzigen Seetag haben wir gleich zu Beginn der Reise, so kann sich jeder in Ruhe akklimatisieren“, konstatiert Kapitän Gunnar Roos während des Gala-Dinners am Kapitänstisch. Meine Unterhaltung mit dem Stockholmer führt mich über die schwedische Schärenlandschaft zum Hobby des Ersten Mannes an Bord – Fotografie – weiter zu Astrid Lindgren und Michel aus Lönneberga, der in Schweden Emil heißt, bis hin zu kulinarischen Tipps und zum vierten Gang: Wir beide haben Lammkarree gewählt. „Nehmen Sie die Knochen einfach in die Finger, wäre doch schade um das gute Fleisch!“, fordert er mich lachend auf, es ihm gleichzutun. 6.45 Uhr, ein Hahn kräht in mei- ner Kabine. Vor dem Schlafengehen habe ich Kanal 3 meines Fernsehers eingestellt, den Fröhlichen Morgenwecker. Eine halbe Stunde später ist Land in Sicht. Pünktlich um acht Uhr reiht sich der sonnengelbe Schornstein der MS Hamburg neben Verladekränen und Türmen aus Containern ein. Samsun ist ein moderner Umschlagplatz für Tabak, Wolle und Eisenerz. Vom größten Hafenbecken am türkischen Schwarzen Meer werden auch Getreide und Mais auf Frachter aus Georgien, Rumänien und Bulgarien verladen. Unsere Stadtbesichtigung führt uns zunächst in die Vergangenheit: Im Archäologischen Museum auf der Hafenseite des Atatürk Bulvari wird die griechisch-römische Geschichte der Stadt, des einstigen Amisos, bewahrt. Der kostbarste Fund sind Mosaiken aus einer römischen Villa. Sie zeigen den Meeresgott Triton beim Ringen mit Nereiden, den Nymphen aus der griechischen Mythologie. Zu Fuß geht es durch die engen, belebten Gassen der historischen Altstadt. Wir betreten zum ersten Mal auf dieser Reise eine Moschee: die Pazar Camii aus dem 14. Jahrhundert. In einem Teehaus schlürfen wir tiefschwarzen türkischen Tee aus kleinen Gläsern und essen Simits, türkische Sesamkringel. Wir entern das Wahrzeichen der Hafenstadt: die Bandirma. Auf diesem Schiff soll Atatürk 1919 in Samsun gelandet sein und mit den lokalen Führern in einem Salon unter Deck die große Befreiungsoffensive initiiert haben. Um 18 Uhr verlässt die MS Hamburg die kleine Stadt, die von den Kreuzfahrtriesen übersehen wird, und nimmt Kurs auf Trabzon. Als ich um acht Uhr den Rollo meines Kabinenfensters hochziehe, schaue ich auf die endlos langen Beine eines stahlblauen Krans. Über Kanal 3 stimmt uns Bordlektor Kai Boldt auf den Landgang in Trabzon ein: Das mittelalterliche Trapezunt war der Sitz des Kaiserhofs der berühmten Komnenen- ▼ ms hamburg° Schwarzes Meer 1/2013 azur.de 47 ° UKRAINE Odessa 0 ms hamburg° Schwarzes Meer RUMÄNIEN Jalta Constanza 200 km RUSSLAND Sotschi BULGARIEN 48 °azur.de 1/2013 D ie MS Hamburg nimmt Kurs auf Russland und auf eine andere Zeitzone: Heute Nacht werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Insgesamt erstreckt sich Russland über elf Zeitzonen. Nach 149 Seemeilen treffen wir kurz vor Sonnenaufgang in Sotschi ein. 145 Kilometer lang erstreckt sich die Stadt entlang der kaukasischen Schwarzmeerküste. Der berühmte russische Kurort, an dem die Schönen und Reichen des Landes ihren Sommerurlaub verbringen, ist im Jahr 2014 Austragungsort der Olympischen Winterspiele, dem Lieblingsprojekt des russischen Staatschefs Wladimir Putin. Auf dem Ausflugsprogramm stehen eine Besichtigung der Teeplantagen von Dagomys mit Teeverkostung aus einem Samowar und ein Stadtrundgang mit Seilbahnfahrt zum Dendrarium. Der mehr als 130 Jahre alte botanische Garten mit über 1500 Pflanzenarten zählt zu den schönsten Gärten Russlands. Ich habe die Stadtrundfahrt mit Besichtigung der Sommerresidenz von Stalin und des Kurorts Mazesta gebucht. Vor der Russischen Revolution dauerte es einen ganzen Tag, um in den berühmten Badeort zu gelangen – heute nur eine halbe Stunde. Der schwefelwasserstoffhaltigen Mineralwasserquelle mit ihren 36 chemischen Elementen wird eine wundertätige Wirkung nachgesagt. Ein Wunder käme jetzt gelegen, um den Regenschauer zu vertreiben. In der einstigen Lieblings-Datscha von Josef Stalin hinterlassen wir Dutzende von Wasserpfützen. Als die MS Hamburg am frühen Nachmittag ablegt, verabschiedet uns Sotschi mit einem Herbstgewitter. Das heutige Showprogramm „Spaß und Zauberei mit Frank Katzmarek“ ist perfekt, um die Stimmung wieder aufzuhellen. Wer einfachen Budenzauber vermutet, wird enttäuscht: Katzmarek bespielt Bühnen von Berlin bis New York. Der Magier, Comedian und Entertainer mit eigener TVShow hat ein perfektes Gespür für Stimmungen und Situationskomik. Nicht nur im Abendprogramm, auch beim Frühstück im „Palmgarten“ oder wenn er als Feuerwehr bei Landausflügen einspringt, wie am folgenden Tag in Jalta in Bus Nummer 3. „Einen zauberhaften guten Morgen“, begrüßt er seine Gäste über das Bordmikrofon. Schon wird in den ersten Reihen gefeixt und gelacht. Hilfsbereit hebt er Rollatoren aus dem Bus und hält Älteren Händchen beim Aussteigen. So nah wie auf der MS Hamburg kommt man Künstlern sonst nur selten. Wenn ihm ein vorwitziger Gast zu sehr auf die Pelle rückt, droht Katzmarek kurzerhand: „Vorsicht, sonst baue ich Sie heute Abend in meine Show ein!“ Das ukrainische Jalta ist eines der Highlights der Reise und zeigt sich von seiner besten Seite. Das Wahrzeichen der Südküste und der Krim, das schneeweiße Schwalbennest, strahlt im Sonnenschein. Das 1912 für einen deutschen Ölbaron erbaute Schlösschen ist eine Miniaturausgabe von Schloss Neuschwanstein und thront auf einem Felsvorsprung 40 Meter über dem Meer. Wir sehen das berühmte Postkartenmotiv allerdings nur von Weitem, auf einer Terrasse bei einer Krimsekt-Verkostung. D as touristische Highlight des Tages haben wir bereits im Kasten: das ehemalige Sommerschloss des letzten Zaren Nikolaus II. In seinem Palast tagten 1945 Churchill, Roosevelt und Stalin – die Vertreter der drei alliierten Staaten Großbritannien, USA und Sowjetunion –, um Europa in Machtbereiche aufzuteilen. Doch der bewegendste Moment der Reise folgt nach dem Abendessen, als unsere Tischnachbarin in der Weinbar auf Deck 5 eine große Karte entrollt. „Deutsches Reich“ ist darauf zu lesen, farbig markierte Routen quer durch den Kaukasus, die Krim und die Ukraine sind zu sehen, dazu Jahreszahlen von 1940 bis 1945. „Nach seiner Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg hat mein Vater alle Märsche aufgezeichnet, auf die er sich als Gefangener der russischen Armee begeben musste“, berichtet sie und fügt hinzu: „Diese Kreuzfahrt ist für mich auch eine Reise in unsere Familiengeschichte.“ Als Bordlektor und Geograf Dr. Kai Boldt das ungewöhnliche Geschichtsdokument studiert, erkennt er, dass die Märsche des Kriegsgefangenen auch durch unwegbares Moorgebiet der ehemaligen Sowjetunion führten. Mit Kai Boldt und der renommierten Künstlerin und Kunstexpertin Helga Lau leistet sich die MS Hamburg gleich zwei Lektoren ▼ Moschee und Museum: Die Hagia Sophia im türkischen Trabzon ist eines der wichtigsten Kulturdenkmäler der Stadt. litätenabend mit Mezeler (Vorspeisen), Dolmar (gefüllten Weinblättern) und Köfte-Fleischbällchen das Erlebte Revue passieren. „In Samsun und Trabzon hab ich überall nur Stehklos gesehen, aber der Atatürk hatte schon damals gleich zwei Sitztoiletten in seinem Palazzo“, resümiert Teenager Lynn. Fotos: Susanne Reininger, Infografik: www.AxelKock.de für AZUR dynastie und galt einst als die schönste byzantinische Stadt nach Konstantinopel. Und vor allem für Literaturfreunde wissenswert: Die Traumfrau des berühmten Romanhelden des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes, Don Quijote, ist eine Anspielung auf Trapezunt. Denn zu Zeiten des mittelalterlichen Rittertums galten die komnenischen Frauen von so legendärer Schönheit, dass sie auch in Europa bewundert wurden. Während sich eine Reisegruppe zum Tagesausflug zum byzantinischen Sumela-Kloster aufmacht, einem der Hauptsehenswürdigkeiten der türkischen Schwarzmeerküste, schließe ich mich der Stadtrundfahrt an. In der Hagia Sophia aus dem 13. Jahrhundert, Ende der 50er Jahre in ein Museum umgewandelt, bestaunen wir Fayencen. Wir besichtigen die historische Villa von Atatürk, dem Begründer der modernen Republik Türkei. Wieder zurück an Bord lassen wir beim Türkischen Spezia- S c h w a r z e s Burgas Nessebar M e e r Samsun Istanbul Trabzon TÜRKEI Perlen am Schwarzen Meer Immer öfter bereisen Kreuzfahrtschiffe das Gewässer jenseits des Bosporus, treffen auf bisher wenig bekannte, aber hochspannende Kulturstädte. Türkei Samsun: ca. 530.000 Einwohner. Größte Stadt der türkischen Schwarzmeerregion und Inbegriff der Brücke zwischen Orient und Okzident. Sehenswert sind das Archäologische Museum und der Russische Markt auf den südöstlichen Kais. Tipp: Für den Besuch von Moscheen Socken einstecken. Trabzon: mit rund 300.000 Einwohnern die größte Stadt der Gegend. Das alte Trapezunt wurde im 5. Jahrhundert v. Chr. als Handelskolonie gegründet. Zwei der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt sind die Hagia Sophia und die Villa von Kemal Atatürk, dem Republik-Gründer (1881-1938). Shopping: Gold- und Silberschmuck wird nach Gewicht verkauft. Ausflug: Sumela-Kloster (99 Euro/ganztags). Währung: Türkische Lira (TL), 1 Euro = 2,5 Türkische Lira. Russland Sotschi: 343.334 Einwohner. Sotschi ist der größte Bade- und Kurort Russlands. Sehenswert: die Mineralwasserquellen von Mazesta und die Sommerresidenz des sowjetischen Diktators Joseph Stalin (1878-1953). Tipp: Freier Landgang in Sotschi ist nur mit vorab beantragtem Visum möglich. Teilnehmer organisierter Ausflüge brauchen dieses Visum nicht. Währung: Rubel, 1 Euro = 40,5 Rubel. Ukraine Jalta: rund 80.000 Einwohner. Der Kur- und Urlaubsort liegt an der subtropischen Südküste der Halbinsel Krim. Zur Zeit von Zar Nikolaus I. (1796 -1855) stieg Jalta zum mondänen Seebad der russischen Oberschicht auf. Der Zarenpalast wurde als Tagungsort der Jalta-Konferenz (1945) weltbekannt. Ein weiteres Wahrzeichen thront über der Stadt: das Schwalbennest. Odessa: ca. eine Million Einwohner, viertgrößte Stadt des Landes. Das symbolische Entree ist die Potemkin-Treppe mit dem Richelieu-Denkmal. Von dort verzweigen sich hübsche Straßen mit Läden, Cafés und Restaurants. Sehenswert sind das Opernhaus, der Tolstoi-Palast und das einstige Handelshaus „Passage“. Ausflug: die Katakomben von Odessa (29 Euro/4 Std.). Währung: Ukrainische Griwna, 1 Euro = 10,8 Griwna. Rumänien Constanza: mit 310.526 Einwohnern wichtigste Seehafenstadt am Schwarzen Meer. Berühmtester Einwohner war der Dichter Ovid, dessen Statue das Archäologische Museum bewacht. Unterhalb des Ovid-Platzes erhebt sich die Große Mo- schee. An der Uferpromenade trifft man auf das Große Casino. Ausflug: Donaudelta (69 Euro/ganztags). Währung: Rumänische Lei (LEI), 1 Euro = 5 Lei. Bulgarien Burgas: mit 232.264 Einwohnern die viertgrößte Stadt Bulgariens. Die Kathedrale „Heilige Brüder Kiril und Methodius“ wurde in die Liste der 100 nationalen touristischen Objekte in Bulgarien aufgenommen. Wer die Gelegenheit hat, sollte einen Auftritt der renommierten Folkloregruppe „Strandja“nicht verpassen. Nessebar: Die kleine Stadt zählt 13.424 Einwohner und liegt an der Nordseite der Bucht von Burgas auf einer kleinen, felsigen Halbküste. Die malerische Altstadt zählt seit 1983 zum Weltkulturerbe der UNESCO. In den Gassen befinden sich hübsche Kunsthandwerksläden. Souvenirs: Rosenkonfitüre, Rosenöl. Währung: Lev, 1 Euro = 2 Lev. Lesetipp Istanbul, ADAC Reiseführer plus, 9,95 Euro, Odessa Transfer: Nachrichten vom Schwarzen Meer, Suhrkamp-Verlag, 26,80 Euro. 1/2013 azur.de 49 ° ms hamburg° Schwarzes Meer 50 °azur.de 1/2013 Hagia Sophia in Istanbul: Fast 1000 Jahre war sie die prächtigste Kirche der Christenheit, dann wurde sie Moschee. Schlager und stimmt mit „Wenn es Nacht wird in Constanza“ melancholische Töne an. Es ist ihre eigens komponierte Hommage an ihre Lieblingsstadt: Geboren in Siebenbürgen, stand Schubert mit sieben Jahren zum ersten Mal auf der Bühne, Ende der Siebziger zog sie der Karriere wegen nach Deutschland. „Hier habe ich meine Kindheit verbracht, das vergesse ich nicht“, sagt sie leise. Die frühere MS Columbus bereist jetzt als MS Hamburg die Kontinente. Hier das großzügige Pooldeck. Kleines, aber feines Schiff, das die ganze Welt bereist M ontagmorgen, 7.30 Uhr. Burgas, Bulgarien. Die MS Hamburg legt in nächster Nachbarschaft zu einem Dreimaster und einer Armada von Schnellbooten an. Burgas ist der Heimathafen der bulgarischen Übersee-Fischfangflotte, der Schwarzmeermarine und der Küstenwache. Am Nachmittag reisen wir zur nur 130 Seemeilen entfernten Nachbarstadt Nessebar weiter: Ein Bummel durch die bezaubernde Altstadt mit ihrem Gewirr enger Kopfsteinpflastergassen ist wie eine Zeitreise in vergangene Jahrhunderte. Die Küstenstadt ist Freilichtmuseum, Denkmal der Städtebaukunst und UNESCO-Weltkulturerbe. Zurück an Bord mache ich mich ans Kofferpacken. Ein letzter Absacker in der Weinbar mit der kleinen, aber vorzüglichen Weinkarte, die auch Spätburgunder von Anton Stodden sowie von VDP-Weingütern wie Rudolf Fürst und Korrell führt. „Günaydin, Istanbul!“, „Guten Morgen, Istanbul!“, heißt es um acht Uhr, als wir nach 1595 Seemeilen wieder am Goldenen Horn eintreffen. Die Kreuzfahrt durchs Schwarze Meer war ein Aufeinanderprallen und Aneinandertasten zweier kontrastreicher Welten – von Ost und West, von Moderne und Traditionen, von Gegenwart und Vergangenheit. Vieles Erlebte will erst noch reflektiert werden. Und die MS Hamburg? Die hat auch diese Reise bestens genutzt, ihren neuen Kurs anzusteuern und ein eigenes Schiffsprofil zu entwickeln. Text: Susanne Reininger Die ms hamburg setzt mit ihrem familiären Charakter auf den erfahrenen Kreuzfahrer. schiff Die MS Hamburg spricht ein älteres Kreuzfahrtpublikum an, das sich auf kleinen, familiären Schiffen zu Hause fühlt, individuell und gesellig ist, das zwanglos-leger, aber dennoch mit Stil reisen will. An der früheren MS Columbus, die bereits seit Mai 2012 als MS Hamburg über die Weltmeere kreuzt, hat sich am Interieur nicht viel geändert. . Spezial: Kinder bis 17 Jahre reisen in der Kabine der Eltern kostenfrei. Bordwährung: Euro. reederei Fotos: PR. Preisangaben ohne Gewähr. Bitte informieren Sie sich bei Ihrem Reisebüro. Z wei Tage ist nun Zeit, um die „Perle des Schwarzen Meers“, Odessa, zu erkunden. Neben Jalta ist diese Stadt das zweite Highlight der Reise. Ich schreite die 192 Stufen der Potemkin-Treppe hinauf, die sich – geteilt in zehn Treppenabsätze – nach oben hin verjüngen. Auf dem Primorskij-Boulevard beginnt die Flaniermeile, auf der schon die Größen der Weltliteratur wandelten: Puschkin verbrachte in Odessa ein Jahr im Exil. Gogol arbeitete dort an seinem Roman „Die toten Seelen“, und Maxim Gorki verdingte sich 1896 im Hafen. Nach einem organisierten Ausflug durch Odessas Paläste versüße ich mir den Nachmittag im „Café Salieri“, dem Geheimtipp einer Freundin, die fast jedes Jahr nach Odessa reist. Am späten Abend, zur Grillparty am Pooldeck, stehen auch Passagiere im Galakleid für eine Bratwurst an und schwärmen von Ausflug Nummer 14: Verdis Oper „La Traviata“, die sie vor wenigen Stunden in einem der schönsten Opernhäuser der Welt erlebten. In dieser sternklaren Vollmondnacht werden die Uhren wieder um eine Stunde zurückgedreht. Nun ist Winterzeit. Constanza, Rumänien, ist das nächste Etappenziel, das wir nach 200 Seemeilen erreichen. Constanza ist das Eingangstor zu den Badeorten am 72 Kilometer langen Sandstrand zwischen Mamaia und Mangalia, wo man sich auch Thalasso-Therapien unterziehen kann. „Dorthin, aber nicht in unsere Stadt fließt das ganze Geld“, raunt unser rumänischer Reiseleiter, als wir bei stürmischem Wind an der Hafenpromenade den einst prachtvollen Rokokobau des Großen Casinos passieren. Viele Straßenzüge wirken heruntergekommen, verwahrlost. Die Trostlosigkeit des Sozialismus lebt hier weiter. Der Ausflug zum weltberühmten Donaudelta ist auch für die Hobby-Ornithologen unter den Passagieren eine kleine Enttäuschung: Das Zuhause für über 300 Zug- und Brutvögel ist schon fast verwaist. Die Pelikane und anderen Bewohner haben sich bereits auf die Reise in ihre Winterquartiere gemacht. Die Natur hat ihren eigenen Zeitplan, doch das trübt die Reisefreude nicht. „Die Schwarzmeerregion war für uns bisher ein blinder Fleck auf der Weltkarte, diese Länder waren faszinierend, vor allem weil man da sonst nicht so einfach hinkommt“, erzählen meine Sitznachbarn im Bus. Am vorletzten Abend an Bord steht das Gala-Abschiedsdinner auf dem Programm. Im Anschluss präsentiert Susan Schubert, die einige Passagiere aus dem ZDF-„Fernsehgarten“ kennen, bekannte deutsche Foto: Susanne Reininger, Plantours an Bord. Der promovierte Geograf und Trainer für Bildung und Kultur ist Experte der Wissensvermittlung. Der perfekte Mann, um meine Frage zu beantworten, die ich mir schon seit Reisebeginn stelle: Woher hat das Schwarze Meer seinen Namen? „Da gibt es verschiedene Antworten“, erläutert Boldt. „Als Wissenschaftler gehe ich davon aus, dass Sulfat reduzierende Bakterien der Grund sind. Sie bilden durch ihre chemische Aktivität Schwefelwasserstoff aus Sulfat. Mit Eisenionen bilden sich dadurch Eisensulfide, die das Wasser und das Sediment schwarz färben.“ Der Veranstalter Plantours Kreuzfahrten aus Bremen, der 22 Jahre Reiseerfahrungen im Kreuzfahrtenbereich hat präsentiert mit der MS Hamburg sein neues Flaggschiff. Neben diesem einzigen Hochseeschiff verkauft Plantours Kreuzfahrten Reisen von sieben Flussschiffen, darunter die komfortable MS Swiss Tiara, die den Rhein und die Donau bereist. kabinen 205 insgesamt.134 Kabinen außen (15 m2) 63 innen (13 m2), 8 Suiten außen (31,5 m2). Alle Kabinen verfügen über Farb-TV, drei bordeigene Videokanäle, vier TV- und zwei Radiokanäle (nach Verfügbarkeit) sowie eine Bugkamera, außerdem über Telefon, Kleiderschrank, Duschbad mit WC und Fön, Bademantel, Minibar (kostenpflichtig). Regulierbare Klimaanlage. sport & wellness Süßwasser-Außenpool, Fitnessraum, kostenfreie Kurse wie Yoga und Pilates, Morgengymnastik. Fahrräder-Verleih, Nordic Walking-Stöcke. Massagen- und Kosmetikbehandlungen (gegen Gebühr), Friseur. Darts, Shuffleboard. bordprogramm gastronomie Ein Hauptrestaurant: eine Tischzeit, freie Platzwahl. Im Palmengarten morgens und mittags Buffet, abends „Easy Dining“ in Buffetform. Eine Würstchenstation ist ganztägig geöffnet. 2 Bars/Lounges, Weinstube. Allinclusive-Getränkepaket ür oene Getränke zubuchbar für 14 Euro pro Person und Tag: alkoholfreie Getränke wie Cola, Säfte sowie warme Getränke wie Kaffee, Tee und Spirituosen wie Wein, Bier, Aperitif, Cocktails. service Aufmerksam, sehr freundlich, überwiegend deutschsprachig. Trinkgeld: freiwillig, empfohlen werden 5 bis 7 Euro/Tag/P. Wechselnde Shows des Ensembles bzw. der Solo-Künstlers aus den Sparten Musik, Gesang, Zauberei. Crew-Show. Lektorate zu den Zielgebieten der zwei an Bord anwesenden Lektoren. Am späteren Abend spielt ein Alleinunterhalter an Deck oder im Palmgarten, ggf. mit KurzAuftritten der Künstler. Zwei Captain’s Dinner auf jeder Reise – zu Beginn und am letzten Abend. Tanzsaal. Kartenspielraum, Bibliothek, öffentliche Computer (Internet gegen Gebühr. Im Bereich der Galleria auf Deck 5 WLAN (60 Min./8 Euro). Bordfotograf. AusflugsangeboT Ganz- und Halbtagsausflüge aus den Themenbereichen Natur, Kultur, Aktiv (Schnorcheln, Wandern, Rad): Sechs Expeditionsschlauchboote für Exkursionen in der Arktis und Antarktis (kostenfrei), die von Wissenschaftlern begleitet werden. publikum Überwiegend deutschsprachig, Alter: 50 plus. Shopping Bordshop mit Reiseutensilien, Kosmetik, Parfüm, MS HamburgKollektion. Dresscode Sportlich-leger tagsüber, abends sportlich-elegant. Für die Galaabende festliche Kleidung. Preisniveau Etwa 140 Euro pro Tag. ★★★ ms hamburg Schiff14,0 Kabinen4,9 Gastronomie13,5 Service15,0 Sport & Wellness 6,2 Bordprogramm6,5 Ausflugsangebot8,0 GESAMT Punkte 68,1 Bordsprache: Deutsch Passagiere/Crew: 400/170 Baujahr: 1997 Flagge: Bahamas BRZ: 15.000 Länge/Breite: 144 m/21,50 m 1/2013 azur.de 51 °
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