31 REPORT HORIZONT 28/2015 9. Juli 2015 www.horizont.net/report DIGITAL MARKETING QUALITÄT Nachbessern, bitte! ZUM THEMA Mit Gefühl ILLUSTRATION: COLOURBOX Von Klaus Janke Branchenweite Standards zur Qualitätssicherung von Onlinewerbung lassen auf sich warten. Vermarkter und Mediaagenturen setzen auf hauseigene Lösungen B ereits 21 Jahre ist es her, dass der amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T den ersten Onlinebanner geschaltet hat – und immer noch gibt es grundsätzliche Fragen, auf die verbindliche Antworten fehlen: Ist mein Werbemittel wirklich ausgeliefert worden? Wird es wahrgenommen? Und wenn ja, von wem? Die leidige Qualitätsdebatte hält an, angefeuert vom Preisverfall und der beunruhigenden Tatsache, dass mit steigendem Anteil von Real Time Advertising immer mehr Klicks von Robotern erzeugt werden (Fraud). Um Abhilfe zu schaffen, hatte der Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) eigentlich mit dem „O-Wert“ die ganz große Lösung auf den Weg bringen wollen – ein Leistungsparameter für die Wahrnehmungschance, der sich aus einer ganzen Reihe von Faktoren wie Sichtbarkeit, Größe und Platzierung zusammensetzen sollte. Im vergangenen Jahr entschied man sich jedoch, zunächst nur die Arbeit am wichtigsten Faktor, der Visibility, voranzutreiben. In seiner Definition einer „visible impression“ folgt der OVK dem amerikanischen 50/1-Standard: Ein Werbemittel ist sichtbar, wenn es zu 50 Prozent eine Sekunde lang im sichtbaren Bereich des Browsers eingeblendet wurde. Aber wie soll die Visibility technisch gemessen und ausgewiesen werden? Wer darf messen? Mit der Erarbeitung von verbindlichen Standardkriterien beschäftigt sich das Lab Visibility der Fokusgruppe Ad Operations & Ad Technology im BVDW. In diesem sind neben Vermarktern auch weitere Marktteilnehmer wie Mediaagenturen, Mess-Dienstleister und Adserver-Anbieter vertreten. „Wir planen für das 4. Quartal dieses Jahres die Veröffentlichung der Guideline mit eindeutig definierten Messparametern sowie einer einheitlichen und damit vergleichbaren Ausweisung der Messergebnisse zur Visibility“, kündigt Björn Kaspring, stellvertretender Vorsitzender des OVK, an. Eine Zertifizierung der Mess-Dienstleister sei jedoch aus dem BVDW heraus nicht geplant, so Kaspring. Die Marktteilnehmer sollen sich freiwillig an der Guideline orientieren können. D a verbindliche Qualitätskriterien für die meisten Faktoren fehlen, bieten Vermarkter und Mediaagenturen eigene Systeme zur Qualitätssicherung bei Online- und insbesondere RTA-Kampagnen an – eine willkommene Chance zur Profilierung. So verspricht Zoja Paskaljevic, Deutschlandchef des Dentsu Aegis Network, seinen Kunden über das Tool „Scale“ Transparenz und Optimierungsmöglichkeiten (siehe Seite 34). Speziell für programmatische Werbung hat die Mediaagentur Pilot die Initiative RTA Gold gestartet (HORIZONT 36/2014). Sie be- inhaltet standardisierte Qualitätsmerkmale für Sichtbarkeit, Inventarqualität, Fraud und Brand Safety. Aktuell arbeitet Pilot an einer zusätzlichen automatisierten Optimierung zur Vermeidung von Ad-Clutter, der Überfüllung von Websites mit Werbung. „Der Großteil unserer Kunden im Bereich Programmatic Branding nutzt die Qualitätsmerkmale“, erklärt Geschäftsführer Thorsten Mandel. „Im Performance-Segment stellt sich kampagnenindividuell die Frage, ob die höheren Kosten für Qualität und Transparenz gerechtfertigt sind.“ Gemeinsam mit dem Mess-Dienstleister Meetrics hat Pilot auch ein Monitoring für Display-Kampagnen entwickelt, das eine Gesamtbewertung der Auslieferungsqualität ermöglicht. Alle Tools werden kontinuierlich weiterentwickelt. „Den aktuell größten Handlungsbedarf im Sinne Qualität sehen wir bei der Targeting-Güte“, sagt Mandel, „sowohl geografisch als auch soziodemografisch.“ Ebenfalls sehr wichtig: die Sichtbarkeitswerte, „mit starkem Fokus auf die Sichtbarkeitsdauer“, so Mandel. Targeting optimieren, suchmaschinenrelevante Begriffe ermitteln, Werbung automatisiert ausspielen, Klickraten zählen, Daten sammeln und verarbeiten – auf der Jagd nach der Aufmerksamkeit der Mediennutzer ist viel Technik im Spiel. Kaum taucht ein neuer Datensatz auf und wird eine neue Rechenmethode entwickelt, stürzen sich Digitalexperten darauf, wie Fische auf den Köder. Aus dem Blick gerät dabei vielleicht zu oft, dass Werbung, egal nach welchen Kriterien sie versendet wird, nicht auf Computer, sondern denkende Menschen trifft. Und die entscheiden nun einmal emotional, sprich nicht bis ins Letzte vorhersehbar. Reagieren und Konsumieren werden sie nur, wenn die eigenen Synapsen anspringen. Und dabei wirkt der klassische Ansatz von Werbung, einfach eine gute Geschichte zu erzählen, oft am besten. Bettina Sonnenschein Ressort Specials INHALT Vermarktung: Die Begriffe Qualitätsumfeld und Big Data schließen sich nicht aus. 32 Interview: Zolja Paskaljevic über die Neuausrichtung von Dentsu Aegis. 34 Suchmaschinenmarketing: Google belohnt Qualität und Usability von Websites. 36 Targeting: Was profilbasierte Kampagnen brauchen, um zu funktionieren. 38 Mobile: Worauf es bei Content auf dem kleinen Screen ankommt. 40 Umfrage: Welche Herausforderung die Smartwatch darstellt. 41 Anzeige 32 REPORT DIGITAL MARKETING HORIZONT 28/2015 9. Juli 2015 Die Spreu vomWeizen Im Big-Data-Zeitalter müssen die klassischen Premiumvermarkter den Spagat zwischen zwei Welten schaffen – und Automatisierung mit Qualität verbinden Von Katrin Lang M „Ich sehe keinen Widerspruch, sondern eine Wertsteigerung durch Big Data“ Holm Münstermann, Asmi HORIZONTREPORT ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: [email protected] Redaktion: Bettina Sonnenschein, Karl Gattenlöhner anche Diskussionen drehen sich im Kreis – und das ist gut so. Redaktionelle, qualitativ hochwertige Umfelder beispielsweise galten lange Zeit als wertvolles Pfund in der Onlinevermarktung. Dann schien ihre Bedeutung zu bröckeln, angesichts eines immer besseren Targetings, der programmatischen Zielgruppenorientierung und der Macht der großen Big-Data-Maschinen Facebook und Co (HORIZONT 23/2014). Mittlerweile ist klar: Das eine schließt das andere längst nicht mehr aus. „Gerade in der Kombination von beidem sehen wir eine wesentliche Stärke für unsere Vermarktung“, sagt etwa Christian Herp, Geschäftsführer von IQ Digital Media, der mit seinem Portfolio unter anderem journalistische Marken wie „FAZ“ und „Zeit“ vertritt. Hand in Hand mit der Automatisierung geht auch Axel Springer Media Impact, und Holm Münstermann, General Manager New Media Business, freut sich über die zusätzliche Wertsteigerung durch Big Data. Konkret stützt er sich mit seinem Team unter der Marke „Datafactor“ auf Vermarktungsprodukte, die auf Basis eigener Datenquellen programmatisch auf eigenem Inventar und bei Bedarf auch darüber hinaus ausgeliefert werden können. „Wir sind der einzige Vermarkter, der ein fünfstelliges Postleitzahlen-Targeting in Echtzeit ermöglicht“, beschreibt der Springer-Mann. Die Kombination von „Bild“- und „Welt“-Umfeld unter anderem mit exklusiven Daten diverser Springer-Beteiligungen verschaffe dem Konzern „eine echte Alleinstellung“. Auf das Beste aus beiden Welten setzt auch Stefan Schumacher, Executive Director Digital bei Gruner + Jahr EMS. In der Praxis sei deshalb der Großteil des digitalen Inventars mittlerweile programmatisch zugänglich samt diverser Targeting-Optionen, andererseits biete G+J eine breite Palette an Native-AdvertisingFormaten, integriertem Storytelling und Im Fokus: Kongress Wie sieht die perfekte Mobile-Marketing-Strategie aus? Wie wichtig sind Social-Media-Kampagnen? Welchen Wert hat Content Marketing? Und welche Anforderungen schließlich stellt die laufende Digitalisierung an Agenturen? Antworten auf diese Fragen gibt es am 13. und 14. Juli 2015. Dann präsentiert HORIZONT seine Digital Marketing Days 2015 und verwandelt das Steigenberger Hotel am Kanzleramt in Berlin zu einem Mekka für Digital-Marketing-Interessenten. Unternehmensexperten wie Lars Lehne, Marianne Dölz, Tina Beuchler und Thomas de Buhr vertreten Marketing-Schwergewichte wie Google, Facebook, Nestlè und Twitter. Als Vertreter der Digital Natives zeigt Nicolas Lindken, der als Youtuber „Tense“ berühmt ist, einen Einblick in seine digitale Welt. Tag eins steht ganz im Zeichen von Vorträgen zu Social Media, Mobile und Content Marketing. Dazu soll ein Praxis-Check zeigen, ob die Agenturen den aktuellen Ansprüchen der Kunden schon gerecht werden. An Tag zwei geht es noch tiefer in die Materie: Mit Workshops zu den Themen Online-Recht, New Visual Marketing, Kundengewinnung und -bindung im digitalen Raum sowie Mobile Marketing in der Praxis, setzen sich die Teilnehmer mit den sich ständig wandelnden Herausforderungen des Digitalen auseinander. Zwischen Workshops und Vorträgen bleibt Zeit für Networking mit Größen der Agentur-Szene. Die Anmeldung erfolgt online, unter Conferencegroup.de, wo auch das komplette Programm sowie alle Referenten aufgeführt werden. KARL GATTENLÖHNER Kommunikationslösungen wie Word-ofMouth-Marketing. „Ein gewisser Grad an Automatisierung bei der Abwicklung ist ein Muss, allein schon aus Kapazitäts- und Effizienzgründen“, sagt Thomas Port, Geschäftsführer von Seven-One Media. Dennoch plädiert er für Sorgsamkeit: „Unsere Angebote und Umfelder müssen weiterhin echte Menschen erreichen, um wertvoll zu bleiben.“ Qualitätsumfelder müssten unter den Marktteilnehmern mehrheitlich kontrolliert und geschützt in privaten Ökosystemen vermarktet werden. Das gilt besonders beim Schließen neuer Partnerschaften: Seit Anfang des Monats stärkt Pro Sieben Sat 1 mit einem 51-Prozent-Anteil an Virtual Minds/Yield Lab seine Kompetenzen im Bereich Programmatic Advertising (HORIZONT 27/2015). Port: „Um den globalen Playern gewachsen zu sein, werden wir in Zukunft deutlich mehr Kooperationen deutscher und europäischer Marktteilnehmer sehen.“ Ein Meilenstein auf diesem Weg sei die im Juni geschlossene Partnerschaft von Ad Audience und Interactive Media (HORIZONT 26/2015). D eren Ziel, eine bessere Datenqualität sowie gemeinsam entwickelte hochwertige Targetingprodukte zu liefern, ist für Oliver Wolde, Senior Vice President Sales/Publisher und Mitglied der Geschäftsleitung von Interactive Media, Ausdruck der aktuell angesagten intelligenten Verzahnung von Programmatic Advertising und Branding. Ihm zufolge ist vor allem die Konzeptvermarktung gefragt. „Wer heute seine Marke digital überzeugend inszenieren will, muss einen individuellen Auftritt hinlegen.“ Und zum Zeitgeist gehörten eben auch Real-Time-Advertising-Formate. Matthias Dang, Geschäftsführer von RTL-Vermarkter IP Deutschland, bestätigt die Entwicklung in beide Richtungen: „Automatisierung auf der einen, Individualisierung auf der anderen – das ist kein Widerspruch.“ Stattdessen hätten sowohl Kunden als auch Vermarkter mehr Ressourcen für außergewöhnliche Werbelö- sungen. Je höher aber die Automatisierung, desto deutlicher schwappt eine alte Diskussion wieder an die Oberfläche. „Durch die Aufdeckung von Fraud Impressions beispielsweise sind Kunden und Agenturen gegenüber Qualität sensibilisiert“, sagt Martin Lütgenau, Geschäftsführer von Tomorrow Focus Media. „Ob Direktverkauf, Programmatischer Einkauf, Umfeldplanung oder Rotationen mit Targeting, die Basis der Planung ist immer die Qualität des Inventars.“ Erfreulich sei, dass diese mit technischen Mess-Systemen mittlerweile quantifizierbar sei. Dadurch trenne sich endlich die Spreu vom Weizen. D ie Entwicklung hat ihren Preis. Die Zeiten, in denen Anbieter Programmatic als neue Möglichkeit verkaufen, kostengünstig im Markt zu agieren, sich die Kunden dann aber über Werbemittel wundern, die in zweifelhaften Umfeldern ausgespielt werden, sind laut den klassischen Premiumvermarktern, mit denen HORIZONT gesprochen hat, vorbei. „Im programmatischen Bereich machen wir gerade die Erfahrung, dass die Zahlungsbereitschaft und der Preis steigen, sobald das konkrete Umfeld transparent ist“, sagt IQ-MediaChef Harp. Dirk von Borstel, Geschäftsführer der OMS, ergänzt: „Programmatic „Unsere Angebote müssen weiter echte Menschen erreichen, um wertvoll zu bleiben“ Thomas Port, Seven-One Media heißt nicht billig.“ Im Gegenteil: „Wo früher Bulk-Impressions verkauft wurden, herrscht heute aufgrund der viel genaueren Zielgruppenansprache rege Nachfrage nach jeder einzelnen Impression.“ Deshalb gilt es mittlerweile als wahrscheinlich, dass sich die Preise aufgrund der immer größer werdenden Nachfrage im Markt weiter stabilisieren werden. Dazu kommt, dass mehr Premiuminventar und großformatige Flächen programmatisch verfügbar gemacht werden. Das zeigt das Beispiel von P7S1-Vermarkter Seven-One, der sich unter anderem mit dem Multichannel-Netzwerk Studio 71 zusätzliche Wachstumsbereiche erschließt. M „Durch die Aufdeckung von Fraud sind Kunden gegenüber Qualität sensibilisiert“ Martin Lütgenau, Tomorrow Focus Media arco Barei, General Manager Programmatic Advertising bei Asmi, verweist außerdem auf die Möglichkeit, durch die Nutzung von User- oder Verhaltensdaten gezielte Impressionen zur effektiven Aussteuerung von Kampagnen einzukaufen und Streuverluste zu reduzieren. Der Einzelkontakt wird somit wertvoller, was sich positiv auf den effektiven Tausender-Kontaktpreis auswirkt. „Diese Effizienzsteigerung macht digitale Buchungen für Werbetreibende noch attraktiver“, prognostiziert Barei. 34 REPORT DIGITAL MARKETING Z HORIZONT 28/2015 Wir sind bereits sehr gut aufgestellt, neben den klassischen Mediaagenturen Carat und Vizeum haben wir mit Isobar eine Agentur für digitales Marketing und digitale Kreation, aber auch besondere Schlagkraft mit Explido iProspect, der größten Performance-Marketing-Agentur in Deutschland. Darüber hinaus besetzen wir mit Spezialagenturen die Zukunftsthemen Outernet und Mobile, in die wir zuletzt lokal wie international stark investiert haben. Weitere Akquisitionen sind nicht ausgeschlossen. Von Klaus Janke oja Paskaljevic hat sich viel vorgenommen: Das Dentsu Aegis Network soll unter seine Ägide nicht mehr nur für Media stehen. Vielmehr soll es zum „Kommunikationsarchitekten“ werden, der alle relevanten Dienstleistungen aus einer Hand anbietet – gestärkt vielleicht durch Zukäufe. Der Schlüssel für die ambitionierte Positionierung: umfassende digitale Expertise und pralles Smart-Data-Wissen. Wie weit wollen Sie auf das Feld der klassischen Kreation vordringen? Unser Kreativpotenzial bezieht sich auf die digitale Welt der „Connected Audiences“. Hier entsteht neben der klassischen Kreation eine exponentielle Zunahme von Möglichkeiten, die Kunden unserer Kunden während der Customer Herr Paskaljevic, Sie wollen als neuer Deutschlandchef des Dentsu Aegis Networks für Impulse sorgen. Wie soll das aussehen? Wir leben heute in einer Welt, die vom Begriff „Vuca“ geprägt ist: „Volatile, uncertain, complex, ambiguous“. Eine Welt also, in der es keine festen Regeln mehr gibt. In der „Vuca“-Welt muss man auch als großes Agentur-Netzwerk agieren wie ein Start-up: schnell, flexibel und vor allem kreativ. Mit diesem Ansatz und der Ansprache von „Connected Audiences“ sind Unternehmen wie Airbnb oder Uber groß geworden. Daran müssen wir uns für unsere Kunden orientieren. Das Tool Mit „Scale“ stellt das Dentsu Aegis Network seinen Kunden eine Lösung zur Verfügung, die OnlineKampagnen leistungsfähiger und transparenter machensoll.DasgemeinsammitdemDienstleister Meetrics entwickelte Benchmarking-Instrument liefert im kostenfreien Basispaket die relevantesten Leistungskennzahlen insbesondere zur Sichtbarkeit von Online-Werbemitteln. Die kostenpflichtige Premium-Version misst weitere KPIs, darunter auch Sonderformate wie Videowerbung. Mit „Scale“ sollen Werbungtreibende ihre Kampagne noch während der Laufzeit auf individuell definierte KPIs optimieren können. Man bringt das Dentsu Aegis Network damit nicht auf Anhieb in Verbindung. Noch nicht, aber das sind genau die Impulse, die wir für uns und vor allem für das zukünftige Geschäft unserer Kunden brauchen, um uns diesen neuen Anforderungen zu stellen. Der Manager Und wie wird sich das Netzwerk künftig positionieren? Auch als integrierter Kommunikationsdienstleister mit großem Datenwissen, wie es viele Kollegen aus anderen Häusern skizzieren? Grundsätzlich ja, aber noch weit darüber hinaus. Wir verfügen als internationales Netzwerk schon heute über ein riesiges Datenvolumen unter anderem aus eigenen weltweiten Studien, die wir nicht nur mit weiteren Daten konsolidieren, sondern in digitale „Smart Data“ übersetzen. Wir arbeiten als Netzwerk zudem in allen kommunikativen Disziplinen und sind in der Lage, unsere Erfahrung und Expertise aus einer Hand zusammenzuführen. Mit dieser integrierten, holistischen und gleichzeitig spezialisierten Herangehensweise haben wir heute bereits einen Vorsprung und sind hervorragend aufgestellt, um in Zukunft weitaus mehr zu sein als „nur“ ein Medianetzwerk. Unser Ziel ist die Entwicklung hin zu „Kommunikationsarchitekten“, die die Kunden über den gesamten Geschäftsprozess hinweg beraten. Digitale Expertise wird dabei der Schlüssel sein. Können Sie wirklich alles aus dem eigenen Netzwerk anbieten? Oder sind Zukäufe geplant? „Agieren wie ein Start-up“ Mit dieser Positionierung ergeben sich neue Verteilungskämpfe. Erwarten Sie mehr Gegenwind von Werbeagenturen, die zurzeit ihre digitale Expertise verbessern? Das Verhältnis zu den Mediaagenturen ist ja ohnehin nicht so toll. Diesen Eindruck haben insbesondere die Medien herbeigeschrieben und forciert. Ich persönlich erlebe das Verhältnis zu den Werbeagenturen als sehr positiv und in der Zusammenarbeit für den Kunden in der Regel lösungsorientiert. Als neue Konkurrenten auf dem Feld der Kommunikationsdienstleistungen sehe ich vielmehr die großen Unternehmensberatungen, die zunehmend ihre Fühler in das digitale Marketing ausstrecken. Zoja Paskaljevic, seit Februar CEO von Dentsu Aegis in Deutschland, über die künftige Ausrichtung des Netzwerks, Kooperationen und Qualitätssicherung FOTO: DENTSU AEGIS Seit Februar steht Zoja Paskaljevic, 54, an der Spitze des Dentsu Aegis Networks in Deutschland, das über 1000 Mitarbeiter zählt. Zum Netzwerk gehören unter anderem die Mediaagenturen Carat und Vizeum, der Performance-Marketing-Dienstleister Explido iProspect und die digitale Marketingagentur Isobar. Paskaljevic begann seine Karriere als Sales Manager bei der Verlagsgruppe Handelsblatt, bevor er ab 1988 für verschiedene Mediaagenturen tätig war. Im Juni 2014 stieg er als Executive Vice President für General Motors Europa beim Dentsu Aegis Network ein. Journey zu begleiten und im entscheidenden Moment mit dem relevantesten Inhalt zur Transaktion zu bewegen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Aufgaben ganzheitlich anzugehen, über das traditionelle Vorgehen hinauszudenken und dabei Bereiche wie Technologie und Servicedesign auszubauen. Insofern kümmern wir uns um einen sehr wesentlichen Bereich, der heute noch nicht aus einer Hand angeboten wird: das entscheidende Feld des relevanten Content in Verbindung mit der dynamischen Aktivierung der vorliegenden klassischen Werbemittel, optimiert über alle Screens. Und was ist mit Google und Facebook? Die beiden Konzerne gelten als große Gefahr für die Mediaagenturen und ihr Geschäftsmodell. Ich sehe die beiden weniger als „böse Konkurrenten“, sondern als interessante Kooperationspartner. Unser Netzwerk unterhält diverse Partnerschaften mit den großen US-Playern, unter anderem auch Twitter. Dabei geht es nicht in erster Linie um Konditionen, sondern vor allem um Wissen und Mehrwert. Wir tauschen Know-how aus, das wir wiederum im In- 9. Juli 2015 teresse unserer Kunden einsetzen können. In einigen Fällen haben wir bereits gemeinsam proprietäre Produkte entwickelt. Einige befinden sich im Pilot, andere stehen kurz vor dem Rollout. Bereits auf dem Markt ist das neue Produkt „Scale“ – eine technische Lösung, die für mehr Qualität bei digitalen Kampagnen sorgen soll. Mit „Scale“ bieten wir unseren Kunden eine Lösung, die digitale Kampagnen sowohl leistungsfähiger als auch transparenter macht. Diese Initiative liefert Werbungtreibenden ein unabhängiges Tool, mit dem digitale Kampagnen noch während ihrer Laufzeit auf individuell definierte KPIs optimiert werden können. Wir messen sie kontinuierlich – und zwar jede einzelne Ad Impression, keine Stichproben – auf 13 Qualitäts-KPIs. Dazu gehören Visibility, Brand Safety, Fraud und vieles mehr. Damit bieten wir unseren Kunden den unschätzbaren Vorteil eines kontinuierlichen Monitorings ihrer Kampagne und damit auch die Möglichkeit, digitale Kampagnen noch während der Laufzeit auf individuell definierte KPIs zu optimieren. „Scale“ ist zudem kein statisches Angebot. Wir werden die Lösung regelmäßig und flexibel den Bedürfnissen des Marktes angleichen. Mit „Scale“ sind wir „First Mover“. Es ist der bislang strukturierteste und umfassendste Ansatz im Markt. Finden das Ihre Kunden auch? Die Resonanz ist auf jeden Fall sehr gut. Wir haben das Angebot im April eingeführt, und es wird mittlerweile von der Hälfte unserer Top-20-Kunden gebucht. Warum ist der Handlungsbedarf in puncto Qualitätssicherung bei Onlinekampagnen so groß? Qualität und Transparenz sind im Markt absolut zentrale Themen – Sie kennen die Diskussionen um Sichtbarkeit oder Fraud. Aber von einer fest definierten Visibility-Rate abgesehen gibt es in puncto Qualitätskriterien bisher kaum etablierte Standards. Diese brauchen wir aber dringend, um die Leistungswerte sowie die Effektivität und Effizienz von Kampagnen besser vergleichen zu können. Diese Vergleichbarkeit schaffen wir mit „Scale“. Insbesondere für den Bereich Programmatic Advertising benötigt man eine Lösung, die die Qualität transparent macht. Wird Programmatic ein wichtiges strategisches Wachstumsfeld für das Dentsu Aegis Network sein? Auf jeden Fall. Das Potenzial ist sehr groß, wir müssen allerdings auch noch viel argumentative Aufbauarbeit leisten. Denn gegenwärtig wird Programmatic in der Regel rein auf Buying-Leistung beschränkt. Dabei ist Programmatic eine komplexe Marketing- und Businessfrage. Wir haben unter anderem für unser Angebot Amnet eine einheitliche Datenplattform namens Dentsu Aegis Data Lab etabliert – ein riesiges Datenparkhaus, das wir nutzen, um einzelne Daten-Garagen für unsere Kunden zu schaffen. Damit können wir nicht nur Real-TimeKampagnen planen und durchführen, sondern unsere Kunden auch bei Business-Innovationen und bei der Implementierung eigener Systeme wie etwa Data-Management-Plattformen (DMPs) unterstützen. Vielleicht setzt sich Programmatic Advertising nicht so schnell durch wie erwartet. Aber die Entwicklung ist unausweichlich und birgt für unsere Kunden einen enormen Mehrwert in Form von integrierter Daten-Intelligenz. 36 REPORT DIGITAL MARKETING HORIZONT 28/2015 9. Juli 2015 Mobile Politur Konsequent sorgt Google dafür, dass Qualität und Nutzerfreundlichkeit von Websites bei der Suche belohnt werden. Die alten SEO-Tricks haben ausgedient E Von Klaus Janke ILLUSTRATION: PAVELIS / FOTOLIA s war das erste Update des SuchAlgorithmus, das Google weit im Vorfeld offiziell angekündigt hatte: Seit dem 21. April werden Websites, die mobil optimiert sind, bei der Suche per Smartphone und Tablet bevorzugt behandelt. SEO-Apokalyptiker fürchteten erdrutschartige Veränderungen in den organischen Ergebnislisten, aber das vielbeschworene „Mobilegeddon“ kam nicht. „Der große Knall ist ausgeblieben“, so Siwen Zhang, Director SEO bei der Performance-Agentur Explido iProspect in Augsburg. Sogar Google selbst hatte offenbar mehr Wirkung erwartet: Man sei erstaunt, wie wenige Websites negativ betroffen sind, sagte Google-Managerin Maile Ohye im Mai auf einem Kongress in London. Komplett folgenlos verlief die Umstellung allerdings nicht. „Veränderungen gab es vor allem bei den generischen Suchbegriffen“, so Zhang. Direkt abgestraft wurden nach Analysen des MessDienstleisters Searchmetrics natürlich in erster Linie Websites, die noch gar keine „mobile friendly“-Website haben, allen voran Xing, das sich mobil auf seine App konzentriert. Trotz mobil optimierter Sites musste unter anderem Wiwo.de Federn lassen. Focus.de und Welt.de gehörten dagegen zu den Gewinnern. Die relativ geringen Auswirkungen basieren vor allem darauf, dass die meisten großen Website-Betreiber Mobile mittlerweile auf dem Schirm haben – immerhin kommt bereits fast die Hälfte der Suchanfragen über mobile Endgeräte. „Immer mehr Unternehmen verfolgen eine ,Mobile First‘-Strategie“, sagt Zhang. „Die mobile Website ist dabei die Basis, die Desktop-Variante die Erweiterung.“ N atürlich ist es nicht damit getan, eine mobile Website einzurichten oder – die andere Möglichkeit – über Responsive Designs alle verschiedenen Endgeräte einzustellen. Zahlreiche weitere Faktoren sind zu berücksichtigen: „Besonders wichtige Kriterien für die mobilen Ergebnislisten sind die Performance der Website sowie die Darstellung auf den mobilen Endgeräten“, erklärt Christian Vollmert, Geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Agentur Lunapark und Vorsitzender der Fachgruppe Search im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). „Google kann zum Beispiel feststellen, dass zwei Buttons zu eng zusammenliegen und damit auf einem Touch-Display mit dem Finger nur schwer anzutippen sind.“ Auch die Abbruchraten flössen stark in den Algorithmus ein. Die SEO-Strategen müssen abwägen: Auf der einen Seite belohnt Google hoch- wertigen und informativen Content, andererseits dürfen Nutzer und Technik nicht überfordert werden: „Auf mobilen Sites müssen die Inhalte drastisch reduziert werden“, glaubt Andreas Nowak, SEO-Professional bei der Stuttgarter Agentur Hurra.com. Die meisten Unternehmen seien auf einem guten Weg, aber: „Die echte Nutzerorientierung steckt in Mobile noch in den Kinderschuhen.“ Was also gut für die Desktopversion ist, muss für Mobile noch lange nicht gut sein. „Das SEO-Geschäft wird noch komplexer werden“, prognostiziert Nowak. „Ich rechne damit, dass sich Mobile-SEO als separate Disziplin etablieren wird.“ Das Mobile-Update ist nur ein Teil der großen, bereits seit Jahren laufenden Qualitätsoffensive von Google. Die Logik: Die Suchergebnisse müssen noch besser, die Nutzer noch zufriedener werden. Belohnt werden vor allem aktuelle Inhalte auf den Seiten, journalistisch geschriebene Texte, häufig aktualisiert, angereichert mit Bildern und Videos, aber nicht exzessiv. „Mit der deutlich gestiegenen Content-Ausrichtung ist SEO auf ein neues Level gehoben worden“, sagt Vollmert. Damit wird die Arbeit anspruchsvoller: „Die Kunden suchen zunehmend Agenturen, die auch inhaltlich denken und ge- meinsam mit den Unternehmen zum Beispiel Themenpläne erarbeiten.“ Das heißt aber auch: Der Website-Betreiber muss seinen Teil beitragen. „Durch die steigende Bedeutung des Content können wir die Optimierung nicht mehr autonom vom Kunden vornehmen, sondern müssen Hand in Hand arbeiten“, so ExplidoiProspect-Managerin Zhang, „auch wenn sich das mancher Kunde anders vorstellt.“ Bei aller Professionalisierung: Nach wie vor gibt es im Netz Sites, die alles andere als optimiert sind. Laut Morten Ebbesen, CEO und Gründer des Optimierungs-Dienstleisters Siteimprove, verlassen sich zu viele Website-Betreiber auf die Technik: „Nur weil etwa das Content-Management-System behauptet, SEO-freundlich zu sein, bedeutet das noch lange nicht, dass man seine Bemühungen einstellen kann, die Website zu optimieren.“ Auch sei häufig zu beobachten, dass das Design von Websites schön, aber nicht SEO-tauglich ist: „Natürlich ist das Erscheinungsbild einer Site wichtig“, so Ebbesen. „Wenn dies jedoch bedeutet, dass Zugänglichkeit und Inhalt leiden, kann man viel Zeit in die Optimierung investieren, ohne sich zu verbessern.“ Daneben gibt es Betreiber, die nach wie vor mit alten SEO-Tricks – inflationärer Linkaufbau oder Keyword-Wiederholungen bis zur Schmerzgrenze – durchkommen. Sie laufen allerdings Gefahr, von Google abgestraft zu werden und erst nach einiger Zeit überhaupt wieder im oberen Bereich der Ergebnislisten aufzutauchen. Die Tricks seien daher „ein Aus- laufmodell, das auch von Kundenseite nicht mehr gewünscht ist“, glaubt Vollmert. Wer sichergehen will, eine sowohl kompetente als auch „sauber“ arbeitende Agentur zu beauftragen, kann sich an den SEO-Zertifikaten orientieren, die der BVDW vergibt. Dieses Jahr haben sich 24 Dienstleister um die Siegel beworben, 17 haben es nach Prüfung erhalten. D erweil dürfen sich die Dienstleister auf weitere Veränderungen einstellen. Google testet, mobil besonders langsam ladende Websites mit einem „slow“-Label zu brandmarken. Mehr Kopfschmerzen dürfte aber der Ausbau der sogenannten „Direct Answers“ bereiten: Google platziert eigene Informationen zu einer Suchanfrage im oberen Bereich der Website und drängt damit die organischen Ergebnisse zurück. Diese müssen unter Umständen gar nicht mehr angeklickt werden, weil die Frage bereits beantwortet ist. Unter anderem Wetterportale bekommen das bereits schmerzlich zu spüren. Website-Betreiber füttern den Wissensdurst von Google selbst, indem sie für Programme leicht lesbare, strukturierte Daten auf die Sites stellen, die dann für die „Direct Answers“ ge- nutzt werden. Allerdings: „Obwohl die Gefahr besteht, dass Google sie abgreift, raten wir unseren Kunden zu strukturierten Daten“, so Zhang. „Die Click-ThroughRate der Suchergebnisse kann dadurch deutlich erhöht werden.“ Eine ganz neue Herausforderung kündigt sich in weiter Ferne an: Was passiert, wenn immer mehr Suchanfragen eingesprochen statt -getippt werden? Experten erwarten dann einen Trend weg von einzelnen Keywords hin zu Fragesätzen – man fragt Siri schließlich höflich und wirft ihr nicht nur Wortbrocken hin. Gewinner und Verlierer Mobile Sichtbarkeit reichweitenstarker Websites in Such-Ergebnislisten seit Google-Update* Bereinigte Veränderung seit Google-Update in Prozent*** Mobile Visibility** 2 323 410 Ebay.de 2 227 475 Chip.de 1 684 252 Focus.de Spiegel.de 1 410 288 Computerbild.de 1 206 934 5,0 –7,6 2,0 –4,4 –11,9 Bild.de 987 865 –4,5 T-Online.de 959 888 –11,9 Chefkoch.de 427 896 Gutefrage.net 413 684 Web.de 371 523 1,0 7,0 –6,2 *Auswahl: die 10 reichweitenstärksten Werbeträger nach Agof Internet Facts 2015-01 **Score-Wert nach Berechnung durch Searchmetrics am 24. Juni 2015 (entsprechend von Searchmetrics entwickelter Score-Kalkulation) ***Um die Auswirkungen des Google-Update (21. April 2015) zu ermitteln, wurde die Veränderungsquote der mobilen Visibility um die Veränderung der Sichtbarkeit auf dem Desktop bereinigt. Auf diese Weise wurden Einflussgrößen, die nicht auf das Google-Update zurückzuführen sind, herausgerechnet (z.B. inhaltliche Veränderungen auf der Website, saisonale Schwankungen etc.). Wenn also zum Beispiel die Sichtbarkeit mobil stärker steigt als auf dem Desktop, ist dies wahrscheinlich dem Update zuzurechnen. Quelle: Exklusive Auswertung von Searchmetrics für HORIZONT HORIZONT 28/2015 HORIZONT 28/2015 J REPORT DIGITAL MARKETING 37 9. Juli 2015 Von Klaus Janke an Josef Liefers und Axel Prahl erleben ganz schön viel auf ihrem Roadtrip, den Toyota unter dem Titel „Ein Auto wie ein Freund“ im Web präsentiert (Kreation: Saatchi & Saatchi, Düsseldorf). Sie haben dafür auch immerhin dreieinhalb Minuten Zeit, die TV-Spots sind nur 40 Sekungen lang. Mit dem witzigen Kurzfilm, der seit Mitte Mai bei Youtube rund 1,7 Millionen Views verzeichnet, setzt Toyota seine Storytelling-Offensive fort, die Teil einer umfassenden Content-Strategie ist. Die hybride Devise: Unterhalten und Informieren, aber gleichzeitig Werben – und das alles optimiert auf möglichst viel Sichtbarkeit im Internet. Erstes Resultat der von der neuen Marketingchefin Sevilay Gökkaya definierten Marschrichtung war die Kampagne zur Einführung des Aygo, dem CityFlitzer für die junge Generation (HORIZONT 39/2014). Über die Aygo-Website waren zahlreiche witzige Videos abzurufen, unter anderem einen Clip mit einem „pinkelnden Aygo“, der für viel Verblüffung bei ahnungslosen Passanten sorgte – er wurde bis heute auf Youtube mehr als 2 Millionen Mal abgerufen. Die Botschaft: Toyota nimmt sich nicht allzu ernst. Nun ist das Toyota-Marketing dabei, die gesamte digitale Präsenz der Marke über mehr Content auf Klicks und Visibility auszurichten. Augenfälliges Beispiel: Um den RAV4 bei Google in Szene zu setzen, hat Toyota eine umfangreiche Website zum Thema „Kompakt-SUV“ gebaut und sie auf die Begriffe „Kompakt“ und „SUV“ optimiert. Gibt man diese in die Suchmaschine ein, taucht die Website sehr hoch in den organischen Hybride Geschichten Toyota setzt konsequent auf Content – und sorgt damit für mehr Sichtbarkeit in der organischen Google-Suche Suchergebnissen auf, direkt an zweiter Stelle hinter einer Kompakt-SUV-Marktübersicht von Autobild.de und noch vor entsprechenden Themenseiten von Fo- cus.de und Autozeitung.de. Ein näherer Blick auf die Site, die als Untersite von Toyota.de läuft, zeigt die Erfolgsfaktoren: Das Angebot ist betitelt mit „Kompakt- SUV – Der perfekte Allrounder“. In sachlichen Texten, angeordnet in kleinen Paketen, werden die Vorteile des Autotyps dargestellt, illustriert mit Fotos. Dann folgt eine Analyse, für welchen Käufertyp sich ein Kompakt-SUV gut eignen würde. Erst relativ weit unten kommt Toyota dann explizit auf den RAV4 zu sprechen, auf seine Produkteigenschaften und Vorzüge. Ä hnlich, wenn auch etwas weniger zwingend funktioniert es mit dem Suchbegriff „Hybrid“. Hier braucht es teilweise etwas Geduld, in der organischen Suche von Google auf die zweite Site zu wechseln, bis „Faszination Hybrid“ auftaucht. Auf der ThemenWebsite zur alternativen Antriebstechnik hält sich Toyota nicht so sehr mit direkter Werbung zurück, doch es sind auch unterhaltsame Videos und redaktionell aufbereitete, journalistisch geschriebene Porträts von Hybrid-Fahrern zu finden – dankbare Inhalte für die neue GoogleLogik (siehe Seite 36). „Wir bewerben das Thema Hybrid nicht über Umweltschutzoder Emissions-Argumentation“, erklärt Marketingchefin Gökkaya. „Wir vermitteln den Spaß, den man hat, wenn man ein Hybrid-Auto fährt.“ Themen-Websites „Kompakt-SUV“ (l.) und „Faszination Hybrid“: Produktwerbung spielt nicht die erste Geige Anzeige 38 REPORT DIGITAL MARKETING HORIZONT 28/2015 9. Juli 2015 ILLUSTRATION: ALEKSANDR BEDRIN / FOTOLIA Wer landet die bestenTreffer? Methodik und Datenqualität sind beim Targeting essenziell, damit die profilbasierte Kampagnenaussteuerung funktioniert Von Vera Günther D Gütesiegel Targeting Ein neues Siegel des unabhängigen Zertifizierungsdienstleisters ePrivacy prüft die Qualität von Targeting. Als erster Anbieter wurde zum 1. Juli United Internet Media ausgezeichnet. Die Zertifizierungskriterien decken die im BVDWLeitfaden für QualitätsTargeting definierten Bereiche ab: Daten, Datenschutz, Zielgruppenmodellierung, Targeting-Angebot/Möglichkeiten, Leistungswerte und Erfolgsmessung. Wichtige Punkte sind dabei: • Breite, Tiefe, Repräsentativität und Aktualität der Datenbasis • Vorliegen von Datenschutzsiegeln • Fundierte Verfahren zur Modellbildung unter Einsatz entsprechender Standards sowie neuer Erkenntnisse aus der Forschung • Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Modellüberprüfung • Möglichkeit, individuelle Zielgruppen auf Basis kundenspezifischer Daten zu erstellen • Integration von Erkenntnissen aus vergangenen Targeting-Kampagnen und Studien er Urlaub in Norwegen war perfekt: Weite Fjorde, Sonne, eine einsame Blockhütte, die er über das Internet gefunden hatte. Tagelange Recherchen auf verschiedenen Reiseportalen waren dem vorausgegangen, doch letztlich hatte der Anbieter den Urlauber gefunden – per OnlineAnzeige, just in dem Augenblick, als jener gerade die Börsenkurse online studierte. Behavioural Targeting sorgt dafür, dass die Online-Werbung, die ein Nutzer im Web erhält, genau auf sein vorangegangenes Surfverhalten abgestimmt wird – ganz unabhängig davon, auf welchen Websites er sich gerade bewegt. Ob diese Art der Zielgruppenansprache funktioniert, hängt von der Methodik und der Datenqualität ab. Letztere, so Armin Schroeder, Geschäftsführer der Düsseldorfer Mediaagentur Crossmedia, reiche heutzutage von gar nicht existent bis extrem gut: „Während etwa Login-Daten in der Regel eine sehr hohe Qualität haben, sind Targeting-Daten, die anhand einer Hochrechnung mit statistischen Zwillingen arbeiten, meist nicht zu empfehlen.“ Seine Einschätzung macht Schroeder an Ex-Post-Analysen fest. „Werbungtreibende und Agenturen verfolgen sehr genau, wie gut TargetingKampagnen die avisierte Zielgruppe auch wirklich treffen. Aus solchen Analysen wissen wir, welche Targeting-Systeme gute Ergebnisse erbringen, und wo es noch Luft nach oben gibt“, bestätigt Plan.NetGeschäftsführer Manfred Klaus. Sein Fazit: Im Großen und Ganzen funktioniert Targeting. In den allermeisten Fällen helfe die profilbasierte Aussteuerung von Online-Werbung, Streuverluste zu vermindern. Bei der Bewertung der Datenbasis ist man laut Klaus aber auf die Angaben des Anbieters angewiesen: „Da fordern wir weitgehend Transparenz.“ Die will United Internet Media (UIM) nun mit einem neuen Targeting-Zertifikat schaffen. Anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs überprüft der unabhängige Zertifizierungsdienstleister ePrivacy die Qualität des UIM-eigenen Predictive Behavioural Targeting Systems TGP. Das Gütesiegel bescheinigt dem Vermarkter die Selbstverpflichtung zu Qualitäts-Targeting. Selbstverpflichtung deshalb, weil UIM die Prüfung selbst initiiert hat. „Mit dem Siegel wollen wir einerseits unsere eigene Marktposition stärken, andererseits aber auch das Qualitätsbewusstsein und die Qualitätswahrnehmung des Themas Targeting im deutschen Online-Werbemarkt fördern“, sagt Rasmus Giese, CEO bei UIM. Die Selbstverpflichtung ist allerdings keine neue Idee, sondern baut auf Vorarbeiten auf, die im Rahmen der einige Jahre zurückliegenden und inzwischen eingeschlafenen 4Q-Offensive von Interactive Media, UIM, Pilot und Plan.Net erarbeitet wurde. Darüber hinaus lehnen sich die Kriterien eng an den Leitfaden zur Beurteilung von Targeting-Qualität an, den die Fokusgruppe Targeting des BVDW Ende 2014 veröffentlicht hat. Einen Quasi-Standard hoffen auch der Vermarkterverbund Ad Audience und der Datenspezialist Xplosion Interactive zu etablieren. (HORIZONT 26/ 2015). Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft bündeln die beiden ihre Zielgruppendaten. „Wir fügen alle Daten, die wir heute zur Profilbildung nutzen, in einen Pool zusammen. Daraus entsteht nicht nur eine deutlich erhöhte, sondern auch eine einheitliche Datenqualität“, erläutert Ad-Audience-Geschäftsführer Stefan Krötz. Das heißt im Klartext: Für jedes Nutzerprofil stehen nun mehr Datenpunkte zur Verfügung, um es einem eindeutigen Targeting-Segment zuzuordnen. Je mehr Information pro Nutzerprofil zur Verfügung steht, desto besser ist die Qualität des Targetings. D em Endgeräte-Hopping der Nutzer steht aber auch Ad Audience nahezu hilflos gegenüber. Um exakt aufeinander abgestimmte und ineinander greifende Targeting-Kampagnen spielen zu können, bräuchte es Nutzerdaten, die über alle Bildschirme abgeglichen werden. „Aktuell ist dies nur möglich, wenn sich ein Nutzer bei einem einzelnen Anbieter registriert und den dazugehörigen AGB zustimmt. Über den dann folgenden Kundenlogin kann der Nutzer beziehungsweise die daraus abgeleitete Zielgruppe Endgeräte-übergreifend angesprochen werden“, sagt Krötz’ Kollegin Meike Arendt, die das Thema als stellvertretende Vorsitzende der Fokusgruppe Targeting im BVDW weiter vorantreiben will. Facebook und Google haben hier mit ihren Nutzerkennungen die Nase vorne. Auch UIM bietet kanalübergreifendes Targeting an. „Die getrennten Profile eines Users werden datenschutzkonform zu einem Multi-Screen-Profil vereint. Den Schlüssel zum Nutzer bildet der pseudonymisierte Unique Key, über den device-übergreifende Kampagnen synchronisiert und kontaktoptimiert über alle Screens hinweg ausgesteuert werden können“, beschreibt Giese. Ähnlich funktioniert das bei Microsoft Advertising. Unter Windows 8 arbeitet der Vermarkter mit einer eindeutigen Microsoft-ID. Ist log-in-basiertes Targeting das bessere Targeting? „Auf den ersten Blick auf jeden Fall“, sagt Crossmedia-Chef Schroeder. Er gibt aber zu bedenken: „Nicht jedes Cross-Device-Targeting ist zu 100 Prozent deterministisch, also auf Identitätsdaten basierend, sondern beruht häufig auf einer statistischen Kombination verschiedener technischer Daten.“ Der deterministische Abgleich ist der genauere, bleibt aber auf den Werbekosmos des jeweiligen Unternehmens beschränkt. Um eine höhere Reichweite und Kontrolle zu erhalten, muss letztendlich eine Mischung aus beiden Ansätzen verwendet werden. Darunter leidet dann natürlich wieder die Genauigkeit. Kritisch zu hinterfragen sei auch immer, ob es sich bei den Login-Daten um wahrheitsgemäße Daten handelt, sagt Matthias Oschatz, Leiter Product & Technology Data Driven Advertising bei Pilot Hamburg. Und, ob sie aktualisiert wurden. Sowohl Behavioural Data als auch Echtdaten verlieren, – falls sie nicht wie Alter und Geschlecht – fortgeschrieben werden können, früher oder später an Gültigkeit, da sich die Lebensumstände, die Interessen, der Job geändert haben können. Zudem ist zu klären, so Oschatz, ob es eine praktikable Reichweite für eine Endgeräte-übergreifende Aussteuerung gebe: „Eine große Menge an registrierten Nutzern bedeutet nicht automatisch, dass sich alle Nutzer auch für eine Endgeräteübergreifende Aussteuerung qualifizieren. Dies gilt nur für Nutzer, die sich in der Vergangenheit mit mindestens zwei verschiedenen Endgeräten jeweils zumindest einmal eingeloggt haben.“ L og-In-basiertes Targeting ist also auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Eine Alternative bietet künftig vielleicht Ad Truth. Die Amerikaner mit Sitz im Silicon Valley arbeiten an einem Ansatz, der den Verbraucher anhand einer großen Anzahl Messpunkte wiedererkennt, wenn er sich auf einem anderen Endgerät einloggt. Einen etwas anderen Weg verfolgt das Starnberger Unternehmen Nano Interactive. Anzeigen werden nur an Verbraucher ausgespielt, die gerade nach bestimmten Begriffen im Netz gesucht haben. Suchmaschinenbasiertes Targeting spricht User an, die eben angefangen haben, sich für ein Produkt oder einen Service zu interessieren. „Dies geschieht völlig unabhängig davon, ob ein User bereits auf der Website eines Kunden war oder nicht“, erläutert Geschäftsführer Christian Geyer. Ein Partnernetzwerk – unter anderem aus Publishern und Produktund Preisvergleichsseiten – liefert die nötigen Informationen. Die gewonnenen Informationen werden als anonymisierte Profile in einem Datenbanksystem abgespeichert. 500 Millionen Profile hat Nano nach eigenen Aussagen auf diese Weise bereits erfasst. Um die Anzeige passend zur Suche abzusetzen, liefern Werbekunden eine Liste ihrer relevanten Keywords. Ein Beispiel: Sucht ein User nach „Leasingrate SUV“, ist dies ein relevantes Profil für einen SUV-Hersteller. Völlig unabhängig davon, ob der User männlich oder weiblich ist, oder wie alt er ist. Geyer betont: „Wir erheben die Suche zum Targeting-Kriterium Nummer 1.“ HORIZONT 28/2015 REPORT DIGITAL MARKETING 39 9. Juli 2015 Die Mobile-Revolution kommt ins Rollen – aber worauf kommt es bei Content auf dem kleinen Screen an? E Von Tim Theobald in Werbesprichwort, das man immer wieder auf weltweiten Marketing-Kongressen hört, lautet: Content is King. So simpel wie das geflügelte Wort es suggeriert, ist die junge Disziplin Content Marketing freilich nicht. Im Gegenteil. In Zeiten, in denen Mobile der wichtigste, weil zukunftsträchtigste Kanal ist, sind die Anforderungen an die Werbeformen gestiegen. Der Grund: Das Smartphone ist das persönlichste Device, das es je gab. Der Nutzer hat es immer dabei, kommt schneller an Informationen, kann mit wenigen Klicks einkaufen und Dienstleistungen buchen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass er das, was er nicht will, mit einem Wisch beseitigen kann. Für die Werbung entsteht genau an diesem Punkt die große Schwierigkeit: Wie kann man den Kunden in einer Zeit abholen, in der er jeden Tag hunderte Werbekontakte hat? Wie muss passgenauer Content in Mobile aussehen, damit er funktioniert? Streaming-Architektur Der kreative Kopf Lukas Kircher ist Geschäftsführer Digital, Kreation und Innovation bei C3 Creative Code and Content, das 2014 aus der Fusion von Kircher Burkhardt und Burda Creative hervorging. Durch den Zusammenschluss ist der deutsche Marktführer im Boommarkt Content Marketing entstanden. Seine Karriere begann der 44-Jährige als Design Consultant für „Die Presse“ und arbeitete danach als Art Director für die „Berliner Zeitung“. Nach seiner Station als Leiter Grafik beim „Stern“ gründete er die Agentur Media Group Berlin, aus der später Kircher Burkhardt hervorging. „Alles hängt von den Content-Stückgrößen und der Publishing-Geschwindigkeit ab“, sagt Lukas Kircher, Geschäftsführer bei Corporate-Publishing-Platzhirsch C3. „In Mobile bewege ich mich in einer anderen Art der Content-Rezeption. Ich schlage Zeit tot in kurzen Pausen.“ Für die Taktung und Größe der Inhaltselemente ergebe sich im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co deshalb die Abkehr von einer Seiten- und Hierarchiearchitektur, zugunsten einer Streaming-Architektur. Der moderne Leser swipt ständig und ist mittlerweile den „Endless Stream“ gewöhnt. Aber: Der Stream ist nicht alles, wie Kircher betont: „Intelligenter Content funktioniert nur, wenn es auf der Seite kurz und lang gibt, tiefsinnig und oberflächlich, optisch und topografisch. Der Nutzer braucht den Rhythmuswechsel.“ Navigation Auf dem mobilen Screen zählt für den Nutzer vor allem Bequemlichkeit. Navigation, tippen, URLs kopieren ist anstrengend. Deswegen ist eine Rückbesinnung zu den Werten Einfachheit und Klarheit unerlässlich. „Das wichtigste Navigationselement ist die Headline und nicht ein Button, auf dem ‚Mehr dazu‘ steht“, so Kircher. Der Nutzer bewege sich mit einer Relevanzbrille durch ein Contentangebot – und dementsprechend muss die Navigation auch aufgebaut sein. Responsive Content Für Inhalte auf dem Smartphone gilt: Katzen-Content und reißerische Headlines sind kein Allheilmittel. Die Qualität muss angehoben werden, weil es immer mehr Angebote und Werbekontakte auf dem kleinen Screen gibt. Die große Herausforderung ist es, mit Content herauszustechen und bei den Zielgruppen zu landen. „Der Schlüssel ist Responsive Content. Wir erklären den Unternehmen, dass es bei Content Marketing nicht darum geht, bestehende Botschaften durch Storytelling aufzuhübschen, sondern um Monitoring und gesunden Menschenverstand. Nur so kommen wir zu Themenclustern, die eine hohe Engagement-Affinität haben und die Menschen wirklich interessieren.“ Die Themen haben sich laut Kircher nicht so sehr verändert: „Es geht immer noch um die Lebenswelt der Nutzer, die mittlerweile aber mit neuen Technologien unterfüttert ist, mit neuen Strategien und Gedanken.“ orem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit. Aenean commodo ligula eget dolor. Aenean massa. Cum sociis natoque penatibus et magnis dis parturient montes, nascetur ridiculus mus. Donec quam felis, ultricies nec, pellentesque eu, pretium quis, sem. Nulla consequat massa quis enim. Donec pede justo, fringilla vel, aliquet nec, vulputate eget, arcu. In enim justo, rhoncus ut, imperdiet a, venena- ILLUSTRATION: SHPILBERG STUDIOS / FOTOLIA / MONTAGE: HORIZONT Alles im Stream Kontextsensitivität Ein großes Problem ist es, dass werblicher Content auf dem Mobile-Screen den Nutzer grundsätzlich nervt – was schon seit Jahren die Banner-Click-Through-Raten und steigenden Adblocker-Nutzungszahlen belegen. Weil der Kontext des mobilen Users immer zeitlich begrenzt und situationsgebunden ist, muss guter Content deshalb so geartet sein, dass er nicht als aggressiv und störend wahrgenommen wird. Innovative Werbeformen müssen den Nutzer heute mehr denn je „sinnvoll begleiten, ihm Service zur Verfügung stellen und spannende Inhalte liefern“. Aus diesem Grund sei der Switch zu Content Marketing für die Branche unvermeidbar. Und klassisches Advertising wird mehr und mehr abgelöst. Real Time ist die Zukunft Eine Disziplin, die die Anforderungen an starke Inhalte mit dem Nutzer-Kontext sowie dem immer wichtiger werdenden Servicegedanken verbindet, ist Marketing in Echtzeit: „Real Time gehört die Zukunft, weil es den Empfänger wieder stärker in den Mittelpunkt rückt und nicht nur theoretisch über Sinusmilieus betrachtet.“ Organisatorisch stelle Real Time die Agenturen dabei allerdings vor neue Herausforderungen, „weil wir die PublishingProzesse eines klassischen Medienunternehmens mit einer Werberdenke und der Strategiegetriebenheit einer modernen Kommunikationsagentur verschmelzen müssen“. Content, der den Kunden freiwillig erreicht, ist also tatsächlich King. 40 REPORT DIGITAL MARKETING Technisch brillant HORIZONT 28/2015 Bettina Sonnenschein Schnöde Banner waren gestern, heute wissen Marketer und Kreative, dass digitale Werbung in allen Phasen des Kaufprozesses unterschiedlich wirkt und entsprechend gestaltet sein muss. Für Thomas Hartmann, Leiter Concepts & Creation bei Vermarkter Interactive Media, zählt in jedem Fall: „Die Vorteile des digitalen Mediums sollten in die Kreation miteinbezogen werden.“ Die Funktionalität von Mobilgeräten oder die Möglichkeiten des inter- 9. Juli 2015 aktiven Agierens zwischen User und Content sind dabei nur zwei von vielen Faktoren. „Wie viel spannender wird eine Kampagne, wenn sie mobil nicht nur als Banner ausgespielt wird, sondern sich zum Beispiel durch Neigen des Geräts etwas verändert?“ sagt Hartmann. Für Kreative eine Herausforderung: Denn emotionale Ideen müssen, entstanden abseits von Preisen und Mediaplänen, trotzdem auf die Möglichkeiten von Digital abgestimmt sein – Kreation hat so auch viel mit Technik zu tun. Welche Qualititäten und Funktionalität muss Kreation haben, um digital zu funktionieren? HORIZONT stellt Beispiele vor „Claras Casting“, Deutsche Telekom „Mein Weg“, Techniker Krankenkasse Der Traum von der Hockeykarriere – mit einer Bewegung scheint er am Ende. Die Patientin kämpft sich trotzdem zurück und wird Hockey-Nationalspielerin. Mit dieser und ähnlichen Geschichten hat die Techniker Krankenkasse eine integrierte YoutubeKampagne gefüllt, die sich von dort über die sozialen Netzwerke verselbstständigt hat und für die die Einreicher (Fischer-Appelt, Fork Unstable Media, Endemol beyond, Pilot Media) jüngst einen New Media Award erhielten. Ein Kriterium für den Erfolg scheint dabei besonders entscheidend: die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Dazu ist die Geschichte prädestiniert. Denn vom Unglück und dem anschließenden Hochrappeln können viele erzählen, die Technik hat jeder zuhause und die digitalen Kanäle sorgen für schnelle Verbreitung. Niedrige Einstiegshürden verbunden mit dem Gefühl, anderen Mut zu machen, verschaffen der Marke viel Aufmerksamkeit. KUNDE: Techniker Krankenkasse AGENTUR: Fischer-Appelt „Sieh’s mal neo“, ZDF neo Selbst ein schlichtes Wallpaper kann vom ignorierten Werbemittel zum Hingucker werden – dank kreativem MediaEinsatz. Der Trick ist einfach: Nach dem Öffnen einer Website löst sich die Kampagne aus dem nebenstehenden Banner und legt sich als Bewegtbild über das aufgerufene Angebot. Bei Nichtgefallen kann der Spot zurück an seinen Randplatz geklickt werden. Der Sympathiewert gegenüber einem unbeweglichen Pop-up ist jedoch durch den bewegten Content ungleich höher, dazu kommt die Neugierde, was am Ende des wenige Sekunden dauernden Spots geschehen wird. Die Chance, dass er bis zum Ende gesehen wird, nimmt zu. Storytelling ohne Ende: Damit könnte man die Kampagnen-Episoden der Deutschen Telekom für „Magenta Eins“ überschreiben. „Die Geschichten rund um Familie Heins könnte man zum einen ewig weitererzählen“, sagt Thomas Hartmann, Leiter Concepts & Creation bei Interactive Media. „Zum anderen lassen sich die Botschaften sehr vielseitig hinsichtlich Content und Context platzieren.“ Zum Beispiel in Reiseportalen, wenn Vater Heins in Spanien mit seiner daheimgebliebenen Tochter telefoniert. Auch als Pre-Roll auf Youtube funktionieren die Episoden sehr gut, nicht zuletzt, weil der Plot in Sekundenbruchteilen angerissen wird und genug Neugierde weckt, um User bis zum Ende bei der Stange zu halten. „Der Erfolg solcher Kampagnen in Digital hängt zu einem großen Teil von der Kreation ab“, sagt Hartmann. „Die Betrachtungsdauer kann bis zu 30 Prozent steigen, wenn sie stimmt.“ KUNDE: Deutsche Telekom AGENTUR: DDB (Kreation), Webgue- rillas (Online, Social Media) KUNDE: ZDF neo MEDIA: Interactive Media „How Animation works“, Indeed.com Nicht einer, sondern eine ganze Menge Kreativer sind notwendig, um einen Animationsfilm zu erschaffen. Wie viele, zeigt die US-amerikanische Jobsuchmaschine Indeed.com mit einem animierten Werbespot, in dem sowohl die vielen Einzelschritte der Produktion vom Storyboard bis zum fertigen Film optisch erkennbar als auch die beteiligten Berufsgruppen eingeblendet werden. Der 30-Sekünder ist ein Ausschnitt aus einem einminütigen Kurzfilm von House Special, Portland. In Zusammenarbeit mit der Agentur Mullen wurde der Film zum Spot umgewandelt, inhaltlich reduziert, mit Information gefüllt und in die Kampagne „How the World works“-Kampagne integriert. Im Zusammenspiel ergibt sich ein ausbalancierter Spot, der bestimmt nicht weggeklickt wird. KUNDE: Indeed.com AGENTUR: Mullen André Gebel, Vorstand Beratung & Strategie, Coma, über die Anforderung an Kreation für digitale Werbung 1. Mit der Explosion beginnen Was beim Film ein K.-o.-Kriterium ist, sollte bei digitaler Werbung beherzigt werden: Wer die Aufmerksamkeit des endlos scrollenden Users erlangen will, hat maximal 3 Sekunden Zeit, um beachtet zu werden. Von daher sollten vor allem Videos mit einem Knalleffekt starten. Ein deutlicher Paradigmenwechsel zum Gelernten „das Beste zum Schluss“. 2. Reine Klicks zählen nix Der große Vorteil digitaler Werbung ist die Messbarkeit. Doch mobile Klicks entstehen heute meist aufgrund zu großer Finger, die auf zu kleine Bildschirme mit winzigen Close-Buttons stoßen. Das Resultat: Frust und Reaktanz beim Anwender. Der Marketing-Manager hat somit, trotz grandioser KlickRaten, genau das Gegenteil erreicht. Eine Werbebotschaft darf nicht stören, sie muss vielmehr so interessant sein, dass sie die Aufmerksamkeit des Users eigenständig erzielt. Von daher sind Native-Advertising-Formate, die sich mobil an die Gegebenheiten der Werbeträger-Seite anpassen erfolgreicher, als Micro-Banner. breitet werden. Werbung sollte unterhalten, inspirieren, amüsieren und diskutabel sein. Alles was emotionslos durchrutscht, verliert sich im Long Tail des World Wide Web. Also lieber nochmal auf der Idee herumkauen, die Marke vielleicht subtiler integrieren oder den ein oder anderen Euro mehr investieren, um Involvement innerhalb der Zielgruppe zu erzeugen. 3. Entertainment ist alles 4. Die Renaissance der Vernetzung Digitale Werbung ist nicht nur Facebook. Doch was uns das größte soziale Netzwerk gelehrt hat, ist die Art und Weise, wie Werbebotschaften heute viral ver- Noch vor fünf Jahren war integrierte Kommunikation das Schlagwort. Danach hat Social Media zunächst alle Marketingentscheider verängstigt und anschließend so angefixt, dass gute mobiltaugliche Websites und Bannerkampagnen völlig vom Erdboden verschwanden. Heute ist wieder Kontext gefragt. Jede Plattform hat ihre Daseinsberechtigung und will individuell bedient werden. Der Markenkern bleibt, doch die Inszenierung ist stets eine andere. Emotional mit Longcopy auf der responsiven Website, schnell und involvierend auf Facebook, bildgewaltig auf Instagram und „native“ auf den Werbeplattformen. Immer anders, doch am Ende entsteht ein Gesamtbild beim User. So muss digitale Werbung heute funktionieren. HORIZONT 28/2015 REPORT DIGITAL MARKETING 41 9. Juli 2015 Hautnah interagieren Vom PC zum Smartphone zur Smartwatch – die Bildschirmgröße wird immer geringer. HORIZONT fragt nach den Herausforderungen W elche Anforderungen an die Kreation von digitaler Werbung stellen die kleinen Bildschirme von Smartwatches, um ansprechende, hochwertige Kampagnen zu entwickeln? Michael Behrens, Jung von Matt Thomas Fellger, Iconmobile Florian Gmeinwieser, Serviceplan Sascha Martini, Razorfish M D I G it der Apple Watch werden Wearables Mainstream. Ob man als Marke dabei eine Rolle spielen sollte, ist keine Frage – welche Rolle, aber schon. Nützliche, mit Marke und Produkt eng verzahnte Anwendungen, werden erfolgreich sein, klassisch gedachte Werbung hingegen nicht. Durch eine einfache Portierung vorhandener iPhone-Apps auf die Watch ist nichts gewonnen. Wer die Watch aber als Digital Companion begreift und Features wie das haptische Feedback oder den Herzfrequenzsensor klug nutzt, kann auf sehr persönliche Art punkten. Die geringe Display-Größe ist aus meiner Sicht dabei überhaupt kein Problem: Apples Watch OS sowie viele gut darauf zugeschnittene Apps belegen, dass das Display am Handgelenk gut funktioniert. Warum sollte das für Apps aus Marketing-Abteilungen nicht gelten? Voraussetzungen sind System- und Technik-Verständnis und Durchhaltevermögen beim Perfektionieren der Usability. In der Apple Watch steckt großes Potenzial – allerdings auch zum Scheitern, wenn man nur beantwortet, wie die Werbung auf das kleine Display kommt. urch Geräte wie die Apple-Watch werden Agenturen gezwungen, sich mehr mit der User Experience auseinanderzusetzen. Und das liegt nicht vorrangig an kleineren Screens. Marken können Kunden so nah wie nie zuvor kommen und Teil ihres Lebens werden. Mit Kernprodukten entstehen digitale Services, die künftig zum Teil des Produktes werden. Angebote Dritter können besser in die User Experience integriert und attraktivere Angebote gestaltet werden. Dass dabei eine Vielzahl von Daten entstehen, ist mehr als nur ein Nebeneffekt. Es ist der Anfang neuer Business-Modelle. Sharing- und Subscription-Services werden schneller wachsen als herkömmliche Produktangebote. Ein Beispiel ist die vernetzte Oral-B Zahnbürste, die Iconmobile für P&G entwickelt hat. Durch die Verzahnung von Produkt und digitalen Services verschwimmen die Grenzen zwischen Produkt, R&D, Supply Chain und Marketing. User Experience wird Teil der Corporate Strategy. Unser Gewinn eines Lion in Cannes zeigt, wie der digitale Wandel fortschreitet und den Werbemarkt verändert. m Grunde hat sich der digitale Werbemarkt vom analogen abgeleitet, aus der Anzeige wurde ein Banner. Genauso ging die Werbung auf Smartphones, doch spätestens bei Smartwatches stößt das System „Display Advertising“ an seine Grenzen. Wer seine Markenkommunikation dort integrieren will, muss alle Spielregeln des Mobile Marketings beherrschen. Denn die Interaktion mit der Marke wird immer auf dem Smartphone, der Verlängerung der Watch, stattfinden. Agenturen müssen hochgradig interaktive Kampagnen erschaffen. Ein Beispiel: Angenommen, ein Kunde, der ein Diätprogramm anbietet, möchte die Smartwatch bedienen. Er könnte ein Banner bauen und per Adserver auf einer Smartwatch-App ausspielen. Er könnte aber auch anbieten, die persönlichen Vitaldaten ein paar Tage lang via Smartwatch zu erheben und anschließend ein individualisiertes Angebot machen. Sorgen macht mir allerdings, dass viele Unternehmen vollmundig über die neue Wunderwaffe sprechen, aber ihre Hausaufgaben in Sachen mobiler Markenpräsenz noch nicht gemacht haben! enerell ist natürlich auch auf kleinen Displays Werbung möglich. Doch ist die Apple Watch das geeignete Medium dafür? Ich meine nein. Statt eine Smartwatch für Werbung zu nutzen, sollte sie vielmehr dazu beitragen, den Konsumenten mehr Nutzen und Unterhaltung zu bieten. Und genau hier liegt aus meiner Sicht die große Chance für Marketingverantwortliche. Wer es schafft, die Träger der Apple Watch für Interaktionen mit ihr zu begeistern, wird letztlich zu den Gewinnern zählen.Weil die Apple Watch nur wenig Fläche bietet, geht es darum, ganz neue Herangehensweisen für die Kundenzufriedenheit aufzubauen. Man kann hier keine auf Unterbrechung basierte Technologie einsetzen. Vielmehr gilt es, kontextbezogene Benachrichtigungen zu entwickeln. Oder anders gesagt: Wenn das Auge auf einen kleineren Screen trifft, müssen sich die Marketing Best Practices daran ebenfalls anpassen. Anzeige
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