Compliance ist die Leitplanke für sichere Abläufe in der

Compliance ist die
Leitplanke für sichere
Abläufe in der
Automobilindustrie
Januar 2016
Point of view
Automotive
EY | Wir bewegen nachhaltig®
Interview mit Tobias Schumacher, EY-Partner in den Bereichen Automotive und Corporate
Compliance zu der Frage welche Bedeutung das Thema Compliance für die deutsche
Automobil- und Zulieferindustrie hat und welche Hebel umgelegt werden müssen, um
als Unternehmen am Markt erfolgreich zu bleiben.
Herr Schumacher, die deutsche
Automobilindustrie steht derzeit
stark im Fokus der US-Behörden,
aber auch die deutschen Behörden
üben Druck aus. Haben die Unternehmen das Thema Compliance
nicht ernst genommen?
Tobias Schumacher: Ich glaube schon –
die Bedeutung einer nachhaltigen Befolgung von Regeln und Gesetzen ist den
Beteiligten längst klar. Doch machen die
global vernetzten, kleinteiligen und digi-
talisierten Strukturen natürlich anfällig.
Deshalb ist es gerade in dieser Branche so
schwer, Compliance lückenlos zu gewährleisten. Gleichzeitig trägt der große Erfolg
der Hersteller und Zulieferer und deren Bedeutung für unsere Volkswirtschaft dazu
bei, dass die Öffentlichkeit hier im Vergleich
zu anderen Branchen noch genauer hinschaut. Diesem Druck müssen wir in Zukunft
wirksamer begegnen. Und ich glaube, dass
wir dafür sehr grundlegende Veränderungen
vornehmen müssen, noch gibt es in diesem
Bereich zu viele „Konstruktionsfehler“.
Wie muss ein wirkungsvolles
Compliance-Management Ihrer
Meinung nach aussehen?
Schumacher: Entscheidend ist für mich,
dass ein Compliance-Management-System
immer aus Sicht der Risiken des Unternehmens und der Branche gestaltet ist. Genau
an diesem Punkt sehe ich einen der wesentlichen Konstruktionsfehler. Bisher wurden
viele Maßnahmen zur Verhinderung von
Verstößen einfach übergestülpt, etwa als
Reaktion auf regulatorische Vorfälle oder
gar in Form von Standardlösungen. Meiner
Erfahrung nach kann Compliance jedoch
nur dann wirksam funktionieren, wenn die
individuellen Risiken erfasst und berücksichtigt werden. Das betrifft etwa die Besonderheiten der Branche, die Unternehmenskultur, aber auch die Eigentümerstruktur des Unternehmens oder prägende
Ereignisse der letzten Jahre. All diese
Punkte müssen bei der Konzeption eines
Compliance-Programms Berücksichtigung
finden, und ein Unternehmen sollte hier
genau hinschauen. Erforderlich sind beispielsweise Analysen in Bezug auf die an
den Geschäftsprozessen beteiligen Länder,
Branchen und Geschäftspartner, aber auch
in Richtung der involvierten Personen, etwa
was die Ansprechpartner bei staatlichen
Kunden im In- und Ausland angeht. All diese
Punkte prägen die Risikosituation und gehören meiner Meinung nach zwingend ins
Konzept.
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| EY Interview mit Tobias Schumacher
Es gibt also viel zu tun. Werden die
nötigen Schritte unternommen?
Schumacher: Ich glaube, ja. Wir sehen
ganz deutlich, dass sich das Thema Compliance-Management derzeit wandelt. Wo bislang hauptsächlich aufgrund äußeren Drucks
gehandelt und Lösungen kurzfristig aus dem
Boden gestampft wurden, geht es heute
weit mehr um die umfassend geplante und
individuell konzipierte Gesamtstrategie.
Im Fokus steht mehr denn je das Thema
Integrität des Unternehmens als Ganzes
inklusive der handelnden Personen. Und
alle Beteiligten haben gemerkt, dass der
„tone from the top“ eine entscheidende
Rolle spielt. Das Bewusstsein und das Bekenntnis zu Compliance müssen genauso
überzeugend von oben kommen, wie sie
im Gesamtunternehmen gelebt werden
müssen. Wenn das geschieht, dann kann
Compliance unter Umständen sogar eine
wertsteigernde Wirkung für das Unternehmen haben.
Lassen Sie uns ein wenig mehr ins
Detail gehen. Welche Bereiche sehen
Sie besonders gefordert?
Schumacher: Gefahren drohen zum einen
im Bereich Korruption und Bestechung.
Das gilt vor allem, weil die Grenze zwischen
Handlungsspielräumen und strafrechtlich
relevanten Vorgängen mitunter ganz schmal
ist. Beispielsweise erzeugen jeder Umgang
mit Amtsträgern im Ausland, der Aufbau
von Produktionsstätten in Risikoländern
oder die Zusammenarbeit mit Vertriebsmittlern ernst zu nehmende Risiken. Viele
Rechtssysteme nehmen die Unternehmen
und ihre Führungskräfte für die Integrität
ihrer Geschäftspartner in Haftung. Die Kooperation mit Zulieferern, Dienstleistern
und Absatzmittlern in Schwellenländern
gehört daher besonders unter die Lupe.
Zudem erzeugt eine enge Zusammenarbeit
mit Partnern zwangsläufig Gefahrenpotenziale hinsichtlich Kartellbildung und anderer
Wettbewerbsdelikte – das gilt für vertikale
„Das Bewusstsein und
das Bekenntnis zu
Compliance müssen
genauso überzeugend
von oben kommen,
wie sie im Gesamtunternehmen gelebt werden
müssen.“
und horizontale Strukturen gleichermaßen.
Denken Sie an verbotene Preis- und Marktabsprachen oder an Rabattstrukturen im
Vertriebsnetz bei Re-Importen. Stets drohen
drakonische Strafen und Gewinnabschöpfung, nicht zu vergessen der massive Reputations- und Vertrauensverlust; all dies
wirkt sich auf die Marktentwicklung und
gegebenenfalls auf den Börsenwert des
Unternehmens aus. Eine zunehmende Bedeutung kommt den Bereichen zu, bei denen
es um die Umwelt und die Gesundheit des
Menschen geht. Das Bewusstsein der Verbraucher hat sich stark gewandelt. Verbrauchs- und Emissionswerte sowie die
Sicherheit der Fahrzeuginsassen beeinflussen die Kaufentscheidung der Kunden
enorm. Wer sich in diesen Bereichen richtig
aufstellt, kann einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erreichen. Umgekehrt wird
sich der Druck deutlich erhöhen, wenn die
wachsenden Anforderungen von Kunden
aber auch Behörden nicht erfüllt werden
können.
Wie sehen Sie Bereiche wie Spionage
oder Fälschungen?
Schumacher: Auch in diesen Bereichen
bestehen vielfältige Risiken für die Automobilindustrie. Cyberkriminalität und Wirtschaftsspionage gehen heute jedes Unternehmen der Branche an. So ist der Schutz
von Innovationen für keinen Industriezweig
wichtiger als für Automotive. Der Verlust
geistigen Eigentums und damit des technologischen Vorsprungs kann schlicht die
Existenz bedrohen. Auch die von Ihnen angesprochene Produktpiraterie stellt uns vor
Probleme, vor allem im Ersatzteilmarkt. Sie
richtet nicht nur wirtschaftlichen Schaden
an, sondern gefährdet zudem die Sicherheit
der Kunden. Denken Sie beispielsweise daran, dass die Verbraucher bei vielen Reparaturen Ersatzteile nach Wunsch verwenden
dürfen – sogar in den meisten sicherheitsrelevanten Bereichen. Produktfälschungen
können hier erhebliche Gefahren mit sich
bringen. Der Kampf gegen Produktpiraterie
wird damit auch zum Kampf für die eigenen
Qualitätsstandards.
Wie sieht denn ein wirksamer Schutz
vor diesen Gefahren im Detail aus?
Schumacher: Nehmen Sie das Beispiel
Cyberkriminalität. Ein Unternehmen muss
nicht nur Angriffe erkennen, zurückverfolgen
und Gefahren beseitigen; vor allem gilt es,
die eingesetzten Prozesse und IT-Sicherheitssysteme regelmäßig zu aktualisieren
und Lücken zu schließen. Hier wartet also
eine Daueraufgabe, die in der Automobilindustrie im Rahmen der Entwicklung „Industrie 4.0“ eher zu- als abnehmen wird.
Das Gleiche gilt für Risiken wie Bestechung,
Korruption, Betrug oder Untreue. Wer Gefahren diskret, umfassend und rechtssicher
aufklären will, braucht langjährige Erfahrung
und Fingerspitzengefühl für das Umfeld.
Denken Sie nur an die globalen Lieferketten
und die hochgradig arbeitsteiligen Prozesse
der Automobilindustrie. Um nur zwei Beispiele
zu nennen: Integritäts-Screenings von Geschäftspartnern und Compliance-Due-Diligence-Routinen bei Geschäftsaktivitäten in
Hochrisikoländern müssen als integrale Bestandteile in die „normalen“ Ablaufprozesse
integriert werden. Sie entscheiden darüber,
ob Sie im regulierten und beobachteten
Automobilmarkt in der Spur bleiben.
Was ist beim Aufbau derartiger
Strukturen zu beachten?
Schumacher: Oftmals müssen wir einen
Spagat aushalten. Denn zum einen muss
Compliance wirkungsvoll sein und den
konkreten Risiken gegensteuern, zum
anderen darf sie Effizienz, Innovationsstärke und Wachstum nicht behindern.
Doch genau das funktioniert sehr gut.
Denn Compliance kann nicht nur kontrollieren, prüfen und sanktionieren, sondern
auch Vertrauen schaffen. Und dieses Vertrauen kann wie ein Schmiermittel für die
Prozesse der Stakeholder wirken. Dieses
Potenzial können wir jedoch nur dann ausschöpfen, wenn Compliance- und Integritätsmanagementsysteme individuell auf
die jeweilige Organisation zugeschnitten
werden. In unserer Beratungspraxis verknüpfen wir daher die spezielle Situation
des einzelnen Unternehmens mit den Herausforderungen von Branche, Umfeld und
geltenden Rahmenbedingungen. Denn nur
so können wir Integrität im Sinne von Good
Corporate Governance fordern und fördern.
Meiner Erfahrung nach braucht es dafür
vor allem drei Kernprinzipien im Unternehmen: Transparenz, Integrität und Effizienz.
Sind diese gewährleistet, lässt sich ein Unternehmenswert nachhaltig steigern. Und
dann zahlt sich Compliance doppelt aus.
EY Interview mit Tobias Schumacher |
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„Cyberkriminalität und Wirtschaftsspionage
gehen heute jedes Unternehmen
der Branche an. So ist der Schutz
von Innovationen für keinen Industriezweig
wichtiger als für Automotive.“
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Tobias Schumacher
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