W E LT A M S O N N TA G HAMBURG 19 N R . 19 JÜRGEN JOOST 10 . M A I 2 015 Antje Gräfin- und Hans-Caspar Graf zu Rantzau sitzen mit Autor Norbert Vojta auf einer Wiese Ihres Guts Pronstorf. Im Hintergrund das alte Torhaus „Der Adel öffnet Türen“ und 58 Kilometer vom Stadtkern Hamburgs entfernt liegt das traditionsreiche Gut Pronstorf in der Holsteinischen Schweiz. Weite Wiesen mit gelb blühendem Raps säumen den Straßenrand. Der 3,6 Quadratkilometer große Wardersee ist ganz in der Nähe. Am gräflichen Gut führt eine Allee zum alten Torhaus. Antje Gräfin zu Rantzau trägt einen grellgrünen Cordblazer und Jeans mit braunen Stiefeln. Hans-Caspar Graf zu Rantzau kommt mit dem Fahrrad dazu. Die neunjährige Tochter Anna spielt mit dem schwarzen Labrador Giesbert – so stellt man sich adeliges Landleben vor. Ein Gespräch über die Bedeutung der Herkunft, schwere Prüfungen und Fideikommisse. R VON NORBERT VOJTA WELT AM SONNTAG: Gräfin- und Graf zu Rantzau, was verbindet Sie mit dem englischen Staatsmann Thomas More? GRAF ZU RANTZAU: „Tradition ist nicht die Aufbewahrung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“ – der Spruch ist der Menschheit zu empfehlen. Schon Traditionsbewusst zu sein und auch zu bleiben. Aber nicht kritiklos sein, die Selektion muss ständig erfolgen. sentlichen Teil sehr positiv ist und mich mit Stolz erfüllt. Das ist ja nicht jedem beschieden. Das ist ein ganz großer Glücksfall. Man kann auf die Altvorderen aufbauen. Wie können Sie hier mit Ihrem Gut Pronstorf zukunftsfähig werden? GRÄFIN ZU RANTZAU: In dem man das, was vorhanden ist, so nutzt, dass es auch in der Gegenwart eine Zukunft hat. Jede Generation versucht das betriebswirtschaftlich Mögliche neu auszuloten. Wir haben die Schweineställe zu Wohnungen umgebaut. Man versucht, alles anzupassen, damit es zukunftsfähig ist. Kann Gut Pronstorf dadurch überleben? GRAF ZU RANTZAU: Ja. Es ist doch gut, wenn man solche Schnitte und Zäsuren macht. Zur Zeit meines Vaters wurde hier nur gebaut. Jetzt steht hier nichts mehr davon. Trotzdem war es gut und richtig, dass er es getan hat. Mit Hilfe seiner Bauwerke ist der Betrieb wieder wirtschaftlich saniert worden. Die Zeit ist so schnelllebig geworden, dass es nur für eine Generation trägt. Die alten- und originalen Bauten, die im Laufe der letzten Jahrhunderte entstanden sind, die sind jetzt wieder hervorgeholt worden. Sie sind mit neuem Leben erfüllt worden. Man bewegt sich dabei auf tönernern Füßen. Das Grafengeschlecht derer zu Rantzau ist eines der ältesten Adelshäuser Schleswig-Holsteins. In Pronstorf bewahren sie mit großem Aufwand ihr Familienerbe, das Tochter Anne eines Tages weiterführen soll Was sind Ihre Grundwerte? GRÄFIN ZU RANTZAU: Für mich ist es wichtig hier in Pronstorf geerdet zu sein und keine Berührungsängste zu haben. Grundwerte sind normale Tugenden. Es gibt keine extra Regeln. Baut der Adel auf einer anderen Traditionserziehung auf als Otto Normalverbraucher? GRÄFIN ZU RANTZAU: Ich wurde so nett von den Rantzaus aufgenommen und musste nicht großartig umgeschult werden, weil ich mich gleich zu Hause fühlte. Es war nie ein Problem, sich in diese Tradition hineinzudenken. Bedeutet Ihnen Tradition doppelt etwas? GRAF ZU RANTZAU: Oh, ja. Das hat etwas mit der Familiengeschichte zu tun. Das Schöne ist ja, man kann sie sich nicht aussuchen, sie ist ja Vergangenheit. Den kleinsten Teil formt man nachher selbst mit. Ich bin in einer glücklichen Lage, dass ich auf eine Familiengeschichte zurückblicken kann, die im aller we- Wie funktioniert der Gutsumbau? GRÄFIN ZU RANTZAU: Unser Kuhstall war das erste bahnbrechende Gebäude, was umgebaut wurde. Dadurch war es möglich, Feste auf dem Gut zu feiern. Konzerte, wie beim SchleswigHolstein- Musikfestival. Hochzeiten, Firmenfeste und vieles mehr. Die Nachfrage auch nach kleineren Räumlichkeiten sowie Zimmern zum Übernachten war jedoch groß. Wie haben Sie darauf reagiert? GRÄFIN ZU RANTZAU: Als wir dann Was hat Ihre große Familie dazu gesagt? GRAF ZU RANTZAU: Die mussten wir ja mitnehmen. Ich habe noch zwei Schwestern, die sind weichende Erbinnen. In der Land- und Forstwirtschaft gibt es immer einen Erben, eine Erbin, die besonders viel vom Vermögen bekommt. Sie ist damit mehr begünstigt, hat aber auch mehr Verantwortung auf ihren Schultern zu tragen. Wieso? GRAF ZU RANTZAU: Damit es intern nicht großen Zwist gibt. Bei uns gibt es den zum Glück nicht. Wir sind sehr harmonisch. Warum das? GRAF ZU RANTZAU: Weil man nicht weiß, ob die Sache tatsächlich verfängt und in einem wirtschaftlichen Erfolg mündet, der die Zukunft des Betriebes darstellt. Sind Sie denn jetzt gewappnet, in die nächste Zeit zu gehen? GRAF ZU RANTZAU: Ja. Aufgrund dessen, dass mein Vater alles richtig gemacht hat, hatte ich die Möglichkeit, dass was er eingenommen hat, wieder auszugeben. Allerdings waren die wirtschaftlichen Pflöcke, die er eingeschlagen hat, marode geworden und haben nicht mehr gehalten. Somit war es in Ordnung, dass man sie entfernt hat. Woher wissen Sie, dass das mit dem Hotel der richtige Weg ist? GRAF ZU RANTZAU: Das wussten wir überhaupt nicht. Nach Abwägung der Argumente, haben wir gesagt, das hat jetzt Sinn. Wir hatten ja schon bauliche Erfahrungen. Wir sind seit 1998 dabei, den Betrieb jetzt in die Richtung zu bringen, die wir uns vorgestellt haben. Wie funktioniert das? GRAF ZU RANTZAU: Es geht ja nicht darum, das jetzt zu versilbern, indem man es liquidiert, an den Markt bringt oder verkauft. Man soll es erhalten und weiter führen. Man muss natürlich auch diejenigen Familienmitglieder, die im großen Umfange verzichtet haben, mit auf die Spur setzen. Vojta fragt nach Was halten Sie von Tradition? GRÄFIN ZU RANTZAU: Tradition ist wichtig, um auch gewisse Grundwerte zu haben und ein Gerüst, was einem auch halt gibt. vor unserem Torhaus, was Sie hier hinter uns sehen, standen, das nicht mehr als Speicher nutzbar war, haben wir es als Hotel umgebaut. DAS GRAFEN-PAAR ZU RANTZAU Antje Gräfin zu Rantzau wurde am 02. Mai 1956 in Hamburg als eine „zum Felde“ geboren. Sie machte Ihr Abitur in Bad Oldesloe und studierte in Kiel Agrarwissenschaft, das sie mit einem Dipl.-Ing. abschloss. Ihr Hobby ist Reiten. Tochter Anne ist 9 Jahre alt und geht im Nachbarort zur Schule. Sie liebt ihre Hasen und reitet ebenfalls gerne. Hans-Caspar Graf zu Rantzau wurde am 22. September 1960 in Kiel geboren. Er machte sein Abitur am Internat Louisenlund und studierte auch in Kiel Argarwissenschaft, das er mit einem Dipl.-Ing. beendete. Es folgte ein Studium an der Universität für Bodenkultur in Wien. Danach arbeitete er in den USA in einem Farmservice Management Unternehmen. Graf zu Rantzaus Hobbys und Leidenschaft sind die Land- und Forstwirtschaft sowie die Jagd, das Segeln und die Fischerei. War es denn kostspielig, das Gut auf den Urzustand zu bringen? GRAF ZU RANTZAU: (Lacht). Das ist so kostspielig, dass man keine zweite Möglichkeit hat. Nach dem Motto: „ Reim dich oder ich schlag dich“. Wie haben Sie das finanziert? GRAF ZU RANTZAU: Aus der Forstund Landwirtschaft. Kein Landverkauf, kein Lotto. Aber natürlich auch mit Hilfe von Fremdkapital. Woher kommen Ihre Hotelgäste? GRAF ZU RANTZAU: (lacht). Viele Hamburger kommen gerne am Wochenende. Sie sind unsere natürlichen Nachbarn. Wir sind in einer guten halben Stunde von großen Teilen Hamburgs dank der A20 erreichbar. Was für Veranstaltungen finden statt? GRÄFIN ZU RANTZAU: Pronstorf ist schön und die Menschen heiraten hier alle. 75 Prozent der Wochenendveranstaltungen sind Hochzeiten. Die Baustelle ist die Woche. Da könnte noch viel mehr Betrieb mit zum Beispiel Firmenveranstaltungen oder Seminaren sein. © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung WELT AM SONNTAG HAMBURG-2015-05-10-swonl-90 1b0e6e1429e5f0da58f962047df22f1a Wie viele Menschen leben noch in Pronstrof? GRAF ZU RANTZAU: Hier sind nur noch rund 90 Menschen gemeldet. Die Ansprüche an Wohnungsgrößen sind anders als in den 1960iger Jahren. Heutzutage wohnt man auf großem Fuße. Diejenigen, die jetzt bei uns in der Gutsverwaltung arbeiten, sind fast alle woanders zu Hause. Bewirtschaften Sie Ihre 650 Hektar große Agrar- Fläche alleine? GRAF ZU RANTZAU: Wir machen es selbst. Das ist aber kein Prinzip. Um die Freiheit der eigenen Entscheidung aufzugeben, müsste man in einer Kooperation einen Vorteil sehen. Zielrichtungen können sich aber ändern. Machen Sie auch Gewinn mit Ihrem 370 Hektar großen Waldbesitz? GRAF ZU RANTZAU: Ja. Der Wald macht jedes Jahr schwarze Zahlen. Sie sind gemessen am landwirtschaftlichen Gewinn kleiner, aber kontinuierlich. Wir sind mit der Forstwirtschaft und Landwirtschaft jeweils seit etwa 50 Jahren in einem Beraterring organisiert. Alle Zahlen werden nach einem Kontenplan gebucht und in einem jährlichen Betriebsvergleich dokumentiert. Urproduktion scheut keinen Wettbewerb. Dann leben Sie gefühlsmäßig mit Ihrem Wald? GRAF ZU RANTZAU: Ja, sehr und mit vollem Dank. Alles, was wir jetzt haben, ist ja nicht von uns. Sondern von den Vorvätern. Deswegen ist es wichtig, dass der Wald auch gesund ist. Wie ist der schleswig-holsteinische Adel untereinander verbandelt? GRÄFIN ZU RANTZAU: Wie vertragen uns alle sehr gut und feiern sehr gerne miteinander. Viele sind auch untereinander verwandt. Man lädt sich zu Hochzeiten ein. GRAF ZU RANTZAU: Man hat ja auch ähnliche Themen. Viele sind in der glücklichen Lage, dass sie so etwas ähnliches wie Pronstorf besitzen. Man redet über das Wetter, dass es zu trocken ist. Der Weizen nicht wächst. Das es zu nass ist und man nicht dreschen kann, weil der Acker, das Feld so weich ist. (lacht). Über die Jagd, über Häuser, die einem zur Last fallen und nicht weiß, was man damit tun soll. Öffnet der Adel noch Türen? GRAF ZU RANTZAU: Ja, er öffnetund schließt auch Türen. Der eine findet es gut, der andere sagt, ist denn das überhaupt noch nötig. Müssen wir so etwas noch haben. Es ist ja auch der Name. Der Adel existiert ja auch nicht mehr in dem Sinne. Sondern ist namensrechtlich geregelt. Man ist da hineingewachsen. Warum sollte man so tun, als wolle man es unterschlagen wollen. Ihre Urgroßmutter erbte das Gut, ist das nicht ungewöhnlich? GRAF ZU RANTZAU: Sie war das einzige Kind. Es war kein Fideikommiss. Was bitte ist ein Fideikommiss? GRAF ZU RANTZAU: Das ist eine Erbregelung, wo immer nur männliche Erben den Hauptteil erhalten. Entweder der Sohn oder der nächste männliche Verwandte. Sie hat von ihrem Wesen und ihrer Ausstrahlung ihren Vater überzeugt. Es ist alles gut gewesen. Wird Ihre neunjährige Tochter wie Ihre Urgroßmutter das Gut Pronstorf später übernehmen? GRAF ZU RANTZAU: Ja, so ist es vorgesehen. Wird Sie schon darauf vorbereitet? GRAF ZU RANTZAU: Ja, die bekommt schon sehr viel mit. Wenn Sie hier so aufwächst, wie ich damals auch, dann erkennt sie zunehmend klarer, was es bedeutet hier zu wohnen und einen Gutsbetrieb wie Pronstorf zu leiten. Sie sind jetzt 54 Jahre alt. Wann kann Anna übernehmen? GRAF ZU RANTZAU: Wenn sie 30 ist, dann bin ich 75 Jahre alt. Ich hoffe, dass ich so lange auch klar im Kopf bin, ansonsten würde sie früher ran müssen und entsprechenden fachlichen Beistand bekommen. Sind Sie entschlussfreudig? GRAF ZU RANTZAU: Doch, das bin ich, manchmal ist meine Frau auch mein Bremsfallschirm. Ich bin aber jemand, der sich immer nach vorne bewegt. Nach dem Motto: „Das Leben ist kurz, wir müssen es tun“. Die Rantzaus sind alle sehr große Familientiere. Sind Sie ein christlicher Mensch? GRAF ZU RANTZAU: Ja, ich bin dem christlichen Glauben verhaftet. Ich bin gläubig. Die Rantzaus sind Evangelisch. Hilft Ihnen das Christentum bei der Arbeit? GRAF ZU RANTZAU: Ja, es gibt mir Zuversicht. Nach dem Motto: “Ich bin nie allein“. Verraten Sie mir Ihren Taufspruch? GRAF ZU RANTZAU: „Wache, stehe im Glauben. Sei männlich und stark.“ Sind Sie das? GRAF ZU RANTZAU: Ich bin bemüht. Die bisherigen Prüfungen, denen ich ausgesetzt war, konnte ich meistern. Gott bewahre mich vor schwereren Prüfungen. Norbert Vojta ist Journalist und Honorarprofessor an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Seine Interviews erscheinen alle zwei Wochen an dieser Stelle.
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