Eva Eschenauer | Julian Junggeburth | Max Knospe Eva

Eva Eschenauer | Julian Junggeburth | Max Knospe
HHU Düsseldorf
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10.02.2016
LeFloid – Meinungsführer im Netz? Eine Untersuchung zur Beziehung von Rezipient
und YouTube-Star
1 Einleitung
Informationen und Nachrichten erreichen Zuschauer heutzutage nicht mehr nur über die
Massenmedien, sondern verstärkt über das Internet, in Form von digitalen Text- oder audiovisuellen Inhalten. Ein beliebtes Medium um diese Inhalte zu rezipieren ist YouTube, das seinen Benutzern das Hochladen und Ansehen selbst erstellter Videoclips erlaubt. Zahlreiche
Menschen nutzen diesen Service, auch in Deutschland, um eigene Kanäle zu betreiben. Einer
von ihnen ist Florian Mundt. Mundt, besser bekannt als LeFloid, betreibt unter diesem Alias
einen YouTube-Kanal mit einem Nachrichtenangebot „ActionNews“. In 5 -7-minütigen Clips
behandelt er human interest stories aber auch politisch und gesellschaftlich aktuelle Themen.
Mit 2,8 Millionen Abonnenten ist er zurzeit die Nummer 7 auf der deutschen YouTubeRangliste1. Was seine Popularität und auch seine Stellung auf dem Medienmarkt zusätzlich
unterstreicht ist die Tatsache, dass er Mitte des vergangenen Jahres ein Interview mit der
Bundeskanzlerin führen durfte. Es ist bekannt, dass alle Informationen die Massenmedien
weitergeben in gewissem Maße gefärbt sind von der Gedankenwelt und der politischen Haltung ihrer Produzenten. Auch für die Inhalte die LeFloid weitergibt dürfte dies zutreffen, da
die Äußerung seiner persönlichen Meinung zentrales Element seiner Videos ist. Auch in Anbetracht der Aktualität des Themas war dies Anlass für die Überlegung, welches Potential der
Beeinflussung LeFloid auf seine Zuschauer haben könnte. Es haben sich besonders zwei Fra-
1
http://socialblade.com/youtube/top/country/de/mostsubscribed (zuletzt geprüft: 10.02.2016)
1
gen gestellt: Welche Form der Beziehung bauen die Rezipienten zu LeFloid auf? Welchen
Einfluss hat LeFloid dadurch auf die politische Meinungsbildung seiner Rezipienten?
Es wurde ausgegangen von der Annahme, dass Zuschauer mit Medienfiguren eine besondere
Art der Beziehung aufbauen können, die den Einfluss letzterer auf sie erleichtert. Nicht weil
dies von den Rezipienten so beabsichtigt ist, sondern weil Beziehungen ein Bestandteil des
menschlichen Lebens sind und sich unvermeidbar bilden, wenn man mit anderen Menschen
interagiert2. Das regelmäßige Rezipieren von YouTube-Videos stellt dabei eine besondere
Form der Interaktion dar. Durch die regelmäßige mediale Rezeption sammelt der Rezipient
Informationen über die Medienfigur, die er über die Rezeptionssituation hinaus abspeichert.
Indem er sie „kennenlernt“ bildet sich, ganz wie bei face-to-face Interaktionen, eine Beziehung3. Weil sie rein medial vermittelt ist, wird sie „parasoziale“ Beziehung genannt. Je nachdem wie sich die Beziehung ausgestaltet, welche Merkmale und Eigenschaften der Rezipient
der Medienfigur zuschreibt und wie positiv er diese wahrnimmt, kann die Medienfigur auf
den Rezipienten Einfluss nehmen und die Rolle eines parasozialen Meinungsführers ausfüllt.
Dazu muss der Rezipient ein positives Bild von ihr haben, welches aufgrund folgender (ihr
zugeschriebener) Eigenschaften der Medienfigur entsteht:

Glaubwürdigkeit4

Authentizität5

Thematische Autorität6

Sympathisches Wesen7
Außerdem muss diese für den Rezipienten mindestens eine der folgenden Schlüsselfunktionen erfüllen:

Informieren über Themen aus ihrem Fachgebiet (Information und Komplexitätsreduktion)
2
vgl. Hartmann (2010): S. 10.
vgl. Hartmann (2006): S. 262.
4
vgl. Zöchbauer, (1975): S. 145.
5
vgl. Eisenstein (1994): S. 167.
6
vgl. ebd. S. 80.
7
vgl. Concalves, Perra & Vespignani (2011): S. 187.
3
2

Anbieten von Orientierung über politische Werte, Normen und Einstellungen
(Orientierung)

Animieren sich über neue Themen zu informieren (Interesse wecken)8
Die Stärke des Einflusses lässt sich in einem Sechs-Stufen-Modell bewerten, wobei auf Stufe
eins nahezu kein Einfluss festzustellen ist und auf Stufe sechs die Beeinflussung des Handelns
und Lebenswandels möglich ist9. Da die subjektiven Einschätzungen der Rezipienten Rückschlüsse zulassen, ob die Medienfigur LeFloid für sie als parasozialer Meinungsführer fungiert, wurde entschieden diese mit qualitativen Leitfadeninterviews zu erheben.
2 Methoden
Vor Durchführung der Leitfadeninterviews erfolgten zwei Probeinterviews als Teil der Entwicklung des Interviewleitfadens. Die hier verwendeten Daten wurden anschließend in zwölf
separaten Interviews erhoben. Die Interviewpartner waren zuvor per Schneeballverfahren
rekrutiert worden. Analysiert wurden die transkribierten Interviews schließlich mittels computergestützter strukturierender qualitativer Inhaltshalsanalyse unter Zuhilfenahme eines
Kategoriensystems.
3 Ergebnisse
In den Interviews wird deutlich, dass alle Befragten eine parasoziale Beziehung zu LeFloid
aufgebaut haben. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass sich alle Befragten auf der Basis
ihrer Rezeption ein mehr oder weniger ausdifferenziertes Bild von der Person „LeFloid“ gebildet haben und ihm verschiedene Merkmale wie z.B. Intelligenz, Humor, Höflichkeit oder politisches Engagement zuschreiben. Dabei kristallisiert sich heraus, dass alle Untersuchungsteilnehmer dem YouTuber überaus positiv gegenüberstehen und ihm starke Sympathie entgegenbringen. In einigen der Interviews klingen sogar freundschaftliche Gefühle an. Gleichzeitig
sind sich die Befragten aber über den künstlichen Charakter der Rezeptionssituation bewusst.
Sie wissen, dass ihre Beziehung zu LeFloid nicht „echt“ ist, was teilweise zu Diskrepanzen in
8
vgl. Leißner et al. (2012): PARASOZIALE MEINUNGSFÜHRERSCHAFT: Theoretische Konzeptualisierung und
empirische Prüfung des Einflusses von Medienpersonen auf die politische Meinungsbildung. S. IV.
9
vgl. ebd. S. 121 – 125.
3
ihren Aussagen über ihre Beziehung zu dem YouTuber führt, da sie dieses spezielle Verhältnis nicht zu benennen wissen. Über die parasoziale Beziehung hinaus entspricht das Verhältnis der Befragten zu dem YouTuber einer Meinungsführerschaft: Die Untersuchungspersonen
erkennen bei dem YouTube-Star alle wesentlichen Schlüsselmerkmale eines parasozialen
Meinungsführers. Zudem übernimmt der YouTuber für jeden der Befragten mindestens eine
der drei Funktionen Information, Orientierung und Interesse wecken. Die Intensität der parasozialen Meinungsführerschaft nach dem Sechs-Stufen-Modell von Leißner et al. erreicht bei
den befragten Personen mindestens Stufe drei (Vertrauen in den Meinungsführer und dessen
Aussagen). Dabei wirkt sich das Nutzungsmotiv scheinbar wesentlich auf die Intensität der
Meinungsführerschaft aus. Bei den Untersuchungsteilnehmern konnte eine enge Verknüpfung zwischen dem Informationsmotiv und der zweiten Stufe des Stufen-Modells (Erfassen
und Verstehen) festgestellt werden. Personen, die LeNews hingegen zu Orientierungszwecken
rezipieren, erreichten i.d.R. eine höhere Stufe der Beeinflussung. Dies hängt vermutlich damit
zusammen, dass die Untersuchungsteilnehmer mit einem (ausgeprägten) Bedürfnis nach Orientierung auch politisch interessierter und informierter sind, so dass sie sich intensiver mit
LeFloids Äußerungen auseinandersetzen (können). Diese Annahme findet auch insofern Unterstützung durch die geführten Interviews, da sich die jeweiligen Untersuchungsteilnehmer
gegenüber den Inhalten der LeNews reflektierter äußerten.
4 Diskussion
Durch die Anwendung auf den nicht-massenmedialen Kontext und die Entwicklung dreier
Typen von parasozialer Meinungsführerschaft wurde versucht, einen Beitrag zu einem bislang wenig erforschten Teilgebiet der Medienrezeptionsforschung zu leisten. Angesichts des
andauernden Medienwandels scheint auch besonders die Frage nach den Einflussmöglichkeiten eines neuen Typs, über Social Media vermittelter, politischer Kommentatoren ein lohnendes Betätigungsfeld. Das Konzept des parasozialen Meinungsführers eröffnet hier interessante Ansätze zur Erforschung der Welt digitaler Medien und ihrer Nutzerstrukturen. In Anbetracht dessen wäre eine Wiederholung der Studie mit einem größeren Sample zu einem späteren Zeitpunkt und mit einem überarbeiteten Ansatz lohnend. Komplementär zu dieser Stu4
die wäre auch die Untersuchung der Botschaften parasozialer Meinungsführer, wie beispielsweise der LeNews, im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse interessant.
5 Auswahl der wichtigsten Literatur
Concalves, B., Perra, N. & Vespignani, A. (2011). Modeling Users’ Activity on Twitter Networks: Validation of Dunbar’s Number. (PLoS ONE), 6 (8).
Eisenstein, C. (1994). Meinungsbildung in der Mediengesellschaft – Eine theoretische und empirische Analyse zum Multi-Step Flow of Communication. Opladen: Westdeutscher Verlag
GmbH.
Hartmann, T. (2006). Parasoziale Beziehung. In G. Bentele, H.-B. Brosius & O. Jarren (Hrsg.),
Lexikon der Kommunikations- und Medienwissenschaft (S. 213–214). Wiesbaden: VS Verlag
für Sozialwissenschaften
Hartmann, T. (2010). Parasoziale Interaktion und Beziehungen. Baden-Baden: Nomos.
Leißner
et
al.
(2012):
PARASOZIALE
MEINUNGSFÜHRERSCHAFT:
Theoretische
Konzeptualisierung und empirische Prüfung des Einflusses von Medienpersonen auf die politische Meinungsbildung.
Schiappa, E., Allen, M. & Gregg, P.B. (2007). Parasocial relationships and television: A meta
analysis of the effects. In R. Preiss, B. Gayle, M. Allen & J. Bryant (Hrsg.), Mass media effects:
Advances through meta-analysis (S. 301–314). Mahwah, NJ: Erlbaum.
Schramm, H., Hartmann, T. & Klimmt, C. (2002). Desiderata und Perspektiven der Forschung
über parasoziale Interaktionen und Beziehungen zu Medienfiguren. (Publizistik), 47 (4), 436–
459.
Zöchbauer, F. (1975). Manipulation und Macht. Hamm: Hoheneck-Verlag GmbH.
5