Rente aus häuslicher Pflege - wer bekommt sie

Rente aus häuslicher Pflege - wer bekommt sie wirklich?
Gudrun Born (Stand Mai 2015)
„Rente für Pflegepersonen: Ihr Einsatz lohnt sich“, so heißt seit Jahren die Informationsbroschüre der Deutschen Rentenversicherung zur Rente aus häuslicher Pflege.
Zitat: „Etwa 380.000 nicht erwerbstätige Pflegepersonen sind … durch die gesetzliche Rentenversicherung geschützt.“ Ihr Einsatz lohnt sich – aber für wen?
Die Bundesregierung legt jährlich (in Zusammenarbeit mit der Dt. Rentenversicherung) die aktuelle Bezugsgröße aller Renten fest, sie ist ein Durchschnittswert, der sich aus der Höhe aller
Arbeitnehmerverdienste im vorletzten Jahr errechnet.
Für die pflegenden Angehörigen werden fiktive beitragspflichtige Einnahmen angesetzt, die
dann (je nach Pflegestufe) der geleisteten Arbeit zugrunde gelegt werden. Multipliziert man
diese Zahl mit der ebenfalls vorgegebenen Bezugsgröße, ergibt sich die Bemessungsgrundlage
für die Pflichtbeiträge zur Rente der Pflegenden (siehe Tabelle A).
Entscheidend für die Rentenanrechnung ist der Ort an dem die Pflegeleistung erbracht wird
(West oder Ost*), in der Regel ist das der Wohnort des/der Gepflegten, nicht der Wohnort der
Pflegeperson..
*) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Ostberlin
Die Pflegekassen zahlen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Pflegenden, ….
A. wenn der/die Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der deutschen sozialen oder
privaten Pflegeversicherung hat und vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK)
offiziell einer Pflegestufe zugeordnet wurde;
B. wenn die Pflegeperson ihren Wohnsitz in Deutschland oder einem EU-Staat hat, die Pflegetätigkeit voraussichtlich über mehr als zwei Monate (= 60 Tage) im Jahr und nicht beruflich ausgeübt wird;
C. wenn ein korrekter Antrag auf Rentenversicherung des/der Pflegebedürftigen bei der Pflegekasse gestellt wurde, er kann auch von der Pflegeperson gestellt werden.
D. wenn die Pflege in häuslicher Umgebung mindestens 14 Std. pro Woche beträgt (Einstufung in Pflegestufe I erreicht nur 10,5 Stunden);
E. wenn die Pflegeperson weniger als 30 Std. pro Woche erwerbstätig ist oder diese Zeit allenfalls kurzfristig überschreitet. Zahlt der/die Gepflegte der Pflegeperson eine finanzielle
Anerkennung (z.B. in Höhe des Pflegegeldes), gilt das nicht als Einkommen;
F. wenn die Pflegeperson noch keine Altersrente, Pension oder Ruhegehalt bezieht. Hat sie
Einnahmen aus Arbeitslosen-, Eltern- oder Kurzarbeitergeld gelten Sonderregelungen, die
zuvor mit der Rentenkasse zu klären sind.
G. Um im eigenen Alter eine Rente zu bekommen, müssen auf dem Rentenkonto jedes Versicherten mindestens 60 Pflichtbeiträge (= 5 Beitragsjahre) eingezahlt sein, man nennt das
die „Wartezeit“.
Die meisten Bürger/innen haben bereits vor Pflegeübernahme irgendwelche Rentenansprüche erarbeitet. Falls damit die „Wartezeit“ noch nicht erfüllt ist, können sie freiwillige
Beiträge leisten (siehe Broschüre der Deutschen Rentenversicherung: Freiwillig rentenver-
sichert: Ihre Vorteile), aber auch Kindererziehungszeiten und Pflichtbeiträge aus einer
Pflegetätigkeit tragen zur Erfüllung der Wartezeit bei.
Das Renteneintrittsalter für Frauen, die vor 1952 geboren wurden, beginnt früher als das
späterer Jahrgänge. Weil die Voraussetzungen im Einzelfall sehr verschieden sind sollten
alle, die eine Pflege übernehmen wollen und noch keine 65 Jahre alt sind von der zuständigen Stelle der Dt. Rentenversicherung klären lassen, ob für sie bereits ein Rentenkonto
besteht und wenn ja wie viele Pflichtbeiträge darauf bereits eingezahlt wurden.
Tabelle A: Beitragsbemessungsgrundlage für Pflegende Angehörige
Rechenformel: Die Bezugsgröße ist für 2015 2.835,00 € West bzw. 2.425,00 € Ost x Prozentsatz der Bezugsgröße ergibt die fiktiven Einnahmen der Pflegenden, nach der die Rentenbeiträge errechnet werden.
Fiktive Einnahmen der Pflegenden
Einteilung
der
Pflegestufen
I
erheblich pflegebedürftig
II
schwer pflegebedürftig
III
schwerst pflegebedürftig
Pflegezeit
pro Woche
10,5 Std. a)
ab 14 Std.
ab 14 Std.
ab 21 Std.
ab 14 Std.
ab 21 Std.
ab 28 Std.
Prozentsatz der
Bezugsgröße
0
26,6667 %
35,5555 %
53,3333 %
40 %
60 %
80 %
ergibt in
West
pro Monat
ergibt in
Ost *)
pro Monat
0
€ 756,00
€ 1.008,00
€ 1.512,00
€ 1.134,00
€ 1.701,00
€ 2.268,00
0
€ 644,00
€ 858,67
€ 1.288,00
€ 966,00
€ 1.449,00
€ 1.932,00
*) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Ostberlin
a) Für die Zahlung von Pflichtbeiträgen in die Rentenversicherung der Pflegenden sind 14
Stunden pro Woche nachzuweisen, die Übernahme einer Pflege in Stufe I umfasst aber
normalerweise nur 10,5 Stunden (also kein Anspruch auf Pflichtbeiträge).
Bei erhöhtem Hilfebedarf muss schriftlich Widerspruch gegen den MDK-Bescheid eingelegt
und ein neuer Antrag gestellt werden. Sind mehrere Kranke in Pflegestufe I zu versorgen
(z.B. Vater und Mutter), können die aufgewendeten Stunden addiert werden.
Um zu wissen, mit welcher Stundenzahl die notwendige Hilfeleistung eingestuft wurde,
sollte man sich das MDK Pflegegutachten schriftlich geben lassen!
In Pflegestufe III werden täglich zwar 5 Stunden Tag- und Nachtpräsenz gefordert (das
ergibt 35 Std. pro Woche) in der obigen Liste sind aber maximal für 28 Stunden RentenPflichtbeiträge vorgesehen. Warum?
-2-
Tabelle B: Beitragszahlung der Pflegekassen an die Dt. Rentenversicherung
Rechenformel: Die ermittelte fiktive monatliche Einnahme der Pflegenden (siehe Tabelle A) ist
mit dem jährlich von der RV zu ermittelnden Beitragssatz zu multiplizieren (2015 West bzw.
Ost 18,7 %), daraus ergibt sich der gezahlte Pflichtbeitragssatz zur Rentenversicherung.
Monatlich zu zahlende Pflichtbeiträge der Pflegekassen
auf die Rentenkonten der Pflegenden
Mindeststundenpro Woche
Deutschland West
Stufe I
Stufe II
Stufe III
Deutschland Ost *)
Stufe I
Stufe II
Stufe III
ab 14 = (pro Tag 2)
€ 141,37
€ 188,50
€ 212,06
€ 120,43
€ 160,57
€ 180,64
ab 21 = (pro Tag 3)
-----
€ 282,74
€ 318,09
-----
€ 240,86
€ 270,96
-----
-----
€ 424,11
-----
-----
€ 361,28
ab 28 = (pro Tag 4)
*) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Ostberlin
Die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Pflegenden werden reduziert, …
1. wenn die häusliche Pflegetätigkeit (über die Zeiten Verhinderungs-oder Kurzzeitpflege hinaus) unterbrochen wurde, z. B. wegen langem Krankenhaus- oder Reha-Aufenthalt des/der
Pflegebedürftigen oder bei längerer Erkrankung oder Abwesenheit der Pflegeperson;
2. wenn die Sach- oder Kombileistung (professionelle Hilfe) in Anspruch genommen wird.
Beispiel a) Eine Tochter pflegt ihre Mutter zwei Jahre allein in Stufe III. Nach einem erneuten Schlaganfall der Mutter braucht sie für 7 Std. pro Woche professionelle Hilfe. Der Pflegedienst rechnet seinen Einsatz direkt mit der Kasse ab. Das Pflegegeld der Mutter wird
gekürzt (Kombileistung), ebenso die Rentenpflichtbeiträge für die Tochter. Wird die Sachleistung voll ausgeschöpft, wird das Pflegegeld ganz gestrichen.
Beispiel b): Frau X teilt sich die Pflege des Vaters (Pflegestufe III) mit ihrer Schwester.
Wenn für beide Töchter die Punkte A. bis G. zutreffen können und beide 14 Stunden leisten, sind sie beitragspflichtig. Teilen sie aber die Arbeit in 20 und 8 Stunden auf, erhält nur
eine Tochter Rentenbeiträge.
3. Wenn eine Pflegeperson bei Pflegebeginn bereits 65 Jahre alt ist oder im Laufe der Pflegezeit das Rentenalter erreicht, werden keine Versicherungsbeiträge (mehr) eingezahlt, egal
wie lang die häusliche Pflege noch andauert.
Bei den meisten Pflegenden greift also der Schutz (bzw. die Vorsorge) für das eigene Alter nur vorübergehend oder gar nicht. (Von allen Rentenberechtigten, die in den Jahren
2000 bis 2012 erstmalig eine Rente bezogen, hatten nur 2,12% Rentenansprüche aus geleisteter Pflege erworben)1.
Die Pflegekasse ist verpflichtet, sowohl dem/der Gepflegten als auch der Pflegeperson regelmäßig die Höhe der gezahlten Pflichtbeiträge schriftlich mitzuteilen.
Versicherungspflichtige Pflegende sollten genau prüfen, ob die zugesandten Abrechnungen
ihren eigenen Aufzeichnungen entsprechen. Zeigen sich Differenzen, sollt Einspruch eingelegt werden.
1
Barmer GEK Pflegereport 2014, Seite 111
-3-
Tabelle C:
Rentenzahlbeträge (vorläufiger Umrechnungswert)
Rechenformel: Jährl. Beitragsbemessungsgrundlage (Ost x Umrechnungswert zur Angleichung
der Bemessungsgrundlage Ost auf das Niveau West) : durch jährl. Durchschnittsentgelt aller
Versicherten x aktueller Rentenwert = monatlicher Rentenzahlbetrag West bzw. Ost.
Monatlicher Rentenzahlbetrag an Versicherte
für ein Jahr Pflegeleistung
Mindeststundenpro Woche
Deutschland West
Deutschland Ost *)
Stufe I
Stufe II
Stufe III
Stufe I
Stufe II
Stufe III
ab 14 Stunden
€ 7,42
€ 9,89
€ 11,12
€ 6,83
€ 9,10
€ 10,24
ab 21 Stunden
-----
€ 14,83
€ 16,69
-----
€ 13.66
€ 15,36
-----
-----
€ 22,25
-----
-----
€ 20,48
ab 28 Stunden
*) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Ostberlin
Das bedeutet: Wer 2014/2015 ohne jede Unterbrechung (oder Inanspruchnahme der Sachleistung) 12 Monate gepflegt hat, hat für diesen Zeitraum folgende Rentenanwartschaften:
Bei Pflege in Stufe I
erheblich pflegebedürftig
bei Pflege in Stufe II
schwer pflegebedürftig
bei Pflege in Stufe III
schwerst pflegebedürftig
pro Mt. max. 7,42 € West
bzw. max. 6,83 € Ost
pro Mt. max. 14,83 € West
bzw. max. 13,66 € Ost
pro Mt. max. 22,25 € West
bzw.max. 20,48 € Ost
Lohnt sich also der Einsatz der Pflegenden? Er lohnt sich für alle Kranken, die wunschgemäß
in häuslicher Umgebung gepflegt werden/wurden und er lohnt sich auch für die Allgemeinheit,
denn das Engagement dieser Privatpersonen erspart den Sozialkassen Milliardenbeträge.
Aber diejenigen, die über Jahre schwer- oder schwerstkranke Angehörige gepflegt haben und
zwar mit einem Zeitaufwand, der weit über die von der Deutschen Rentenversicherung anerkannten Arbeitsstunden hinaus ging, empfinden Rentenanwartschaften der genannten Größenordnung weder als „lohnend“ noch als „Schutz für das eigene Alter“.
Zusammenstellung:
Gudrun Born, Frankfurt, E-Mail: [email protected]
www.pflegebalance.de
(Diesen Artikel können Sie kostenfrei aus dem Internet herunterladen und  vervielfältigen).
Quellen:
∙ Broschüre Nr. 403 der Deutschen Rentenversicherung Bund, Berlin
∙ Bestellungen: Presse und Öffentlichkeitsarbeit, 10709 Berlin, Ruhrstr. 2, Tel. 030 865-27379
Im Internet: Deutsche-Rentenversicherung.de >Broschüren, e-Mail: [email protected]
∙ Bürgertelefon Dt. Rentenversicherung: Tel. 0800 1000 > 4800, zum Thema Mütterrente > 48055
erreichbar Mo. – Do. 7.30 – 19.30 Uhr, Fr. 7.30 – 15.30 Uhr
∙ Bürgertelefon zur Pflegeversicherung : Bundesministerium für Gesundheit Tel. 030/340 6066-02
Mo – Do 8 – 18 Uhr, Fr 8 – 15 Uhr
-4-