Abendprogramm als PDF - Rückblick Saison 2014 / 2015

Donnerstag, 14. Januar 2016, 20 Uhr
Barocksaal, Hotel Bären Langenthal
Gringolts Quartett
Ilya Gringolts, Violine
Anahit Kurtikyan, Violine
Silvia Simionescu, Viola
Claudius Herrmann, Violoncello
Programm
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Streichquartett B-Dur, op. 18 Nr. 6 (1800)
Allegro con brio – Adagio, ma non troppo – Scherzo: Allegro –
La Malinconia: Adagio - Allegretto quasi Allegro
Béla Bartók (1881–1945)
String Quartet No. 3 (1927)
Prima parte: Moderato – Seconda parte: Allegro – Recapitulazione
della prima parte: Moderato – Coda: Allegro molto
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Pause
Franz Schubert (1797–1828)
Streichquartett Nr. 15, G-Dur, D 887 (1826)
Allegro molto moderato – Andante un poco mosso –
Scherzo: Allegro vivace - Trio: Allegretto – Allegro assai
Änderungen vorbehalten
In fast jeder Saison ist eines unserer fünf «Bärenkonzerte» ein
Streichquartettabend – und jedesmal ein herausragendes Ereignis!
Wie vor einem guten Jahr stehen heute ein frühes BeethovenQuartett aus op. 18 und ein Quartett von Schubert auf dem Programm, von diesem aber nicht ein Frühwerk wie damals, sondern
das letzte, reifste und längste. Dazwischen übernimmt diesmal Béla
Bartók den Ausblick in die Moderne.
Beethoven hat seinen Zyklus op. 18 zwar nicht in der Reihenfolge
durchnumeriert und herausgegeben, in der – zwischen 1798 und
1800 – die sechs Quartette entstanden waren, doch das letzte, Nr. 6,
das wir heute hören, wurde tatsächlich auch als letztes komponiert.
Deshalb prägt das höchst ungewöhnliche Hauptmotiv seines letzten
Satzes, das mit «Melancholie» überschrieben ist, nicht nur das ganze
letzte Quartett des Zyklus, sondern auch diesen insgesamt. Dies ist
so auffällig, dass es ganz bewusst gewählt worden sein muss. Aber
was will uns Beethoven damit sagen? Die Forscher streiten seit 150
Jahren, ob und wie dies mit der Biographie des Komponisten zu verbinden sei. Als Grund wird von vielen seine just von 1798 bis 1801 in
einem ersten, starken Schub eingetretene Schwerhörigkeit genannt,
was mir plausibel scheint. – Der erste Satz wird in der Literatur gerne als exemplarisches Beispiel der «klassischen» Sonatensatzform
genannt: Deren drei Hauptteile sind bekanntlich die «Exposition» (mit Haupt- und Nebenthema bzw. -themen), die fast immer
zweimal gespielt wird, dann eine «Durchführung», in der mit dem
vorgängig exponierten thematischen Material phantasievoll gespielt
wird, und die «Reprise», in der – im Sinne der seit der Antike bekannten Ringkomposition – der erste Teil wiederholt wird, allerdings
nie genau gleich. Dies ist hier alles sehr gut zu hören. Im zweiten
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Satz strahlt das Hauptthema stille Zuversicht aus, in einem frühen
Zwischenteil scheint allerdings bereits die melancholische Stimmung
des vierten Satzes anzuklingen. Zunächst will uns jedoch noch das
Scherzo mit seinem komplexen Takt- und Akzentspiel verwirren. Die
«Melancholie» beginnt ganz harmlos in zartem Dur, verfällt aber
schon bald in eine trübe Moll-Stimmung und treibt in dieser – nur
ein paarmal von lautem Aufbegehren unterbrochen – müde und
rastlos-grüblerisch dahin, von einem weiterführenden Akkord zum
nächsten, ohne Ziel und Ende. Das anschliessende Allegretto wird
noch zweimal von diesem melancholischen Adagio unterbrochen, ja,
sogar sein unbeschwertes B-Dur-Thema wird einmal nach Moll hin
«vergiftet», und obschon sich das Dur ganz am Schluss nochmals zurückmeldet, vermag es uns nicht mehr vollends aufzuheitern, allzu
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schnell braust das furiose Ende vorüber.
Béla Bartók hat zwischen 1908 und 1939 sechs Streichquartette geschrieben. Das dritte, komponiert 1927 und uraufgeführt 1929 in
London, ist das kürzeste und dichteste. Sein Gesamtaufbau (Erster
Teil – Zweiter Teil – Rekapitulation des ersten Teils) nimmt deutlich
auf die erwähnte Sonatensatzform bezug, wobei hier – wie manch-
mal schon in früheren Epochen – noch eine «Coda» angehängt ist.
Die Ton- und Rhythmussprache ist freilich keineswegs rückwärtsgewandt, sondern kompromisslos avantgardistisch, sogar noch für unsere Ohren fast hundert Jahre später. Wie viele andere ist Bartók der
experimentellen Aufbruchsstimmung verfallen, die in den «Roaring
Twenties» auch die E-Musik erfasste. Dabei nimmt er, wie er dies
häufig tut, zahlreiche Anregungen aus der Volksmusik auf, lässt diese
jedoch nicht wirklich zu ihrem Recht kommen, sondern ordnet sie
seiner Suche nach neuen Ausdrucksmitteln unter. Wie findige Be-
obachter bemerkt haben, spielen in diesem Quartett Quart- und Nonensprünge eine besonders prominente Rolle.
Die Entwicklung, die Franz Schubert in seinem kurzen Leben durchgemacht hat, ist erstaunlich, gilt er doch neben Beethoven als der
wichtigste musikalische Wegbereiter der Romantik, und seine Experimentierfreudigkeit speziell während seiner letzten vier Jahre, die
von monumentalen Werken geprägt sind, zeigt sich selten deutlich
im letzten Streichquartett. Es ist sein fünfzehntes, wurde 1826 komponiert, kurz vor den ersten Liedern der «Winterreise», und dauert
eine geschlagene Dreiviertelstunde. Sein Ideenreichtum lässt uns die
Zeit jedoch völlig vergessen. Im ersten Satz werden wir sogleich zwischen Dur und Moll hin- und hergeworfen, zwischen Forte und Piano, zwischen vorwärtsziehenden Triolen und hart hingestellten Akkorden und insbesondere immer wieder zwischen dem Hauptthema,
einer über einen Tremoloteppich gelegten, fast mystisch wirkenden
Melodie der Geige, und dem eher an einen Volkstanz erinnernden
Seitenthema – das freilich mit seinen Modulationen immer merkwürdig geheimnisvoll und unverbindlich bleibt. Der zweite Satz ist
die Sternstunde des Cellos, das eine zauberhafte, aber auch eigenar-
tige Melodie anstimmen darf. Diese hat keinen Anfang, sondern
setzt immer gleich auf der Dominante mit auffälligem Septimenauftakt So-Fa ein und wirkt – mannigfach wiederholt und zweimal
durch laute Schmerzensschreie unterbrochen – wie eine lange und
verzweifelte Suche nach einem tröstlichen Ende. Auch im Scherzo
besteht wieder ein markanter Kontrast zwischen dem auf schneller
Tonrepetition bauenden Hauptteil und dem gediegenen DreiviertelTanz des Trios, der an denjenigen im ersten Satz anknüpft. Im vierten Satz, dessen Triolen sowohl die Tonrepetitionen des Scherzos,
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als auch die Triolen des ersten Satzes wiederaufnimmt, meinen wir
eine Gruppe trabender, teils galoppierender Fohlen zu sehen, die
kreuz und quer und fast ohne Ruhepause über die Prärie davon ihrem Ziel zustreben.
Rudolf Wachter
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Im 2008 gegründeten und in Zürich beheimateten Gringolts Quartett fanden sich vier Musiker aus vier Ländern zusammen, die einander schon durch viele kammermusikalische Begegnungen freundschaftlich verbunden waren: Über Jahre hatten der russische Geiger
Ilya Gringolts, die rumänische Bratschistin Silvia Simionescu und
die armenische Geigerin Anahit Kurtikyan immer wieder auf inter-
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nationalen Festivals in verschiedenen Formationen gemeinsam musiziert; der deutsche Cellist Claudius Herrmann spielte mit Anahit
Kurtikyan im renommierten Amati Quartett Zürich. Was sie miteinander verbindet, sind die große Freude am gemeinsamen Musizieren und die Leidenschaft für das Streichquartettspiel.
Zu den musikalischen Partnern des Quartetts zählen Künstler wie
Leon Fleischer, Jörg Widmann, David Geringas, Malin Hartelius,
Christian Poltéra und Eduard Brunner. Abgesehen vom klassischen
Repertoire widmen sich die Musiker auch regelmäßig zeitgenössischer Musik, u.a. den Streichquartetten von Marc-André Dalbavie,
Jörg Widmann und Jens Joneleit.
In den vergangenen Spielzeiten war das Quartett unter anderem bei
den Salzburger Festspielen, beim Lucerne Festival, dem Gstaad
Menuhin Festival, an der Sankt Petersburger Philharmonie, am
L’Auditori Barcelona, bei der Sociedad Filarmónica de Bilbao, der
Società di Concerti in Mailand und den Kasseler Musiktagen zu Gast.
In der laufenden Spielzeit sind neben Länderdebüts in Norwegen
und Polen weitere Konzerttourneen durch Italien, Deutschland und
die Schweiz geplant.
2011 erschien die Debüt-Aufnahme des Quartetts mit Werken von
Robert Schumann. Für die Ende 2012 erschienene Ersteinspielung
des Quintettes von Walter Braunfels gemeinsam mit David Geringas
wurde das Gringolts Quartett mit einem Supersonic Award sowie
mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet, und 2014 machte es mit seiner Brahms-CD auf sich aufmerksam («Ein Brahms, der gerade durch
sein interpretatorisches Konzept neue Wege des Verständnisses aufzeigt.» Pizzicato.lu). Für Januar 2016 ist eine neue Veröffentlichung
mit den Quintetten von Glasunow und Tanejew gemeinsam mit
Christian Poltéra geplant.
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Gringolts Quartett
Rückblende: Konzert vom 26.11.2015
La Lanterna Magica
«[...] Eine Violinistin und ein Gitarrist, die sich einen ganzen Abend
einem einzigen Komponisten zuwenden, ist ungewöhnlich. Vor allem
wenn dieser Komponist Niccolo Paganini heisst. [...] Was die besondere Duobesetzung hergibt, war nicht nur überraschend, sondern
wurde an diesem Abend zum Erlebnis eines Zusammenspiels, wie es
ausgewogener und feiner nicht hätte sein können. [...]»
Heinz Kunz, BZ / Langenthaler Tagblatt, 28.11.2015
Ausblick:
Donnerstag 25. Februar 2016, 20 Uhr
Hotel Bären Langenthal
Daniel Dodds und Freunde
Daniel Dodds, Violine
Dominik Fischer, Viola
Alexander Kionke, Violoncello
See Siang Wong , Klavier
Werke von Wolfgang Amadeus Mozart,
Gustav Mahler und Robert Schumann
Letztes Konzert der Konzertsaison 2015/16:
5. Konzert
17. März 2016
Daten der Konzertsaison 2016/17:
1. Konzert
2. Konzert
3. Konzert
4. Konzert
5. Konzert
3. November 2016
24. November 2016
12. Januar 2017
16. Februar 2017
16. März 2017
Impressum:
Texte: Rudolf Wachter
Layout: Marianne von Flüe-Fleck
Kontakt:
Marianne von Flüe-Fleck, Oberer Schmittenweg 20A, 4914 Roggwil
Tel. 062 923 44 58, Mail: [email protected]
www.kk-langenthal.ch