Das Henne-Ei-Problem - FRACKENPOHL POULHEIM

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Design
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HORIZONT No 48
Das Henne-Ei-Problem
Service Design ist im angelsächsischen Raum schon längst angekommen. Strategie Austria holte das
Thema nun auch nach Österreich, um genau zu sein: am 23. November in die Hollmann Beletage
Strategie Austria, gegründet vor rund
einem Jahr, hat sich zum Ziel gesetzt, die
strategische Denkarbeit, wie Geschäftsführer Leopold Ziereis es bezeichnet, in
diesem Land mit entsprechenden Maßnahmen zu verbessern. Zu diesen zählen unter anderem Symposien – wie zuletzt „The Trouble of Decision Making“
– und auch Workshops, darunter zum
Feld „Service Design“ am 23. November in der Hollmann Beletage im ersten
Wiener Bezirk. HORIZONT hat sich vor
allen Teilnehmern einen Stuhl ergattert:
ein Gespräch mit den beiden Referenten
und Service-Designern Annika HertzSchlag und Thorsten Frackenpohl sowie
Strategie-Austria-Präsident Luca Conte
und den schon erwähnten Geschäftsführer, der zu Beginn in die Zielsetzung
einführt:
Die beiden Kölner Designer und
Berater Thorsten
Frackenpohl
und Annika
Hertz-Schlag
zusammen mit
Strategie-Austria-Geschäftsführer Leopold
Ziereis und
Präsident Luca
Conte über Planung und die
Lebensrealität
von Nutzern.
2013 geht es mit
dem Thema
„Play is more
than fun“ weiter.
© Strategie Austria
Leopold Ziereis: Viele unserer Mitglieder kommen aus dem Agentur- und
Kommunikationsbereich. Naheliegend,
dass zu Beginn das Kernpublikum die
Planer aus Werbeagenturen waren. In
der Zwischenzeit sehen wir das Thema
wesentlich breiter, weil die strategischkreative Denkarbeit in Unternehmen
mehr denn je gefragt ist. Wir versuchen
Spezialisten aus den unterschiedlichsten Themengebieten zu holen. Heute
haben wir einen Exemplarischen zum
Thema Design – aber in der speziischen
Ausformung: Service Design. Es gibt einige Ansätze hierzu, aber wenn man in
die Kommunikationsszene hineinruft,
bekommt man nur Fragezeichen zurück. In Deutschland hat Birgit Mager
einen Lehrstuhl für das Thema geschaffen. Und Annika Hertz-Schlag ist eine
ihrer Mitkämpferinnen, sozusagen.
HORIZONT: Angelehnt an die graische
Gestaltung der Workshop-Ankündigung:
Was haben denn U-Bahn-Durchsagen,
Telefonsex, Polizeiverhöre, Sympathie,
persönliche Kommunikation und fachliche Kompetenz gemein?
Annika Hertz-Schlag: Ich denke, was
auf dem Flyer deutlich werden sollte, ist,
dass es viele Dinge gibt, die man gestalten kann, auch wenn sie nicht greifbar
sind, sei es eben die U-Bahn, die Interaktion, wie man mit Menschen umgeht.
HORIZONT: Was ist Service Design
demnach?
Hertz-Schlag: Systematische nutzerorientierte Dienstleistungsgestaltung.
Es umfasst dabei Service Design, Service-Gestaltung, von der Struktur und
der Bedienbarkeit bis zur Funktion,
dass Dinge einen Mehrwert erhalten
und im besten Fall begeistern, was sich
jedes Unternehmen nur wünschen
kann.
HORIZONT: Woher kommt denn diese
Disziplin?
Hertz-Schlag: Das ist wie mit der Henne
und dem Ei – was war zuerst? Das Feld
speist sich quasi aus vielen verschiedenen Disziplinen. Dass es jetzt unter dem
Namen Service Design läuft, muss man
sagen, entwickelte sich speziell aus der
IT-Ecke und wurde unter dem Namen
User Experience bekannt. Die Methoden stammen hingegen zum Großteil
aus dem ethnograischen und BusinessUmfeld.
HORIZONT: Was ermöglicht Service
Design nun einem Unternehmen?
Ziereis: Es ermöglicht insbesondere,
Zusammenhänge sichtbar zu machen,
zwischen der Wunschvorstellung von
Leistung, der tatsächlichen und der Interaktion. Für Unternehmen ist Service
Design, wenn es ihnen gelingt, eine
Chance auf Diferenzierung und den
Kontakt mit Kunden physisch zu gestalten, physisch erlebbar zu machen.
Hertz-Schlag: Das Hauptaugenmerk
liegt sicherlich auf der Fokussierung
auf die Menschen und den Nutzen. Das
hört sich erst mal ganz ofensichtlich
an, macht aber nicht jeder. Und Service
Design widmet sich dem, bevor man
überhaupt zum gestalterischen Prozess
kommt. Das heißt, man versucht durch
die Brille des Kunden zu sehen, wie ein
bestimmtes Produkt, ein Angebot, eine
Dienstleistung beurteilt wird.
horsten Frackenpohl: Meist wissen
Auftraggeber auch, wo es schmerzt,
aber dies in gute Lösungen umzusetzen, ist die Schwierigkeit. Dann gehen
wir oft hin und gönnen uns eine Recherchephase, die notwendig ist, um
uns in das Unternehmen einzufühlen.
Wir schauen auch stark auf der Seite
der Mitarbeiter.
HORIZONT: Wo drückt den zumeist der
Schuh?
Frackenpohl: Was für mich persönlich
immer ein ganz wichtiger Punkt im Service Design ist, ist die Fokussierung auf
die berühmten Touch Points, das heißt:
Wo gibt es eigentlich Berührungspunkte
zwischen den Nutzern und dem Unternehmen? Oftmals ist es so, dass bestimmte Punkte logischerweise ganz im
Fokus stehen, andere werden komplett
außer Acht gelassen, wie zum Beispiel
der Nachgang eines Kaufes.
HORIZONT: Was raten Sie?
Hertz-Schlag: Oftmals wäre der erste
Schritt für ein Unternehmen, sich mit
dem Konsumenten, der ja mein Produkt erwirbt, zu unterhalten. Etwas
ganz Ofensichtliches, das kaum einer
macht. Häuig liegt dies daran, dass es
natürlich einen größeren Mehraufwand bedeutet. Andere Unternehmen
wissen hingegen nicht genau, wie sich
dies gestalten könnte. Denn: Lade ich
meinen Kunden ein? Kann ich mich
mit ihm vielleicht sogar einen Tag lang
in einen Workshop setzen? Mit einem
ersten Schritt fühlen sich aber viele
Kunden schon geschätzt. Genau das ist
das Spannende am Service Design, die
kleinen Dinge, die Wertschätzung erzeugen.
Frackenpohl: Im Service Design geht es
viel um Kommunikation, sei es nun
nonverbal oder verbal, und darum, die
vorhandenen Touch Points zu verstärken. Da vergebe ich mir als Unternehmen auch nichts, wenn ich die Qualität
dieser Berührungspunkte verbessere.
Hertz-Schlag: Noch betrachten ja viele
Produkte und Service getrennt voneinander. Man spricht von Produkt-Design und Service Design. Wenn man
das aber genauer betrachtet, wird man
merken, dass man vor allem eine Kombination benötigt, weil es nicht reicht,
nur das Produkt anzubieten, aber nicht
den entsprechenden Service oder umgekehrt.
HORIZONT: Gut, was wäre dann nun
das Idealbeispiel für Service Design?
Ziereis: In Österreich ist das wohl spektakulärste Beispiel car2go.
Luca Conta: Service Design passiert
definitiv auch viel im Hintergrund:
Buchungsprozesse, Online-Tools bei
Banken beispielsweise, wie bei INGDiBa. Zwei weitere Marken, die sich des
Service Designs bedienen, sind auch die
Österreich Werbung und WienTourismus. Gerade in der Tourismusbranche
ist es extrem wichtig, Dienstleistung so
nach außen zu kehren, dass sie auch
wahrgenommen wird.
Frackenpohl: Das Thema Städtemarketing oder Stadt- und Kommunalverwaltung ist sicherlich zentral für
Service Design, denn wie gehen Städte
mit ihren Bürgern um? Ein kleines Extra wie eine SMS, um Wartezeiten am
Infopoint zu überbrücken, oder eine
App, die mir im Vorfeld über eine Stadt
wesentliche Informationen rund um
diese bietet, kann schon einen Mehrwert bedeuten.
HORIZONT: Das heißt, zukünftig können wir von zufriedenen Kunden ausgehen?
Hertz-Schlag (lachend): Da Menschen
sich gerne beschweren, werden wir
nicht die 100 Prozent erreichen. Aber
produzierende Unternehmen wandeln
sich stark zu Lösungsanbietern.
Ziereis: Es ist ein ehrlicheres Feld, als es
in der Vergangenheit war, weil die Differenzierungschance im Produktbereich immer weniger gegeben ist. Über
die letzten Jahre haben Unternehmen
versucht, sich über Kommunikation
vom Mitbewerb abzuheben. Mittlerweile steht dies auf wackligen Beinen.
Wenn nichts anderes als die Denkstruktur von Kreativität in der Kommunikation Diferenzierung schaft, dann ist es
zu kurzlebig, zudem braucht es enorme
Kosten, stetig nach außen hin Präsenz
zu zeigen. Service Design ist ein stiller
Schatz, den ein Unternehmen hat. Vor
allem in Österreich gilt es, diesen Schatz
zu heben, zu sehen, wo sind die Zusammenhänge zwischen dem Produkt, den
unternehmerischen Leistungen und
zwischen dem, was der Kunde eigentlich möchte.
HORIZONT: Klingt mehr nach einer
Strategie, doch wo bleibt die gestalterische Komponente?
Frackenpohl: Natürlich hat es viel mit
Kommunikation und Strategie zu tun,
aber es ist kein Marketinginstrument.
Und ganz gleich, ob es sich um ein Produkt oder eine Dienstleistung handelt,
wovon wir hier sprechen, ist eine Value
Proposition, ein Wert, den ich quasi
meinem Kunden anbiete. Und letztlich
kann ich meinen Wert nur erhöhen,
wenn ich mit meinem Kunden in Kontakt bin.
Hertz-Schlag: Ich glaube, der Kommunikationsanteil bei der Gestaltung an
sich besteht vor allem darin, die Angebote nutzbar zu machen. Es kommt im
Dienstleistungsbereich auch eine sehr
menschliche Komponente hinzu. Das
macht den Charme aus.
Interview: Sophie Degenfeld
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