Das Verhältnis der deutschen Fürsten und Grafen zu König Adolf

Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999)
MARTIN MATTHEIS
DAS VERHÄLTNIS DER DEUTSCHEN FÜRSTEN UND
GRAFEN ZU KÖNIG ADOLF VON NASSAU (1292-1298)
Thema dieses Artikels ist das Verhältnis des am 5. Mai 1292 in der Frankfurter Dominikanerkirche von den Kurfürsten1 einstimmig zum Deutschen König
gewählten Grafen Adolf von Nassau2 zu eben diesen Kurfürsten sowie weiteren
bedeutenden deutschen Fürsten und Grafen. Obwohl die eigentliche Königswahl nicht direkt zum Thema gehört, muß doch ausführlich auf die Wahlversprechen Adolfs von Nassau an die Kurfürsten eingegangen werden, da die ersten Jahre seiner Regierung vor allem darin bestanden, sich aus den Fesseln der
ihm aufgezwungenen Wahlversprechen zu befreien. Allerdings werden dazu nur
die Verhandlungsergebnisse und nicht die Verhandlungen selbst untersucht.
Interessant am Königtum Adolfs von Nassau ist die Frage, inwieweit er es
schaffte, sich als König gegen die Kurfürsten durchzusetzen, die in der Zeit des
Interregnums durch Anmaßung einen enormen Machtzuwachs zu verzeichnen
hatten. König Rudolf von Habsburg erreichte es in seiner langen Regierungszeit bis zu seinem Todes am 15. Juli 1291 in Speyer, die ersten Grundlagen für
ein erstarkendes Königtum zu legen. Um diese Entwicklung zu bremsen, wurde
im Jahre 1292 nicht Rudolfs Sohn Albrecht von Habsburg sondern der machtpolitisch schwache Graf Adolf von Nassau zum deutschen König gewählt. Dieser versuchte dadurch, daß er die verschiedenen Fürsten gegeneinander
ausspielte, sich eine eigene Machtbasis zu schaffen. In diesem Zusammenhang
stellt sich die Frage, welche Partner und Gegner der König unter den Kurfürsten,
Fürsten und Grafen des Reiches von Beginn seines Königtums an hatte bzw.
welche sich erst im Laufe der Zeit zu Partnern oder Gegnern entwickelten.
Selbstverständlich kann jeder Einblick in ein solches Beziehungsgeflecht nur
bruchstückhaft sein, da durch die Quellenlage – wenn überhaupt Urkunden vorhanden sind – immer nur nackte Verhandlungsergebnisse überliefert wurden. In
der Beurteilung, inwieweit emotionale Aspekte in solchen primär machtpolitischen Beziehungen auch einen Stellenwert hatten, ist man fast nur auf Spekulationen angewiesen, weswegen das so aufgezeichnete Bild der in der Vergangenheit reell handelnden Menschen immer ein wenig verzerrt erscheinen muß.
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Erzbischof Gerhard II. von Mainz, Erzbischof Siegfried II. von Köln, Erzbischof Boemund I. von
Trier, König Wenzel II. von Böhmen, Pfalzgraf Ludwig II. bei Rhein, Herzog Albert von SachsenWittenberg und Markgraf Otto von Brandenburg.
G e r l i c h , Alois: Nassau in den politischen Konstellationen am Mittelrhein von König Adolf bis
Erzbischof Gerlach (1292-1346). In: Nassauische Annalen, Band 95 (1984) S. 7.
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Um den Rahmen dieses Artikels nicht zu sprengen, wird das Bündnis Adolfs
von Nassau mit Eduard von England gegen Philipp den Schönen von Frankreich nur insofern beleuchtet, soweit es in das Verhältnis zwischen Adolf und
den deutschen Fürsten und Grafen hineinreichte.
1. Die drei geistlichen Kurfürsten
Nach der Niederlage von Worringen am 5. Juni 1288 war der Kölner Erzbischof Siegfried II. von Westerburg politisch und finanziell in einer schwierigen Lage, aus der er mit allen Mitteln versuchte, wieder herauszukommen. Er ergriff die Gelegenheit, die sich bei der Königswahl von 1292 bot, sein Erzbistum
zu sanieren, und schlug seinen Kampfgefährten von Worringen, den Grafen
Adolf von Nassau, als zu wählenden König vor3.
Siegfried sah die Reichspolitik – im Gegensatz zum Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein – primär als Instrument für seine Territorialpolitik4. Dies
wird auch in seinen Wahlforderungen deutlich. Siegfrieds Forderungen an den
Nassauer Grafen wurden am 27. April 1292 im sehr umfangreichen Andernacher Vertrag5 fixiert6. Da diese Zusicherungen fast ausschließlich auf kölnische Probleme beschränkt waren, stand es den Interessen der anderen Kurfürsten und damit den Verhandlungen mit diesen nicht im Wege7. Nachdem
Adolf am 29. Mai 1292 in Boppard8 nochmals den Andernacher Vertrag bestätigte, krönte Siegfried diesen und dessen Gemahlin Imagina am 24. Juni
1292 in Aachen9.
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G e r l i c h : Nassau (wie Anm. 2) S. 2; E r k e n s , Franz-Reiner: Siegfried von Westerburg (1274-1297).
Die Reichs- und Territorialpolitik eines Kölner Erzbischofs im ausgehenden 13. Jahrhundert. In:
Rheinisches Archiv 114 (1982) S. 322; G e b h a r d t : Handbuch der deutschen Geschichte, Herausgegeben von Herbert G r u n d m a n n , Band 1, Stuttgart 91970 , S. 494.
E r k e n s Franz-Reiner: Territorium und Reich in Politik und Vorstellung des Kölner Erzbischofs
Siegfried von Westerburg. In: Nassauische Annalen 94 (1983) S. 35.
Monumenta Germaniae Historica, Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Tomus III,
inde ab a. MCCLXXIII usque ad a. MCCXCVIII, editit Jacobus S c h w a l m , Hannover/Leipzig 19041906 (Fortan als MGH Const. III), Nr. 474; Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter III.
Band 1205-1304, bearbeitet von Richard K n i p p i n g , Erste Hälfte 1205-1261, Bonn 1909, Zweite
Hälfte 1261-1304, Bonn 1913, Neudruck Meisenheim 1964 (Fortan als REK), Nr. 3354.
H a i d e r weist zurecht darauf hin, daß man, da die Urkunde nur einseitige Verpflichtungen Adolfs
enthält, strenggenommen nicht von einem „Vertrag“ sprechen kann. Da sich aber der Begriff „Andernacher Vertrag“ eingebürgert hat, wird er hier trotzdem verwendet. H a i d e r , Siegfried: Schriftliche
Wahlversprechungen römisch-deutscher Könige im 13. Jahrhundert. In: MIÖG 76 (1968) S. 139.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 327f.
MGH Const. III Nr. 479; REK Nr. 3357; Dieses Diplom ist schon eher als Vertrag zu werten, weil es
im Gegensatz zu Andernach auch die Gegenleistung des Erzbischofs festhält; H a i d e r (wie Anm. 6)
S. 142.
S a m a n e k , Vincenz: Studien zur Geschichte König Adolfs. Vorarbeiten zu den Regesta Imperii VI 2
(1292-1298). In: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophischhistorische Klasse, 207. Band, 2. Abhandlung, Wien und Leipzig 1930, S. 39f und S. 43; H a i d e r
(wie Anm. 6) S. 142.
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Abb. 1:
König Adolf von Nassau mit Gattin Imagina und den Kindern
Aus: Johann Georg H age lg an s : Nassauische Geschlechtstafel des Walramischen Stammes, von Graf Henrich dem Reichen bis auf die von ihm abstammende in drey Fürstlichen Häusern der Saarbrückischen Linie gegenwärtig
blühende Nachkommene, Frankfurt und Leipzig 1753.
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Der Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein versuchte, wie bereits seine
Vorgänger seit dem 8. Jahrhundert, im Rheingau und entlang des Mains von
Kastel bis Höchst den Einfluß des Erzstiftes Mainz auszubauen. Erzbischof Gerhard II. von Eppstein benutzte dafür unter anderem die Königswahl von 1292,
indem er die Kölner Initiative für Adolf von Nassau aufgriff10.
Allerdings lehnte Gerhard II. Herzog Albrecht von Habsburg als Nachfolger
König Rudolfs nicht von vorneherein ab, sondern schickte Graf Eberhard von
Katzenelnbogen und Gerlach von Breuberg zu Albrecht, um über die Königswahl zu verhandeln11. Mit seinem Schreiben vom 7. November 129112 lud Erzbischof Gerhard auf den 2. Mai 1292 nach Frankfurt zur Königswahl ein13.
Nachdem Gerhard II. spätestens in den ersten Maitagen des Jahres 1292 von
der Ablehnung König Wenzels II. von Böhmen einer Kandidatur Albrechts von
Habsburg gegenüber sowie der Einigung der drei östlichen Kurfürsten erfahren
hatte, gab es von seiner Seite keine Einwände mehr gegen den von Siegfried II.
von Westerburg ins Gespräch gebrachten Grafen Adolf von Nassau14.
Am 5. Mai 129215 kam es in der Frankfurter Dominikanerkirche zur Königswahl, bei der Graf Adolf von Nassau einstimmig zum deutschen König gewählt
wurde16. In seiner Wahlerklärung vom 10. Mai 129217 stellt Gerhard die Wahl
Adolfs von Nassau dann jedoch so dar, als ob diese alleine auf einer Einigung
Gerhards mit Wenzel II. von Böhmen beruhe; der Erzbischof von Köln wird
dabei nicht erwähnt18. Nicht lange nach der Wahl Adolfs zum deutschen König
fand zwischen Gerhard von Mainz und Pfalzgraf Ludwig bei Rhein eine Besprechung über die durch die Wahl geschaffene Lage statt. Im Zusammenhang
damit versprach der Mainzer Erzbischof, eine Ehe zwischen Ludwigs Sohn Rudolf und der Tochter des Königs zu vermitteln19. Im Jahre 1292, als Adolf durch
die Wahlversprechungen noch von Gerhard abhängig war, sah der Mainzer eine
solche Eheverbindung als Möglichkeit, den Pfalzgrafen von seinem Schwager
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G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 3.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 7; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 315; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 8; D e m a n d t , Karl E.: Die Anfänge des Katzenelnbogener Grafenhauses
und die reichsgeschichtlichen Grundlagen seines Aufstieges. In: Nassauische Annalen 63 (1952)
S. 49.
Regesta imperii VI 2, Die Regesten des Kaiserreiches unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII.
1273-1313, 2. Abteilung, neu bearbeitet von Vincenz S a m a n e k , Innsbruck 1948 (Fortan als RI
VI,2), Nr. 2.
Der Pfalzgraf lud am 7. Dezember auf den 30. April ein, da beide das Einladungsrecht für
sich beanspruchten, T r a u t z , Fritz: Studien zur Geschichte und Würdigung König Adolfs von Nassau. In: Geschichtliche Landeskunde Band 2 (Veröffentlichungen des Instituts für Geschichtliche
Landeskunde an der Universität Mainz), Wiesbaden 1965, S. 6.
G e r l i c h , Alois: Adolf von Nassau (1292-1298). Aufstieg und Sturz eines Königs, Herrscheramt und
Kurfürstenfronde In: Nassauische Annalen, Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde
und Geschichtsforschung, Band 105, Wiesbaden 1994, S. 34.
Damit beide zur Wahl Einladenden ihr Gesicht waren konnten, fand die Wahl an keinem der beiden
Termine, zu denen eingeladen wurde, statt.
RI VI,2 Nr. 11.
RI VI,2 Nr. 12.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 34f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 80f.
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Albrecht von Habsburg zu trennen. Ganz anders faßte er dies später auf, nachdem Adolf sich weitgehend von seinen Wahlversprechen gelöst hatte und danach strebte, sich eine eigene Machtbasis zu schaffen. Gerhard mußte nun befürchten, daß Adolf eventuell gemeinsam mit dem Pfalzgrafen gegen Mainz
vorging20.
In fünf Urkunden21 beurkundete Adolf von Nassau dem Mainzer Erzbischof
im Juli 1292 nach seiner Wahl zum deutschen König die vor der Wahl ausgehandelten Zusicherungen. Gerhard hatte sich am 8. August 1291 die thüringischen
Reichsburgen – mit Ausnahme der Boineburg – durch Druck auf den Edlen Gerlach von Breuberg22 verschafft23. Adolf erkannte dies am 1. Juli 1292 an und
mußte dem Erzbischof auch die Reichspflegerschaft über Mühlhausen und
Nordhausen sowie die Burg Ballhausen zusagen24. Am 15. Juli 1292 erneuerte
der neue König dann die frühere Mainzer Stellung als Reichspfleger in Thüringen in vollem Umfang, indem er Gerhard zum Reichsvikar in Thüringen und
zum Hauptmann des (noch von König Rudolf aufgerichteten) Landfriedens ernannte25.
Am 5. Juli 129226 bestätigte Adolf, daß die Mainzer Erzbischöfe Erzkanzler
des Reiches sein sollten27, was der einzige Inhalt dieser Urkunde war28. Daraus
leitete Gerhard später die Amtsbefugnis ab, das Reichsoberhaupt wegen seines
Handelns zur Rechenschaft zu ziehen und vor ein Fürstengericht zu stellen29.
An der Forderung, die Fürstenvorladungsfrist auf 18 Wochen festzulegen30,
kann man ebenfalls sehr gut erkennen, daß es Gerhard bei dieser Königswahl
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P a t z e , Hans: Erzbischof Gerhard II von Mainz und König Adolf von Nassau, Territorialpolitik
und Finanzen. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 13 (1963) S. 108.
Eine vom 1. Juli (RI VI,2 Nr. 35; MGH Const. III Nr. 481; Regesten der Erzbischöfe von Mainz von
1289-1396, Erste Abteilung, Bearbeitet von Ernst V o g t 1289-1353, Erster Band 1289-1328, Leipzig
1913, Nachdruck Berlin 1970 (Fortan als REM), Nr. 268), eine vom 5. Juli (REM Nr. 271) und drei
vom 28. Juli (RI VI,2 Nr. 56, REM Nr. 277/278/279).
Der von König Rudolf in Thüringen als Reichspfleger eingesetzt worden war.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 118f; REM Nr. 228; P a t z e , Hans/ S c h l e s i n g e r , Walter
(Hrsg.): Geschichte Thüringens II. Band 1. und 2. Teil, Köln 1973/74, 1. Teil S. 57; L e i s t , Winfried:
Landesherr und Landfrieden in Thüringen im Spätmittelalter 1247-1349, Köln/Wien 1975, S. 52
sowie P a t z e (wie Anm. 20) S. 95f.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 19; S a m a n e k : Studien (wie Anm. 9) S. 119; MGH Const. III
Nr. 481; S c h l i e p h a k e F.W.Th.: Geschichte von Nassau von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart auf der Grundlage urkundlicher Quellenforschung, Wiesbaden, Zweiter bis Vierter Band (=
4.- 8. Buch) 1867 - 1875, II S. 400; L e i s t (wie Anm. 23) S. 53.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 19; S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 399f; S a m a n e k , Studien
(wie Anm. 9) S. 119; MGH Const. III Nr. 484; L e i s t (wie Anm. 23) S. 53; W e g e l e , Franz: Friedrich der Freidige. Markgraf von Meißen, Landgraf von Brandenburg und die Wettiner seiner Zeit
(1247-1325), Nördlingen 1870, S. 162f.
REM Nr. 271; RI VI,2 Nr. 40.
Dies bedeutete u.a. das Recht, Hofkanzler zu ernennen, was aber nicht ausdrücklich erwähnt wird, da
Gerhard es zu dieser Zeit nicht nötig hatte, sich diese Rechte genauer beschreiben zu lassen (S a m a n e k , Vincenz: Neue Beiträge zu den Regesten König Adolfs. In: Sitzungsberichte der Akademie der
Wissenschaften in Wien, Philosophisch-historische Klasse, 214. Band, 2. Abteilung, Wien und Leipzig 1932, S.8).
H a i d e r (wie Anm. 6) S. 150.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 395f.
REM Nr. 277 vom 28. Juli 1292.
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neben finanziellen Forderungen vor allem auf eine Stärkung seiner Stellung im
Reich und auf reichspolitischen Machtzuwachs ankam.
In seinen Wahlversprechen verpflichtete sich Adolf weiterhin, die freundschaftlichen Beziehungen zu Ulrich von Hanau abzubrechen, dem Erzbischof
gegen diesen beizustehen und ihm ohne Erlaubnis des Mainzers keine Gunst zu
erweisen. Ebenso sollte er den Hofkanzler König Rudolfs, Heinrich von Klingenberg31, aus dem Reichsdienst entfernen und Gerhard gegen die Herzöge
von Braunschweig und andere Widersacher beistehen. Außerdem sollten sechs
von Gerhard noch näher zu bezeichnende Dörfer des Mainzer Erzstiftes Stadtrechte erhalten32.
In der Urkunde vom 1. Juli 129233 erhielt Gerhard auch bedeutende finanzielle Zusagen. So bekam er die Vogtei in Lahnstein auf Lebenszeit überlassen,
und Adolf kam ihm beim Friedezoll zu Boppard entgegen34. Außerdem sagte er
Gerhard zu, diesem die 6000 Mark Judensteuer der Stadt Mainz zu beschaffen.
Dazu gab es einen langwierigen Prozeß vor dem Königsgericht, der sich bis
1294 hinzog35. Im Laufe dieses Prozesses entschied Adolf zuerst in der Gerichtsverhandlung von Nürnberg am 20. April 129336 im Sinne Gerhards, indem
er sowohl die Mainzer Bürger als auch die Mainzer Juden verpflichtete, je
10000 Mark Silber an den Erzbischof zu zahlen. Am 3. Februar 1294 wurde die
zu zahlende Summe auf 5500 Mark Kölner Pfennige herabgesetzt – zuzüglich
zu Lebzeiten Gerhards jährlich zu zahlenden 200 Mark37. Dieses verringerte
Gerhard am 18. Juni 1295 auf 112 Mark Aachener Pfennige – allerdings auf
ewige Zeiten38. Den dadurch erlittenen Verlust machte Gerhard teilweise wett,
indem er am 7. Juli 129739 bei König Adolf den Anspruch der Mainzer Erzbischöfe als Reichserzkanzler für Ausgaben im Reichsdienst und als Ersatz des
Zehnten der Mainzer Juden 5 000 Mark Kölner Denare40 durchsetzte. Dafür
wies Adolf ihm aus der Reichsjudensteuer der Stadt Frankfurt jährlich 500
Mark an41.
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Diesen betraute Adolf von Nassau dann aber trotzdem auch in Zukunft mit Aufträgen für das Reich.
S a m a n e k , Neue Beiträge (wie Anm. 27) S. 10.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.9; REM Nr. 268 und REM Nr. 279 vom 1. und 28. Juli 1292;
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 397ff; G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 13.
REM Nr. 268.
Gerhard erhielt den Friedezoll ganz und durfte ihn nach Lahnstein verlegen. S c h l i e p h a k e II (wie
Anm. 24) S. 402; G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 13.
Dieses war der letzte Versuch Adolfs, Gerhard auf seiner Seite zu halten. G e r l i c h , Nassau (wie
Anm. 2) S. 13f.
RI VI,2 Nr. 230.
F a l c k , Ludwig: Mainz in seiner Blütezeit als Freie Stadt (1244 bis 1328), Düsseldorf 1973, S.
121.
REM Nr. 417; F a l c k (wie Anm. 37) S. 123.
REM Nr. 489.
1 Denar = 3 Heller.
F a l c k (wie Anm. 37) S. 133f; Zum Streit des Erzbischofs mit der Stadt Mainz siehe G e r l i c h , Alois:
König Adolf von Nassau. Reichspolitik am Rhein und in Schwaben 1293 und 1294. In: Nassauische
Annalen, Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Band
109 (1998) S. 34ff.
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Wie der Kölner Erzbischof seine Worringer Schulden von Adolf beglichen
haben wollte, so übertrug der Mainzer seine römischen Verbindlichkeiten von
insgesamt 3254 Mark Silber kölnischen Gewichtes auf den König42. Mindestens
genauso wichtig waren Gerhard die Bestimmungen, durch die er seinen Einfluß
im Reich vergrößern konnte. Dieser drückte sich in zwei weiteren Urkunden
Adolfs von Nassau vom 9. und 10. November 129243 aus. Die erste stellte die
Erneuerung einer Urkunde Kaiser Friedrichs II. von 1234 zugunsten der geistlichen Fürsten dar. Adolf von Nassau verpflichtete sich darin kraft königlicher
Gewalt nichts gegen das Mainzer Erzstift zu unternehmen. Am 10. November
folgte dann eine Bestätigung aller Schenkungen, Freiheiten und Rechte, die dem
Mainzer Erzstift von Deutschen Königen und Kaisern verliehen worden waren44.
Die Forderung Gerhards, Landgraf Heinrich von Hessen zum Reichsfürsten
zu erheben und ihn mit Boineburg und Eschwege belehnen zu lassen45, mag mit
davon beeinflußt gewesen sein, daß er die Orte in Thüringen, auf das er ja nach
wie vor sein Augenmerk gerichtet hatte, die er nicht selbst in die Hand bekommen konnte, wenigstens in der Hand eines Verbündeten wissen wollte, mit dem
ihn in dieser Zeit das Interesse einer Unternehmung gegen den Herzog von
Braunschweig verband. Dazu hatte ja auch Adolf von Nassau am 1. Juli 1292
seine Unterstützung ausdrücklich verbrieft46.
Während der Thronvakanz nach dem Tode König Rudolfs am 15. Juli 1291
wurden von dem Trierer Erzbischof Boemund I. von Warnesberg keine besonderen Initiativen ergriffen. In den Wahlverhandlungen von 1292 war Triers Gewicht im Vergleich zu Mainz und Köln gering47. Erzbischof Boemund hätte
höchstwahrscheinlich auch keine Einwände gegen die Wahl Albrechts von
Habsburg geltend gemacht, da von einem solchermaßen mächtigen König eher
eine Zurückweisung von Übergriffen des französischen Königs zu erwarten war
als von einem schwachen König48. Jedoch war auch das Nebeneinander der
Grafschaft Nassau und Kurtrier relativ problemlos, so daß Boemund als
Königswähler Adolf von Nassau keine solch großen Schwierigkeiten machte
wie der Mainzer oder der Kölner Erzbischof49. Zudem war, da Boemund erst
seit kurzem amtierte und es vorher in Trier ein dreijähriges Bistumsschisma gegeben hatte, eine expansive, nach außen gerichtete Trierer Politik zu dieser Zeit
sowieso noch nicht möglich.
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1304 für seine eigene Bestätigung, 1950 für Schulden seines Vorgängers Heinrich von Isny.
RI VI,2 Nr. 119 und Nr. 120.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 42f.
MGH Const. III Nr. 476.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.35; MGH Const. III Nr. 481; REM Nr. 268; G e r l i c h , Nassau
(wie Anm. 2) S.20.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 2f. Boemund schaffte es allerdings im Jahrzehnt seiner Herrschaft,
sowohl die hohen Schulden seines Vorgängers Heinrich von Finstingen in Höhe von 34000 Mark Silber zu begleichen, als auch zahlreiche neue Vasallen zu erwerben (L a u f n e r , Richard: Die Ausbildung des Territoriums der Kurfürsten von Trier. In: P a t z e , Hans: Der deutsche Territorialstaat im 14.
Jahrhundert II, Sigmaringen/München 1971, 133f).
G e i s s e l , Johann: Die Schlacht am Hasenbühl und das Königskreuz zu Göllheim, Kirchheimbolanden 1835, Nachdruck Göllheim 1992, S. 2.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 11.
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Erzbischof Boemund von Trier erhielt am 14. Mai 129250 in Frankfurt drei
Wahlversprechungsurkunden, die am 7. Juli51 nach der Aachener Krönungszeremonie wörtlich bestätigt wurden. Darin gab Adolf von Nassau dem Trierer
das Versprechen, die Reichsburg Cochem binnen Jahresfrist von ihrem derzeitigen Besitzer auszulösen und der Verwaltung eines Reichsamtmannes zu übertragen, obwohl dieses mit seinen Versprechungen an Siegfried von Köln im
Widerspruch stand, dem er Cochem ebenfalls versprochen hatte. Am 7. Juli
1292 wiederholte Adolf von Nassau diese Zusage an den Trierer52. Cochem
wurde mit etwa 50 dazugehörigen Orten für eine so hohe Summe verpfändet,
daß diese Verpfändung einer Veräußerung gleichkam53.
Dabei wurde auch der Ersatz der Reisekosten sichergestellt: Erzbischof
Boemund von Trier erhielt für sich und seine Leute die Kosten, welche die Anreise nach Frankfurt zur Königswahl verursacht hatte, nach eigenen Feststellungen von Adolf von Nassau ersetzt. Entsprechend erhielten die Räte des Erzbischofs für ihre Mühen den außergewöhnlich hohen Betrag von 2000 Mark
Kölnischer Pfennige, woraus man vermuten kann, daß diese ihren Herren überzeugten, Adolf zu wählen. Wie hoch die Trierischen Kosten insgesamt ausfielen,
ist unbekannt54. Außer der Erstattung der Reisekosten erhielt Boemund die
Bestätigung aller Privilegien, die Adolfs Vorgänger der Trierer Kirche verliehen
hatten, und die Zusage, daß alle vom Erzbischof Gebannten nach einem Jahr mit
der Reichsacht zu belegen seien55. Außerdem sagte Adolf zu, die im Jahre
1253 durch die Grafen Walram und Otto von Nassau an den Erzbischof
von Trier verpfändete Vogtei Koblenz während seiner Lebenszeit nicht einzulösen56.
Boemund I. von Warnesberg war von Aachen mit dem König nach Bonn und
Köln gezogen und kommt in den Urkunden Adolfs stets unter den Zeugen vor
– auch dort, wo die beiden andern Erzbischöfe fehlen. In Köln erscheint er am
9. September 1292 in Gesellschaft von Eberhard von Mark und Adolf von Berg
und am 11. Oktober auch in der von Johann von Brabant. Es ist durchaus möglich, daß Boemund die Annäherung Adolfs mit Johann förderte57.
Am 13. September 129258 – also nach der vollzogenen Krönung Adolfs – ließ
der Kölner Erzbischof Siegfried II. von Westerburg sich seine im Andernacher
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RI VI,2 Nr. 18/19/20.
RI VI,2 Nr. 46/47/48.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 333; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 46; RI VI,2 Nr. 18
und 46.
Deshalb belehnte König Albrecht I. später auch die Trierer mit Cochem (L a u f n e r (wie Anm. 47) S.
138f).
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 371; S t e h k ä m p e r , Hugo: Geld bei deutschen Königswahlen
des 13. Jahrhunderts. In: Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege I: Mittelmeer und Kontinent (= Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte 4), Herausgegeben von Jürgen Schneider, Bamberg 1978, S. 101.
H a i d e r (wie Anm. 6) S. 147f.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 409.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 46 Anmerkung 7.
REK III Nr. 3362; RI VI,2 Nr. 82.
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Vertrag vom 27. April 1292 und dessen Bopparder Bestätigung vom 29. Mai
1292 fixierten Forderungen in Köln in neuer Gestalt verbriefen. Vergleicht man
die Urkunde vom 27. April mit der vom 13. September, so erkennt man, daß es
Adolf gelungen war, sich aus den Fesseln des Andernacher Vertrages zu lösen.
Übrig blieben nur die finanziellen Bestimmungen, d.h. Siegfrieds Versuch der
Erlangung der Reichspfandschaften59.
Mit diesem Vertrag von Köln offenbarte sich das Scheitern des Versuches
Siegfrieds, sich durch die Wahl Adolfs zu sanieren, da Adolf es geschafft hatte,
sich im ersten Halbjahr seiner Regierungszeit den Hauptforderungen Siegfrieds
II. zu entziehen60.
Das Andernacher Versprechen, Siegfried gegen Graf Adolf von Berg, die
Grafen von der Mark und gegen den Herzog von Brabant beizustehen, wurde
dahingehend modifiziert, daß Adolf nur beistehen müsse, wenn der Kölner im
Recht sei, wodurch das Hilfsversprechen quasi gegenstandslos wurde, da Adolf
immer erklären konnte, die Gegner seien im Recht. Die Andernacher Zusage
der Unterstützung gegenüber den Kölner Bürgern und die Erlaubnis, nur mit
erzbischöflicher Zustimmung Frieden mit ihnen zu schließen, wurde im September dahingehend revidiert, daß Adolf versprach, bezüglich des Treueides
der Kölner zu handeln, wie es rechtens sei61. Für die Bezahlung der 25 000 Mark
Silber für die Auslagen Siegfrieds, wofür Adolf im April die Verpfändung nassauischen und katzenelnbogischen Besitzes als Sicherheit bieten mußte62,
wurde im September nur noch Reichsbesitz als Pfand erwähnt. Die Orte für die
Pfandsumme von 25000 Mark wurden genau aufgeschlüsselt und für jede Burg
die Pfandsumme genau festgelegt63, die jederzeit wieder eingelöst werden
konnte. Für alle Burgen hielt sich Adolf von Nassau die freie Nutzung gegen
Reichsfeinde vor64.
Genauso wie sich König Adolf nicht scheute, einige Tage nach den erneuten
Versprechungen an den Kölner diese in Abkommen mit dem Erzbischof von
Trier, dem Herzog von Brabant und der Stadt Köln zu ignorieren, unternahm er
nichts, um den Kölner in den Besitz der ihm versprochenen Pfandschaften zu
setzen. Den Zoll zu Kaiserswerth, die einträglichste Pfandschaft, bekam Siegfried nie wirklich in die Hände65. Am 28. Mai 1293 ordnete König Adolf in Bop59
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65
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 59; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 336; H a i d e r (wie
Anm. 6) S. 143. Eine genaue Gegenüberstellung der beiden Urkunden findet sich bei E r k e n s ,
Westerburg (wie Anm. 3) S. 366ff.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 11f; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 345f. Betrachtet man
diese Forderungen im Detail, dann erscheint die Deutung Geissels, der Kölner habe „weniger selbstsüchtig“ und aus reiner „Dankbarkeit“ die Kandidatur des „tapferen Grafen“ Adolf von Nassau
vorangetrieben unhaltbar. G e i s s e l , (wie Anm. 48) S. 6.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 323ff und 336ff.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 317ff; G e b h a r d t (wie Anm. 3) S. 494; G e r l i c h , Nassau
(wie Anm. 2) S. 11f.
Cochem 2000 Mark, dabei wurden 2000 Mark für Eberhard von Katzenelnbogen explizit ausgenommen (D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 50), Sinzig 1500, Duisburg 2000, Dortmund
1500, Kaiserswerth 18000.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 338f.
S t e h k ä m p e r , (wie Anm. 54) S. 100f.
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pard seine gegenüber Siegfried eingegangenen Schuldverpflichtungen einschließlich des Ersatzes der durch die Krönung entstandenen Kosten neu. Dabei bezifferte sich die Schuldsumme auf 29500 Mark, die für 15 Jahre auf Kaiserswerth und den neuen Zoll bei Bonn angewiesen wurde66. Hiermit wurden
die Andernacher Versprechungen in Boppard fast ganz zu einer Verbriefung
über die Wahl- und Krönungskosten umgewandelt67. Am deutlichsten wird das
gewandelte Verhältnis zwischen Siegfried und Adolf dadurch, daß die in Andernach festgeschriebene Verzichtserklärung Adolfs auf sein Königtum – für den
Fall, daß er seine Verpflichtungen nicht einhielte – entfiel. Aufgrund der Verpflichtungen des Königs den anderen Kurfürsten gegenüber wäre es auch absurd gewesen, wenn Siegfried einen solchen Verzicht gefordert hätte68.
Zur Sicherung des Andernacher Vertrages gestand Adolf zu, auf Verlangen
Siegfrieds mit 50 Rittern innerhalb von 15 Tagen in Bonn Einlager zu halten69.
Adolf erfüllte die am 29. Mai 1292 erneut gemachte Zusage, nach der Krönung
am 24. Juni 1292 mit vier Begleitern nach Bonn zu ziehen, um die Sicherung des
Andernacher Vertrages zu gewährleisten70. Von Anfang Juli bis Mitte August
1292 hielt sich Adolf von Nassau tatsächlich in Bonn, ab dann bis Mitte Oktober in Köln auf71. Für die ganze Zeit des Aufenthaltes ist allerdings kein Anzeichen für die Erfüllung seiner Vertragspflichten gegenüber dem Kölner verbrieft, ja es wird ein deutliches Zuwiderhandeln Adolfs deutlich, obwohl in der
gleichen Zeit die Erzbischöfe von Mainz und Trier wichtige Verbriefungen erhielten und dem letzteren auch die Versprechungen über seine Wahlunkosten
erneuert wurden72.
Im Andernacher Vertrag erscheint als Nachtrag die Forderung, Adolf dürfe
die dem Reich heimgefallenen Herzogtümer Limburg und Österreich nur mit
Siegfrieds Zustimmung verleihen. Diese Forderung auch für Österreich, welche
ja die eigentlichen Interessen des Kölners nicht tangierte, zeigt deutlich die Erwartung, daß auch König Wenzel von Böhmen, der damit angesprochen wurde,
Adolf wählen werde73. Am 30. Juni 1292 fällte das von Adolf von Nassau und
Johann I. von Brabant eingesetzte Schiedsgericht seinen Spruch über die vom
Reich zu vergebenden Güter des Herzogtums Limburg. Dieser besagte, daß die
Güter binnen zweier Wochen Johann zu verleihen seien. Diese Annäherung an
den mächtigsten Gegner Siegfrieds geschah, um sich aus den Fesseln des Andernacher Vertrages und damit des Erzbischofs von Köln zu befreien74.
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RI VI,2 Nr 246; REK III Nr. 3387; S t e h k ä m p e r , (wie Anm. 54) S. 101 Anmerkung 153; E r k e n s ,
Westerburg (wie Anm. 3) S. 345.
REK III Nr. 3387; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 58.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 339.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3)S. 327ff.
Dies war nicht unbedingt ein Zeichen besonderer Schwäche seines Königtums, sondern ein im späten
Mittelalter nicht ungewöhnliches Verfahren. S c h u b e r t , Ernst: König und Reich, Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte, Göttingen 1979, S. 353.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 38.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 56; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 331f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. ) S.16f vor allem Anm. 25; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3)
S.323ff; S c h l i e p h a k e , II (wie Anm. 24) S. 387.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 332f.
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Abb. 2:
Siegel König Adolfs von Nassau und seiner Gattin Imagina (Zeichnung von
1753)
Aus: Johann Georg Hag e lg an s (wie Abb.1).
Am 22. September 1292 erhielt der Herzog von Brabant von Adolf von Nassau eine Pfandanweisung für fast allen Reichsbesitz, der Siegfried am 13. September zugedacht worden war. Da Siegfried an seinen Ansprüchen festhielt, sah
sich Adolf am 4. Oktober 1292 gezwungen, die Reichseinkünfte aller dieser
Orte wieder dem Kölner sicherzustellen und die Bürger von Dortmund75, Duisburg76 und Sinzig77 von der Verpfändung an Siegfried in Kenntnis zu setzen,
obwohl er sie am 22. September 1292 ausdrücklich an den Herzog von Brabant
verpfändet hatte. Um dem Kölner gleichzeitig mit dieser Begünstigung wieder
zu schaden, bestätigte Adolf am 11. Oktober 1292 den Bürgern von Köln alle
ihre Privilegien. Da vor allem Gegner Siegfrieds die Urkunde bezeugten78, ist
leicht zu erkennen, welchem Zweck sie dienen sollte79. Da Adolf dem Erzbischof am 25. Oktober 129280 erneut neben Essen einen Teil der in der Urkunde vom 13. September zugesprochenen Reichspfandschaften zusichern
mußte, erhielt Herzog Johann als Ersatz dafür in aller Form am 18. November81
die Reichspflege am Niederrhein82.
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REK III Nr. 3363.
REK III Nr. 3364.
REK III Nr. 3365.
Johann von Brabant, Adolf von Berg und Eberhard von der Mark.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 341; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 60.
REK III Nr. 3368.
MGH Const. III Nr. 494.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 62.
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Um nicht in völlige Isolation zu gelangen, war der Kölner Erzbischof nun auf
königliche Gunst und Unterstützung angewiesen, so daß er häufiger als bei König Rudolf seine Pflichten als Reichsfürst erfüllte. Darum begleitete er schon im
Herbst des Jahres 1293 Adolf von Nassau auf dessen gegen Burgund gerichteten, nach Colmar abgelenkten Heerzug mit 200 Reitern und nahm dort an der
Belagerung teil83. Ein deutlicher Beleg dafür, daß sich Siegfried nach wie vor
um königliche Angelegenheiten kümmerte, ist der Auftrag Adolfs an den Kölner, zwischen dem König und dem Markgrafen Otto von Brandenburg bezüglich der Stellung von Geiseln zu vermitteln. Hierbei sagte Adolf zu, jedes Verhandlungsergebnis Siegfrieds anzuerkennen84. Ebenfalls im Jahr 1294, am
29. April, erteilte Adolf dem Erzbischof Siegfried, Herzog Johann von Brabant
und den Grafen von Hennegau, Kleve und Holland den Auftrag, den Grafen
Arnold von Looz und Walram von Falkenstein zur Aufhebung der Belagerung
von Bonn zu bringen oder andernfalls Rainald von Geldern bei der Verteidigung der Burg zu helfen85. Der Auftrag kam zwar nicht zur Ausführung, doch
allein die Tatsache, daß Siegfried hier in einem Atemzug mit Parteigängern des
Königs genannt wird, zeigt die guten Beziehungen zwischen Adolf und dem
Kölner86.
Probleme entstanden dahingegen mit dem Mainzer Erzbischof Gerhard II.
von Eppstein. Das Erzstift Mainz besaß in Thüringen über den dortigen Landgrafen bedeutende lehensherrliche Rechte87. Nun versuchte Adolf von Nassau
ab 1294 gerade durch den Kauf Thüringens eine Grundlage für seine Königsmacht zu schaffen, um sich so von seinen Versprechungen zu lösen88. Durch
die Expansionspläne König Adolfs in Thüringen fürchtete Gerhard II. um seinen Thüringer Besitz in der Gegend von Erfurt und protestierte beim Papst gegen Adolfs Handel. Papst Bonifaz VIII. befahl ihm, ungeachtet seines Treueides, gegen den König vorzugehen89. Bei einem persönlichen Zusammentreffen
zwischen Adolf von Nassau und Gerhard II. von Eppstein am 30. September
1294 in Mittelhausen kam zwischen den beiden keine Einigung zustande90.
Nach Adolfs Griff auf Thüringen leitete Gerhard Maßnahmen zur Erweiterung seiner dortigen Macht ein, so z.B. durch den Erwerb der Burgen Gleichenstein, Scharfenstein, Birkenstein und das Land Eichsfeld für 1 100 Mark lötigen und 500 Mark nichtlötigen Silbers von Graf Heinrich IV. von Gleichenstein.
Einerseits geschah dies zur Abrundung und Schließung seines Besitzes, andererseits zur Festigung seiner Position in Thüringen gegen den König91.
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E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 348 und S. 362.
REK III Nr. 3410; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 361.
MGH Const III Nr. 507; REK III Nr. 3415.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 361.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 118.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 19f.
G e b h a r d t (wie Anm. 3) S. 496.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 49f.
P a t z e / S c h l e s i n g e r II, 1 (wie Anm. 23) S. 61; P a t z e (wie Anm. 20) S. 123.
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Am 7. Juli 1297 versuchte Adolf ein allerletztes Mal vergeblich Gerhard auf
seiner Seite zu halten, indem er – wie oben bereits angesprochen – anerkannte,
daß dieser Kosten in Höhe von 5 000 Mark Kölnischer Pfennige im Reichsdienst hatte, und ihm dafür 500 Mark jährlicher Einkünfte aus dem Ungeld und
der Judensteuer aus Frankfurt anwies92. Bei der Krönung Wenzels von Böhmen, die der Mainzer Erzbischof im Juni in Prag durchführte, knüpfte Gerhard
die Fäden, um die Opposition der Kurfürsten gegen König Adolf zusammenzubringen und dessen Absetzung vorzubereiten93. Im August 1297 belagerte Adolf
von Nassau eine Burg, in der sich Gerhard aufhielt, um diesen daran zu hindern, an einer Tagung der Feinde Adolfs in Kaaden bei Karlsbad in Böhmen
teilzunehmen94, nachdem der König schon vorher eine in Prag verabredete Zusammenkunft seiner Gegner in Eger ganz vereitelt hatte.
Der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg starb am 7. April 1297. Als
Nachfolger wurde am 3. Mai 1297 Wikbold von Holte in Anwesenheit König
Adolfs, Erzbischofs Boemund von Trier, der Grafen von Jülich von der Mark
u. a. vom Domkapitel einstimmig gewählt. Adolf von Nassau hatte für die Wahl
Wikbolds, der ihm seit seiner Erhebung auf den Thron nahestand, seinen
ganzen Einfluß geltend gemacht95. Trotzdem übertrug Wikbold zur Absetzung
König Adolfs und der ersten Königswahl Albrechts am 23. Juni 1298 seine
Stimme an Erzbischof Gerhard von Mainz, da er zu dieser Zeit in Westfalen weilte96. Bei Albrechts zweiter Wahl am 27. Juli 1298 in Frankfurt nahm
Wikbold dann persönlich teil97.
Als habe er als Erzkanzler des Reiches ein Recht dazu, berief der Mainzer
Erzbischof Gerhard II. von Eppstein den König mit den Kurfürsten sowie Albrecht zuerst zum 1. Mai 1298 nach Frankfurt, zu einer Beratung über die
Herstellung des Friedens im Reich. Diese wurde dann auf den 15. Juni nach
Mainz98 vertagt, da Albrechts Truppen, die die Versammlung schützen sollten,
noch nicht eingetroffen waren99. Am 23. Juni 1298 führte Gerhard100 im Mainzer Dom im Beisein des Herzogs Albert von Sachsen-Wittenberg – der auch die
Stimme des Pfalzgrafen Ludwig führte –, der Markgrafen Heinrich, Hermann und Otto mit dem Pfeil von Brandenburg den Prozeß gegen Adolf von
Nassau101 wegen Kirchenfrevel, Rechtsverweigerung, Eidbruch, Unfriedenstif-
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REM Nr. 489; S t r u c k , Wolf Heino: Eine neue Quelle zur Geschichte König Adolfs von Nassau.
In: Nassauische Annalen 63 (1952) S. 84.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 135.
REM Nr. 490; RI VI,2 Nr. 874; S t r u c k (wie Anm. 92) S. 85.
REK III Nr. 3539.
REK III Nr. 3589.
REK III Nr. 3593 und 3594.
MGH Const III Nr. 588; T r a u t z (wie Anm. 13) S. 29.
B ü h l e r , Johannes: Adolf von Nassau und die Schlacht bei Göllheim 1298, Neustadt an der Haardt
1933, S. 16f.
Erzbischof Wikbold von Köln und König Wenzel von Böhmen hatten Gerhard ihre Vertretung
übertragen.
Als rechtmäßiger deutscher König war Adolf von Nassau dieser Ladung natürlich nicht gefolgt.
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tung und Bedrückung der Kirche und der Fürsten und erklärte Adolf für abgesetzt102. Dies war das erste Mal, daß ein König eigenmächtig von seinen
Wählern abgesetzt wurde, ohne daß ein Papst ihn gebannt hatte103. Um den Absetzungsakt legal erscheinen zu lassen hielt sich Gerhard bei der Abfassung der
Absetzungsurkunde als Vorlage an das Absetzungsdekret von Papst Innocenz
IV. über Kaiser Friedrich II.104. Die Berechtigung hierzu leitete Gerhard daraus
ab, daß er bei Adolfs Köniswahl eine Stellung gegenüber dem König errungen
habe, die ein Papst dem Kaiser gegenüber hatte105. Herzog Albrecht von
Habsburg lagerte zu dieser Zeit mit seinen Truppen vor Alzey, um die Versammlung zu schützen106.
Am Tag der Absetzung König Adolfs wählten Herzog Albert von Sachsen,
die Markgrafen Heinrich, Hermann und Otto mit dem Pfeil von Brandenburg unter der Federführung Erzbischof Gerhards von Mainz – auch im Namen
Wikbolds von Köln, Wenzels von Böhmen und Pfalzgraf Ludwigs – Herzog
Albrecht von Österreich zum deutschen König107. Erzbischof Gerhard kämpfte
dann mit Truppen am 2. Juli 1298 in der Schlacht bei Göllheim auf der Seite
Albrechts von Österreich, wobei der Sohn des gefallenen Königs gefangen in
seine Hände geriet108. Als Anhänger König Adolfs war der Trierer Erzbischof
Boemund I. von Warnesberg weder bei der Krönung Wenzels von Böhmen in
Prag noch beim Treffen der Königsgegner in Kaaden zugegen109. Von dem Prozeß, den Erzbischof Gerhard von Mainz als Reichserzkanzler anstrengte, um
König Adolf abzusetzen, hielt sich Boemund von Trier ebenfalls fern110. Der
Erzbischof von Trier blieb auf der Seite König Adolfs, wollte mit einem Kontingent zu ihm stoßen, kam aber zu spät, um in der Schlacht bei Göllheim noch
mitkämpfen zu können.
Der Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein hatte um des Sturzes
Adolfs von Nassau willen die Mainzer Kirche so verschuldet und sich selbst
zahlungsunfähig gemacht, daß ihm dies 1296 die Exkommunikation einbrachte,
da er u.a. seine Zahlungen an die Kurie im Zusammenhang mit seiner Erhebung zu schleppend entrichtete. Der Kampf gegen Adolf hatte das Mainzer
Erzstift finanziell derart ausgezehrt, daß es zu einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Königtum nicht mehr in der Lage war, so daß Albrecht drei Jahre
später Gerhard und die anderen Kurfürsten niederwerfen konnte111.
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REM Nr. 525; MGH Const. III Nr. 589; T r a u t z (wie Anm. 13) S. 30.
G e b h a r d t (wie Anm. 3) S. 497; T r a u t z (wie Anm. 13) S. 30.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 136.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 241.
T r a u t z (wie Anm. 13) S. 34.
REM Nr. 526.
REM Nr. 529.
RI VI,2 Nr. 875.
Z i e h e n , Eduard: König Adolf von Nassau, Mittelrhein und Reich. In: Nassauische Annalen 59
(1939) S. 20.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 21; Z i e h e n (wie Anm. ) S. 10.
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2. Böhmen, Brandenburg und Sachsen - die östlichen
Kurfürstentümer
Nachdem König Wenzel II. von Böhmen mit einem Schreiben des Erzbischofs von Mainz vom 7. November 1291 für den 2. Mai 1292 zur Wahl des
Deutschen Königs nach Frankfurt eingeladen worden war112, einigte sich der
Böhmenkönig bereits am 29. November 1291 im Zittauer Vertrag113 mit den
Kurfürsten Albert von Sachsen-Wittenberg und Otto dem Langen von Brandenburg auf die Bedingungen der Wahl. Wenzel erhielt die Stimmführerschaft
der drei Kurstimmen für 5400 Silbermark Prager Gewichtes sowie die Übernahme der Reisekosten und der Ausrüstung einer Begleitung von 10 Rittern,
2 Kaplänen und 8 Knappen übertragen114.
König Wenzel von Böhmen und der Markgraf von Brandenburg erklärten
Albert von Sachsen-Wittenberg, dessen Gemahlin Agnes eine Schwester Albrechts von Habsburg war115 gegenüber, daß sie den zu wählenden König vor
der Wahl zu der Zusage bringen würden, dem Herzog von Sachsen-Wittenberg
5400 Mark Silber Prager Gewichtes zu bezahlen, ihm wegen einer für König
Rudolf bei dem Landgrafen Dietrich auf Altenburg übernommenen Bürgschaft
von 800 Mark genügend Sicherheiten zu stellen und sich der Förderung seiner
Angelegenheiten anzunehmen116.
Die Brandenburgische Kurstimme war streitig zwischen dem Markgrafen
Otto IV. mit dem Pfeil (aus der älteren brandenburgischen Linie (Stendal)) und
seinem an Jahren älteren Vetter Markgraf Otto V. dem Langen (aus der jüngeren Linie (Salzwedel))117. Es liegt zwar nahe, daß im Vertrag von Zittau auch
die brandenburgische Kurstimme von Otto V. dem Langen auf Wenzel übertragen wurde, doch darf dieser Tatsache keine zu große Bedeutung zugemessen
werden, da beim eigentlichen Wahlakt ja die Stimme Ottos des Langen hinter
der Ottos mit dem Pfeil zurückgetreten sein kann118. Otto IV. mit dem Pfeil
führte die Hofhaltung und Regierung der Mark Brandenburg gemeinsam mit
seinem Bruder Konrad119. Das Recht, der alleinige Vertreter der Mark Brandenburg zu sein, setzte er gegenüber den Ansprüchen seines Vetters Otto V. des
Langen häufig durch120. Es ist nicht ganz klar, welcher der beiden Markgrafen
bei der Wahl König Adolfs auftrat. Da über einen Streit oder gar eine Zwikur
allerdings nichts berichtet wird, ist es letztendlich unerheblich, welcher Otto von
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G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 26.
RI VI,2 Nr. 3; MGH Const. III Nr. 470.
S t e h k ä m p e r (wie Anm. 54) S. 100.
G e i s s e l (wie Anm. 48) S. 68.
S c h l i e p h a k e (wie Anm. 24) II S. 315f.
Dieser war von 1279 bis 1284 der Vormund König Wenzels II. von Böhmen und Statthalter Böhmens. S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 315; S c h u l t z e , Johannes: Die Mark Brandenburg I,
Berlin 1961, S. 186 und 188.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 23 Anmerkung 53.
Bis zu dessen Tode im Jahre 1304.
S c h u l t z e schreibt, daß dies auch bei den Königswahlen von 1292 und 1298 der Fall gewesen sein
soll. S c h u l t z e (wie Anm. 117) S. 187.
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Martin Mattheis: Das Verhältnis der deutschen Fürsten und Grafen zu König Adolf von Nassau (1892-1298),
in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
Brandenburg in diesem Falle die Rechte auf die Kur geltend machen konnte
oder ob gar beide gemeinsam für Adolf von Nassau stimmten.
Obwohl die Einigung des Zittauer Vertrages Wenzels Position im Kurkolleg
festigte121, bat er den Mainzer Erzbischof am 18. Dezember 1291 darum, am
6. April 1292, also noch vor der deutschen Königswahl, seine eigene Krönung
durch Gerhard von Mainz an sich zu vollziehen. Dies zeigt, daß er nach wie vor
mit der Wahl Albrechts von Habsburg rechnete, von dem er befürchtete, daß dieser Wenzels Krönung hinauszögern werde. Nachdem klar war, daß Albrecht
nicht gewählt würde, war Wenzel seine eigene Krönung auch nicht mehr so
wichtig122.
Adolf von Nassau verpflichtete sich vor seiner Wahl König Wenzel gegenüber vor allem in zwei Punkten: die wohlwollende Lösung der österreichischen
Frage im Sinne Wenzels und die Bestätigung von dessen Ansprüchen auf die
Mark Meißen. Letzteres dahingehend, die Mark Meißen niemandem zu Lehen
zu geben, bevor nicht König Wenzel Gelegenheit bekommen habe, sein Recht
auf sie zu beweisen123. Ein weiteres Zugeständnis Adolfs an Wenzel war, daß
dieser nicht in eigener Person sofort zu erscheinen brauchte, um seine Lehen
der Sitte nach zu empfangen, sondern Robin von Covern mit dem Belehnungsbrief zu Wenzel geschickt wurde. Außerdem sagte Adolf ihm zu, daß Wenzel
die von ihm eingenommene Herrschaft Eger behalten dürfe, falls er irgendein
Recht an ihr nachweisen könne124.
Für Adolf trat nach seiner Wahl die österreichische und meißensche Frage in
Bezug auf Wenzel ebenso in den Hintergrund wie dem Kölner gegenüber die
limburgische Frage. So hatte er sich über die Zusage an Wenzel, vor Befriedigung Böhmens in der Frage Österreichs keine Annäherung an Albrecht zu suchen, einfach hinweggesetzt, indem er sich frühzeitig mit Albrecht verständigte125, diesen am 30. Juni 1292 als Herzog bezeichnete und ihn damit anerkannte; sagte andererseits aber zu, bis zum 6. Januar 1294 einen gütlichen Ausgleich zwischen Albrecht und Wenzel herbeizuführen126. In der Annahme, daß
König Adolf eine gütliche Einigung herbeiführen werde, war König Wenzel von
Böhmen Ende des Jahres 1293 in gutem Einvernehmen mit Albrecht127.
Adolf und Wenzel unternahmen den Versuch, durch eine dynastische Verbindung ihrer Häuser ihre Beziehungen zu verbessern. Dazu wurde Adolfs erstgeborener Sohn Ruprecht am 30. Juni 1292 mit Wenzels ältester Tochter Agnes,
die zu dieser Zeit ein Kind von anderthalb Jahren gewesen sein soll128, verlobt.
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E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 315; S a m a n e k : Studien (wie Anm. 9)S. 2 und 4f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 5.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 114ff; MGH Const. III Nr. 480; RI VI,2 Nr. 31; L e i s t (wie Anm.
23) S. 54; S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 368 und S.386.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 369f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 77 und S. 118.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 332; RI VI,2 Nr. 31.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 76, Anmerkung 50.
Dieses Alter erscheint zwar selbst für die Heiratspolitik der damaligen Zeit als sehr jung, doch findet sich
nirgends eine von S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 370, abweichende Altersangabe. Wenzel, der 1271
geboren wurde war zu dieser Zeit 21 Jahre alt. Es ist von daher unwahrscheinlich, daß er eine viel ältere
Tochter hätte haben können.
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In Frankfurt wurde am 11. Mai 1292 eine Urkunde über die Eheabsicht ausgefertigt. Darin wurde festgelegt, daß Wenzel den Brautschatz von 10000 Mark Silber
schon vor der Hochzeit auszahlen solle, wofür Adolf als Sicherheit das Pleißner
Land, Burg und Stadt Altenberg, Chemnitz, Zwickau sowie Stadt und Burg Eger
verpfändete. Diese Verpfändung galt bis zur Eheschließung129. Entsprechend erhielt Ruprecht von seinem Vater 10000 Mark als Heiratsgut, wofür Adolf von
Nassau die Stadt Wiesbaden, Burg und Stadt Idstein und Burg Sonnenberg verpfändete. Soweit die Pfandgüter Reichslehen waren, stimmte Adolf von Nassau
als deutscher König, soweit es Mainzer Lehen waren, auch Erzbischof Gerhard
von Mainz zu130. Die rasche Beurkundung der Eheabsicht unter Zustimmung des
Mainzers zeigt, daß zwischen Mainz, Böhmen und Adolf von Nassau bereits vor
Adolfs Wahl eine Einigung über diese Ehe zustandegekommen war131.
Ob Agnes wirklich am 9. August 1296 mit siebeneinhalb Jahren verheiratet
wurde132 oder ob sie schon vor der Hochzeit starb133, erscheint für die Frage der
Beziehungen zwischen Adolf und Wenzel relativ unerheblich. Wichtig ist, daß
sowohl Adolf als auch Wenzel zunächst an einer Verbesserung ihrer beiderseitigen Beziehungen interessiert waren, wofür sie eine dynastische Verbindung anstrebten. Fest steht, daß Agnes noch im Kindesalter starb. Da ihr Tod etwa in
der Zeit lag, in der Adolf von der Mark Meißen Besitz ergriff, kam 1297 der
Böhmenkönig zu Adolfs Gegnern hinzu, da mit Agnes’ Tod das letzte verschwand, was die beiden Könige noch verbunden hatte. Außerdem förderte
Adolfs Unternehmen in Thüringen und Meißen auf weitere Sicht die Rückkehr
der Kurfürstenmehrheit zu Albrecht von Habsburg134.
Als gewählter deutscher König hatte Adolf zwei Möglichkeiten, Wenzel
Raum zur Expansion zu bieten, um diesen zu befriedigen. Nach der Belehnung
Albrechts mit Österreich im Jahre 1292 blieb nur noch die Möglichkeit, dem
Böhmenkönig Raum in Richtung Meißen zu lassen. Nachdem Adolf nun dort
selbst expandierte, mußte er sich Wenzel zwangsläufig zum Gegner machen135.
Ein Zusammentreffen Adolfs mit Wenzel im März oder April 1296 in Grünhain
zur Klärung der gegenseitigen Interessen an der Mark Meißen verlief ergebnislos. Adolf schaffte es nicht, den Blick des Böhmenkönigs von Meißen weg auf
Österreich und die Steiermark zu lenken136. Als Wenzel nach Adolfs Zugriff auf
Meißen die böhmische Ausdehnungspolitik nach Norden begrenzt sah,
schwenkte der Böhmenkönig zur Seite Albrechts von Österreich um, zumal ihm
dieser die Meißener Statthalterschaft für den Fall zusicherte, daß Wenzel dem
Habsburger zum Königtum verhelfen werde137.
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S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 370; L e i s t (wie Anm. 23) S. 53.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 388; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) Urkundenanhang Nr. 1.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.21; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 324.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 390.
B ü h l e r (wie Anm. 99) S. 11.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 20f.
T r a u t z (wie Anm. 13) S. 18.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 54.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 182ff.
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Ganz anders gestalteten sich die Beziehungen Adolfs von Nassau zu den
Markgrafen von Brandenburg. Anfang 1295 durchkreuzte der König Przemyslav II. von Polen durch die Übernahme des Herzogtums Pommerellen nach
dem Tode Mestwins am 25. Dezember 1294 die diesbezüglichen Pläne der
Markgrafen Otto IV. mit dem Pfeil und Konrad. Als Przemyslav II. am 8. Februar 1296 ermordet wurde, bezeichnete man die Askanier als Anstifter der
Mordtat. Otto IV. mit dem Pfeil ließ sich zwar nach Mestwins Tod am 8. Januar
1295 von König Adolf die brandenburgische Lehnshoheit über das Herzogtum
Pommeraniae bestätigen, wurde aber trotzdem in diesem Gebiet nicht weiter
aktiv, sondern benutzte die 1296 entstandene Lage, um die brandenburgische
Herrschaft die Drage aufwärts und nach Osten auszudehnen. Die Vorgänge in
diesem Gebiet zu dieser Zeit sind zwar relativ undurchsichtig, jedoch kann man
sehr gut erkennen, daß die Interessen Brandenburgs primär nach Osten und
nicht an den Rhein zum deutschen König ausgerichtet waren138.
Das Gleiche kann man beim Verhältnis zwischen König Adolf von Nassau
und Herzog Albert von Sachsen feststellen: Letzterer hatte ebenfalls mit der
rheinischen Reichspolitik Adolfs nichts zu tun. Da aufgrund der Lage seines
Herzogtums seine Interessensphäre mehr nach Osten ausgerichtet war, mußte
er dort vor allem mit König Wenzel von Böhmen auskommen, dessen Wünschen er sich bei der Königswahl der Jahre 1292 und 1298 angeschlossen hatte.
Bei den sehr späten Krönungsfeierlichkeiten Wenzels II., die der Mainzer
Erzbischof am Pfingstmontag, den 2. Juni des Jahres 1297 in Prag durchführte,
wurde der Sturz Adolfs von Nassau vorbereitet. Anwesend waren: Wenzel, der
Mainzer Erzbischof, Herzog Albert von Sachsen-Wittenberg und die Markgrafen Otto IV. mit dem Pfeil und Hermann139 aus Brandenburg, die aus Thüringen
vertriebenen Wettiner und Albrecht von Österreich140. Im August 1297 fand
in Kaaden eine weitere Versammlung der Gegner König Adolfs statt, bei der
neben Wenzel141 auch Markgraf Otto mit dem Pfeil von Brandenburg anwesend war142.
Am 12. Februar 1298 sagte Albrecht von Habsburg dem Böhmenkönig zu,
diesem für den Fall von Albrechts Wahl zum Deutschen König das Egerland,
Pleißnerland, die Burgen Floß und Parkstein sowie die Stadt Weiden für 50 000
Mark Prager Gewicht zu verpfänden, und diese Länder und Burgen von allen
Verpflichtungen dem Reich gegenüber zu befreien143.
Für den Prozeß, den der Erzbischof von Mainz am 23. Juni 1298 in Mainz
gegen Adolf von Nassau führte, und die sich daran anschließende Königswahl
übertrug Wenzel seine Stimme auf Gerhard von Mainz144. Die Markgrafen Otto
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S c h u l t z e (wie Anm. 117) S. 194f.
Dieser als Vertreter seines Vaters Otto V. des Langen.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 58f.
RI VI,2 Nr. 877.
RI VI,2 Nr. 875.
G e r l i c h , Aufstieg (wie Anm. 14) S. 64.
REM Nr. 525 und Nr. 526.
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IV. mit dem Pfeil, Hermann und Heinrich von Brandenburg nahmen am Absetzungsprozeß König Adolfs und den beiden Wahlen Albrechts persönlich teil.
Diesem folgten sie dann auch zur Krönung nach Aachen. Von einer Teilnahme
der Askanier an der Schlacht bei Göllheim ist allerdings nichts bekannt145.
Der junge Pfalzgraf Ludwig versuchte, beim Prozeß gegen König Adolf von
Nassau und der sich daran anschließenden Wahl Albrechts die pfälzische Kurstimme dem Kurfürsten Albert von Sachsen zu übertragen146. Nach der am gleichen Tag stattfindenden Wahl Albrechts rief der Herzog von Sachsen den Österreicher zum deutschen König aus147.
3. Pfalzgraf Ludwig II. und Albrecht von Habsburg
Pfalzgraf Ludwig II. bei Rhein, der die Machtbasis der Pfalzgrafschaft erheblich konsolidiert hatte, lud am 7. Dezember 1291 zur Königswahl auf den
30. April 1292 ein148. Obwohl er 1272 vorübergehend selbst eine Kandidatur ins
Auge gefaßt hatte, versuchte er während der Thronvakanz von 1291 zuerst seinen Schwager Albrecht von Habsburg auf den Thron zu bringen, fügte sich aber
dann doch der Mainz-Kölner Koalition. Zu Nassau bestanden zwar lehensrechtliche Beziehungen, doch keine so enge territoriale Nachbarschaft wie von Nassau zu Mainz oder Trier149.
Albrecht von Habsburg kämpfte, als sein Vater starb, gerade gegen die Ungarn, die Wien belagerten und die Gegend verwüsteten. Am 28. August 1291 einigte er sich mit König Andreas von Ungarn, ging mit diesem ein Bündnis ein
und verlobte demselben seine 10jährige Tochter Agnes. Kurz darauf brach ein
Aufstand in der Steiermark los, denn der Steiersche Adel sah nach dem Tode
König Rudolfs eine Möglichkeit, die Habsburgische Herrschaft abzuschütteln.
Um diesen Krisenherd loszuwerden, bestätigte Albrecht am 20. März 1292 den
Steierern ihre geforderten Freiheiten, worauf sich ihm ein Großteil derselben
unterwarf. Dadurch wurde der Aufruhr soweit abgemildert, daß Albrechts persönliche Anwesenheit nicht mehr erforderlich war150.
Erzbischof Gerhard von Mainz schickte im März 1292 den Grafen Eberhard von
Katzenelnbogen und Gerlach von Breuberg zu Herzog Albrecht von Österreich,
um über dessen Königswahl zu verhandeln. Ob Albrecht die Bedingun-
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S c h u l t z e (wie Anm. 117) S. 169ff und S. 197.
V o l k e r t , Wilhelm: Die rheinische Pfalzgrafschaft bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. In: S p i n d l e r , Max (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte III,2, München 21979, S. 1263; B ü h l e r (wie Anm. 99) S. 12.
MGH Const. III Nr. 590; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 242; B ü h l e r (wie Anm. 99) S. 12.
Da sowohl Pfalzgraf Ludwig bei Rhein als auch Erzbischof Gerhard von Mainz das Einladungsrecht
für sich in Anspruch nahmen, lud dieser bereits am 7. November 1291 zum 2. Mai 1292 ein.
T r a u t z (wie Anm. 13) S. 6.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 3.
S c h l i e p h a k e (wie Anm. 24) II S. 293ff.
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Abb. 3:
Alte Darstellung der Schlacht von Göllheim.
Aus: Johannes Bühler: Adolf von Nassau und die Schlacht bei Göllheim 1298,
Neustadt an der Haardt 1933.
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gen des Mainzers nicht erfüllen konnte oder wollte, ist ungewiß, jedenfalls kam
es damals nicht zu einer Einigung151.
Trotz einiger kurfürstlicher Bedenken standen die Chancen Albrechts, im
Jahre 1292 die Königswürde zu erlangen, nicht allzu schlecht. Erst als Siegfried
den Grafen von Nassau präsentierte, auf den sich alle Kurfürsten einigen konnten, waren die Habsburger Absichten zunichte gemacht152.
Albrecht gewann die Zustimmung des Pfalzgrafen zu der von ihm angestrebten Wahl, indem er diesem und seinen Erben alle Privilegien, Freiheiten und
Rechte, die dem Pfalzgrafen von vorherigen Kaisern und Königen zugestanden
worden waren, zusicherte153. Pfalzgraf Ludwig versuchte noch am 13. April
1292 mit den drei weltlichen Kurfürsten des Zittauer Abkommens154 eine Einigung über eine Wahl Albrechts zustandezubringen155. Vor allem war er bemüht,
zwischen Albrecht von Habsburg und König Wenzel II. von Böhmen – dessen
Schlüsselstellung er klar erkannte – zu vermitteln. Obwohl sich auch Wenzels
Frau, die böhmische Königin Guta – eine Schwester Albrechts von Habsburgs –
in die Vermittlungsversuche Ludwigs einschaltete, kam eine Einigung nicht
zustande. Das Scheitern erklärt sich nicht nur aufgrund der unterschiedlichen
politischen Interessenlage, sondern auch durch die gegensätzlichen Persönlichkeiten der beiden Kontrahenten Wenzel und Albrecht156.
Auch der Versuch mit Herzog Konrad von Teck, einem Parteigänger Albrechts von Habsburg, einen Kompromißkandidaten zu finden, scheiterte, da
Konrad bereits am 1. oder 2. Mai 1292 unter ungeklärten Umständen verstarb157. Als Pfalzgraf Ludwig erkannte, daß er gegen den geschlossenen Widerstand der anderen Kurfürsten nicht ankam, stimmte er der Wahl Adolfs zu,
ohne dafür wesentliche Zugeständnisse für die Pfalzgrafschaft herauszuhandeln158. Da bei der Königswahl kein Majoritätsprinzip galt, hätte eine einzige auf Albrecht entfallende Stimme diesem als Vorwand dafür dienen können, gegen den von der Mehrheit gewählten Kandidaten kriegerisch vorzugehen159. Diesen zu erwartenden Bürgerkrieg wollte Pfalzgraf Ludwig vor allem
deshalb verhindern, weil dadurch wahrscheinlich sein in der Mitte des Reiches
gelegenes Land am meisten in Mitleidenschaft gezogen worden wäre160.
Nach der Wahl wurde dem Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein die Vergütungen
für die durch den Kurtag verursachten Kosten zugesichert. Adolf bezahlte die
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D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 49.
E r k e n s , Reich (wie Anm. 4) S. 35.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 312; MGH Const. III Nr. 441; RI VI,1 Nr. 2362a.
RI VI,2 Nr. 3.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 12.
K r i e g e r , Karl-Friedrich: Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart
1994, S. 77ff.
W o l f , Armin: König für einen Tag: Konrad von Teck. Gewählt, ermordet (?) und vergessen. Kirchheim unter Teck 21995 (Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck, Band 17) S. 67ff.
V o l k e r t (wie Anm. 146) S. 1263.
B ü h l e r (wie Anm. 99) S. 12.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 331.
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Summe von 3000 Mark Silber nach Kölner Gewicht, die Pfalzgraf Ludwig II. im
Rahmen der Eheschließung seiner Tochter mit Herzog Otto von Braunschweig
und Lüneburg brauchte. Diesem verpfändete Adolf dafür eine der Reichsstädte
Lübeck oder Goslar (wozu Boemund von Trier und Markgraf Otto von Brandenburg kraft ihres Fürstenamtes am 17. Mai 1292 ihre Zustimmung erteilten)161. Die Fahrt zur Krönung Adolfs nach Köln machte Pfalzgraf Ludwig –
wohl aufgrund seiner Enttäuschung über den Ausgang der Wahl – nicht mit.
Recht bald nach der Wahl König Adolfs von Nassau fand zwischen Ludwig und
Gerhard eine Besprechung über die durch die Wahl geschaffene Lage statt. Im
Zusammenhang damit versprach der Mainzer Erzbischof dem Pfalzgrafen
wahrscheinlich, eine Ehe zwischen Ludwigs Sohn Rudolf und Mechthild, der
Tochter des Königs, zu vermitteln162.
Nach der Königswahl Adolfs von Nassau war Albrecht von Habsburg sofort
nach Schwaben gezogen, um dort den Aufruhr niederzuschlagen und um zu
verhindern, daß diese Erhebung von Adolf unterstützt werde. Da die Lage
Albrechts in Österreich keineswegs rosig war, lag ihm viel daran, ungehindert
dorthin gelangen zu können. Er konnte allerdings seine oberen Lande nur verlassen, wenn ihm dort von König Adolf keine Gefahr drohte. Deshalb huldigte
er dem König, da er dann nicht mehr befürchten mußte, von diesem bekämpft
zu werden163. Für Adolf von Nassau bedeutete diese Verständigung mit seinem
Thronrivalen die Möglichkeit, eine selbständigere Politik zu betreiben, die sich
immer mehr der Kontrolle seiner kurfürstlichen Wähler entziehen konnte und
diese in letzter Konsequenz in Opposition zu dem von ihnen gewählten König
brachte164.
Bereits am 30. Juni 1292165 nannte Adolf Albrecht Herzog von Österreich,
Steier und Krain und war der Meinung, daß die Frage seines Herzogtums gegenüber Wenzel auf gütlichem Wege ins Reine zu bringen sei166. Wahrscheinlich
Ende November 1292 traf König Adolf von Nassau gemeinsam mit Erzbischof
Gerhard und Pfalzgraf Ludwig in Hagenau mit Herzog Albrecht von Österreich
zusammen. Gerhard und Ludwig versuchten, eine Annäherung Albrechts mit
Adolf zustandezubringen. Diese war von besonderem Wert, da Albrecht nach
wie vor die Reichsinsignien innehatte167. Der Aufbewahrungsort der Reichsinsignien war von alters her die Reichsburg Trifels168, die im Machtbereich des
Pfalzgrafen lag. Deshalb hatte dieser ein besonderes Interesse daran, Adolf von
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RI VI,2 Nr. 22; S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 372f; S t e h k ä m p e r (wie Anm. 54) S. 101;
G e r l i c h , Alois: König Adolf von Nassau. Reichspolitik am Rhein und in Schwaben 1293 und
1294. In: Nassauische Annalen 109 (1998) S. 3.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 79ff.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 73f.
K r i e g e r (wie Anm. 156) S. 81.
MGH Const. III Nr. 480.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 76f. Im Gegensatz dazu galt Meißen bei Adolf wirklich als
erledigtes Reichslehen.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 69ff. König Rudolf hatte die Reichsinsignien seinem Sohn
Albrecht zur Hut auf der Kiburg anvertraut, um sie diesem so zu sichern.
Dort sind sie seit den späteren Staufern in der Obhut von Reichsdienstmannen, besonders bei dem
Falkensteinischen Geschlecht.
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Nassau mit Albrecht von Habsburg auszusöhnen169. Albrecht wartete nicht die
Frist von Jahr und Tag zur Auslieferung der Reichsinsignien170 ab, sondern überreichte sie Adolf von Nassau schon fünf Monate nach der Krönung, brachte
dem König die Huldigung und erhielt direkt danach die Belehnung mit den
Herzogtümern Österreich und Steier, mit Krain, der Windischen Mark und der
Herrschaft Porderone171.
Erstaunlich dabei ist, daß über die Belehnung seines Kontrahenten Albrecht
von Habsburg mit Österreich - auf das ja auch König Wenzel II. von Böhmen
Ansprüche erhob - keine Urkunde überliefert ist. Die Ausstellung einer Belehnungsurkunde durch Adolf von Nassau hätte allerdings die Ausstellung von
Willebriefen nach sich ziehen müssen. Diese von Köln, Böhmen, Brandenburg
oder Sachsen anzufordern, wäre auf einen Machtkampf hinausgelaufen, den zu
dieser Zeit zu provozieren für den neuen König äußerst unklug gewesen wäre,
weswegen Adolf wahrscheinlich auf eine Belehnungsurkunde verzichtete und
beiden Beteiligten der zeremonielle Akt der Belehnung genügte172.
An der Belehnung Albrechts mit Österreich kann man erkennen, daß das
Versprechen Adolfs, das Herzogtum Österreich nur mit Zustimmung Erzbischofs Siegfried von Köln zu vergeben – mit welchem der Kölner kurz vor der
Wahl noch die Zustimmung Wenzels einholen wollte – für Adolf schon bald
nach der Wahl nicht mehr von Bedeutung war173.
Albrecht von Österreich schickte im März 1295 Bevollmächtigte zu Philipp
von Frankreich, um eine Verlobung zwischen den Häusern Capet und Habsburg
zustande zu bringen174, obwohl Adolf von Nassau gerade einen Reichskrieg gegen Frankreich vorbereitete. Später wurde dann eine Ehe zwischen der Schwester Philipps und Albrechts Sohn Rudolf vereinbart175.
Im November des Jahres 1295 gab es in Österreich - nach einem Gerücht
vom angeblichen Tod des schwer erkrankten Albrecht - eine Erhebung des
österreichischen Adels. Dieser Aufstand bot dem deutschen König die Gelegenheit, König Wenzel von Böhmen – zum Ausgleich für das nun von Adolf selbst
beanspruchte Meißen – die Reichspflege über Österreich anzubieten. Wenzel
lehnte dies aufgrund des Einspruchs seiner Frau Guta, einer Schwester Albrechts von Habsburg, ab und bekam wahrscheinlich im Zusammenhang damit
von Albrecht die Meißener Statthalterschaft für den Fall zugesichert, daß er
dem Habsburger zum Königtum verhelfen werde176.
Die im Juni 1297 in Prag bei der Krönung König Wenzels anwesenden Gegner König Adolfs forderten Albrecht von Österreich auf, mit Truppen an den
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S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 70f.
Heilige Lanze, Kreuz, Kaiserkrone, zwei Schwerter, Reichsapfel und Kaisermantel.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 72f; S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 383; T r a u t z (wie
Anm. 13) S. 9.
G e r l i c h , Reichspolitik (wie Anm. 161) S. 4ff.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 75.
S t r u c k (wie Anm. 92) S. 100.
S a m a n e k , Vincenz: Der angebliche Verrat Adolfs von Nassau. In: Historische
Vierteljahresschrift 29 (1934) S. 324.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 182ff.
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Rhein zu ziehen. Spätestens seit der Krönung Wenzels rüstete Albrecht also
konkret zum Sturz seines Gegners Adolf von Nassau177. Am 12. Februar 1298,
zu einer Zeit, zu der Adolf noch deutscher König war, versprach Albrecht dem
Böhmenkönig, ihm nach seiner Wahl zum deutschen König für die Summe von
50 000 Mark Eger und das Pleißnerland verpfänden zu wollen. Dies war das erste schriftliche Wahlversprechen Albrechts178. Der Habsburger sollte im Mai
1298 mit einem Heer nach Mainz ziehen, um die Versammlung der Kurfürsten,
die in Mainz Adolfs Absetzung und die Wahl Albrechts beschließen wollte, vor
König Adolf zu schützen179. Da er es nicht schaffte rechtzeitig zu erscheinen,
wurde die Verhandlung auf den 15. Juni vertagt. Am 23. Juni 1298 wurde König
Adolf dann vom Mainzer Erzbischof im Namen der Kurfürsten von Köln, Böhmen, Brandenburg, Sachsen und Pfalz für abgesetzt erklärt.
Am gleichen Tag wurde Albrecht, der der einzige war, der den abgesetzten
König überwinden konnte, zum neuen König gewählt. Mit eigenen, aus Böhmen und Ungarn verstärkten Streitkräften war Albrecht nach Westen aufgebrochen. Er erhielt weiteren Zuzug aus Süddeutschland und Kärnten180.
Da Albrecht wußte, daß Adolf von Nassau aufgrund seiner Verbitterung und
aus Angst, die Fühlung zu seinem Gegner zu verlieren, jede sich ihm bietende
Gelegenheit zum Kampf nutzen würde, suchte er sich für die Entscheidungsschlacht ein für ihn günstiges Terrain, welches er bei Göllheim auf dem Hasenbühl fand181. In der Ritterschlacht am 2. Juli 1298 soll Adolf von Nassau
zunächst eine Wunde am Kopf erhalten haben. Als er sich daraufhin ohne Helm
erneut ins Geschehen stürzte, wurde er höchstwahrscheinlich von dem Raugrafen Konrad von Stolzenberg und dem Wildgrafen Christian Kuchimeister
getötet182.
Um die Fiktion, daß Adolf vom Tage seiner Absetzung an nicht mehr König
gewesen sei, aufrechtzuerhalten, erlaubte Albrecht nicht, den Toten in der Kaisergruft des Speyerer Domes zu bestatten, so daß Adolf seine erste Ruhestätte
im nahe bei Göllheim gelegenen Zisterzienserinnenkloster Rosenthal fand183.
Die Wahl Albrechts von Habsburg zum deutschen König wurde dann, auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin, am 27. Juli 1298 in Frankfurt mit einstimmigem
Ergebnis wiederholt184.
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P a t z e (wie Anm. 20) S. 135.
H a i d e r (wie Anm. 6) S. 156.
S c h m a l e , Franz-Josef: Eine thüringische Briefsammlung aus der Zeit Adolfs von Nassau. In:
Deutsches Archiv zur Erforschung des Mittelalters 9 (1951) S. 486.
G e b h a r d t (wie Anm. 3) S. 497.
B ü h l e r (wie Anm. 99) S. 18.
K r i e g e r (wie Anm. 156) S. 86.
B ü h l e r (wie Anm. 99) S. 24. Die Verweigerung einer Bestattung in der Kaisergruft geschah also
aus reinem politischen Kalkül und nicht aus Haß oder Rache über den Tod hinaus, wie es im 19.
Jahrhundert häufig dargestellt wurde.
REM Nr. 531 und 532. Hier waren alle Kurfürsten anwesend, auch Erzbischof Boemund von Trier
und Rudolf von der Pfalz.
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4. Der Versuch einer eigenen Hausmachtpolitik König
Adolfs von Nassau
4.1 König Adolfs faktische Regierungsübernahme in der Pfalzgrafschaft
Obwohl der Gedanke einer Verlobung zwischen einer Tochter Adolfs von
Nassau und Rudolf, dem Sohn des Pfalzgrafen Ludwig II. bei Rhein, bereits
1292 zu Worms erörtert worden war, schloß Adolf erst nach Ludwigs Tod am
19. März 1294 mit Rudolf einen schriftlichen Ehevertrag ab, in dem sich Adolf
das Recht der Einflußnahme auf Rudolfs Land und Beamte sicherte185. Ein
Grund für diesen langen Zeitabstand war, daß die Verlobung längere Zeit am
Widerstand Rudolfs und seiner Mutter Mathilde (einer Schwester Albrechts)
scheiterte. Diese ablehnende Haltung war einerseits damit zu begründen, daß
diese Verbindung Albrecht nicht recht sein konnte, und andererseits Rudolf bereits für die Tochter des Markgrafen Otto des Langen von Brandenburg vorgesehen war. Freunden gelang es dann, Mutter und Sohn zur Einwilligung in die
Ehe Rudolfs mit der Tochter Adolfs zu bewegen186. Nachdem sich Pfalzgraf Rudolf dann aber gegen seinen Onkel Albrecht von Österreich und für die Seite
Adolfs von Nassau entschieden hatte, blieb er bis zur Schlacht bei Göllheim
treu an dessen Seite187.
Anfang Januar 1294 wurde Pfalzgraf Ludwig zu Adolf an den Rhein gerufen,
um zwischen diesem und Herzog Albrecht zu vermitteln, denn Adolf hatte sich
verpflichtet, bis zum 6. Januar König Wenzel von Böhmen in der österreichischen Frage zu befriedigen. Ludwigs Reise an den Rhein sollte allerdings nicht
nur eine Verständigung zwischen Adolf und Albrecht anbahnen, sondern diente
auch dazu, die Frage der Verlobung von Rudolf mit Mechtild endlich zu klären188.
Pfalzgraf Ludwig II. starb am 1. oder 2. Februar 1294. und hinterließ die
Herrschaft seinen zwei Söhnen Rudolf und Ludwig189. Zunächst regierte Rudolf
I. vormundschaftsweise für seinen zwölfjährigen Bruder mit190. Dann kam es
zwischen Rudolf und seiner Mutter (als Vormünderin seines Bruders Ludwig) zu
einer Erbteilung, bei der Rudolf die Kur mit der Rheinpfalz und seine Mutter
einen Teil des oberbayrischen Besitzes erhielt191.
Der Tod des alten Pfalzgrafen Ludwigs II. im Jahre 1294 verursachte einen
Bruch in der Politik der Pfalzgrafschaft. Auf den umsichtigen, im politischen
Geschäft erfahrenen alten Pfalzgrafen folgte der junge, unerfahrene Rudolf, der
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S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 82f; S t r u c k (wie Anm. 92)S. 80.
Wahrscheinlich der Graf von Öttingen und Burggraf Friedrich von Nürnberg. S a m a n e k , Studien
(wie Anm. 9) S.109f und S. 79 Anm. 3.
P e t r y , Ludwig: Das politische Kräftespiel im pfälzischen Raum vom Interregnum bis zur französischen Revolution. In: Rheinische Vierteljahresblätter 20 (1955) S. 90 Anm. 39.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 108ff.
Der spätere Deutsche Kaiser Ludwig IV. der Bayer (1314-1347).
S c h a a b , Meinrad: Die Festigung der pfälzischen Territorialmacht im 14. Jahrhundert. In: P a t z e / S c h l e s i n g e r (wie Anm. 23) S. 174; G e r l i c h , Reichspolitik (wie Anm. 161) S. 58.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 112.
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in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
sich bedenkenlos seinem Schwiegervater fügte, was für diesen einen erheblichen Machtzuwachs bedeutete192. Dies trat am 19. März 1294 zu Ulm193 deutlich zutage, als König Adolf von Nassau und Pfalzgraf Rudolf den Ehevertrag
bezüglich der Eheverbindung zwischen dem neunzehnjährigen Rudolf und
Adolfs sechzehn- oder siebzehnjähriger Tochter Mechthild schlossen194. Rudolf
wies am 19. März die Morgengabe seiner Braut an, die aus folgendem bestand:
Kaub195 und die als kölnische Lehen bzw. Pfandschaften in pfalzgräflichen Besitz gekommenen Orte Fürstenberg, Stahleck, Stahlberg196, Diebach und Bacherach197 sowie Burg und Stadt Heidelberg. Es erscheint fraglich, ob Adolfs
Tochter auch zu Lebzeiten Ludwigs alle diese Güter zugesprochen bekommen
hätte. Dadurch, daß Ludwig II. gestorben war, hatte Adolf auch die Gelegenheit, die Reichslehen der Pfalzgrafen zu ermitteln, auf die er Mechtilds Mitgift
sicher stellen wollte198. Sollte sich dabei herausstellen, daß die im Besitz des
Pfalzgrafen befindlichen Reichsgüter den Wert von 10000 Mark Regensburger
Gewichtes überstiegen, so konnte Adolf über den Überschuß frei verfügen, was
man durchaus als verschleierte Revindikation bezeichnen kann199.
Politisch und verwaltungsrechtlich kam diese Heiratsabmachung und der am
gleichen Tag abgeschlossene Bündnisvertrag200 der Unterwerfung des neunzehnjährigen Rudolf unter die Vormundschaft König Adolfs gleich201. Es muß
von dem jungen, in den komplizierten reichspolitischen Verstrickungen unerfahrenen Pfalzgrafen Rudolf allerdings nicht unbedingt als negativ empfunden
worden sein, daß Adolf - der seine politischen Fähigkeiten ja beim Lockern der
fesselnden Wahlversprechungen gegenüber dem Kölner und Mainzer Erzbischopf unter Beweis gestellt hatte - quasi vormundschaftlich über die Pfalzgrafschaft mitregierte. Mit der faktischen Regierungsübernahme in der Pfalzgrafschaft durch Adolf von Nassau hatte dieser es endgültig geschafft, sich aus den
Fesseln seiner Wahlversprechen zu befreien, um selbständig agieren zu können202.
Am 1. oder 2. September 1294 wurde die Hochzeit gefeiert. Der Verpflichtung, die Mitgift Mechthilds auf Reichsgüter anzuweisen, die Ludwig besessen
hatte, kam Adolf erst am 17. Juli 1297 nach, als er Rudolf für die ausgemachten
192
193
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195
196
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199
200
201
202
G e r l i c h , Reichspolitik (wie Anm. ) S. 58; G e r l i c h , Alois: Die Rheinische Pfalzgrafschaft in der
frühen Wittelsbacherzeit. In: G l a s e r , Hubert (Hrsg.): Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. bis
zu Ludwig dem Bayern (=Wittelsbach und Bayern I,1) München 1980, S. 212f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) Urkundenanhang Nr. 21; RI VI,2 Nr. 385.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 106ff.
Ludwig II. hatte noch am 6. Januar 1294 den Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen zum Burgmann
in Kaub bestellt.
REK III Nr. 1099 vom 1. Dezember 1243.
Regesten der Pfalzgrafen am Rhein, Erster Band 1214-1400, bearbeitet von Adolf K o c h und Jakob
W i l l e , Innsbruck 1894 (Fortan als RPG), Nr. 1712 vom 6. Juli 1313.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 112f; sowie Urkundenanhang Nr. 21.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 109.
RPG Nr. 1319.
V o l k e r t (wie Anm. 146) S. 1263.
G e r l i c h , Reichspolitik (wie Anm. 161) S. 58ff; P a t z e (wie Anm. 20) S. 110.
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10 000 Mark die Güter Neumarkt, Berngau, Hersbruck, Velden, Lauingen, Beuren und Landesfrid zu Pfand anwies203.
Bei dem Kurfürstentag am 23. Juni 1298, auf dem unter der Führung des
Mainzer Erzbischofs fünf Kurfürsten den König für abgesetzt erklärten, versuchte der junge Pfalzgraf Ludwig, der – im Gegensatz zu seinem Bruder Rudolf – Adolfs Widersacher Albrecht unterstützte204, die pfälzische Kurstimme
dem Kurfürsten Albert von Sachsen zu übertragen205. Pfalzgraf Ludwig fühlte
sich eher als Enkel Rudolfs von Habsburg, Pfalzgraf Rudolf vor allem als
Schwiegersohn Adolfs von Nassau. Rudolf I. von der Pfalz blieb treu an der
Seite seines Schwiegervaters und kämpfte mit diesem am 2. Juli 1298 in der
Schlacht bei Göllheim gegen Albrecht von Österreich206.
4.2 König Adolfs Griff nach Thüringen und Meißen
Ein weiterer Schritt bei dem Versuch Adolfs von Nassau eine eigene Hausmachtspolitik zu betreiben, war der Erwerb von Thüringen und Meißen. Beim
Tod Friedrich Tutos 1291 teilten Landgraf Albrecht der Entartete und seine
Söhne Friedrich der Freidige und Diezmann das Erbe unter sich: Friedrich der
Freidige folgte in der Mark Meißen. Albrecht erhielt zum größten Teil die Mark
Landsberg, den Rest (der später den Namen Osterland führte) teilten sich Friedrich und Diezmann, wobei Friedrich der Freidige Meißen und einen kleinen
Anteil Osterlands und Diezmann den Hauptteil Osterlands erhielt207.
Landgraf Albrecht hatte im August 1291 den nördlichen Teil der Markgrafschaft Landsberg an Otto mit dem Pfeil von Brandenburg verkauft208. Aus
Angst, daß Albrecht auch Thüringen verkaufen könnte, erzwang Diezmann am
28. September 1293 in dem Vertrag von Triptis die künftige Nachfolge in
Thüringen von seinem Vater durch einen förmlichen Kauf209. Dabei verpflichtete sich Diezmann zur Zahlung von mehr als 15 000 Mark, wovon sein Vater allerdings nur 1000 Mark in bar erhielt; die restliche Summe diente zur
Wiedereinlösung von Pfandschaften210.
203
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208
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210
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 114 und Urkundenanhang Nr. 35.
Nach Albrechts Sieg als deutscher König über die Kurfürsten erzwang dieser dann auch die
Mitregierung Ludwigs mit Rudolf. S p i e ß , Karl-Heinz.: Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter (=Veröffentlichungen des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz, Band 18), Wiesbaden 1978, S. 12.
V o l k e r t (wie Anm. 146) S. 1263.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 18.
S c h l e s i n g e r , Walter: Zur Geschichte der Landesherrschaft in den Marken Brandenburg und
Meißen während des 14. Jahrhunderts. In: P a t z e , Hans: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert II, Sigmaringen/München 1971, S. 105; L e i s t (wie Anm. 23) S. 54; S a m a n e k , Studien
(wie Anm. 9) S. 119.
Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause, bearbeitet von Hermann
K r a b b o und Georg W i n t e r , (Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg), Berlin 1955 (Fortan als RMB), Nr 1519; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 121; W e g e l e
(wie Anm. 25) S.152.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 121f.
L e i s t (wie Anm. 23) S. 56.
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Landgraf Albrecht der Entartete kam im April 1294211 an den Hof König
Adolfs nach Nürnberg und verkaufte diesem am 23. April für den Fall seines
Todes die Landgrafschaft Thüringen. Es erscheint durchaus wahrscheinlich, daß
Albrecht durch den von Diezmann aufgezwungenen Vertrag von Triptis vom
29. September 1293 Angst bekam, noch zu Lebzeiten völlig verdrängt zu werden, und daß er sich durch den Verkauf an Adolf davor schützen wollte, weswegen er sich ja auch die Nutzung auf Lebzeiten vorbehielt212. Die Bezahlung des
Kaufpreises von 12000 Mark Silber hatte in zwei Raten zu erfolgen, wovon die
erste bis zum 24. Juni 1294, die zweite bis zum 11. November 1295 zu erfolgen
hatte. Bei der Bezahlung der ersten Rate von 8000 Mark kam es Adolf mit Sicherheit zustatten, daß der Sommer 1294 auch die Zeit war, in der er das Bündnis mit Eduard von England abschloß und von daher größere Summen von englischen Subsidien erwarten konnte213, für die zweite Rate von 4 000 Mark verpfändete Adolf die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen an den Landgrafen. Diese Verpfändung galt ebenfalls nur für Albrechts Lebenszeit, wodurch
die Absicht beim Kauf Thüringens, Friedrich und Diezmann vom Erbrecht auszuschließen, noch klarer zutage tritt214. Diese Verpfändung der Reichsstädte
Mühlhausen und Nordhausen, über die Gerhard II. im Jahre 1292 die Reichsverweserschaft erhalten hatte, war eindeutig ein Affront gegen den Mainzer
Erzbischof215.
Der Verkauf Thüringens erregte den Widerspruch der beiden Söhne Albrechts des Entarteten. Vor allem Diezmann berief sich auf sein Erbrecht und
auf den Anspruch aufgrund seines Kaufvertrages216. Nach Reichsrecht handelte
es sich formal allerdings nicht um einen Verkauf sondern um eine Auflassung
des Lehens, die im Ermessen des Lehensträgers stand. Es wurden also keine juristischen Rechte der Söhne Albrechts verletzt217. Erzbischof Gerhard legte
ebenfalls218 in aller Form Protest gegen die dadurch verbundenen Beeinträchtigungen seiner Interessen ein. In diesem Schreiben beschwerte er sich deutlich,
daß die Lehen, die der Landgraf von ihm in Thüringen gehabt habe, samt der
Landgrafschaft an den König verkauft worden seien, appelierte daher an den
Papst und behielt sich Selbsthilfe vor219. Der Protest des Erzbischofs führte
211
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218
219
W e g e l e (wie Anm. 25) schreibt noch 1293, jedoch hat S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 122ff,
überzeugend klargelegt, warum dies nicht bereits 1293 passiert sein kann.
S c h m a l e (wie Anm. 179) S. 475f
Es läßt sich nicht nachweisen, ob die englischen Gelder direkt für den Kauf Thüringens verwendet
wurden; indirekt aber aben sie sicher dazu beigetragen. In P a t z e / S c h l e s i n g e r : II,1 (wie Anm.
23) S. 60 wird sogar mit Bestimmtheit angenommen, daß die englischen Hilfsgelder (fast 25000
Pfund) für den Ankauf Thüringens verwendet wurden.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 125.
L e i s t (wie Anm. 23) S. 59; W e g e l e (wie Anm. 25) S. 194.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 124.
S c h m a l e (wie Anm. 179) S. 476 Anm. 53.
V o g t hält sich in den REM noch an Wegeles (wie Anm. 25) Datierung für den Verkauf Thüringens
im Jahre 1293 und legt deshalb das Protestschreiben Gerhards, dessen Datum nicht bekannt ist,
fälschlicherweise in den April des Jahres 1293.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 123; REM Nr. 857; L e i s t (wie Anm. ) S. 58.
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dazu, daß König Adolf, nachdem er die wettinischen Lande bis 1296 in zwei
Feldzügen erobert hatte, wieder den Edlen Gerlach von Breuberg an des Mainzers Stelle als Reichspfleger in Thüringen einsetzte220.
König Adolf betrachtete die Mark Meißen als heimgefallenes Reichslehen,
wie dies, da offenbar eine Gesamtbelehnung nicht vorlag, nach den Regeln des
Reichslehnrechts rechtmäßig war. Adolf war gerne bereit, die sich ihm dadurch
bietende Gelegenheit zu nutzen, um seine schwache Stellung im Reich zu verbessern221. König Wenzel II. von Böhmen berief sich ebenfalls darauf, daß diese
Mark nach Lehenrecht heimgefallen war, und hatte deshalb seine Stimme bei
der Königswahl von der Berücksichtigung seiner Ansprüche auf Meißen abhängig gemacht222.
Ebenso kann man die Inbesitznahme Meißens durch einen möglicherweise
stattgefundenen Kauf Meißens von Albrecht begründen: Adolf erkannte die
Rechte Albrechts an Meißen an, so daß dieser der Lehensinhaber wurde. Im
gleichen Moment gab er ihm Geld dafür, daß er – wie im Falle Thüringens –
sein Lehen dem Reich aufließ. Mit diesem Verfahren war beiden gedient: Adolf
wurde der rechtmäßige Eigentümer der Mark, und Albrecht konnte seine desolate Finanzlage aufbessern. Wenn er Meißen als heimgefallenes Reichslehen betrachtet hätte, dann wäre Adolf verpflichtet gewesen, dieses neu zu verleihen
und nicht einfach seinem Vetter Heinrich zur Statthalterschaft zu übergeben,
denn damit hätte er sich eines Bruches von Reichsrecht schuldig gemacht, welcher von Gerhard sicher auch in der Absetzungsurkunde, in der doch sonst nur
fadenscheinige Vergehen Adolfs aufgelistet wurden, erwähnt worden wäre. Als
sinnvolle Erklärung, warum dies nicht erwähnt wird, bleibt der legale Kauf
Meißens223. Da Albrecht im Gegensatz zu Thüringen nicht im Besitz der Markgrafschaft Meißen war, erscheint es auch glaubwürdig, daß über den Verkauf
Meißens im Gegensatz zu Thüringen so wenig Nachrichten übermittelt sind224.
Aus einer Urkunde des Jahres 1294225ist zu erfahren, daß Adolf von Nassau
den Markgrafen von Brandenburg Geiseln gestellt hatte, ohne den Anlaß genauer zu erläutern. Da der Nassauer Graf und der brandenburgische Kurfürst
keine engen politischen Verbindungen hatten, ist es unwahrscheinlich, daß dies
auf eine vor der Wahl Adolfs liegende Angelegenheit zurückgeht226. Dahingegen mußte Adolf als König großes Interesse daran gehabt haben, dem Brandenburger zu versichern, daß seine Expansion in Thüringen nicht gegen Brandenburg gerichtet sein sollte227.
220
221
222
223
224
225
226
227
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 126.
W e g e l e (wie Anm. 25) S. 161 und S. 167f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 115f.
S c h m a l e (wie Anm. 179) S. 478ff.
T r a u t z (wie Anm. 13) S. 17.
RI VI,2 Nr. 390.
Wie S a m a n e k zu RI VI,2 Nr. 390 vermutet.
S c h u b e r t (wie Anm. 70) S. 353.
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In Sachsen wurde wie in Thüringen zu Beginn des Jahres 1295 auf einem
Hoftag in Mühlhausen ein Richter über den Landfrieden gesetzt. König
Adolf betraute damit in Sachsen den Markgrafen Otto IV. mit dem Pfeil228. Die
Gefolgschaft der beiden Markgrafen Otto mit dem Pfeil und Otto dem Langen
wurde auch dadurch deutlich, daß sie Adolf bei seinem ersten thüringisch-meißnischen Kriegszug begleiteten229. Pfalzgraf Rudolf begleitete seinen Schwiegervater ebenfalls auf dessen Feldzügen nach Thüringen und Meißen230. Obwohl er
zu dieser Zeit gute Beziehungen zu Adolf von Nassau hatte, nahm der Kölner
Erzbischof Siegfried von Westerburg am Feldzug des Königs gegen Thüringen
nicht teil, sondern nutzte diesen dazu, ins märkische Land einzufallen, so daß
Graf Eberhard von der Mark, der an Adolfs Seite gekämpft hatte, heimkehren
mußte231.
Am 22. September 1294 begann der erste Feldzug in Thüringen, Osterland
und der Mark Meißen, in die Adolf von Süden einrückte und wo er Friedrich
den Freidigen verdrängte. Diezmann konnte sich allerdings in der Lausitz halten wohin Adolf nicht vordrang. Adolfs Heer, daß aus rheinischen und schwäbischen Söldnern bestand, führte den Krieg in den Wettiner Ländern äußerst
brutal und auf Kosten der betroffenen Bevölkerung232. Bei seinen Feldzügen
benutzte Adolf Gerlachs Beziehungen und Landeskenntnisse in Thüringen und
betraute ihn mit einer führenden Rolle. Im Jahre 1296 bestellte er ihn dort zum
Hauptmann des Landfriedens233.
Anfang des Jahres 1295, am 24. Januar, teilte Adolf von Nassau Eduard von
England mit, daß er jetzt durch die Unterwerfung der Wettinischen Gebiete zu
einem Vorgehen gegen Frankreich freie Hand habe234. Da diese Einschätzung
der Situation zu optimistisch war, brach Adolf Ende August des Jahres 1295 zu
einer zweiten Heerfahrt nach Thüringen auf. Im Lager vor Kreuzburg traf
Adolf nochmals mit Erzbischof Gerhard von Mainz zusammen, um sich über
Thüringen zu besprechen. In Altenburg im Pleißnerland wollte Adolf zu Verhandlungen mit Friedrich dem Freidigen zusamentreffen, was dadurch verhindert wurde, daß Männer aus dem Gefolge Adolfs einen Anschlag auf diesen
unternommen hatten, dem er gerade noch entkommen konnte. Von dort aus
zog Adolf weiter in die Mark Meißen, um sich auch diese zu unterwerfen235.
Friedrich blieb noch bis zum Sommer 1296 im Lande, dann ging er ins Exil nach
Tirol.
228
229
230
231
232
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234
235
L e i s t (wie Anm. 23) S. 62, P a t z e (wie Anm. 20)S. 120.
W e g e l e (wie Anm. 25) S. 183 Anm. 2 und S. 198.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 117.
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 311 Anm. 55; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 362.
L e i s t (wie Anm. 23) S. 59 und S. 62; K r i e g e r (wie Anm. 156) S. 83.
S t r u c k (wie Anm. 92) S. 77.
MGH Const. III Nr. 526; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 148; L e i s t (wie Anm. ) S. 63.
Über dieses heimgefallene Reichslehen hätte Adolf eigentlich nur mit Zustimmung der Kurfürsten
verfügen dürfen. L e i s t (wie Anm. 23) S. 65.
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Nach Adolfs zweitem Thüringenfeldzug konnte der König eigentlich recht
zufrieden sein. Als er im Juni 1296 nach Frankfurt zog, ließ er in Meißen und im
Osterland seinen Onkel Heinrich von Nassau als Stellvertreter und in Thüringen Gerlach von Breuberg als Reichsstatthalter zurück. Gerlach stand dabei in
enger Verbindung zu dem nominellen Landesherren Albrecht dem Entarteten
von Thüringen, der in dieser Zeit keine eigenen politischen Akivitäten entwickelte236. Nachdem Albrecht von Österreich im März 1298 die Feindseligkeiten gegen Adolf eröffnet hatte und dieser somit gebunden war, kehrte Friedrich
der Freidige allerdings aus dem Exil zurück und nahm zusammen mit Diezmann den Kampf um Osterland und Meißen wieder auf237. Doch war das Ergebnis des Krieges in Meißen und Thüringen 1296 für König Adolf geringer als
die Nachteile, die durch die Feindschaft der beiden Kurfürsten von Mainz und
Böhmen mit Adolf entstanden, welche beide ihre ureigensten Interessen verletzt sahen238.
5. Unterstützung für König Adolf von Nassau
Weil Adolf von Nassau im Limburger Erbfolgestreit in der Schlacht bei Worringen am 5. Juni 1288 zusammen mit Erzbischof Siegfried in die Gefangenschaft des Herzogs Johann I. von Brabant fiel, hoffte der Kölner, durch die
Wahl Adolfs zu verhindern, daß der Anfall Limburgs an Brabant vom Reich genehmigt würde. Entsprechend hatte Adolf dem Kölner geloben müssen, ohne
Siegfrieds Einwilligung weder über das heimgefallene Limburg zu verfügen,
noch sich den Herzog von Brabant zum Freund zu machen239. Im Vertrag von
Andernach240 sagte König Adolf von Nassau dem Erzbischof Siegfried von
Köln zu, dessem Verbündeten, dem Grafen Walram von Jülich, gegen die Söhne
seines Bruders Wilhelm, falls sie ihn wegen der Jülicher Grafschaft behelligten,
beizustehen und ihn in derselben zu erhalten. Dies auch gegen den Widerstand
des Herzogs von Brabant und des Grafen von Flandern. Die Stadt Düren und
das Aachener Schultheißenamt sollte Adolf dem Grafen von Jülich auf Veranlassung des Kölners überlassen. Dies war ein von Siegfried beabsichtigter Affront gegen den Herzog von Brabant, der die Obervogtei über Aachen und damit das Ernennungsrecht für Schultheißen für sich beanspruchte241. Dieser Verpflichtung entsprechend, verpfändete Adolf von Nassau dann am 12. September
1292 dem Grafen Walram von Jülich, das Aachener Schultheißenamt für 1050
Mark Aachener Pfennige242.
236
237
238
239
240
241
242
L e i s t (wie Anm. 23) S. 63ff; Z i e h e n (wie Anm. 110) S. 9.
L e i s t (wie Anm. 23S. 70; S c h m a l e (wie Anm. 179) S. 484.
S t r u c k (wie Anm. 92S. 99.
MGH Const. III Nr. 474.
REK Nr. 3354.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3 S. 326.
RI VI,2 Nr. 80; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 335; S t e h k ä m p e r (wie Anm. 54) S. 102.
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Abb. 4:
Lageplan des Königskreuzes in der Nähe von Göllheim.
Aus: Johann Georg Hag e lg an s (wie Abb. 1).
Obwohl der Kölner Erzbischof dies zu verhindern suchte, näherten sich Adolf
von Nassau und Johann I. von Brabant einander an. Dabei leisteten Erzbischof
Boemund von Trier und Eberhard von Katzenelnbogen wertvolle Vermittlerdienste. Adolf von Nassau überließ die Entscheidung über die Limburger Belehnungsfrage einem dem Herzog günstig gesonnenen Schiedsgericht. In dessen
Schiedsspruch vom 30. Juni 1292 wird Johann I. daher schon von vorneherein
Herzog von Limburg genannt243. Der Schiedsspruch besagte weiterhin, daß diese
243
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.45f.
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Güter binnen zweier Wochen Johann zu verleihen seien, wie sie die früheren
Limburger Herzöge besessen hätten. In derselben Frist wollten die Schiedsrichter eine Entscheidung über einen zwischen Herzog und König zu schließenden
Freundschaftsbund fällen, den sie in beider Auftrag zustande bringen sollten.
Die vollzogene Hinwendung Adolfs zu Johann I. bezeugen die am 1. September
1292 erfolgten königlichen Bestätigungen aller Lehen, Rechte, Freiheiten, Verleihungen und Rechtsansprüche, welche die Vorfahren Herzog Johanns von
Lothringen, Limburg und Brabant von früheren Königen und Kaisern verbrieft
erhielten. Diese Hinwendung geschah, um sich aus den Fesseln des Andernacher
Vertrages und damit des Erzbischofs von Köln zu befreien, was am besten dadurch gelang, daß er den erklärten Feind des Kölners, den bedeutendsten Fürsten des Niederrheins, stärkte. Außerdem kam dem Brabanter eine wichtige Aufgabe bei den Reichsbesitzungen an der französischen Grenze zu244.
Im Gegenzug zu Adolfs Versprechen vom 13. September 1292 dem Kölner
Erzbischof gegenüber bestätigte Adolf am 15. September Johann I. von Brabant
erneut seine Lehen und Rechte245, nahm ihn am 21. September 1292 mit der
Zusage, die herzoglichen Rechte überall zu wahren, unter seine Familiaren
auf246 und verpfändete ihm am 22. September 1292 für 16000 Mark den Kaiserswerther Zoll und fast allen Reichsbesitz, der Siegfried am 13. September zugesprochen worden war247.
Am 2. Oktober 1292 erneuerte König Adolf von Nassau auf dem Hoftag zu
Köln den Landfrieden König Rudolfs von 1287, ließ ihn auf 10 Jahre beschwören und ernannte Johann I. in diesen Gebieten zu dessen obersten Hüter248. In Verbindung damit übertrug er am 18. November 1292 dem Herzog die
Reichspflege über das gesamte Landfriedensgebiet am Niederrhein249. Die Übertragung der Reichspflege an Johann I. von Brabant sollte nicht nur den Kölner
Erzbischof schwächen, sondern vielmehr Adolf von Nassau den Rücken freihalten, indem im Nordwesten des Reiches ein zuverlässiger Partner einge-setzt
wurde, so daß der König von dort keine unangenehmen Überraschungen befürchten mußte250. Von der am 22. September für das gleiche Gebiet vorgesehenen Verpfändung des Reichsgutes an Herzog Johann I. für 16 000 Mark
Kölner Pfennige ist in diesem Zusammenhang keine Rede mehr, da sie ja gegen
die gleichlautenden Rechte Erzbischof Siegfrieds verstieß, die Adolf von Nassau diesem am 4. Oktober 1292 bestätigen mußte251. Deshalb wurden gegenüber Johann I. keine finanziellen Rechte mehr angesprochen, sondern auf die in
demselben räumlichen Umfang verliehene Reichspflege zurückgegriffen und
244
245
246
247
248
249
250
251
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 332f.
RI VI,2 Nr. 83.
RI VI,2 Nr. 89.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 339.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 66; MGH Const. III Nr. 488.
MGH Const. III Nr. 494.
G e r l i c h , Reichspolitik (wie Anm.161S. 8.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 66; S t e h k ä m p e r (wie Anm. 54) S. 102; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 340ff.
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dabei an die Übertragung der Landfriedensbefugnisse angeknüpft. Diese Stellung bot ihm genug Gelegenheit, seine territorialen Interessen durchzusetzen.
Damit war nicht nur der Brabanter gegen den Kölner gestärkt, sondern außerdem der mächtigste Fürst am Niederrhein - der einerseits als einziger die Mittel
besaß und andererseits als Landesherr der Brabanter Kaufleute selbst Interesse
am Frieden hatte - für das Wohl des Reiches eingespannt252.
Die Gründe Adolfs für eine Unterstützung des Herzogs von Brabant liegen
klar auf der Hand: Adolf stand stark unter dem Druck der Wahlversprechen,
die er Siegfried hatte machen müssen, so daß es nur in seinem Interesse sein
konnte, Siegfrieds ärgsten Gegner, den mächtigsten Fürsten am Niederrhein, zu
stärken, damit dieser Siegfried schwächen möge und Adolf sich so aus der
drückenden Abhängigkeit seiner Wahlversprechen an den Kölner befreien
konnte. Ebenfalls förderlich für die Annäherung Adolfs an den Brabanter war
die Fürsprache des Grafen von Hennegau, der sich Johann I., welcher schon seit
König Rudolf das Amt eines Schiedsrichters zwischen Hennegau und Flandern
innehatte, nicht zum Gegner machen wollte253.
Johann I. von Brabant starb im Mai 1294, und sein Sohn Johann II., der seit
1290 mit Margarete, einer Tochter des Königs von England, verheiratet war,
wurde neuer Regent im Herzogtum Brabant. Am 13. August 1294 ließ König
Eduard an Herzog Johann II. von Brabant 22000 Pfund Sterling für Soldzahlungen zahlen, die für Hilfe aus Savoyen und Burgund bei der Heerfahrt gegen
Philipp gedacht waren und nach dem Willen des Grafen von Savoyen verwendet
werden sollten. Diese Geldsendung war vor allem zu Werbezwecken gedacht254.
Johann II. verpflichtete sich am 23. April 1295 in einem Soldvertrag, dem englischen König für 40000 Pfund Sterling mit 2000 Reitern ein halbes Jahr gegen
Frankreich Dienste zu leisten. König Eduard legte Wert darauf, daß sich Johann
II. von Brabant wegen des Soldverhältnisses auch gleichzeitig in ein besonderes
Dienstverhältnis zu dem deutschen König stellen sollte255.
Auch die für Adolf von Nassau sehr fruchtbare Beziehung zum Landgrafen
Heinrich I. von Hessen hatte ihren Anfang in Adolfs Wahlversprechen an einen
der rheinischen Erzbischöfe. Heinrich I. von Hessen und der Mainzer Erzbischof
Gerhard II. von Eppstein nahmen zueinander Verbindung auf und beendeten die
bestehenden Differenzen zwischen Mainz und Hessen. Der hessische Landgraf
unterstützte Gerhard in seinen reichspolitischen Plänen 256– dies vor allem in bezug auf die gemeinsame Gegnerschaft zu Braunschweig – und damit Gerhard für
die Durchsetzung seiner Interessen in Thüringen den Rücken frei hatte257.
252
253
254
255
256
257
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 343.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.46f.
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 305ff; P a t z e (wie Anm. 20) S. 114.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 137f.
D e m a n d t , Karl E.: Geschichte des Landes Hessen, Kassel/Basel 1972, S. 186; E n g e l b e r t , Günther: Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand bis zum Ausgang des Mittelalters, Dissertation
Marburg 1948, S. 33.
V o g t , Ernst: Mainz und Hessen im späten Mittelalter. In Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins, Band XXI (1913) S. 13 und S. 16.
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Martin Mattheis: Das Verhältnis der deutschen Fürsten und Grafen zu König Adolf von Nassau (1892-1298),
in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
Gerhard II. forderte von Adolf von Nassau die Erhebung des Landgrafen
von Hessen zum Reichsfürsten, um auf den von ihm angestrebten Ausgleich mit
Hessen stabilisierend zu wirken und das neue Fürstentum in eine von Mainz geführte Koalition gegen Braunschweig einzufügen258. Die Erhebung Heinrichs
von Hessen zum Reichsfürsten wurde zu Frankfurt durch einen königlichen
Brief vom 11. Mai 1292 verkündet259. Dies vollzog sich formal in der Weise,
daß der Landgraf dem Reich die Stadt Eschwege mit der Boyneburg zu Lehen
auftrug und vom König als Reichslehen mit der daran geknüpften Fürstenwürde
zurückerhielt260. Boyneburg war Reichsgut und das angebliche Allod Eschwege
entfremdetes Reichsgut261. Diese beiden Orte waren die einzigen Reichslehen
des Landgrafen262. Boyneburg und Eschwege blieben im folgenden die einzige
Grundlage für den fürstlichen Rang des Landgrafen von Hessen263.
Mit diesem Aufstieg in den Reichsfürstenstand hatte das Hessische Landgrafenhaus nunmehr endgültig den Vorrang vor allen anderen Grafengeschlechtern in Hessen gewonnen und war jetzt eindeutig die weltliche hessische
Führungsmacht264. Diese Erhebung des Landgrafen war für Gerhard eine wichtige Voraussetzung gewesen, Adolfs Wahl zuzustimmen265. Außerdem sollte
dieser Schritt die hessisch-thüringische Ländertrennung irreversibel und Hessen
in Thüringen zum Mainzer Bundesgenossen und gegen den König mobilisierbar
machen266, denn nun war der 1247 eingetretene Zerfall der Landeseinheit von
Hessen und Thüringen auch hinsichtlich des unterschiedlichen Ranges von Hessen und Thüringen deutlich gemacht267.
Aus der Tatsache, daß Heinrich von Hessen auf dem Reichstag in Frankfurt
am 27. Juni 1296 im Namen von König und Reich das Urteil des Fürstengerichts
gegen Pfalzgraf Ottenin von Burgund sprach268, kann auf ein gutes Verhältnis
zwischen Heinrich und Adolf von Nassau geschlossen werden. Als König
Eduard von England im Oktober 1297 einen Waffenstillstand mit König Philipp
von Frankreich vereinbarte, stellte er dem deutschen König – mit dem ihn ein
Bündnis verband – frei, wie sich dieser dem Franzosen gegenüber verhalten
wolle. Adolf von Nassau beriet sich über sein weiteres Vorgehen mit dem Landgrafen Heinrich I. von Hessen und Erzbischof Boemund von Trier, die zu seinen
treuesten Anhängern zählten269.
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268
269
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 20.
S c h l i e p h a k e II (wie Anm. 24) S. 373f; MGH Const III Nr. 476 dazu Willebriefe Nr. 477 und
Nr.478.
E n g e l b e r t (wie Anm. 256) S. 34.
M o r a w , Peter: Hessen und das deutsche Königtum im späten Mittelalter. In: Hessisches Jahrbuch
für Landesgeschichte 26 (1976) S. 50 Anm. 16.
E n g e l b e r t (wie Anm. 256) S. 36.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.33.
D e m a n d t , Hessen (wie Anm. 256) S. 187.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.35; E n g e l b e r t (wie Anm. 256) S. 35.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 20.
P a t z e / S c h l e s i n g e r II,1 (wie Anm. 23) S. 58.
Z i e h e n (wie Anm. 110) S.8.
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 322f; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 226.
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in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
Heinrich I. von Hessen schadete seiner Landgrafschaft jedoch dadurch, daß
er diese unter Begünstigung seiner Söhne zweiter Ehe aufteilte, denn das führte
zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit seinen Söhnen erster Ehe Heinrich
und Otto. Mit Hilfe König Adolfs sowie der Erzbischöfe von Mainz und Köln270
vermochte er jedoch im Jahre 1296 Otto zur Anerkennung der Teilung zu zwingen, die den Söhnen aus erster Ehe Oberhessen und den Söhnen aus zweiter
Ehe Niederhessen zuwies. Aber Landgraf Otto gab sich damit nicht zufrieden,
so daß es 1297 erneut zum Kriege kam, in dem er jedoch unterlag und auch seinen oberhessischen Erbanteil verlor271.
Graf Eberhard II. von Katzenelnbogen war 1275 in die Dienste König Rudolfs von Habsburg getreten und wurde bald einer seiner bewährtesten Räte.
Diese bewährte Zuverlässigkeit setzte sich auch bei seinem Neffen Adolf von
Nassau fort272. Im März 1292 waren Eberhard von Katzenelnbogen und Gerlach von Breuberg im Auftrage des Erzbischofes Gerhard von Mainz bei Herzog
Albrecht von Österreich, um mit diesem über dessen Königswahl zu verhandeln. Diese zerschlug sich dann aber nicht zuletzt aufgrund des böhmischen Widerstandes273. Erzbischof Gerhard versuchte in der Zeit der Thronvakanz, alle
zwischen ihm und den Grafen von Katzenelnbogen offenen Fragen zu regeln
und diese auf seine Seite zu ziehen274. Letzteres ist ihm allerdings nicht gelungen.
An den Verhandlungen Adolfs von Nassau mit Erzbischof Siegfried von
Köln war Eberhard von Katzenelnbogen ebenfalls beteiligt – was man daran
erkennen kann, daß Adolf dem Kölner als Sicherheit die Katzenelnbogener
Burgen Braubach und Rheinfels als Pfänder anbot275. Diese Einräumung eines
Verfügungsrechtes über die Kernstücke des Katzenelnbogener Besitzes am Mittelrhein stellte allerdings nur ein wahltaktisches Manöver zugunsten Adolfs dar,
was am deutlichsten daran zu erkennen ist, daß in der Urkunde Adolfs für Siegfried vom 13. September 1292276 davon nicht mehr die Rede war. Es erscheint
sehr wahrscheinlich, daß die Idee zu diesem Wahlmanöver von dem in der
„großen Politik“ erfahrenen Grafen Eberhard kam. Adolf belohnte ihn dann
nach seiner Wahl dadurch, daß er ihm im Mai für 500 Mark oder eine jährliche
Rente von 50 Mark als Reichsburgmann nach Boppard aufnahm277. Außerdem
270
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V o g t (wie Anm. 257) S. 21.
Landgraf Otto kehrte dann 1302 mit Unterstützung König Albrechts nach Hessen zurück, erhielt
Oberhessen (sein Bruder Landgraf Heinrich war 1298 gestorben) und schaffte es, bis 1311 wieder
ganz Hessen in seiner Hand zu vereinen (da Landgraf Heinrich 1311 verstarb). D e m a n d t , Hessen
(wie Anm. 256) S. 188.
D e m a n d t , Hessen (wie Anm. 256) S. 210.
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 49.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 97.
RI VI,2 Nr. 9. Sonst verpfändete Adolf nur nassauische und limburgische Burgen (über letztere
konnte er durch seine Frau verfügen).
REK III Nr. 3362.
RI VI,2 Nr. 1005; Regesten der Grafen von Katzenelnbogen 1060-1486, Band 1 1060-1418,
bearbeitet von Karl E. D e m a n d t , Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau X,
Wiesbaden 1953 (Fortan als RGK), Nr. 334; D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 49.
Seite 388
Martin Mattheis: Das Verhältnis der deutschen Fürsten und Grafen zu König Adolf von Nassau (1892-1298),
in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
erhielt Eberhard von Katzenelnbogen für 2000 Mark die Hälfte der Reichsburg
Cochem verpfändet, was eine Schwächung Siegfrieds zur Folge hatte, denn damit entfiel dessen uneingeschränktes Verfügungsrecht, das er im Vertrag von
Andernach278 erhalten hatte. Im Ausgleich dafür mußte Eberhard aufgrund
Adolfs Zugeständnis an Erzbischof Gerhard von Mainz vom 1. Juli 1292279 diesem den Bopparder Friedezoll – den sich vorher beide teilten – ganz übergeben280.
Auch bei der Herstellung der Verbindung zwischen Adolf und dem Herzog
Johann von Brabant war Eberhard von Katzenelnbogen einer der Mittelsmänner. Dies geht daraus hervor, daß Herzog Johann dem Grafen am 8. Oktober
1292 eine Summe von 2000 Pfund aus seiner Domäne Brüssel auswies281, wofür
er als nominelle Gegenleistung die Burg Stadecken vom Herzog zu Lehen
nahm. Damit war die von Eberhard während der Thronvakanz gebaute Burg in
ihrer Existenz endgültig gesichert. Im November des Jahres 1292 bestellte König Adolf von Nassau den Grafen Eberhard von Katzenelnbogen zum Landvogt in Oberschwaben282. Am 10. Februar 1293 belehnte Pfalzgraf Ludwig II. in
Regensburg den Grafen Eberhard II. von Katzenelnbogen mit Burg und Stadt
Braubach283. Dies geschah, um dessen Stellung gegenüber dem Mainzer zu stärken284.
Graf Wilhelm von Katzenelnbogen trat am 19. Juli 1293 als Edelbürger der
Stadt Mainz auf die Seite der Gegner Gerhards II. und wurde für einen jährlichen Geldbetrag von 20 Mark Kölner Pfennige für den Fall einer Fehde zur
Unterstützung verpflichtet285. Dies geschah sicher nicht ohne das Einverständnis seines Onkels Eberhard von Katzenelnbogen, der ja die rechte Hand Adolfs
war; und war somit auch im Sinne des Königs286. Am 6. Januar 1294 trat Wilhelm von Katzenelnbogen für König Adolf zu den gleichen Bedingungen in
dessen Vertrag der pfälzischen Burgmannschaft in Kaub ein287. Dies geschah
wie bei der Stadt Mainz offenbar auf Initiative des Grafen Eberhard hin288.
Diese Maßnahmen waren lehensrechtlich eingekleidete, politische Absprachen,
278
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288
REK Nr. 3354.
REM Nr. 268.
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. ) S. 50f.
A d e r s , Günter: Regesten aus dem Urkundenarchiv der Herzöge von Brabant, ca. 1190-1382. In:
Düsseldorfer Jahrbuch, Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, 44. Band (1947) (Fortan als
RHB), Nr. 119.
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. ) S. 50f.
RPG Nr. 1285; RGK Nr. 349.
1283 mußte er Erzbischof Werner von Mainz zusagen, Braubach weder vom König noch vom
Pfalzgrafen zu Lehen zu nehmen.
RGK Nr. 357.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 16; Falck (wie Anm. 37) S. 121; P a t z e (wie Anm. 20) S. 106f;
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 52.
Die Aufnahme eines Grafen als Burgmann hatte nicht nur den Zweck, daß dieser Graf die ihm
anvertraute Burg verteidigte, sondern vor allem, daß er diese nicht angreifen konnte. S p i e ß (wie
Anm. 204) S. 225. Die Burgmannschaft hatte Adolf als Graf von Nassau am 28. März 1287 für ein
Burglehen von 200 Mark übernommen. Als deutscher König konnte er diese dann natürlich nicht
aufrechterhalten. G e r l i c h , Reichspolitik (wie Anm. 161).
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 52; RI VI,2 Nr. 349; RGK I Nr. 362.
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mit denen die Grafen von Katzenelnbogen aus dem Kreis um den Erzbischof
von Mainz herausgehalten und an die Pfalzgrafen gebunden werden sollten289.
In der am 19. März 1294290 in Ulm geschlossenen förmlichen Eheberedung
zwischen Adolfs Tochter Mechthild und Pfalzgraf Rudolf bei Rhein wurde
Eberhard von Katzenelnbogen nach Adolfs Kindern an erster Stelle unter denen genannt, die der König für den Fall seines Todes zur Überwachung der
Sicherstellung der Mitgift Mechthilds einsetzte291. Graf Eberhard unterstützte
auch das Zustandekommen des deutsch-englischen Bündnisses tatkräftig und
beschwor dieses in Nürnberg. Dafür erhielt er von König Eduard von England
500 Pfund Sterling.
Am Unternehmen Adolfs von Nassau in Thüringen war Eberhard ebenfalls
maßgeblich beteiligt, so hat er nicht nur am ersten Heerzug teilgenommen292,
sondern auch als Inhaber ergiebiger Rheinzölle dem König aus eigenen Mitteln
in Thüringen Parteigänger gekauft293. Bald nach der Rückkehr vom ersten Zug
nach Thüringen gab es eine Entfremdung zwischen König Adolf und Eberhard
von Katzenelnbogen, so daß dieser für etwa zwei Jahre aus der Umgebung des
Königs fast vollständig verschwand. Über die Gründe dieser Entfremdung kann
nur spekuliert werden, doch scheint es wahrscheinlich, daß das Unternehmen in
Thüringen – welches ja letztendlich auch zum Sturz Adolfs führte – der Grund
war. Im Zuge einer beiderseitigen erneuten Annäherung verpfändete Adolf dem
Grafen Eberhard Ende des Jahres 1297 Burg und Stadt Reichenstein, Burg und
Stadt Eberbach und die Stadt Neckargemünd im Wert von 1 000 Mark als
Sicherheit bis zur Zahlung des Braubacher Reichsburglehen in Höhe von 500
Mark, welches er Eberhard bereits kurz nach seiner Wahl zum deutschen König
zugesagt hatte. Im März des Jahres 1298 beglich Adolf seine letzten Schulden
bei Eberhard, indem er diesem für die Auslagen in Höhe von 3500 Mark, die
Eberhard im Thüringer Krieg hatte, aus Oppenheimer Steuereinkünften jährlich 300 Mark anwies und ihm zugleich das Dorf Nierstein verpfändete294.
Die Grafen Eberhard und Wilhelm von Katzenelnbogen kämpften in der
Schlacht bei Göllheim beide an der Seite König Adolfs. Vor der Schlacht riet
Eberhard dem König, noch auf die Verstärkung zu warten, kämpfte dann aber,
obwohl dieser seinem Rat nicht folgte, auch noch nach dem Tode Adolfs tapfer
weiter. Nachdem er nach erbittertem Widerstand gefangen vor Albrecht geführt
wurde, ließ dieser ihn ohne unmittelbare Sühneforderung ehrenvoll frei295.
289
290
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292
293
294
295
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 16.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) Urkundenanhang Nr. 21.
RI VI,2 Nr. 385; RGK Nr. 367; D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 53.
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 53f; P a t z e (wie Anm. 20) S. 119.
So Graf Otto von Anhalt, Graf Friedrich von Beichlingen und den Herrn von Querfurt für je 1500
Mark; die Grafen von Orlamünde, von Rabenswald und von Schwarzburg für je 800 Mark; sowie
die Kämmerer von Fahner und Mühlhausen, den Friedrich von Schlotheim, Ernst von Döllstedt
und ihre Genossen (1200 Mark) P a t z e / S c h l e s i n g e r II,1 (wie Anm. 23) S. 61, D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S.54).
RI VI,2 Nr. 960; D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 55f.
D e m a n d t , Katzenelnbogen (wie Anm. 11) S. 57.
Seite 390
Martin Mattheis: Das Verhältnis der deutschen Fürsten und Grafen zu König Adolf von Nassau (1892-1298),
in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
Einer der zuverläßigsten Parteigänger Adolfs von Nassau war Ulrich von
Hanau. Mit Hanau hatte Nassau freundschaftliche Beziehungen, die aufgrund
eines Wahlversprechens an den Mainzer Erzbischof aufhören sollten296, denn
die in ständigem Ausbau befindliche Herrschaft Hanau in der südlichen Wetterau wurde von Erzbischof Gerhard II. von Mainz als besonders störend empfunden297. Als sich schon die Unterstützung König Wenzels II. von Böhmen zur
Wahl König Adolfs von Nassau abzeichnete, ließ Erzbischof Siegfried von Köln
auch den Gerhard nicht genehmen Ulrich von Hanau den Andernacher
Vertrag298 mitbezeugen299.
Adolf von Nassau beauftragte am 4. April 1294 Ulrich von Hanau mit der
Verwaltung des heruntergewirtschafteten Abteilandes Fulda. Hanau hatte sich
seit langem mit Nassau in einem gegen Eppstein gerichteten Sinne zusammengefunden. Man kann sagen, daß Fulda ein erster Schritt Adolfs in Richtung des
Erwerbsprojektes in Thüringen und Meißen war300. Ulrich war auch der Verbindungsmann zwischen Adolf und dem Landgrafen Albrecht von Thüringen. Der
Hanauer huldigte Albrecht von Thüringen und dieser sagte ihm 300 Mark aus
den Geldern zu, die er von Adolf erwartete301. Der Adolf von Nassau treu ergebene Ulrich von Hanau nahm auch von Beginn an am Heerzug des Königs in
Thüringen und Meißen teil302.
Weitere Unterstützung erhielt Adolf von Nassau vom Burggrafen Friedrich
von Nürnberg, den er am 4. Mai 1293 beauftragte Kundschaft wegen der
Rechtsverhältnisse von Marktschorgast einzuziehen303. Burggraf Friedrich von
Nürnberg überredete den Pfalzgrafen Rudolf und dessen Mutter Mathilde
dazu, der Eheverbindung zwischen Rudolf und Adolfs Tochter Mathilde zuzustimmen304. Der hochbetagte Burggraf Friedrich von Nürnberg war dem König eine wertvolle Stütze und empfing von König Adolf wegen seiner Verdienste um das Reich u.a. heimgefallene Reichslehen bei Eger305. Ende August des
Jahres 1295 verlobte Adolf von Nassau seinen Vetter Graf Emicho von Nassau
mit Anna, der Tochter des Burggrafen Friedrich. Dieser überließ ihr als Mitgift
seine Rechte an Schmalkalden, Rottenstein, Coburg, Königsberg, Neustadt a.d.
Heide und anderen Orten, wodurch der Einfluß der Nassauer im Süden Thüringens gefestigt wurde306.
296
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306
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 13.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 102.
REK III Nr. 3354.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S.17.
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 15; L e i s t (wie Anm. 23) S. 57.
P a t z e / S c h l e s i n g e r II,1 (wie Anm. 23) S. 59; W e g e l e (wie Anm. 25) S. 172f.
W e g e l e (wie Anm. 25) S. 189.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 91, Urkundenanhang Nr. 13.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 110 Anm. 29 und S. 79 Anm. 3.
Z i e h e n (wie Anm. 110) S. 37.
P a t z e (wie Anm. 20) S. 132.
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in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 97 (1999) S. 353-399
6. Probleme des Reichs mit Frankreich und das
Bündnis mit England
Das Verhältnis des Deutschen Königs Adolf von Nassau zu deutschen Fürsten und Grafen war nicht – wie es vielleicht nach dem Bisherigen scheinen
mag – ausschließlich durch die Loslösung der fesselnden Wahlversprechen oder
Adolfs Versuche einer eigenen Hausmachtpolitik geprägt. Daneben gab es auch
ganz „normale“ Anläße oder politische Begebenheiten, welche Beziehungen
prägten. Dazu gehören Adolfs Verhältnis zur Pfalzgrafschaft Burgund sowie
die Grafschaften Flandern, Hennegau, Holland und Bar.
Nach der Krönung Adolf von Nassaus in Aachen trat an den neuen König
zum ersten Mal die Frage des Schutzes von Reichsgebiet gegen König Philipp
von Frankreich in diesem Falle als Hilfe für Hennegau zur Erhaltung des
Reichslehens Valenciennes heran. Graf Johann von Hennegau war außerdem
daran gelegen, sich den bereits von König Rudolf eingesetzten Schiedsrichter
zwischen Hennegau und Flandern, Herzog Johann von Brabant, nicht zum
Feind zu machen. So war er sehr bestrebt, diesen und Adolf von Nassau einander anzunähern307. Graf Johann von Hennegau kam zur Krönung nach Aachen,
um den König um Hilfe gegenüber der Stadt Valenciennes zu bitten308. Adolf
ließ daraufhin ein Prozeßverfahren gegen die Stadt einleiten, im Verlauf dessen
sie sich rechtfertigen sollte. Daraufhin stellte sich Valenciennes unter den
Schutz König Philipps, der sie am 20. August 1292 der Obhut Guidos von Flandern anvertraute, welcher ihr seine Unterstützung angedeihen ließ. Bereits
Ende Mai des Jahres 1292 erneuerte König Adolf von Nassau die bestehende
Reichsacht gegen Graf Guido von Flandern. Am 21. August 1293 beauftragte er
Herzog Johann von Brabant, den Zwist mit Guido von Flandern aus der Welt
zu schaffen, was aber in der festgesetzten Zeit bis Weihnachten 1293 nicht gelang.
Durch Adolfs Bündnis mit England und der Eheverbindung zwischen Philippa, der Tochter Guidos, mit dem englischen Thronerben Eduard vom August
1294 verbesserten sich auch die Beziehungen zwischen dem deutschen König
und dem Grafen von Flandern. Allerdings wurde Guido im Januar 1295 in Paris
vom französischen König dazu gebracht, sich von dessen Feinden loszusagen, so
daß der deutsche König im März 1295 Guido aufforderte, Flandern an den Grafen von Hennegau zu übergeben. Durch den Schiedsspruch vom 28. Mai 1295,
nach dem Flandern Guido zugesprochen wurde und der Graf von Adolf zur
Huldigung zugelassen werden sollte, änderte sich die Situation vor allem auch
307
308
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 47.
Am 20. Juni 1291 hatte schon König Rudolf ein scharfes Urteil gegen die Stadt gefällt, welche sich
im Einvernehmen mit König Philipp von Frankreich 1290 gegen ihren Lehensherren, den Grafen
von Hennegau, erhoben hatte. MGH Const III Nr. 466 ; Regesta imperii VI 1, Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273-1313, 1. Abteilung, neu bearbeitet von
Oswald R e d l i c h , Innsbruck 1898, Neudruck Hildesheim/New York 1969 (Fortan als RI VI,1), Nr.
2490.
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Abb. 5:
Das Königskreuz in der Nähe von Göllheim.
Aus: Johann Georg Hag e lg an s (wie Abb. 1).
dadurch, daß Philipp den Grafen von Flandern im September 1296 die Stadt
Valenciennes absprechen ließ, worauf dieser sich im Januar 1297 seiner Vassallenpflicht dem Franzosen gegenüber für ledig erklärte und sich zu einem Bündnis mit England bereit fand309.
Als Johann von Hennegau zu Philipp von Frankreich überwechselte und dieser im Sommer 1297 in Flandern einbrach, sprach Adolf den Grafen Guido von
Flandern in aller Form von der Reichsacht los und sagte diesem sein Kommen
zu. In Guidos Heer kämpften dann u.a. Graf Heinrich von Nassau und die Grafen von Jülich, Katzenelnbogen und von Spohnheim. Da die versprochene Hilfe
aus England nicht kam und Adolf auf ein gemeinsames Vorgehen mit Eduard
wartete310, wurde Guidos Heer von den Franzosen am 20. August 1297 bei
Veurne besiegt, worauf Eduard von England Anfang Oktober – ohne selbst
gekämpft zu haben – mit Philipp von Frankreich einen Waffenstillstand
abschloß311. Adolf von Nassau konnte auch deshalb nicht zu Hilfe kommen, da
ihm bereits klar geworden war, daß ihm im Innern ein Machtkampf um die Existenz seines Königtums bevorstand, so beklagte er sich in einem Schreiben an
Guido von Flandern vom 31. August 1297312 über die hochverräterischen Umtriebe mehrerer Großer des Reiches313.
309
310
311
312
313
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 193ff.
Z i e h e n (wie Anm. 110) S. 18.
T r a u t z (wie Anm. 13) S. 24; S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 321; S a m a n e k , Studien (wie
Anm. 9) S. 221.
RI VI,2 Nr. 882.
S t r u c k (wie Anm. 92) S. 85.
Seite 393
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Die Beziehungen Adolfs von Nassau zum Pfalzgrafen Ottenin von Burgund
waren ebenfalls von Problemen des Reiches mit Frankreich involviert. Pfalzgraf
Ottenin von Burgund schloß am 9. Juni 1291 mit König Philipp von Frankreich
in Evreux einen Vertrag, in dem festgelegt wurde, daß die Pfalzgrafentochter
Johanna einen der Söhne Philipps ehelichen sollte. Ein Vertragszusatz bestimmte, daß Johanna den Erstgeborenen und damit den Thronfolger ehelichen
müßte, wenn es Ottenin gelang, den deutschen König auf den Lehenseid für
Burgund verzichten zu lassen. Als König Adolf von Nassau im Oktober 1293 in
Kolmar lagerte, suchte Ottenin ihn auf, um seine diesbezügliche Aufgabe zu erfüllen. Er mußte sich allerdings eine Einschränkung seiner Zollrechtsansprüche
durch den König zugunsten Johanns von Chalon-Arlay und die Verpflichtung,
diesen in den Besitz der Mairie und der Vizegrafschaft von Besancon einzusetzen, gefallen lassen314. Letzterer wurde im Juni 1293 von König Adolf in Mairie
und Vizegrafschaft von Besancon bestätigt315.
Erzbischof Odo von Besancon, der die Lehenshoheit über Mairie und Vizegrafschaft innehatte, ließ es zu, daß diese beiden Lehen Johann von Chalon-Arlay durch Hugo von Burgund, den Bruder Ottenins, streitig gemacht wurden,
wodurch die Gefahr bestand, daß Besancon dem Reich verloren ging. Adolf gab
hierauf dem Erzbischof den Auftrag, eine Besitzeinweisung für Johann von
Chalon vorzunehmen. Der Gedanke einer Heerfahrt nach Besancon, um dieses
durchzusetzen, konnte wieder fallen gelassen werden, da Pfalzgraf Ottenin in
Kolmar verpflichtet wurde, Johann von Chalon in den Besitz der Mairie von
Besancon zu bringen316. Am 12. Januar 1294 trat Hugo von Burgund seine
Rechte auf Mairie und Vizegrafschaft an seinen Bruder Ottenin um 6 000 Pfund
ab. Darauf erfolgte am selben Tag die Besitzeinweisung Johanns durch den
Pfalzgrafen, wodurch die Reichszugehörigkeit von Besancon zunächst gesichert
war. Trotzdem riß Hugo von Burgund die Vizegrafschaft von Besancon im Februar des Jahres 1297 aus dem Lehensverband des Reiches und unterstellte sie
Philipp dem Schönen von Frankreich317.
Ottenin bemühte sich, dem deutschen König in Kolmar klarzumachen, daß
der deutsche König nicht der Lehensherr des Pfalzgrafen sei und dieser nur aus
freien Stücken die Huldigung leiste318. Er versuchte klarzulegen, daß er nur den
gekrönten Kaiser als seinen Lehensherrn betrachtete, und setzte ein rein persönliches Verhältnis zu Adolf von Nassau an die Stelle der Lehenshoheit des
Reiches, um sich den eingeleiteten Weg der Abtrennung Burgunds vom Reich
und den Anschluß an Frankreich offenzuhalten. Trotzdem mußte er dem deutschen König die Lehenshuldigung leisten.
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318
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 102f.
MGH Const. III Nr. 499; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 96f.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 97ff. Pfalzgraf Ottenin befand sich damals wegen einer anderen Sache ohnehin im Streit mit seinem Bruder Hugo.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 99ff.
MGH Const. III Nr. 503; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 104.
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Im Februar des Jahres 1295 kam es dann in Paris und am 2. März im Vertrag
von Vincennes endgültig zur Abtrennung der Pfalzgrafschaft samt allen Lehen,
Burgen und Einkünften. Als Ottenin dann am 4. Juni 1296 den Grafen von
Pfirt zur Ablegung des Treueides an Philipp aufforderte, stellte er fest, daß die
Verlobung seiner Tochter dem Thronfolger gelte319. Der Versuch, Burgund verfassungsrechtlich legal aus dem Deutschen Reich zu lösen, war allerdings fehlgeschlagen, und auf dem Reichstag in Frankfurt am 27. Juni 1296 sprach ein
deutsches Fürstengericht unter Vorsitz des Landgrafen Heinrich von Hessen320,
dem Pfalzgrafen seine Reichslehen ab, indem es sie für heimgefallen erachtete
und dem König das Recht zugestand, von Ottenins Vasallen den Lehenseid entgegenzunehmen321.
Da König Eduard von England ebenfalls Differenzen mit dem Französischen
König hatte, lag ein gemeinsames Vorgehen des deutschen und des englischen
Königs auf der Hand322. Eduard von England bevollmächtigte am 20. Juni 1294
u. a. den Grafen Florens von Holland als Unterhändler des Bündnisses Englands mit dem deutschen König323.
Adolf beauftragte in dieser Zeit den Kölner Erzbischof Siegfried II. von Westerburg vor allem mit solchen Reichsaufträgen, die auch dessen eigene Interessensphäre berührten324. Zu solchen Aufgaben gehörten auch die Verhandlungen und der Abschluß des Bündnisses mit England. Adolf war von der Loyalität
des Kölners überzeugt und beauftragte ihn damit, da Siegfried schon vorher
wichtige Verbindungen zum englischen Königshof hatte325. Somit wurde Siegfried zusammen mit Florens von Holland, der gleichzeitig englischer und deutscher Geschäftsträger war, zu Adolfs Handlungsbevollmächtigtem. Diese
schlossen am 10. August 1294 zusammen mit den übrigen englischen Bevollmächtigten das Bündnis zwischen Eduard und Adolf ab, welches am 21. August326 bzw. am 22. Oktober327 ratifiziert wurde.
Beim Grafen von Holland wurden als Bevollmächtigtem beider Könige je
zwei gleichlautende Exemplare der Bündnissurkunden und der Ratifikationsurkunde Adolfs vom 21. August 1294 zur Verwahrung hinterlegt. Die Urkunden
enthielten den Passus, daß im Falle eines Bündnisbruches der Brechende die
Gefolgschaft seiner Vasallen verliere. Zu diesem Zweck hinterlegten Große
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RI VI,2 Nr. 727; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 105f.
Z i e h e n (wie Anm. 110) S. 8.
MGH Const. III Nr. 557 und Nr. 558; Samanek, Studien (wie Anm. 9) S. 103ff; S a m a n e k , Verrat
(wie Anm. 175) S. 317.
Ein Teil der Unterstützung Eduards bestand dabei in der Zahlung von Subsidiengeldern an Adolf
von Nassau. Die Interpretation des 19. Jahrhunderts die Annahme englischen Geldes als Verrat Adolfs von Nassau zu werten geht völlig am politischen Alltag und den Moralbegriffen des Mittelalters vorbei.
MGH Const. III Nr. 509 und Nr. 510; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 127.
So bei der Belagerung von Born und den Verhandlungen mit Brandenburg und Sachsen, mit denen
Siegfried schon Kontakte pflegte.
E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 363.
Adolf von Nassau, MGH Const. III Nr. 512.
Eduard von England, MGH Const. III Nr. 517.
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des Reiches wie zum Beispiel Erzbischof Siegfried von Köln und Pfalzgraf Rudolf bei Rhein Urkunden über einen entsprechenden Abfall von ihrem König
bei Florens von Holland. Diese Urkunden sollten von Florens dem Bevollmächtigten des englischen Königs übergeben werden, sobald die entsprechenden Urkunden von Eduard und den englischen Großen überreicht würden328.
Außerdem übernahmen zwei Vertrauensmänner des Kölner Erzbischofs329
an Weihnachten 1294 die 20000 Pfund330, die Adolf von Nassau vom englischen
König erhielt331. Aus dieser Tatsache kann man erkennen, daß Siegfried zu
dieser Zeit das Vertrauen König Adolfs genoß, und andererseits auch am englischen Hof als Mittelsmann angesehen war. Siegfried erhoffte durch das Zustandekommen dieses Bündnisses eine Entschädigung für die ihm entgangene Erfüllung seiner bei der Königswahl erhobenen Ansprüche332. Deshalb
verpflichtete er sich auch nach dem 12. November 1294 dem englischen
König gegenüber für 10000 Mark mit 1000 Reitern ein halbes Jahr gegen
Frankreich Dienst zu leisten. Bei der Bedeutung des Geldes für die Kölner Politik nach Worringen lag es nahe, daß Siegfried König Eduard von England seine
Unterstützung verkaufte333.
Man kann davon ausgehen, daß Adolf von Nassau maßgeblich durch Siegfried von Köln bewogen wurde, das englische Bündnisangebot anzunehmen,
wobei zwei enge Vertraute des Erzbischofs auch einen wichtigen Anteil daran
haben: Domdekan Wikbold von Köln und Hartrad von Merenberg. Außer dem
Bündnisvertrag brachten die Unterhändler auch noch ein weiteres Abkommen
zustande, bei welchem es sich um Geldzahlungen handelte. Auch hier fiel dem
Grafen Florens von Holland – wie beim Austausch der Urkunden – die Rolle
eines Treuhänders zu. Er hatte die Geldsummen, die von Eduard an den deutschen König und mehrere Große des Reiches gezahlt werden sollten, in
Holland an einem hierzu bestimmten Ort zu verwahren, sooft eine Sendung
eintraf, und mußte bei ihrer Auszahlung zugegen sein334. Florens von Holland
fiel am 9. Januar 1296 vom Deutschen Reich ab335 und wurde am 27. Juni 1296
wahrscheinlich deswegen ermordet. Eduard bat daraufhin den deutschen König, seinem Schwiegersohn, dem jungen Grafen Johann von Holland, der gerade
von England nach Holland heimkehrte, die persönliche Mutung seiner Lehen
zu erlassen, was zeigt, daß zwischen diesen ein gutes Verhältnis bestand.
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MGH Const. III Nr. 513,514,515; REK Nr. 3423; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 366; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 128f.
Der Kölner Domdekan Wikbold von Holte und Hartrard von Merenberg.
20 000 Pfund = 30000 Mark. S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 309.
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 312f.
S a m a n e k , Einleitung zu RI VI,2 (wie Anm. 12) S. VII.
REK Nr. 3433; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 137; S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 307
Anm. 35; E r k e n s , Westerburg (wie Anm. 3) S. 367ff.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 132ff. Von diesem Abkommen wissen wir durch ein Schreiben
Eduards an Florens vom 12. November 1294 (MGH Const. III Nr. 521).
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 316.
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Auch die Grafschaft Bar hatte Probleme mit Frankreich und gemeinsame Interessen mit England. Im Mai 1294 heiratete Graf Heinrich III. von Bar die seit
dem Jahre 1293 mit ihm verlobte Tochter des englischen Königs, Eleonore. Bei
dem Reichstag am 13. März 1295 in Frankfurt erschienen zwar keine Vertreter
Eduards von England, mit denen eine gemeinsame Vorgehensweise gegen Philipp von Frankreich hätte festgesetzt werden können: dagegen kam Graf Heinrich III. von Bar als derjenige, der - wegen der Bedrohung des französischen
Königs für Verdun und die benachbarten Gebiete - den Krieg gegen Frankreich
zu eröffnen berufen war. Er legte vor Adolf seine bedrohte Lage klar und zog
deshalb auch ebenso rasch nach Weißenburg zurück, wie er nach Frankfurt gekommen war336. Adolf betraute im März 1295 den Grafen Heinrich III. von Bar
mit dem Schutz der lothringischen Lande337 und forderte in einem Rundschreiben vom 8. April 1295338 die Großen der Nachbarschaft339 auf, dem Grafen von
Bar ihre Hilfe angedeihen zu lassen340. Graf Heinrich von Bar schloß mit König
Eduard einen Soldvertrag, nach welchem der Graf Eduard für 20 000 Pfund
Sterling ein halbes Jahr mit 1000 Mann dienen mußte. Im Februar des Jahres
1297 verlieh Adolf von Nassau dem Grafen Heinrich III. von Bar in Koblenz
burgundische Lehen341, wozu ihn ein deutsches Fürstengericht am 27. Juni 1296
legitimiert hatte. Die Hilfe, die Adolf in Weißenburg dem Grafen von Bar angedeihen ließ, war genau das, was Eduard 1297 von Adolf nicht nur für den Grafen von Bar sondern auch für den von Flandern forderte342.
Nachdem der Erzbischof von Mainz beim Papst Bonifaz VIII. angefragt
hatte, wie er sich denn in dem Konflikt zwischen Adolf und Philipp von Frankreich verhalten solle, entband ihn dieser von seinem Treueid gegen das Reich
und verlangte am 23. Mai 1295 von den drei Rheinischen Erzbischöfen von
Mainz, Trier und Köln, sie möchten Adolf – ungehindert ihres Eides – dahin
bringen, daß er sich den Friedenswünschen des Papstes füge und den König so
am Kriege hindern343. Die Aufforderung Adolf ohne Rücksicht auf den Treueid
oder andere Verpflichtungen von seiner Unternehmung gegen König Philipp
von Frankreich abzubringen, erneuerte der Papst am 5. April 1296 an die Erzbischöfe von Köln und Trier344, nachdem er dem Mainzer bereits am 31. März
1296345 erneut geschrieben hatte. Der Grund für diese Friedenstiftung bestand
darin, daß seine ganze Aufmerksamkeit auf einen schon von Nikolaus IV. ge336
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S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 151, S. 160f und S. 209.
Z i e h e n (wie Anm. 110) S. 15.
MGH Const. III Nr. 529.
So z.B. Graf Heinrich von Lützelburg und Herzog Friedrich von Lothringen. Samanek, Studien (wie
Anm. 9) S. 166ff.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 162.
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 307 und S. 318.
S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 151f.
REM Nr. 402 und 403; REK Nr. 3451 und 3452 vom 23 Mai 1295; S a m a n e k , Studien (wie
Anm. 9) S. 154f; Z i e h e n (wie Anm. 110) S. 10.
REK Nr. 3481.
REM Nr. 444.
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planten Kreuzzug ausgerichtet war und er dafür Eintracht im Abendland
brauchte. Deshalb – und nicht etwa aus christlicher Nächstenliebe – schaltete
er sich als Schiedsrichter zwischen Eduard von England und Philipp von Frankreich ein. Die Aufforderung Bonifaz', Siegfried möge Adolf die Unterstützung
versagen, wenn dieser dem Frieden nicht geneigt sei, steht in krassem Gegensatz zu dessen Verpflichtung, sich von seinem König loszusagen, wenn dieser
das Bündnis mit Eduard verletze346.
Als König Eduard von England im Oktober 1297 einen Waffenstillstand mit
König Philipp von Frankreich vereinbarte, stellte er dem deutschen König – mit
dem ihn ein Bündnis verband – frei, wie sich dieser dem Franzosen gegenüber
verhalten wolle. Adolf von Nassau beriet sich über sein weiteres Vorgehen mit
Erzbischof Boemund von Trier und dem Landgrafen Heinrich I. von Hessen,
die zu seinen treuesten Anhängern zählten. Im November des Jahres 1297
schickte er den Erzbischof von Trier zu den Verhandlungen über eine Verlängerung der Waffenruhe nach Courtrai347.
7. Ausblick
Vor seiner Wahl zum deutschen König verpflichtete sich Adolf von Nassau
vor allem den Erzbischöfen von Mainz und Köln. Die Forderungen dieser beiden waren so hoch geschraubt, daß Adolf sie – selbst wenn er gewollt hätte –
gar nicht hätte erfüllen können. Weil er sich zu Beginn seines Königtums nicht
offen gegen die Kurfürsten stellen konnte, mußte er versuchen, die eingegangenen Verpflichtungen zu umgehen.
Da die Forderungen Erzbischofs Siegfried II. von Köln nur auf die Erweiterung des Kölner Territoriums und die Sanierung Kurkölns von den Folgen der
Schlacht bei Worringen ausgerichtet waren, konnte Adolf sie dadurch umgehen,
daß er Siegfried und den Herzog von Brabant gegeneinander ausspielte.
Schwieriger war die Lösung der Wahlfesseln, die ihm der Mainzer Erzbischof Gerhard II. angelegt hatte, da dieser – außer der Begleichung seiner
Schulden durch den neuen König – durch die Übernahme des Reichserzkanzleramtes starken Einfluß auf die Reichspolitik forderte. Diesem konnte sich
Adolf von Nassau nur dadurch entziehen, daß er im Jahre 1294 durch die
faktische Regierungsübernahme der Pfalzgrafschaft dem Mainzer eine starke
„eigene“ Hausmacht entgegensetzen konnte.
Diese Verbindung zum Pfalzgrafenhaus wurde dadurch gefördert, daß der
Pfalzgraf als Haupt einer Sippe sein Territorium eben dieser Sippe erhalten
mußte und deshalb stets durch dynastische Verbindungen die Nähe zum König
suchte. Hierin bestand auch der grundlegende strukturelle Unterschied zu den
drei geistlichen Kurfürstentümern mit ihren anspruchswahrenden Institutionen
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S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 155f; P a t z e (wie Anm. 20) S. 131.
S a m a n e k , Verrat (wie Anm. 175) S. 322f; S a m a n e k , Studien (wie Anm. 9) S. 226.
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adliger Domkapitel348. Nachdem Adolf von Nassau durch die pfälzische und
böhmische Heiratsverbindung und das Bündnis mit Eduard von England seine
Stellung als König aufgewertete hatte, wollte er diese verbesserte Situation für
sein Haus nutzen. Er erwarb in zwei Kriegszügen Thüringen und Meißen; wobei
er die ureigensten Interessensphären der zwei mächtigsten Kurfürsten Erzbischof Gerhard II. von Mainz und König Wenzel II. von Böhmen verletzte.
König Adolf von Nassau hoffte wohl, daß die Kurfürsten sich seinen Griff
nach Thüringen und Meißen genauso gefallen ließen wie vorher die Nichterfüllung der ihnen gegebenen Wahlversprechen. Dies sollte sich als Irrtum herausstellen; denn ging es bei der Nichterfüllung der Wahlversprechen nur darum,
den betreffenden Fürsten keinen Machtzuwachs zu gewähren, so hatte die Erwerbung Thüringens und Meißens ja einen Machtverlust zur Folge, was weder
Gerhard von Mainz noch Wenzel von Böhmen bereit waren hinzunehmen349.
Dazu kam Albrecht von Habsburg, der in den ersten Jahren von Adolfs Königtum die Macht in seinen Heimatlanden konsolidierte und dann auf die Gelegenheit wartete, an Adolfs Stelle König zu werden. Diese bot sich ihm, nachdem
Gerhard von Mainz und Wenzel von Böhmen beide Gegner König Adolfs geworden waren.
Die östlichen Kurfürsten Herzog Albert von Sachsen und die Markgrafen
von Brandenburg waren an diesem Machtkampf, der sich vor allem am Rhein
abspielte, nicht interessiert; und auch König Wenzel von Böhmen begann sich
erst darum zu kümmern, als in Meißen seine persönlichen Interessen berührt
wurden.
Der Machtkampf um das Königtum Adolfs von Nassau war jedoch kein einmaliges, an die Person Adolfs gebundenes Phänomen, sondern beinhaltete die
Frage, wer die Macht im Reich innehatte: der König oder die Fürsten. Mit diesem Problem hatte sich bereits Rudolf von Habsburg auseinanderzusetzen.
Im Falle Adolfs von Nassau gewannen die Fürsten diesen Machtkampf spätestens mit dem Tode Adolfs in der Schlacht am Hasenbühl bei Göllheim350 am
2. Juli 1298, doch mußten diese dafür einerseits ihre Länder auszehren und andererseits mit Albrecht von Österreich einen noch mächtigeren Fürsten rufen, der
es dann später als König schaffte, die Kurfürsten zu besiegen.
StR Martin Mattheis
Adolf-von-Nassau-Straße 4
67307 Göllheim
348
349
350
G e r l i c h , Nassau (wie Anm. 2) S. 18.
Für Wenzel war es strenggenommen, da er Meißen noch nicht wirklich besessen hatte, nur der
Verlust einer Machtposition, die er fest vor Augen hatte.
Dies war das einzige mal in der Geschichte, daß ein deutscher König in einer Schlacht gefallen ist.
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