ZUBEHÖRTEST AWN-Stahl-Rad 3-Gang AWN-Alu „Comfort“ Schrott oder Schnäppchen? Falträder sind für den Bordgebrauch ideal. Was preiswerte Einsteigermodelle leisten, zeigt unser Test. Bei den Rädern Seatec und Fine & Fine sind Spiralfedern zur Dämpfung eingebaut. Compass-Alu-Fahrrad Schwenkner-Fine-&-Fine SVB-Seatec-Klapprad D as Bordfahrrad ist im Hafen bei vielen Skippern Fortbewegungsmittel Nummer eins. Egal ob zum Bäcker, zum Hafenmeister oder zum Waschhaus, mit dem Drahtesel geht es vielfach schneller und bequemer. Doch das klassische 28er-Herrenrad ist an Bord eines Motorbootes kaum unterzubringen. Falträder sind hier die Lösung. Sie funktionieren ähnlich wie das gute alte Klapprad, lassen sich aber durch weitere Scharniere und Mechanismen deutlich kleiner zusammenfalten als die beliebten Kofferraumräder der 70er-Jahre. Auch im Preis hat sich was getan. Während vor ein paar Jahren Falträder noch deutlich jenseits der 1000-Euro-Grenze lagen, sind heute Modelle im Handel, die mit Preisen sogar unter 100 Euro auf sich aufmerksam machen. Doch die Ausstattung dieser vermeintlichen Schnäppchen ist eher mager. Eine Gangschaltung, die heutzutage zur Grundausstattung eines Fahrrads gehört, sucht man in diesem Preissegment leider vergeblich. Unser BOOTE-Test beschäftigt sich daher ausschließlich mit Falträdern, die über eine Gangschaltung verfügen. Das obere Preislimit legten wir auf 350 Euro fest, denn die teuren „Edelfalter“ haben wir schon in BOOTE 8/05 untersucht. Für den Test kamen also sieben Räder zusammen, die diesen Anforderungen entsprachen. Besonders bei den großen Kataloganbietern wurden wir fündig.Folgende Firmen schickten Räder ins Rennen: ■ AWN ■ SVB ■ Schwenkner ■ Compass ■ Yachticon SVB-Alu-Kompakt-Blau Yachticon-Yeah Den nötigen Zweirad-Sachverstand und handwerkliche Unterstützung holten wir uns bei den Kollegen der Zeitschrift „Trekkingbike“. Jochen Donner, Herrscher über den Testkeller der in München ansässigen Redaktion, beurteilte für uns die einzelnen Modelle und machte die obligatorischen Probefahrten. Folgende Krite- rien standen im Vordergrund: Verarbeitung der Gesamtkonstruktion, Ausstattungsmerkmale, wie zum Beispiel Bremsen, Gangschaltung und Beleuchtung, Entfaltung der Gänge,Sitzposition und Fahrverhalten. Nicht zu vergessen die Faltmechanismen und die daraus resultierenden Packmaße der Räder. boote 4/08 71 ZUBEHÖRTEST Technische Daten und Ausstattung Modell AWN Stahl AWN Alu Compass Fine & Fine Vertrieb Niemeyer Niemeyer Compass Schwenkner Preis 199 € 329 € 279 € 179 € Maße gefaltet (L x H x B) 84,1 x 62 x 37 cm 77,5 x 58 x 38 cm 84 x 66,5 x 43 cm 85,3 x 66 x 33,5 cm Oberrohrlänge* 63,6 cm 55,7 cm 53,3 cm 60,8 cm Gewicht 15,05 kg 13,45 kg 14,30 kg 17,65 kg Schaltung Shimano Nexus 3-Gang-Nabe Shimano Nexus 3-Gang-Nabe Sram T3 3-Gang-Nabe Shimano TY 19 6-Gang-Kette Gangentfaltung max/min 4,9/2,9 m 5,1/2,9 m 4,9/2,7 m 5,3/2,6 m Bremsen Rücktritt- und Felgenbremse vorn Rücktritt- und Felgenbremse vorn Rücktritt- und Felgenbremse vorn Felgenbremse vorn und hinten Sattelhöhe max/min 94/59 cm 88/70 cm 82/67 cm 97/64 cm Beleuchtung nein nein ja ja Reifengröße/Typ 47 cm 47 cm 47 cm 47 cm/Duro Dämpfer keine keine keine ja, Stahlfeder Sattelstütze Kerze, Stahl Kerze, Stahl Kerze, k. A. Kerze, Stahl Radstand 104 cm 101,5 cm 98,9 cm 109,7 cm Kurbellänge 17 cm 17,5 cm 17 cm 16,5 cm Rahmenart Stahl geschweißt Alu geschweißt Alu geschweißt Stahl geschweißt Positiv – bequemer Einstieg – großer Radstand Negativ hecklastige Sitzposition, schlecht verarbeiteter Rahmen Faltscharnier mangelhaft, schmaler Lenker nur für Personen unter 175 cm Größe geeignet minderwertige Teile verarbeitet, Rad nicht funktionsfähig Viele Fahrräder sind nicht voll funktionsfähig und straßentauglich Doch vor Beurteilungen und Probefahrten stand zunächst Bastelarbeit auf dem Programm.Die Räder kamen mehr oder weniger vormontiert in großen Kartons nach München. In diesem Zustand erreichen sie auch den „normalen“ Kunden. Potenzielle Käufer sollten sich an dieser Stelle schon einmal auf nicht ordnungsgemäß auszentrierte Rä- 72 boote 4/08 der und markante Unwuchten einstellen. Hier helfen nur Geduld und Werkzeug weiter. Die Vorarbeiten nahmen fast einen halben Tag in Anspruch. Fahrradtester Jochen Donner gab sich alle erdenkliche Mühe und war erst zufrieden, als alle Laufräder zentriert waren und nicht mehr an Bremsbelägen und Schutzblechen entlangstreiften. Doch das „Finetu- ning“ gelang trotzdem nicht bei jedem Modell. Bestes Beispiel: das Fine-&Fine-Rad aus dem Schwenkner-Katalog. Beim 179 Euro teuren Rad war das Kettenblatt (das große Zahnrad an der Kurbel) so verbogen, dass die Kette in den Gängen 2 und 3 bei jeder Umdrehung abgeworfen wurde. Damit war das Rad nicht fahrbar,und ein normaler Kunde hätte alles wieder einpacken und zurücksenden müssen. Resultat: Ärger, viel Rennerei und Papierkram.Aber auch voll einsatzfähig hatte das Fine & Fine nicht viel Positives zu bieten. Zu den guten Eigenschaften zählten langer Radstand (110 cm), guter Geradeauslauf und eine exakte Lenkung. Negativ fielen außer dem verbogenen Kettenblatt das schwammige Fahrverhalten, eine kaum zu dosierende Bremse,der verwindungsanfällige Rahmen und die eher schummrige Beleuchtung auf. Bei der Lichtanlage sorgten zudem das lose verlegte Kabel und der nicht verschraubte Frontscheinwerfer, der nur durch ein Wunder nicht während des Seatec Seatec Yeah SVB SVB Yachticon 179 € 298 € 299 € 85,3 x 66 x 33,5 cm 83,4 x 59 x 31 cm 83,4 x 67,5 x 35 cm 60,8 cm 63,6 cm 60,2 cm 17,65 kg 12,70 kg 13,50 kg Shimano TY 19 6-Gang-Kette Sram T3 3-Gang-Nabe Shimano TY 19 6-Gang-Kette 5,3/2,6 m 5,9/3,2 m 5,6/2,8 m Felgenbremse vorn und hinten Rücktritt- und Felgenbremse vorn Felgenbremse vorn und hinten 97/64 cm 95/71 cm 94/69 cm ja nein nein 47 cm/Duro 40 cm/Kenda 40 cm/Kenda ja, Stahlfeder nein nein Kerze, Stahl Kerze, Alu Kerze, Alu 109,7 cm 103,1 cm 101,5 cm 16,5 cm 17 cm 17 cm Stahl geschweißt Alu geschweißt Stahl geschweißt großer Radstand gute Verarbeitung, angenehme Sitzposition agiles Fahrverhalten, exakte Lenkung minderwertige Teile verarbeitet Lenker lose Kette läuft schräg, dadurch unnötig hoher Verschleiß Das lose verlegte Beleuchtungskabel fiel beim Fine-&-Fine-Rad von Schwenkner auf. Tests abfiel, für Kritik. Ein wahres Wunder der Technik ist auch der Seitenläuferdynamo (hatte Opa schon), dessen Spannungs-Output um ein Vielfaches vom Geräusch-Output übertroffen wird. Mit 299 Euro fast doppelt so teuer wie das Fine & Fine von Schwenkner ist das Yeah-Rad von Yachticon. Doch die Mehrinvestition scheint sich zu lohnen. Durch das wendige Fahrverhalten und die entspannte Sitzposition ist es mit der 6-Gang-Schaltung auch für längere Strecken geeignet – auch wenn das vordere und hintere Zahnrad nicht ganz in Linie sind und die Kette zu starkem Schräglauf zwingen (erhöhter Verschleiß). Schaltung und Bremsen funktionieren gut,und im Vergleich zu den anderen Modellen ist das Yeah-Rad sehr gut verarbeitet und mit 13,5 kg ein Leichtgewicht im Testfeld. *gedachte Linie zwischen Sattelrohr und Lenkstange NORD WEST 420 swe den 560 | 420 | 390 | 370 www.nordwest.se | T. +46 304 349 60 ZUBEHÖRTEST Die „Pflegeversicherung“ Wie alle Ausrüstungsteile an Bord, benötigen auch die Fahrräder ihre „kleinen Streicheleinheiten“. Besonders wenn die Drahtesel an Deck parken und Regen und Seewasser ausgesetzt sind. Spezielle Öle und Fette für diese Zwecke gibt es im Fahrradladen. Zur Grundausstattung sollten im- Weniger Lob fand unser Experte für das AWN-Rad mit dem Stahlrahmen für 199 Euro. „Lieblos zusammengebraten“, tadelte Donner. Neben der nachlässigen Verarbeitung fiel die durch die Sitzposition hinter dem Tretlager bedingte Hecklastigkeit des Rades auf. Schon bei einer flachen Bordsteinkante offenbarten sich starke Aufbäum-Tendenzen. Dazu eine völlig wirkungslose Vorderradbremse. Sie zeigte weder Druckpunkt noch spürbare Bremswirkung. Auch die Befestigung der Hinterachse ist nicht gerade vertrauenerweckend. Durch hohen Kraft- Jochen Donner im Testeinsatz für BOOTE. Sieben Falträder mussten seinem kritischen Blick standhalten. 74 boote 4/08 einsatz beim Treten oder starkes Bremsen (geht nur mit der Rücktrittbremse) kann die Achse verrutschen und dadurch das Hinterrad blockieren. Ein Sturz wäre so unausweichlich. Etwas labil auch die Sattelstütze.Sie war schon nach wenigen Kilometern durch unseren mit 70 kg eher schmächtigen Fahrradtester verbogen. Der sogenannte Tiefeinsteiger von AWN mit Alurahmen und tief gelegtem Querrohr war etwas besser verarbeitet als sein stählener Vetter. Hier offenbarte sich allerdings das Faltgelenk in der Mitte des Rades als Schwachpunkt. Durch nicht eingehaltene Fertigungstoleranzen sitzt das Gelenk nicht formschlüssig, die Hälften passen nicht exakt aneinander. Deshalb knackt es hörbar und spürbar bei jeder Kurbelumdrehung. Ein Bruch des ständig überlasteten Scharnierbolzens dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Als technisches Schmankerl, wie man in Bayern sagt, entpuppte sich der Sattel des Tiefeinsteigers. Er ließ sich, je nach Vorlieben des Fahrers, durch Aufpusten im Härtegrad variieren. Das Seatec von SVB ist bis auf einige Eigenheiten nahezu baugleich mit dem Fine & Fine von Schwenkner. Die Bremsen ließen sich auch hier nicht kor- mer ein gutes Kettenöl und ein Pflegemittel für die Rahmenteile gehören. Produkte in Sprayform eignen sich besonders: Der Sprühnebel verteilt sich großflächig auf die Fahrradteile und kann durch die feinen Tröpfchen auch in die letzte Ecke vordringen. Nur wo gezielt viel Schmierung benöigt wird, sollte die klassische Ölflasche zum Einsatz kommen. Meistens sind es Haftöle mit lang anhaltender Schmierwirkung, die noch in dieser Verpackungsform zu bekommen sind. Wer kein Spezialfahrradöl zur Hand hat, kann aber auch mit dem guten alten WD 40 arbeiten. Die Entfaltung der Gänge entscheidet über die Reichweite rekt einstellen, so schliff eine der hinteren Bremsbacken ständig an der Felge.Richtig gefährlich: die Schnellspann-Verschlüsse für die insgesamt drei Faltmechanismen. Durch die Verwendung von Kunststoffscheiben im Klemmbereich neigen alle Verschlüsse zum unbeabsichtigten, selbstständigen Aufspringen. Passiert das in Fahrt,ist ein Sturz unausweichlich. Nur wenn beim Zusammenbau die Verschlüsse exakt bis zum Anschlag geschlossen werden, kann dies vermieden werden. Schwachpunkt Faltgelenk Ebenfalls von SVB das Seatec für 298 Euro.Durch gute Verarbeitung und angenehme Sitzposition ein echter Lichtblick im Testfeld. Auch wenn der Lenker beim Bremsen etwa 2 cm nach vorn „schnalzt“, wie unser Münchner Kollege sagte, beim Seatec kommt so etwas wie Fahrspaß auf. Daran können auch das ungenau gefertigte Klappscharnier am Faltmechanismus und der etwas zu schmal gehaltene Lenker nichts ändern. Die Entfaltung (Übersetzung) der Gänge ist sogar so gut, dass sich damit mittlere Steigungen bezwingen lassen und auf ebener Strecke flottes Vorankommen gesichert ist. Das Compass-Rad war schon für unsere eher mittelgroßen Tester (175 cm Körpergröße) zu klein. Die Knie klemmten trotz völlig herausgezogener Sattelstütze unter dem stark geschweiften,nicht höhenverstellbaren Lenker. Dazu präsentierte sich das Rad als extrem hecklastig: Schon beim Überfahren von kleinen Absätzen mussten die Tester ihr Gewicht in Richtung Lenker verlagern, um nicht auf den Hinterkopf zu fallen. Das zentrale Faltgelenk war auch hier ungenau gearbeitet, sodass kein sogenannter Formschluss bestand. Obendrein waren die Bauteile des Schnellspannverschlusses in falscher Reihenfolge montiert und wirkten dadurch eher stabilitätsmindernd als -fördernd. Im geklappten Zustand ruht das Compass-Rad direkt und ausschließlich auf dem Kunststoff-Schutzkasten des Kettenrades. Vermutlich kam es auch deswegen mit bereits gebrochenem Kettenschutz aus seinem Versandkarton. Nicht form- schlüssige Faltgelenke, besonders an der Lenkstange, sorgen auch hier für ein unangenehmes Ruckeln während der Fahrt, und der zu weich aufgehängte Sattel vermittelt ein schwammiges Sitzgefühl. Wohl mehr als Gimmick gedacht ist der in der Klingel integrierte Kompass.Durch das viele Stahlblech in seiner nächsten Umgebung zeigt er ständig in dieselbe Richtung, egal wohin man fährt. Fazit: Keins der Räder hat einen Lenkervorbau. Das kleine Rohrstück, das den Lenker etwas nach vorn rückt,bringt Ruhe in die Lenkung. Ohne Vorbau ist die Lenkung sehr direkt, verzeiht keine Schlenker und macht das Lenken nervös und kippelig. Vermutlich aus Kostengründen wurden bei allen ADRESSEN A. W. Niemeyer Holstenkamp 58, 22525 Hamburg, Tel. 040-899 69 70, Fax -899 69 73 10, www.awn.de Compass Lüdinghauser Str. 34, 59387 Ascheberg, Tel. 02593-91 50, Fax -91 52 80, www.compass24.de Schwenkner Spandauer Str. 18, 21502 Geesthacht, Tel. 04152-845 50, Rädern sogenannte Sattelstützkerzen mit Sattelkolbenbefestigung verwendet. Diese Montage-Art ist nicht umsonst ausgestorben: Durch einen fahrbahnbedingten Stoß kann der Sattel plötzlich abkippen, Fax -84 55 18, www.schwenkner.de SVB Gelsenkirchener Str. 25, 28199 Bremen, Tel 042157 29 00, Fax -572 90 40, www.svb.de Yachticon/Navyline Hans-Böckler-Ring 33, 22851 Norderstedt, Tel. 040-511 37 80, Fax -51 74 37, www.yachticon.de denn die Verschraubung lässt sich nur extrem schwer festziehen. Die bei den Testrädern eingesetzten Schaltungen bilden das untere Ende der Qualitätsskala. Alle Ketten- und Naben- schaltungen funktionierten zwar zuverlässig, ließen sich aber nur schalten, wenn zum Gangwechsel der Tretvorgang unterbrochen wird. Auch deshalb sind die meisten Räder nur für die im Fahrrad-Fachjargon „letzte Meile“ also für Kurzstrecken, geeignet. Wer,wie wir Bootsleute,Wert auf besondere (kleine) Packmaße legt, und/oder aufs Gewicht achten muss, liegt mit einem Faltrad goldrichtig.Fraglich bleibt nur, ob man sich „Schrott oder Schnäppchen“ an Bord holt. Im Test überzeugten nur das Yeah-Rad von Yachticon und das teurere Seatec (298 €) von SVB als wahre Schnäppchen. TEXT: THOMAS BOCK FOTOS: DANIEL SIMON MOTORBOOT ZENTRUM Royal Nautic AG, Seewiesstr. 7, 9403 Goldach am Bodensee, Tel. 071 844 10 50, [email protected] Royal Nautic Deutschland GmbH, D-88339 Bad Waldsee, Tel. +49 (0)7524 91 53 633 Royal Nautic (Spain), E-03720 Benissa/Alicante, Tel. +34 96 573 44 41 www.royal-nautic.com
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