Infoblatt Hyperlipidämie

Seminar klinische Pharmakologie KHK und Lipide
Sommersemester 2015
Alle Kassenpatienten ab dem 35. Lebensjahr haben alle zwei Jahre Anspruch auf eine Check-upUntersuchung mit Bestimmung der Blutfette. Die Hyperlipidämie ist keine eigenständige Krankheit,
sondern ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Behandlungswürdigkeit muss im
Zusammenhang mit anderen Risikofaktoren evaluiert werden. Bei manifesten kardiovaskulären
Erkrankungen ist im Regelfall ein Statin indiziert.
Risikorechner
Risikobezug
Kommentar
arriba
www.arriba-hausarzt.de/
Vorhersage des 10-Jahres-Risikos
eines Herzinfarkts oder Schlaganfall
(tödlich und nicht-tödlich)
Basiert auf der amerikanischen FraminghamStudie, auf deutsche Verhältnisse adaptiert, bildet
auch das altersentsprechende Durchschnittsrisiko
ab, mit integriertem Beratungstool
PROCAM
www.assmann-stiftung.de/
Vorhersage des 10-JahresHerzinfarktrisikos (tödlich und nichttödlich)
Basiert auf deutschen Daten, bisher jedoch
bevorzugt Daten von Männern
ESC-Score
European Society of Cardiology
www.heartscore.org/
Vorhersage tödlicher Infarkte
Basiert auf Sterblichkeits-Datensätzen aus 12
Ländern
Achtung: bei familiärer Hypercholesterinämie und nach kardiovaskulärem Ereignis sind
Risikorechner nicht sinnvoll. Alle überschätzen das Risiko tendenziell.
Nicht-Medikamentöse Therapie der Hyperlipidämie
Maßnahme
Effektivität (Sterberisiko)
Evidenz
Bewegung
Alkoholverzicht
Fettarme Ernährung
Gewicht in Normbereich
senken bei Übergewicht
Lipoprotein-Apherese
Positive Effekte
Minimal effektiv
Minimal effektiv (ca. 0.16 mmol Senkung)
Gelingt nur wenigen, Risiko nur bei BMI > 30 kg/m²
belegt.
Notfallmaßnahme
Durch Studien belegt
Expertenmeinung
Expertenmeinung
Expertenmeinung
Medikamentöse Therapie der Hyperlipidämie der 1. Wahl (mit Nutzenbeleg)
Statine  Hemmung der Cholesterinsynthese (HMG-CoA-Reduktase)







Keine wesentlichen Unterschiede der Wirkstoffe in der Wirksamkeit
Meinungsverschiedenheiten „fixed dose, fire and forget“ (in Studien belegt) versus
„treat to target“ (nicht durch Studien belegte Meinung)
Häufige Nebenwirkung: Muskelschmerzen (1-10%), Rhabdomyolyse (selten),
Leberwerterhöhung. Kontrolle empfohlen
Statine abends einnehmen, nachts ist die körpereigene Cholesterinsynthese am
höchsten.
Wird in der Primärprävention nur bei einem Risiko ≥ 20% von den Kassen erstattet!
Wirksamkeit nur bei extrem hohem Risiko in der Primärprävention belegt.
Sekundärprävention: Alle nach kardiovaskulärem Ereignis sollten ein Statin
bekommen!
Kontraindikation: Schwangerschaft, Lebererkrankungen
 Wechselwirkung: Antimykotika (Azoltyp), Makrolidantibiotika, Calciumantagonisten
(Amlodipin)
 Risiko, Diabetes zu bekommen, steigt (kein Grund, es nicht zu verordnen)
 Kein Nutzen von Statinen bei Dialysepatienten.
 Statine bei Palliativpatienten oder geringer Lebenserwartung absetzen
Substanz
Dosierung
Evidenz/Studienlage
Kommentar
20-80 mg/d
Nutzen in der Primär- und
Leitsubstanz in Deutschland
Simvastatin (üblich 40 mg)
Sekundärprävention auf klinisch
Atorvastatin 10-80 mg/d
relevante Endpunkte (KHK, Tod)
Akzeptable Alternativen
10-40 mg/d
Pravastatin (üblich 40 mg)
belegt.
Andere Statine, z.B. Rosuvastatin
Nutzen nur für Surrogat-Parameter
(Cholesterinsenkung) belegt. Keine
Nutzennachweis auf klinische Endpunkte
Cholesterinresorptionshemmer. Ezetemib hemmt
Niemann-Pick C1-like protein
1(NPC1L1) im Darm
NEU! Geringer Nutzennachweis auf
klinischen Endpunkt bei
Hochrisikopatienten ( ca. 2%
Risikoreduktion NNT ca. 50 IMPROVE-IT),
häufig Durchfall.
Fluvastatin
20-40 mg/d
Abteilung Allgemeinmedizin
Alternative bei Wechselwirkung mit
anderen Medikamenten (z.B. ART)
Keine rationale Indikation
Kann mit Simvastatin kombiniert werden
www.medizin.uni-greifswald.de/allgemeinmedizin
Seminar klinische Pharmakologie KHK und Lipide
Sommersemester 2015
Mittel der ferneren Wahl ohne sicheren Nutzenbeleg auf klinische Endpunkte
Substanzen
Kommentar
Fibrate (z.B. Bezafibrat,
Fenofibrat, Gemfibrozil)
Senkt auch Triglyceride (Risikofaktor von
untergeordneter Relevanz)
UAW wie Statine (Nutzen umstritten)
Kombination mit Statinen bei Nicht-Erreichen von
Zielwerten hat keinen nachweisbaren Effekt auf
klinische Endpunkte.
Nikotinsäurederivate (Niacin,
Vitamin B3)
retardiert (Niaspan®)
sonst 3 x tgl. wurde mit den Laropiprant
(Tredaptive®) einen Prostaglandininhibitor
kombiniert, um die Flush-Symptomatik zu
unterdrücken
Gallensäureaustauscher
z.B. Colestyramin
mikrosomale Triglycerid-TransferProtein (MTP)-Inhibitoren
Lomitapid (Lojuxta®)
NEU! Antikörper gegen PCSK9
(senkt LDL) Evolocumab
(Reppatha®)
Cholesteryl ester Transfer Protein
Hemmer (CETP)
β-Sitosterin (hemmt
Cholesterinresorbtion im Darm)
ω-Fettsäuren (Fischöl)
Studienlage
Vom Markt genommen! (2012)
Muss langsam aufdosiert werden, häufige
Nebenwirkungen: Flush-Symptomatik.
Myopathie ebenfalls beschrieben.
Kombination mit Statinen bei Nicht-Erreichen von
Zielwerten (obsolet)
Geringe gastrointestinale Verträglichkeit, geringe
Akzeptanz (historisch), Nischenindikation, Pruritus
bei Hyperbilirubinämie. (keine Endpunktstudien)
Zulassung 2013 (keine Endpunktstudien)
Nur bei familiärer Hypercholesterinämie.
Geringe gastrointestinale Verträglichkeit,
Wechselwirkungen, Substitution fettlöslicher
Vitamine und Laborkontrollen notwendig.
Bisher Nutzen nur für
Surrogatparameter
(Cholesterinsenkung)
belegt. Kein
Nutzennachweis auf
klinisch relevante
Endpunkte.
Amerikanische
Leitlinie 2013
empfiehlt nur noch
Statine!
Injektion alle 2 Wochen. Noch nicht auf dem Markt.
Erhöht HDL, aber erhöhte Mortalität. Nicht auf dem
Markt.
Nahrungsergänzungsmittel z.B. in Margarine.
Nicht verordnungsfähig.
Nahrungsergänzungsmittel z.B. als Kapseln. Kein
Nutzen in Studien. Nicht verordnungsfähig.
Fabula docet: Hohe Fettwerte sind mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Daraus
lässt sich aber nicht schlussfolgern, dass eine Substanz, die Messwerte in die theoretisch gewünschte
Richtung lenkt (Laborkosmetik), für Patienten einen Nutzen hat.
Relevante Leitlinien
Thema
2014 Nationale Versorgungsleitlinie
KHK
2011 Hausärztliche Leitlinie
Kardiovaskuläre Prävention
2012 Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft:
Empfehlungen zur Therapie von
Fettstoffwechselstörungen
2013 ACC/AHA Guideline on the
Treatment of Blood Cholesterol to
Reduce Atherosclerotic
Cardiovascular Risk in Adults
URL
http://www.leitlinien.de/nvl/khk
www.leitlinien.de/mdb/downloads/lghessen/kardiovaskula
ere-praevention-lang.pdf
http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/AZ/PDF_Kurzversion/Fettstoffwechselstoerungen_k.pdf
http://circ.ahajournals.org/content/early/2013/11/11/01.cir.
0000437738.63853.7a
Hinweise auf familiäre Hypercholesterinämie
Erhöhte Blutfette bei mehreren Angehörigen sind kein Argument für das Vorliegen einer familiären
Hypercholesterinämie! Simon-Broome Kriterien:
 Erhöhte Cholesterinwerte (> 7,5 mmol) und
 Xanthome / Xanthelasmen
und
 Infarkt bei einem Verwandten 2. Grades unter 50 oder unter 60 bei einem Verwandten ersten
Grades
Genetische Tests möglich, aber unüblich.
Abteilung Allgemeinmedizin
www.medizin.uni-greifswald.de/allgemeinmedizin