Bargeld abschaffen?

Bargeld abschaffen? Zu Risiken und Nebenwirkungen einer scheinbar sinnvollen Maßnahme Von Eberhard Gamm, [email protected] Der Sonntag‐Abend‐Tatort bringt es immer wieder an den Tag: Verbrechen haben oft etwas mit Kof‐
fern, Taschen oder Plastiktüten voller Bargeld zu tun. Und wer kennt nicht einen Maurer, der gegen Bares den Zwischenbau zwischen Haus und Garage hochzieht? Das Bargeld ist das Geld der Schat‐
tenwirtschaft, der Schmuggler, der Drogenkartelle und weiterer Kreise, die gerne unerkannt bleiben. Also weg mit dem Bargeld? Ganz so einfach ist die Sache aber leider nicht. Wir Deutschen hängen sehr an unserem Bargeld, und das mit Recht. Allerdings ist uns nicht immer bewusst, warum wir mit dieser Haltung richtig liegen. Die aktuelle Diskussion wird mit Argumenten geführt, die von Warnungen vor dem „Gläsernen Bürger“ bis zu dem Verdacht reichen, man wolle uns negative Zinsen verordnen, d.h. unsere Bankguthaben schrumpfen lassen. Aber war da nicht noch etwas? Ja, da war noch etwas. Der Volksmund weist uns darauf hin: Nur Bares ist Wahres. Der Volksmund rät uns nämlich, bei einer drohenden Insolvenz unserer Bank noch schnell zum Geldau‐
tomaten zu laufen und unser Geld abzuheben. Sonst ist es nämlich weg! Wir haben uns so an diesen Tatbestand gewöhnt, dass er uns selbstverständlich erscheint. Das ist er aber nicht. Wenn wir unser Auto in einem Parkhaus abgestellt haben und der Parkhausbetreiber insolvent ist, bekommen wir schlimmstenfalls eine Aufforderung, unser Auto zu entfernen. Es gehört aber nach wie vor uns. Wenn es also Gerüchte gibt, dass der Betreiber unseres Parkhauses insolvent ist, lehnen wir uns zurück und warten ab. Vielleicht kommt ja schon bald ein Schreiben, dass ein an‐
derer Betreiber das Parkhaus übernommen hat. So sollte es bei unseren Bankguthaben auch sein. Stellen Sie sich vor, ihre Bank ist insolvent und sie bekommen Post: „Sehr geehrter Kunde, leider sind wir insolvent. Ihre Bankguthaben werden deshalb in Kürze bei einer anderen Bank geführt. Während der Umstellung kann es zu Einschränkungen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis. Mit freundlichen Grüßen, Ihre ehemalige Bank.“ Eigentlich ganz einfach. Aber warum ist es nicht so? Zurück zum Volksmund: Nur Bares ist Wahres. Das Bargeld ist also offensichtlich in einem wesentli‐
chen Punkt besser als das Bankguthaben: Es geht nicht so einfach „kaputt“. Wer es hat, hat es, ganz gleich, wie viele „(Lehman) Brothers“ dieser Welt noch untergehen. Nur bei einer Währungsreform verwandelt sich das Bargeld wieder in seine Bestandteile: Papier und Metall. Und selbst dann kann man es umtauschen, wenn die Währungsreform geordnet erfolgt, wie z.B. beim Übergang von der D‐
Mark zum Euro. Das Gute am Bargeld verbirgt sich in dem etwas sperrigen Namen, den es in Fachkreisen genießt: gesetzliches Zahlungsmittel. Die Bundesbank schreibt dazu: „In Deutschland sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ [1] Unsere Bankguthaben be‐
zeichnet die Bundesbank als „Giralgeld“ oder „Buchgeld“ und schreibt: „Unter Buchgeld versteht man Einlagen bei Banken, die durch Buchungsakte in den Kontobüchern der Banken entstanden sind. Ob‐
wohl Buchgeld kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, wird es allgemein als Zahlungsmittel akzeptiert, dies beruht insbesondere darauf, dass Buchgeld in Bargeld umgewandelt werden kann.“ [2] Das letzte Wort „kann“ hat die Bundesbank mit Bedacht gewählt. Den möglicherweise beruhigenden Zusatz „immer“ hat sie dagegen vermieden. Der Volksmund vermeidet derartige Ausweichmanöver. Zu al‐
lem Überfluss bestätigt uns die Bundesbank auch noch, dass unsere Bankguthaben kein gesetzliches Zahlungsmittel sind. Sind sie also ein ungesetzliches Zahlungsmittel? Wir fragen bei der Bundesbank nach: „Was ist die rechtliche Grundlage für die Buchgeldschöpfung?“ Die Antwort der Bundesbank: „Es gibt keine direkt rechtliche Regelung.“ [3] Der Tippfehler stammt von der Bundesbank. Wir befin‐
den uns mit unseren Bankguthaben demnach in einem rechtsfreien Raum. Gut zu wissen! Da bleiben wir doch lieber beim Bargeld, das eine rechtliche Grundlage besitzt. Dem Volksmund dürfen wir je‐
denfalls gratulieren: Richtig erkannt! Tatsächlich ist es so, dass es sich bei unseren Bankguthaben gar nicht um Geld handelt, sondern nur um ein Zahlungsversprechen der Bank. Unsere Bank verspricht uns, die Bankguthaben auf Wunsch in Bargeld umzutauschen. Versprechen haben aber nun einmal die unangenehme Eigenschaft, dass sie nicht immer eingehalten werden. Genau das ist bei einer Insolvenz der Bank der Fall: Sie kann das Versprechen, die Bankguthaben in Bargeld umzutauschen, nicht mehr einhalten. Das „Geld“ – inzwi‐
schen wissen wir, dass es kein Geld ist – ist weg. „Nein“, sagt unsere Bank, „es gibt doch jetzt die Einlagensicherung.“ Der Einlagensicherungsfond verspricht uns, das „Geld“ zu ersetzen, solange es nicht mehr als 100.000 Euro sind. Uns fällt auf, dass dabei ein Versprechen durch ein Anderes ersetzt wird. Wir wollen aber keine Versprechen, die zum einen limitiert sind und zum anderen in einer Systemkrise ohnehin nicht eingehalten werden können. Wir wollen echtes Geld. Außerdem verursacht ein Einlagensicherungsfond Kosten, die natür‐
lich auf die Bankkunden umgelegt werden. Wir müssen unserer Bank deshalb leider mitteilen: Netter Versuch, aber ganz und gar nicht in unserem Sinne. Gibt es aus diesem Dilemma einen Ausweg? Ja, den gibt es, und er ist so einfach, dass man sich fra‐
gen muss, warum er nicht schon lange beschritten worden ist: Wenn etwas keine rechtliche Grundla‐
ge hat, dann gebe man ihm eine. Und da man nur mit gesetzlichem Zahlungsmittel rechtsverbindlich bezahlen kann, ist auch klar, wie diese rechtliche Grundlage aussehen muss: Unsere Bankguthaben müssen gesetzliches Zahlungsmittel werden. Oder anders ausgedrückt: Wir wollen Geld auf unseren Konten und keine Zahlungsversprechen. Geld geht nicht „kaputt“, Zahlungsversprechen schon. Bankguthaben, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, werden von Fachleuten als „Vollgeld“ bezeich‐
net. Es ist erstaunlich, dass man dafür einen eigenen Begriff braucht, aber wir haben uns so daran gewöhnt, die Zahlungsversprechen auf unseren Bankkonten als Geld zu bezeichnen, dass für echtes Geld auf Bankkonten tatsächlich ein neuer Begriff benötigt wird. Die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Bankguthaben als gesetzliches Zahlungsmittel wird deshalb auch als „Vollgeldre‐
form“ bezeichnet. Das ist leider eine etwas unglückliche Bezeichnung, weil sie nach „Währungsre‐
form“ klingt und Ängste schürt. Durch eine Vollgeldreform wird aber nur das wahr, was wir ohnehin immer geglaubt haben: dass wir Geld auf dem Konto haben; dass wir Rechtssicherheit haben; dass unser Geld nicht „kaputt“ geht, weil irgendwelche „xyz Brothers“ Bockmist gebaut haben. Also: Bargeld abschaffen? Nein, bei der aktuellen Rechtslage auf gar keinen Fall. Damit wird das ein‐
zige gesetzliche Zahlungsmittel abgeschafft. Das geht gar nicht. Zunächst bedarf es einer ordentli‐
chen rechtlichen Grundlage für die Bankguthaben. Bargeld mag zwar für illegale Zwecke verwendet werden, mit seiner Abschaffung begeben wir uns aber komplett in einen rechtsfreien Raum. Dafür haben wir einen glaubwürdigen Zeugen: die Bundesbank. Quellen: [1] Bundesbank: Geld und Geldpolitik digital, Stichwort Das Bargeld https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Dossier/Service/schule_und_bildung_kapitel_2.html [2] Bundesbank: Geld und Geldpolitik, Kapitel 3: Das Buchgeld, S.57 https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Schule_und_Bildung/geld_und_geldpolitik.html [3] Bundesbank: Schülerbuch Geld und Geldpolitik digital, FAQ zum Thema Geldschöpfung https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/FAQ_Listen/faq_zum_thema_geldschoepfung.html Weitere Informationen und Hintergründe unter: www.monetative.de www.vollgeld.de www.vollgeld.ch