Wie ist das eigentlich mit den Geflüchteten...?

„Wie ist das eigentlich mit den Geflüchteten...?“
Rechtliche Grundlagen und Zeitzeugenbericht von Dörte Mälzer und Alaa Koudsi
Von Sophie Hermanns
Der Allerweltshaus Köln e.V. ist Anlaufstelle für viele Menschen, die sich mit
entwicklungspolitischen Themen und Migration auseinandersetzen wollen oder
müssen.
Eine
feste
Instanz
im
Haus
ist
die
Sozial-,
Migrations-,
und
Flüchtlingsberatung unter der Leitung von Dörte Mälzer. Da 2015 deutlich mehr
Geflüchtete nach Deutschland kamen als in den Vorjahren und die öffentliche
Aufmerksamkeit
dazu
führte,
dass
sich
auch
mehr
Menschen
in
Willkommensinitiativen engagieren, fand am 26.11.2015 ein Vortrag von Dörte Mälzer
zu den rechtlichen Grundlagen des Aufenthalts von Geflüchteten in Deutschland
statt. Zusätzlich zu diesem theoretischen Teil, berichtete Alaa Koudsi aus Aleppo von
seiner Situation in Deutschland und seiner Flucht vor zwei Jahren aus Syrien.
Moderiert wurde die Veranstaltung mit anschließender Diskussion von Lea Sänger.
Im Allerweltshaus Köln e.V. finden Geflüchtete viele verschiedene Anlaufstellen.
Wöchentlich findet dienstags das Café ohne Grenzen statt, monatlich gibt es einen
Spieleabend, der auch ohne weitere Sprachkenntnisse besucht werden kann und
darüber hinaus werden verschiedene Deutschkurse angeboten. Die Vortragende
Dörte Mälzer ist jedoch insbesondere zuständig für die Beratung der Geflüchteten im
Allerweltshaus. Dazu gehört die Begleitung des Asylverfahrens, die Vorbereitung auf
die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sowie die Unterstützung
beim Familiennachzug. Aufgrund ihrer Erfahrungen in dieser Beratungsstelle, konnte
Frau Mälzer ausführlich darüber berichten, welche Möglichkeiten es für Geflüchtete
gibt, in Deutschland einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Bevor Menschen nach Deutschland kommen, um einen Asylantrag zu stellen, sind
sie
aus den verschiedensten
Gründen aus ihren Ländern
geflohen. Die
Hauptherkunftsländer der Geflüchteten, die in Köln ankommen, sind im Jahre 2015
Syrien, Eritrea und Serbien gewesen. In Syrien herrscht seit 2013 zum einen ein
Krieg zwischen verschiedenen Oppositionsgruppen und dem Militär unter Baschar alAssad, zum anderen konnte dort die terroristische Vereinigung Islamischer Staat Fuß
fassen. In Eritrea hingegen fliehen die Menschen, da es in der Diktatur unter Isayas
Afewerki
beispielsweise
keine
Verfassung
und
keine
ausreichende
Gesundheitsversorgung gibt. Ferner werden alle zum zweijährigen Dienst im Militär
gezwungen und an der äthiopischen Grenze eingesetzt. Die Geflüchteten aus
Serbien sind jedoch hauptsächlich Roma, die in Serbien verfolgt und im großen
Maße umgesiedelt werden ohne eine entsprechende Wohnalternative geboten zu
bekommen. Diese Veranstaltung konnte jedoch nur einen kurzen Überblick über die
Fluchtgründe geben, welche aber in einer weiteren Ehrenamtsschulung von Dörte
Mälzer ausführlich behandelt worden sind.
Nachdem die Menschen
aus den verschiedensten
Gründen geflohen und in
Deutschland angekommen
sind,
müssen
sie
hier
einen
Antrag
auf
Asyl
stellen. Dieser wird in einer
der Zentralen Ausländerbehörden
(ZAB),
den
Außenstellen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), gestellt. Wenn es in der betreffenden
Region keine zentrale Ausländerbehörde gibt, kann ein Antrag auf Asyl auch bei der
kommunalen Ausländerbehörde gestellt werden. Erscheint die geflüchtete Person
außerhalb der Öffnungszeiten der Behörden, kann der Antrag bei der Polizei gestellt
werden. Im Anschluss an die Vorsprache beim zuständigen Amt, wird dann das
Asylverfahren eingeleitet und die antragstellende Person einer Aufnahmestelle
zugeordnet.
In dieser Erstaufnahmeeinrichtung wird die Person dann registriert. Das bedeute,
dass Personaldaten gespeichert werden. Bei der Ausländerbehörde erhalten die
Geflüchteten eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende*r (BÜMA). Bei
dieser Bescheinigung handelt es sich um keinen Aufenthaltstitel, wie z. B. eine
Aufenthaltserlaubnis
oder
ein
Visum.
Sie
ist
vielmehr
ein
vorläufiges
Aufenthaltspapier mit einer begrenzten Gültigkeitsdauer und bescheinigt lediglich,
dass sich die schutzsuchende Person nicht illegal in Deutschland aufhält. Sobald die
Asylsuchenden diese Bescheinigung erhalten haben, werden sie anhand einer
festgelegten Aufteilung, dem sogenannten Königssteiner Schlüssel, in verschiedene
Kommunen verteilt. Diese Aufteilung richtet sich nach den Steuereinnahmen und den
Bevölkerungszahlen der entsprechenden Kommunen.
In der zugewiesenen Unterkunft müssen nun mindestens sechs Monate verbracht
werden, wobei die Rechte und Pflichten in diesem Zeitraum sich unterscheiden, je
nachdem, ob die Person aus einem sicheren oder einem unsicheren Herkunftsland
stammt. Wie genau sichere Herkunftsländer in Deutschland bestimmt werden, ist
nicht ersichtlich, jedoch zählen zu den sicheren Herkunftsländern heute Albanien,
Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und
Serbien. Die Personen, die aus einem sicheren Herkunftsland kommen, dürfen
weder arbeiten gehen noch an Integrationsmaßnahmen teilnehmen. Lediglich
minderjährige Kinder dürfen die Schule besuchen. Darüber hinaus müssen sie so
lange in der zugewiesenen Unterkunft leben, bis über ihren Asylantrag entschieden
wurde. Für diejenigen, die aus nicht sicheren Herkunftsländern stammen gelten
andere Regelungen. Sie haben drei Monate nach Asylantragstellung einen Anspruch
auf Integrationsmaßnahmen wie beispielsweise einen Sprachkurs. Nach sechs
Monaten darf von ihnen außerdem eine Privatwohnung angemietet werden. Nach
drei Monaten können sie außerdem eine Arbeitserlaubnis für eine bestimmte
Arbeitsstelle erhalten. Einen Arbeitsplatz zu bekommen ist für diese Menschen
jedoch mit großen Hindernissen verbunden. So dürfen Asylsuchende einen
Arbeitsplatz nur bekommen, falls kein*e deutsche*r Staatsbürger*in oder eine Person
mit Aufenthaltstitel für diesen
Asylsuchende*r
also
eingestellt
Arbeitsplatz in
werden
Frage
kann,
kommt.
müssen
Bevor ein*e
mindestens
drei
Bewerber*innen, die von der Bundesagentur für Arbeit empfohlen werden, begründet
abgelehnt werden.
Unabhängig davon, ob die Personen aus einem sicheren oder nicht sicheren
Herkunftsland
stammen,
Asylbewerberleistungsgesetz.
beziehen
In
der
jedoch
alle
Leistungen
Gesundheitsversorgung
aus
beinhalten
dem
die
Leistungen jedoch nur Behandlung bei akutem Schmerz, sodass Menschen mit
chronischen Krankheiten nur unzureichend behandelt werden können. Ebenso
kommen die psychiatrischen Leistungen zu kurz und das, obwohl viele geflohene
Menschen unter Traumata leiden. Die Menschen, die unter Krankheiten leiden, die
nicht unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sind somit abhängig von
kostenlosen und anonymen Beratungen und Versorgungsstellen wie beispielsweise
bei den Maltesern. Die Versorgung von Schwangeren wird jedoch umfassend
gewährleistet.
Nach der Zuordnung in die
entsprechenden
Unter-
künfte, ist der nächste
Schritt für die Menschen,
die
einen
stellen,
die
Asylantrag
sogenannte
Anhörung. In dieser muss
der Asylsuchende glaubhaft machen, dass er aus
begründeter
Furcht
individueller
vor
Verfolgung
geflohen ist und er muss deutlich machen, dass bei einer möglichen Rückkehr eine
existenzielle Gefahr droht. Die Anhörung findet immer auf der Muttersprache der
jeweiligen Person statt. Momentan ist wegen der Überbelastung eine Anhörung kurz
nach Antragsstellung nicht mehr möglich, was den Vorteil hat, dass sich die
Personen besser auf die Anhörung vorbereiten können. Auf der anderen Seite
verzögern sich dadurch der gesamte Anerkennungsprozess und damit auch
beispielsweise die Möglichkeit des Familiennachzugs. Der so beschriebene Ablauf
zwischen Registrierung und Aufenthaltsgenehmigung findet momentan häufig so
nicht statt. Nach Inkrafttreten der Dublin-Verordnung wurden viele Stellen beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestrichen, sodass das Personal heute
nicht in der Lage ist, die hohe Anzahl von Asylanträgen in einer angemessenen Zeit
zu bearbeiten. Deshalb warten die Menschen, die Asyl suchen, oft monatelang auf
einen Bescheid.
Nach dieser Anhörung wird – in unterschiedlichen Zeitrahmen – über den Asylantrag
entschieden. Dabei sind sechs Ergebnisse möglich, von denen zwei negativ sind: Für
die
Menschen
aus
sicheren
Herkunftsländer
lautet
die
Entscheidung
oft
„offensichtlich unbegründet“. Ist dies der Fall, hat die Person sieben Tage Zeit,
auszureisen und ein zehnmonatiges Wiedereinreiseverbot, wenn die Ausreise
freiwillig geschieht. . Reist die Person nicht freiwillig aus, wird sie abgeschoben und
erhält ein Wiedereinreiseverbot für 30 Monate. Die einzige Chance für diese
Menschen, in Deutschland zu bleiben ist, innerhalb von sieben Tagen gegen diesen
Entscheid zu klagen. Neben diesem negativen Ergebnis gibt es noch einen weiteren
negativen Bescheid, der „unbegründet“ lautet. Menschen, die dieses Ergebnis
mitgeteilt
bekommen,
haben
eine
dreißigtägige
Frist,
um
auszureisen
beziehungsweise 14 Tage, um gegen diesen Entscheid zu klagen und 30 Tage, um
eine Begründung nachzuliefern.
Neben diesen beiden negativen Ergebnissen der Antragsstellung, gibt es jedoch
verschiedene positive Entscheide. Der erste ist – nach Art. 16a GG – asylberechtigt
zu sein, also ein Bleiberecht aufgrund politischer Verfolgung zugestanden zu
bekommen. Dies beinhaltet eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre mit Anspruch auf
Familiennachzug in den ersten drei Monaten nach Anerkennung als Asylberechtigte.
Entscheidend für den Familiennachzug ist das Datum der Antragsstellung, da die
Bearbeitung momentan beispielsweise in Istanbul über sechszehn Monate dauert.
Ferner sind die Menschen, die als asylberechtigt anerkannt werden, arbeitsberechtigt
und haben einen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und Sozialleistungen.
Wegen der Dublin III-Verordnung, die besagt, dass Geflüchtete ihren Asylantrag in
dem Land der Europäischen Union stellen müssen, in das sie als erstes eingereist
sind, ist dieses Ergebnis in Deutschland nur für diejenigen Menschen möglich, die
direkt auf dem Luftweg eingereist sind. Die Dublin III-Verordnung wurde jedoch 2015
für einen kurzen Zeitraum für Menschen, die aus Syrien geflohen sind, ausgesetzt.
Ein weiterer positiver Bescheid ist, wenn eine Person die Flüchtlingseigenschaft nach
der Genfer Flüchtlingskonvention aufweist. Mit diesem Ergebnis gehen die gleichen
Rechte einher wie mit dem Bleiberecht aufgrund politischer Verfolgung. Wenn
jemand diesen Bescheid bekommt, kann es jedoch sein, dass er oder sie über
andere Länder nach Deutschland gekommen ist. Dann wird ein Dublin-Verfahren
eingeleitet. Das BAMF hat dann drei Monate Zeit, um Nachforschungen
diesbezüglich anzustellen. Genutzt werden dabei alle möglichen Beweise, die am
Körper getragen werden, aber auch die Suche innerhalb der Europäischen Union
nach registrierten Fingerabdrücken. Wird ein solcher Beweis gefunden, liegt die Frist
für eine „Rücküberstellung“ in das Land, auf das die Beweise hindeuten, bei zwei
Monaten. Seitens Deutschlands wird eine Anfrage auf Rücküberstellung an das
jeweilige
Land
gestellt,
wobei
auch
keine
Antwort
als
Zustimmung
zur
Rücküberstellung gewertet wird. Wenn die Rücküberstellung jedoch abgelehnt wird,
ist Deutschland verpflichtet, den Asylantrag zu bearbeiten. Der UNHCR prüft jedoch
Bestimmungen zur Versorgung von Flüchtlingen, die beispielsweise in Griechenland
nicht
erfüllt
werden.
Bundesverfassungsgericht
Aufgrund
in
dessen
Deutschland
ist
der
herangetreten,
UNHCR
der
an
das
daraufhin
die
Überstellungen von Geflüchteten nach Griechenland verboten hat. Ebenso wurden
Überstellungen von Familien mit minderjährigen Kindern nach Italien als nicht
verfassungskonform erklärt.
Neben diesen beiden Möglichkeiten der Aufenthaltserlaubnis gibt es noch den
Subsidärschutz und das nationale Abschiebeverbot nach der europäischen
Menschenrechtskonvention.
Subsidärschutz
erhalten
Personen,
die
Opfer
bewaffneter innerstaatlicher Konflikte oder Kriegssituationen sind oder durch die
Todesstrafe bedroht werden. Personen, die Subsidärschutz erhalten, bekommen
eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, haben aber ansonsten seit vier Monaten die
gleichen Rechte beim Familiennachzug wie Personen, die asylberechtigt sind. Zuvor
mussten sie bei Antrag auf Familiennachzug Unterhalts- und Wohnraumnachweise
vorlegen, was nun – wie bei Asylberechtigten – nicht mehr der Fall ist. Das nationale
Abschiebeverbot nach der europäischen Menschenrechtskonvention greift hingegen
bei Gefahr von Leib und Leben, die wirtschaftlich oder krankheitsbedingt ist. Diese
Art der Aufenthaltserlaubnis gilt für ein Jahr und die Menschen haben vollen
Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und Sozialleistungen.
Nach dieser detaillierten Einführung in die rechtlichen Grundlagen bezüglich
Geflüchteter von Dörte Mälzer, erzählte Alaa Koudsi aus Aleppo von seinen
Erfahrungen auf der Flucht und in Deutschland. Herr Koudsi ist im Mai 2013 aus
Syrien geflüchtet, nachdem die Konflikte, die 2012 im Süden Syriens entbrannten,
immer weiter in den Norden vorgedrungen sind und er für das Militär eingezogen
werden sollte. Als er 2013 floh, gab es in Aleppo bereits keine ausreichende
Versorgung mit Wasser, Essen, Elektrizität und Internet, sodass ein normales Leben
auch ohne die Gefahr nicht mehr möglich war.
Da die Grenze zwischen Syrien und der Türkei nicht geschlossen ist, ging Alaa
Koudsi vorerst nach Istanbul, um dort fünf Monate lang zu bleiben. Trotz einer
dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung, erhielt er aber keine Arbeitserlaubnis und
konnte sich somit seinen Lebensunterhalt nicht verdienen. Daraufhin suchte er
gemeinsam mit einem Freund einen Schlepper, um in die Europäische Union zu
kommen. Der Schlepper, den er mit einem Freund gemeinsam ausgesucht hatte,
brachte sie mit einer Gruppe von etwa 35 Personen in einen Wald an der türkischbulgarischen Grenze, den sie in etwa fünf Stunden zu Fuß durchqueren sollten.
Obwohl Herr Koudsi und sein Freund den Rest der Gruppe verloren, fanden sie das
bulgarische Dorf, in das sie gehen sollten. Dort wartete jedoch bereits die Polizei auf
sie, die Fingerabdrücke nahm und die beiden eine Woche lang festhielt und
misshandelte.
Trotz dieser Gefahr und der Geldnöte, versuchte er es weiterhin und schaffte es
schließlich, in Bulgarien einzureisen. Dort suchte er nach einer Wohnung und Arbeit.
Da die Arbeitsbedingungen in Bulgarien jedoch schlecht für ihn waren, reisten Alaa
Koudsi und sein Freund nach einem Jahr weiter. Sie fanden einen Schlepper, der sie
mit einer deutschen Gruppe in einem Auto bis nach Österreich brachte. Von dort aus
reisten die beiden weiter nach München, Gießen und anschließend nach Bremen.
Dort wurden sie zur Registrierung nach Bielefeld verwiesen, die ihnen erst eine
Unterkunft in Münster, anschließend in einem Dorf an der niederländischen Grenze
und zuletzt in Odenthal zuwiesen.
Alaa Koudsi ist nun seit 15 Monaten in
Deutschland und wartet auf das Ergebnis seines Asylantrags. Sein Freund, dessen
Fingerabdrücke in Bulgarien nicht gefunden werden, ist bereits asylberechtigt.
Fotos der Veranstaltung: Frederik Kahl Benlloch