Pongauer Schwabe mit großem Herz

Pongauer Schwabe mit großem Herz
Das Porträt: Hans Mooshammer arbeitet seit 50 Jahren bei der Sindelfinger Gartenbau-Firma Walker und denkt auch mit 71 Jahren noch nicht ans Aufhören
zu gemütlich über den Hof schlendert oder
um 6.45 Uhr das Betriebsgelände noch nicht
in Richtung Baustelle verlassen hat, dann
kann es auch mal etwas lauter werden. „Ich
kenne niemanden, der einem so kreativ,
aber unmissverständlich, die Meinung geigen kann – egal, ob der andere des Deutschen mächtig ist oder nicht“, sagt Christoph Walker.
Von unserem Redakteur
Tim Schweiker
Um 9 Uhr gibts Vesper. Das ist so, seit der
heute 71-jährige Hans Mooshammer bei der
Karl Walker GmbH arbeitet. Seit 50 Jahren.
„Der Hans ist fürs Vesper zuständig, das war
eigentlich schon immer so“, sagt Seniorchef
Karl Walker. Was er damit auch sagt: Die
Firma Walker ohne Hans Mooshammer –
das ist kaum vorstellbar.
Ein halbes Jahrhundert Arbeitsleben bei
der Firma Walker. „Ich weiß nicht, ob dir
das so schnell einer nachmachen wird“, sagt
Christoph Walker, der zusammen mit seinem Bruder Andreas die Geschäfte in der
Firma führt, die ihr Vater Karl 1964 gegründet hat. Ein Jahr später kommt Hans Mooshammer in die Firma.
Mit Herz und Energie
Und trotzdem oder gerade deshalb könne
niemand dem Hans länger als fünf Minuten
böse sein. „Diese Eigenschaft kann man
nicht lernen“, sagt Andreas Walker. Der
Hans, ergänzt sein Bruder Christoph, habe
einfach ein großes Herz. Sein Bruder und er
würden sich schon manchmal fragen, woher
Hans Mooshammer „diese beneidenswerte
Energie hernimmt“, mit der er als 71-Jähriger noch jeden Tag im Betrieb erscheint –
meistens deutlich vor 6 Uhr morgens. Hans
Mooshammer antwortet darauf nur: „Es
macht mir halt immer noch Spaß.“ Seine
Frau Brigitte, mit der er zwei Kinder hat,
wird ihren Hans auch künftig erst nachmittags wieder haben. Andreas und Christoph
Walker jedenfalls fragen ihn nicht mehr
nach dem Aufhören: „Er kann so lange bleiben, wie er Lust hat.“
„Sauce – über alles.“
Was aber verschlägt einen, der in Altenmarkt im Salzburger Pongau geboren wurde, überhaupt nach Sindelfingen? Hans
Mooshammer erzählt dazu seine eigene Geschichte. „Ich wäre ja schon längst wieder
zurück nach Österreich gegangen, aber ich
habe hier einen Auftrag“, sagt er und der
Schalk blitzt ihm aus den Augen: „Ich leiste
in Deutschland Entwicklungshilfe.“ Eine
Überzeugung, die vielleicht mit jenem Erlebnis des jungen Hans zu tun hat, der in einer schwäbischen Wirtschaft einst Unvorstellbares beobachten musste: „Am Nebentisch hat einer Rostbraten, Spätzle und Salat auf dem Teller gehabt. Und dann hat er
die Sauce drüber gegossen – über alles!“
Dieses „traumatische Erlebnis“ hält Hans
Mooshammer freilich nicht davon ab, sein
Sindelfinger Abenteuer zu beginnen. „Ich
wollte einfach mal raus, etwas anderes von
der Welt sehen“, sagt Hans Mooshammer,
der von einem alteingesessenen Bauernhof
in Altenmarkt stammt.
Zusammen mit seinem Bruder Gernot,
der später zum Daimler gegangen ist und
ebenfalls noch in Sindelfingen lebt, fängt
Hans Mooshammer am 2. Mai 1965 bei Firmengründer Karl Walker an, der ihn tags
zuvor am Sindelfinger Bahnhof abgeholt
hatte. „Die ersten Tage hab’ ich noch inoffiziell gearbeitet, zum Testen. Damals ging
das noch problemlos.“ Seit dem 9. Mai 1965
Seit 50 Jahren arbeitet der gebürtige Pongauer Hans Mooshammer bei der Sindelfinger Gartenbau-Firma Walker.
arbeitet Hans Mooshammer ganz offiziell
bei Walker – weil schnell klar ist, dass man
den gelernten KfZ-Mechaniker in dem damals noch kleinen Vier-Mann-Betrieb sehr
gut brauchen kann.
Denn Hans Mooshammer ist nicht nur ein
begabter Techniker, der sich um den stetig
wachsenden Maschinenpark der Firma
kümmert, sondern auch ein Organisationstalent, das bald viel mehr in der Hand hat
als Hammer und Schraubenzieher. „Er
denkt täglich von Neuem quer zur Fahrtrichtung, überlegt sich neue Varianten und
bürstet den betrieblichen Alltag gegen den
Strich“, sagt Christoph Walker über seinen
Betriebsleiter: „Das treibt so manchen Bauleiter oder Capo in den Wahnsinn – aber er
hat fast immer recht.“
Vorschriften und rechtliche Details sind
dem Praktiker Hans Mooshammer dabei
bisweilen wie Spitzgras. „Sagen wir mal so,
sein Umgang mit Behörden und Bürokratie
ist mitunter unkonventionell“, sagt Andreas
Walker. Ihm sei eben das Ergebnis wichtig,
sagt Hans Mooshammer lapidar. Wenn er
von der Internationalen Gartenbau-Ausstel-
Bild: Stampe
lung IGA 1993 in Stuttgart erzählt, bei der
die Firma Walker mit Goldmedaillen geradezu überschüttet wurde, oder von der Landesgartenschau 1990 in Sindelfingen, dann
spürt man, dass der KfZ-Mechaniker Hans
Mooshammer längst auch ein leidenschaftlicher Gärtner geworden ist. Er selbst kommentiert solche Höhepunkte freilich ganz
bescheiden: „Das war schon toll.“
Einer wie er weiß, dass vor allem das Alltagsgeschäft funktionieren muss. Wenn einer der heute rund 60 Walker-Mitarbeiter
mit dreckigen Schuhen ins Büro kommt, all-
Und so arbeitet Hans Mooshammer weiter daran, seine Rente selbst zu finanzieren.
„Irgendwann zahlt er am Ende eines Monats als Arbeitnehmer seinen Rentenbeitrag
ein und bekommt ihn als Rente im Folgemonat gleich wieder ausbezahlt“, sagt Christoph Walker und grinst: „Mit solchen Leuten rettet man das Rentensystem. Ich sage
nur: österreichische Entwicklungshilfe.“
Gut möglich, dass der gleiche Humor, die
gleiche Wellenlänge mit den Walkers ein
Grund dafür ist, warum aus dem gebürtigen
Pongauer Hans Mooshammer längst ein
Pongauer Schwabe geworden ist. Die unnachahmliche Mischung aus beiden Dialekten ist sein Markenzeichen geworden. Diese
Mischung wollen sie in der Firma noch möglichst lange hören. Christoph Walker: „Der
Hans arbeitet nicht bei uns im Laden, er ist
der Laden.“ Hans Mooshammer nickt bei
solchem Lob nur bedächtig, grinst und sagt:
„Bin Laden.“