Walker Evans. Tiefenschärfe. Die Retrospektive 27

Walker Evans. Tiefenschärfe. Die Retrospektive
27. September 2015 bis 10. Januar 2016
PRESSEMITTEILUNG
Wohl kein Fotograf hat die Entwicklung dieses Mediums im 20. Jahrhundert stärker geprägt als der
Amerikaner Walker Evans (1903 bis 1975). Mit seiner Arbeit hat er, so ließe sich sagen, die Gattung
der Dokumentarfotografie genauso definiert wie auch transzendiert. Seine Bilder wollen die sichtbare
Welt in möglichster Treue abbilden, und zugleich scheint im Hintergrund eine Poesie auf, die Ausdruck der Persönlichkeit des Künstlers ist.
Diese erste europäische Retrospektive von Evans’ Werk nimmt mit mehr als 200 Fotografien
aus den wichtigsten fotografischen Sammlungen der USA, wie dem Museum of Modern Art, dem
Metropolitan Museum, der Yale University Art Gallery, und bedeutenden Privatsammlungen in den
USA und Europa seine gesamte künstlerische Laufbahn in den Blick: von der frühen Straßenfotografie
in den späten 1920er Jahren über seine ikonischen Bilder der Großen Depression (1935-36) bis zu
den späten Farbaufnahmen, die bis in die letzten Lebenstage des Künstlers reichen. Dabei werden
auch weniger bekannte Bildserien ausführlich vorgestellt, wie Victorian Architecture (1931-33), Cuba
(1933) oder Florida’s Gulf Coast (1941) sowie die Sammlung alltäglicher Schilder und Ephemera, die
der Künstler als Erweiterung seines Blicks mit der Kamera zusammentrug und damit auch die Pop Art
vorwegnahm. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Ausstellung zudem Evans’ Arbeit für illustrierte
Magazine. Von 1945 bis 1965 war er bei der Zeitschrift Fortune angestellt und entwickelte in dieser
Zeit eine Reihe von Bildessays, mit denen er seine künstlerische Sprache entscheidend weiterentwickelte. Dazu gehören besonders jene, die in Bridgeport (1941) sowie in Detroit und Chicago (1946)
entstanden. Für Fortune schuf er später auch eine Reihe von Arbeiten in Farbe, ein Medium, das in
der künstlerischen Fotografie bis dahin noch keine Anwendung gefunden hatte.
Evans’ Kunst war in ihrem Ursprung literarisch geprägt. Schon als Schüler begann er eine intensive Lektüre der Autoren der europäischen und amerikanischen Moderne, eine Literatur, die um 1920
im Entstehen begriffen war. Später ging er zur Vertiefung dieses Interesses nach Paris und hegte selbst
Ambitionen, Schriftsteller zu werden. Autoren wie Gustave Flaubert, Charles Baudelaire, James Joyce
oder T.S. Eliot wurden zu wichtigen Anstößen bei der Entwicklung seiner eigenen fotografischen
Ästhetik. Nicht die ‚offizielle’ Kunst, wie sie in den Museen ausgestellt wurde, interessierte ihn,
sondern die Vorstellungen der einfachen, anonymen Menschen: wie sie ihrem Alltag, z. B. in ihren
Wohnungen, durch eine zumeist unbewusste Schönheitsvorstellung eine Form gaben. Architektur,
Kleidung, automobiler Verkehr, Werbung und Abfall – alles fand Evans’ Interesse und zeigt sich in
seinen Bildern in neuem Licht.
Evans war in seinen Fotografien Historiograf, ihn interessierte eine Tiefenstruktur der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wie sie in der akademischen Geschichtsschreibung noch keinen Widerhall
gefunden hatte. Neben dieser beschreibenden Aufgabe der Kunst beharrte er jedoch genauso auf der
visuellen Logik des Bildes. Nur diesem künstlerisch entwickelten Bild war ein Überleben sicher, wenn
die dargestellten Ereignisse längst ihre Aktualität verloren hatten. Mit einem Wort des Künstlers:
„Evans war und ist daran interessiert, wie jede Gegenwart einmal als Vergangenheit aussehen wird.“
Diese Ausstellung zeigt die einzigartige Bandbreite und Wirkung von Walker Evans’ Laufbahn
und befreit sein Werk aus der Schublade mit der Aufschrift ‚Fotograf der Großen Depression’. Eine
solche Charakterisierung verfehlt den Wert seiner Errungenschaften. Entscheidend ist dabei, Evans’
beweglichen Blick verständlich zu machen, für den die Fotografie ein geeignetes Werkzeug war, um
weiter gesteckte künstlerische Ziele zu erreichen. Es ging ihm mit dieser Arbeitsweise weniger um
Bilder, die man mit der Kamera macht, als darum, einen Blick für etwas zu haben.
Die Ausstellung wurde von John T. Hill und Heinz Liesbrock konzipiert. Sie wird veranstaltet vom
Josef Albers Museum Quadrat, Bottrop und dem High Museum of Art, Atlanta (19. Juni bis 11. September 2016), in Zusammenarbeit mit der Vancouver Art Gallery (29. Oktober 2016 bis 22. Januar 2017).
Zur Ausstellung erscheint im Prestel Verlag eine umfassende Monografie zum Werk von Walker Evans
in deutscher und englischer Sprache, hrsg. von John T. Hill und Heinz Liesbrock, 408 S., 260 Abb. in
Duotone, 90 Abb. 4fbg. Mit Textbeiträgen von John T. Hill, Heinz Liesbrock, Jerry L. Thompson, Alan
Trachtenberg und Thomas Weski. Preis im Museum: 58 Euro.
Die Ausstellung wird gefördert durch
Kurzführungen – Zeit für Kunst am Mittag:
Donnerstag, 1. Oktober, 5. November, 3. Dezember, 7. Januar – jeweils 12.30 Uhr
Öffentliche Führung
jeden Sonntag ab 4. Oktober – 15 Uhr
(am 25.Oktober, 15. November, 27. Dezember, 3. Januar bereits um 14 Uhr)
Kunst-Geschichte und Kaffee – Freitag, 30. Oktober, 14.30 bis 16.30 Uhr
Ferienworkshop für Kinder (ab 8 Jahren) – Montag und Dienstag, 5./6. Oktober, 11 bis 13 Uhr
Eintritt: 8 Euro/ermäßigt 6 Euro
Das Museum hat am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar geschlossen.
Josef Albers Museum Quadrat Bottrop
Im Stadtgarten 20
46236 Bottrop
Tel.: 02041/29716
E-Mail: [email protected]
www.quadrat-bottrop.de
Öffnungszeiten
Dienstag bis Samstag: 11 - 17 Uhr
Sonn- und Feiertage: 10 - 17 Uhr
Montag geschlossen