(Sprecher Dr. Marcel Bruggisser, Aarau) vom 5. Mai 2015 be

REGIERUNGSRAT
12. August 2015
15.76
Interpellation der BDP-Fraktion (Sprecher Dr. Marcel Bruggisser, Aarau) vom 5. Mai 2015 betreffend massiven Anstieg von Luftrettungseinsätzen im Kanton Aargau; Beantwortung
I.
Text und Begründung der Interpellation wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittelbar nach
der Einreichung zugestellt.
II.
Der Regierungsrat antwortet wie folgt:
Zur Frage 1
"Wie viele Rettungseinsätze mit dem Helikopter wurden im Kanton Aargau in den letzten 10 Jahren
pro Jahr, unterschieden nach Primär- und Sekundärtransporten, durchgeführt? Wie ist die entsprechende Entwicklung bei den terrestrisch durchgeführten Rettungseinsätzen?"
Die REGA hat in den letzten zehn Jahren im Kanton Aargau folgende Einsätze durchgeführt:
Einsatzart
Primäreinsätze
Sekundäreinsätze
Total
2004
52
40
92
2005
53
47
100
2006
54
69
123
2007
67
63
130
2008
84
81
165
2009
87
85
172
2010
53
44
97
2011
85
68
153
2012
66
51
117
2013
31
61
92
2014
20
79
99
Die Alpine Air Ambulance (AAA), deren Markteintritt im Jahr 2013 erfolgte, hat in den letzten beiden
Jahren im Kanton Aargau folgende Einsätze durchgeführt:
Einsatzart
Primäreinsätze
Sekundäreinsätze
Total
2013*
146
2014
149
28
177
* keine Unterscheidung von Primär- und Sekundäreinsätzen
Die terrestrischen Rettungsdienste haben in den Jahren 2004–2014 im Kanton Aargau folgende
Einsätze durchgeführt:
Einsatzart
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Primäreinsätze
11'700 11'712 13'666 14'869 15'570 18'353 18'419 19'980 22'021 23'704 25'313
Sekundäreinsätze
5'937 5'580 6'546 6'928 7'723 7'934 7'660 7'533 7'198 8'062 8'083
Total
17'637 17'292 20'212 21'797 23'293 26'287 26'079 27'513 29'219 31'766 33'396
Zur Frage 2
"Wie teilen sich diese Einsätze auf die Anbieter auf (nur für die Luftrettungen)?"
Vergleiche Antwort zur Frage 1.
Zur Frage 3
"Wie wird der Anstieg der Lufteinsätze durch den Regierungsrat begründet?"
Für die Zunahme der Luftrettungseinsätze gibt es verschiedene Erklärungen, die plausibel erscheinen, deren Einfluss im Einzelnen indessen nicht gesichert ist.
Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner im Kanton Aargau nimmt jährlich zu, ebenso der Anteil
der alten und multimorbiden Patientinnen und Patienten. Diverse Krankheiten können besser als
früher behandelt werden, wobei ein möglichst baldiger Behandlungsbeginn von zentraler Bedeutung
ist (zum Beispiel Schlaganfall, Herzinfarkt). Zusammen mit der sehr raschen Verfügbarkeit eines
Helikopters im Kanton veranlassen die bodengebundenen Einsatzteams vor Ort häufiger einen Helikoptereinsatz als in früheren Jahren, als die AAA noch über keinen Standort im Birrfeld verfügte.
Am Häufigsten erfolgt die Nachforderung des Rettungshelikopters durch das Team vor Ort, also aufgrund der medizinischen Beurteilung der erkrankten oder verletzten Patientinnen und Patienten.
Die Rettung aus der Luft geniesst generell einen qualitativ höheren Stellenwert als die bodengebundene, vermutlich auch deshalb, weil der Rettungshelikopter immer mit einer Notärztin oder einem
Notarzt im Einsatz ist. Da im Kanton Aargau kein flächendeckendes Notarztsystem zur Verfügung
steht, wird bei Bedarf oft der Rettungshelikopter aufgeboten. Auch als Rückfallebene wird der Rettungshelikopter beigezogen, wenn die am nächsten gelegenen bodengebundenen Rettungsdienste
bereits besetzt sind.
Im Vergleich zu anderen Kantonen zeichnete sich der Kanton Aargau in den vergangenen Jahren
durch vergleichsweise wenig Rettungshelikopter-Einsätze aus. Die Zunahme in den letzten zwei
Jahren kann daher als Aufholbedarf interpretiert werden.
Eine Rolle spielen kann auch die Angst, in schweren oder zu Beginn als schwer eingeschätzten Fällen keinen Rettungshelikopter aufzubieten und anschliessend infolge potenzieller Unterlassung medial angegriffen zu werden.
Zur Frage 4
"Können die Kosten, welche den Versicherungen aufgrund der Zunahme der Luftrettungseinsätze
entstehen, beziffert werden?"
Die Nachfrage bei der REGA und der AAA hat für die Jahre 2013 und 2014 folgende Kosten ergeben:
Verrechnete Kosten REGA (in Fr.)
Primäreinsätze
Durchschnitt/Einsatz
Sekundäreinsätze*
Total
2013
132'495.85
4'274.10
260'720.00
393'215.85
2014
67'582.40
3'379.10
266'948.00
334'530.40
* hochgerechnet aufgrund der Durchschnittskosten der Primäreinsätze
Die AAA hat mit den Kostenträgern eine Einsatzpauschale von Fr. 2'970.– (Tag und Nacht) vereinbart, wenn Ziel- und Einsatzort im Kanton Aargau liegen. Andernfalls wird nach Aufwand abgerechnet.
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Multipliziert mit den Einsatzzahlen ergeben sich folgende Werte:
Verrechnete Kosten AAA (in Fr.)
Total
2013
433'620.00
2014
525'690.00
Zur Frage 5
"Welche, auch indirekte Kosten, entstehen diesbezüglich dem Kanton? (bitte auch für die letzten
10 Jahre pro Jahr auflisten)"
Der Kanton Aargau übernimmt keine Kosten für Transporte mit Rettungshelikoptern und beteiligt sich
nicht an den Vorhalteleistungen der Unternehmungen.
Zur Frage 6
"Aufgrund welcher Kriterien wird entschieden, ob ein Primäreinsatz mit dem Helikopter durchgeführt
wird?"
Die wichtigsten Kriterien für den Primäreinsatz eines Rettungshelikopters sind die folgenden: Medizinische Gründe mit Notarztindikation (zum Beispiel bewusstloses Kleinkind, Ertrinkungsunfall, Verschüttung, Einklemmung), Notwendigkeit eines schnellen Transportweges (zum Beispiel Schlaganfall), unwegsames und gefährliches Gelände, Massenanfall von Verletzten, Anforderung des
bodengebundenen Einsatzteams vor Ort.
Zur Frage 7
"Geht der Regierungsrat mit der BDP einig, dass aufgrund der WZW-Kriterien (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit) für einen Einsatz des Rettungshelikopters spezielle Kriterien (Schwere
des Notfalls, Geländebeschaffenheit, etc.) gelten sollten?"
Die Leistungserbringer, in diesem Fall die Rettungshelikopter-Unternehmungen, vereinbaren mit den
Unfallversicherungen und Krankenkassen Tarife, die unter Beachtung der WZW-Kriterien ausgehandelt werden. Es ist demzufolge primär Aufgabe der Versicherer, die Kriterien der Wirksamkeit,
Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit in die Vertragsverhandlungen einzubeziehen und deren Einhaltung zu überprüfen.
Wie in Frage 6 festgehalten, bestehen bei allen Rettungsdiensten und der Einsatzleitstelle 144 des
Kantons Aargau Kriterien für den Einsatz eines Rettungshelikopters, die schweizweit anerkannt sind.
Zur Frage 8
"Welcher Zusammenhang besteht für den Regierungsrat zwischen dem Anstieg der Lufteinsätze
(Primär- und Sekundäreinsätze) und dem Markteintritt der Alpine Air Ambulance im Kanton Aargau?
Sieht der Regierungsrat in diesem Zusammenhang eine Notwendigkeit, das Luftrettungskonzept zu
überdenken?"
Es ist offensichtlich, dass seit dem Markteintritt der AAA die Zahl der Rettungshelikopter-Einsätze
zugenommen hat. Der Regierungsrat wird die Entwicklung verfolgen, gibt aber zu bedenken, dass
auf dem Gebiet der Luftrettung grundsätzlich freier Markt besteht, da zurzeit keine eigentlichen gesetzlichen Grundlagen für eine Bedarfsplanung und kein Luftrettungskonzept bestehen. In der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) soll jedoch diese Thematik aufgenommen werden, und
zusammen mit der Frage des Notarztsystems soll der Grosse Rat entsprechende Grundlagenentscheide fällen können, welche auch die Luftrettung einschliessen.
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Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat
mit Einbezug der Luftrettungsanbieter im Jahr 2013 den Interverband für Rettungswesen beauftragt,
eine Arbeitsgruppe zur Koordination der Luftrettung auf schweizerischer Ebene einzusetzen. Bis
heute kam es indes zu keinen konkreten Resultaten, und es ist nicht auszuschliessen, dass schliesslich keine neuen Regelungen getroffen werden. Ein Ende der Arbeiten wird gegen Ende dieses Jahrs
erwartet.
Um die Kostendiskussion zu relativieren, werden die Helikopter-Rettungskosten zu den gesamten
Kosten des Gesundheitswesens in Beziehung gesetzt. Letztere belaufen sich im Jahr 2012 im Kanton Aargau auf rund 4,2 Milliarden Franken (Bruttoinlandprodukt Kanton Aargau 38,4 Milliarden
Franken, Anteil Gesundheitskosten 10,9 %). Die gesamten Helikopter-Rettungskosten im Jahr 2014
(REGA und AAA) erreichen rund Fr. 860'000.–. Der relative Anteil der Helikopter-Rettungskosten an
den gesamten Gesundheitskosten beträgt somit ca. 0,02 % und darf als vernachlässigbar bezeichnet
werden.
Da sich der Kanton, wie in der Antwort zur Frage 5 bereits erwähnt, an den Kosten der Helikopterrettungen nicht beteiligt, besteht lediglich aus finanziellen Überlegungen keine dringende Notwendigkeit, die Luftrettung zusätzlich zu regulieren.
Auch der Anteil der Helikopter-Einsätze an den bodengebundenen Einsätzen (276 versus 33'601)
von 0,82 % im Jahr 2014 ist minimal und zeigt ebenfalls auf, dass die nicht zuletzt auch medial gestützten intensiven Diskussionen um die Helikopterrettung zu relativieren sind.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 713.–.
Regierungsrat Aargau
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