Graue Holzfassaden – naturidentisch?

Im Blickpunkt: Fassaden
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Graue Holzfassaden – naturidentisch?
Der Wunsch nach einer kontrollierten Vergrauung von Holzfassaden
Bauen mit Holz bedeutet für viele, einen nachwachsenden,
nachhaltigen Rohstoff zu verwenden – verbunden mit der
Idee von „ökologisch, naturnah und naturbelassen“. Die nach
außen sichtbarste Verwendung als unbehandelte Fassadenbekleidung wird oft von Architekten feinsinnig als silberfarbende Hülle – also sehr wertig – beschrieben. In der Realität
spiegelt die sehr variantenreiche braune bis schwarzgraue,
sehr unregelmäßige, oft fleckige Optik den versprochenen
Wert des Gebäudes oft nicht wider. So habe man sich das nicht
vorgestellt – ein typischer Kommentar der enttäuschten Bauherren.
Wer dem entgehen möchte, wählt einen Anstrich und leider
auch den dazugehörige Wartungsaufwand oder sorgt für eine
„Vorvergrauung“ des Holzes, so dass es den erwünschten Silberton von Anfang an trägt. Hier hat die Industrie einen
neuen Markt entdeckt für Produkte, die die farbliche Veränderung des Holzes bereits bei der Errichtung von Holzfassaden vorwegnehmen oder zumindest den natürlichen Ablauf
einheitlicher gestalten sollen. Wie ist der Stand der Dinge?
Autoren:
Dipl.-Ing. Martin Mohrmann und
Dipl.-Ing. Susanne Simpson
Natürlich grau – aber wie?
Der natürliche Verwitterungsprozess ist allen „Hölzernen“ bekannt – UV-Strahlung, Wasser und Mikroorganismen sind die Hauptprotagonisten für die Veränderung
von frei bewitterten Holzoberflächen. (siehe auch Artikel
„Fassaden aus Holz“ in diesem Heft)
Ob es tatsächlich zur gewünschten Gleichmäßigkeit
des Farbtons kommt, wird bestimmt u.a. durch die Himmelsrichtungen und die Fassadengestaltung, z.B. durch
hervorspringende Bauteile
und Kanten, die den Grad der
Bewitterung beeinflussen. Um
ein Gebäude in ein einheitliches Grau zu hüllen, werden
verschiedene Strategien verfolgt.
Graue Lasuren – mit und
ohne Nano!
Eine simple Methode: Die
Fassadenhölzer erhalten eine
Beschichtung mit Lasuren, die
mit Pigmenten das Erscheinungsbild einer silbergrauen
Holzoberfläche nachstellen.
Deren Beschichtungsstärke
wird sich auf den bewitterten
Flächen in den nächsten Jahren abbauen und allmählich
die Holzoberfläche freilegen,
an der bereits durch die reduzierte Schichtdicke der bekannte Alterungsprozess eingesetzt hat. Die „traditionellen“ Vergrauungslasuren enthalten durch herkömmliche
Farbpigmente einen begrenzten UV-Schutz. Man kann an
Wetterseiten Standzeiten von
weniger als 2 Jahren erwarten. Ob die verwitterten Fassadenflächen mit dem gewählten Lasurfarbton mehr
oder weniger übereinstimmen
und sich so die gewünschte
einheitliche Grau-tönung herstellt, bleibt eine Rechnung
mit vielen Unbekannten. Der
Bauherr bekommt keine Funktionsgarantie.
Erfahrungsgemäß geht die
Strategie auf, wenn nicht
doch extreme Beanspruchungen deutliche Wasserränder
und schwarz gefärbte Zonen
in dem Übergangsbereich pro-
vozieren. Die angebotenen
speziellen „Vergrauungslasuren“ sind mit effektivem UVSchutz und hydrophobierenden Substanzen ausgestattet.
Diese Kombination verzögert
den Vergrauungseffekt und
reduziert Wasserflecken sowie
unschöne Verfärbungen im
Übergangsbereich. Dabei gehen die Hersteller zwei Wege:
Der konservative ist die Hydrophobierung auf Öl-,
Wachs- oder Paraffinbasis, die
jüngere Generation basiert auf
den Entwicklungen der Nanotechnologie.
Abb.1:
Das „Grauen“ des Bauherrn – eine
sehr unregelmäßige, schwarz-graue
Holzfassade
Bildquelle: RBL
Abb.2:
Moderne Lasuren schützen wirkungsvoll durch längere Standzeiten – hier
eine Wetterseite nach ca. 4 Jahren.
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Abb.3:
Die Beanspruchung durch UV-Licht
und Wetter zeigt Spuren – immer!
Auch bei Lasuren mit höchstem UVSchutz.
Erfolgreich: Hydrophobierung + UV-Schutz
Technisch betrachtet wurden mit beiden Produktarten
gute Erfahrungen gemacht
worden – es kommt auf das
einzelne Produkt an. Wie Ölimprägnierung reduzieren hydrophobierende Nanoadditive
wirkungsvoll eine Wasseraufnahme. Aufgetragen in sehr
geringen Schichtdicken perlen
Wassertropfen in der Fläche
wie auch auf Hirnholzflächen
ab – es soll auch in Rissen
funktioniert.
Da die Nano-Hydrophobierung in der Regel keinen Lichtschutz aufweist, wird eine Vergrauung nur relativ kurze Zeit
verzögert aber nicht verhindert. Moderne Produkte enthalten zusätzlich als UVSchutz nanoskalische anorganische Pigmente wie Titandioxid (TiO2), Zinkoxid (ZnO)
oder Eisenoxid (FeO), als weitere Additive u.a. organische
UV-Absorber. Dadurch wird
nicht nur das Holz, sondern
auch das Bindemittel der Lasur
vor UV-Licht geschützt und
eine Versprödung verhindert.
Die Dauerhaftigkeit von selbst
farblosen Beschichtungen
kann so deutlich verbessert
werden – das zeigen auch
die Erfahrungen aus der Baupraxis.
Schneller grau mit
Katalysatoren
Während jahrzehntelang in
den Laboren nach Lösungen
gegen die Vergrauung gesucht
wurde, drehen manche den
Spieß um – es soll grau werden. Dabei wird generell
durch Beschichtungen nicht
der natürliche Verwitterungsprozess initiiert werden können – das Lignin bleibt ganz.
Aber verfärben kann man die
Holzoberfläche. So sind mittlerweile Lasuren im Handel,
die eine Vergrauung der Holzoberfläche durch chemische
Farbreaktionen entweder im
Zusammenwirken mit Holzinhaltsstoffen oder zusammen
mit Feuchtigkeit und Sauerstoff verursachen. Die Hersteller bezeichnen die auslösenden Substanzen u.a. als „verwitterungsaktiven Bestandteil“, „vorvergrauende Holzbeize“, „Imprägnierkatalysator
oder Oxydationsverstärker“ –
sprich: alles ein Betriebsgeheimnis.
Unter dem Titel „Greywood“
wurde von der Holzforschung
Austria darüber geforscht, aus
den USA ist die „Weathering
Stain“-Beschichtung bekannt.
Das möglichst sägeraue Holz
wird mit einer transparenten
Lösung behandelt, die sich
dann durch die Umgebungsfaktoren Licht und Luftfeuchte
in eine graue Oberfläche verwandelt. Diese Reaktion dauert zwischen 8 und 16 Wochen. Die Veränderung funktioniert auch unter Dachüberständen und an Nord-Ostfassaden. Je stärker die Energiezufuhr bei ausreichender
Im Blickpunkt: Fassaden
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Luftfeuchte, umso schneller
und intensiver das Ergebnis.
Manchmal hilft auch ein zusätzliches Befeuchten der so
behandelten Hölzer.
Die so behandelte Fassadenfläche ist wie unbehandeltes
Holz zu betrachten. Es sind
keine weiteren Schutzmechanismen aktiv. Je nach Beanspruchung kommt es zu den
üblichen Rissbildungen und in
der Tiefe des Profils aufgrund
der UV-Einstrahlung zur normalen Zersetzung. Daher
kombinieren die meisten Hersteller die „Verwitterungsbeize“ mit UV- und Hydrophobierungsadditiven sowie
mit Farbpigmenten, die den
Hölzern bereits eine silbergraue Patina verleihen. Warum die Zugabe von Additiven noch geschieht, kann
wohl in erster Linie mit dem
traditionellen Standpunkt der
Farbenhersteller erklärt werden. Farb- und Lasurbehandlungen haben immer den Anspruch an perfekte Oberflächen zu erfüllen. Welcher
Bauherr kann akzeptieren,
dass sich nach einem Anstrich
nicht unmittelbar ein Effekt
einstellt - und später dann die
Hölzer noch unkontrolliert
rissig und rau werden. Die
Angst vor Regressansprüchen,
ausgelöst durch „unfertige“
und eben nicht perfekte Oberflächen, scheint groß.
Voraussetzung: eine
präzise Anwendung
Einige Produkte sind für das
Streichverfahren auf der BauAnzeige
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stelle geeignet, andere Lasuren werden nur werkseitig für
oberflächenfertige Fassadenprofile industriell verwendet.
Nur so ist bei letzteren ein
gleichmäßiger Effekt zu gewährleisten. Das scheint nach
dem Erfahrungsaustausch mit
Holzbauern auch die AchillesFerse der Produkte zu sein –
ein einheitlicher Farbton ist nur mit sehr
gleichmäßigem, präzisem Auftrag bei optimalen Bedingungen zu erreichen. Für alle Produkte gilt – der Untergrund ist
ein entscheidender Faktor.
Empfohlen werden feingesägte Oberflächen in sehr guter Qualität, bei glatt gehobelten Oberflächen ist die applizierbare Menge gering und
eine fleckige Übergangsphase
zum Endzustand nicht auszuschließen.
Die technischen Merkblätter
sind genau zu studieren – alle
Produkte sind sehr individuell.
So ist die Verwendung auf
Vollhölzern, aber nicht immer
auf Holzwerkstoffen wie z.B.
Massivholzplatten möglich.
Der große Vorteil aller Vorvergrauungslasuren besteht
darin, dass die Holzoberfläche
bezüglich Farbgebung weder
Pflege noch Unterhalt braucht.
Bei einem Austausch von einzelnen Brettern können diese
ebenso schnell wieder aktiv
vorvergraut werden – das
könnte die Akzeptanz der
Bauherren gegenüber Holzfassaden erhöhen.
Eines muss noch festgestellt
werden: Assoziiert der Bauherr mit einer natürlich ver-
grauten Fassade vielleicht
noch den Aspekt „ÖKO“, so
erfüllen einige Vergrauungslasuren nach einem Blick in
das Sicherheitsdatenblatt diese
Erwartungen nicht. Streiten
kann man auch über die fungizide Ausrüstung gegenüber
Bläue und Schimmel. Nicht
wenige Hersteller bestehen
darauf – ihnen ist die Sorge
um mögliche Reklamationen
gemein. „Wer hat Angst vor’m
schwarzem Haus?“ Es wird
wohl auch von den organischen Bestandteilen der Lasuren abhängen, ob die Produkte solche Schutzmittel benötigen.
Grau in grau –
ohne Chemie
Zwei Schweizer Hersteller
haben eine andere, nicht ganz
so gängige Methode der kontrollierten Alterung von Holzoberflächen analog dem natürlichen, biologischen Prozess entwickelt. Eine Methode
basiert dabei auf der intensiven Behandlung der Hölzer
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Abb.4:
Durch UV-Licht und Wasser vorvergraute Fassadenhölzer.
Bildquelle: www.ecogris.ch, Schweiz
durch künstliche UV-Strahlung sowie Wasser - ohne
weitere Zusatzstoffe. Dieses
Verfahren der beschleunigten
Vorpatinierung wird für Fassadenbretter mit sägerauer
Holzoberfläche eingesetzt.
Das zweite Verfahren ergänzt die Behandlung mit
dem Einsatz von speziellen
Bläuepilzen. Bei gehobelten
Fassadenprofilen erreicht der
Hersteller eine Alterspatina,
wie sie sich bei einer unbehandelten, dem Schlagregen
ausgesetzten Holzfassade
nach etwa sechs Jahren einstellen würde (siehe Abb.4).
Um ein gleichmäßiges Erscheinungsbild zu erhalten,
müssen genauso wie bei den
„aktiven“ Vergrauungslasuren
hohe Holzgüten und in der
Regel Rift- und Halbriftbretter
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Abb.5:
Die richtige Ausführung
trifft den richtigen Ton –
ein einheitliches Grau.
Bildquelle: RBL
mit guter Dimensions- und
Formstabilität als Ausgangsmaterial verwendet werden.
Bei diesen Verfahren kann
man wirklich von einer natürlichen Vorvergrauung sprechen, daher hat die Behandlung keinen Einfluss auf den
Feuchteschutz und die Dauerhaftigkeit. Sinnvoll kann es
sein, die vergrauten Fassadenverkleidungen mit einem Hydrophobierungsmittel zu streichen.
Alles gut – funktioniert es ?
Die Produkte sind teilweise
neu auf dem Markt und ihr
Einsatz erst langsam mit Erfahrungen hinterlegt. Grundsätzlich sind längere Standzeiten von transparenten und
halbtransparenten Lasuren
durch den verbesserten UVSchutz festzustellen. Mitunter
können Lasuroberflächen mit
nanoskaligen anorganischen
Pigmenten etwas milchig erscheinen. Auch wird berichtet,
dass solche Lasuren bei zu
großen Schichtdicken – die
werden im Streichverfahren
schnell erreicht – filmartig abblättern. Es wird verständlich,
warum Hersteller, die hiermit
arbeiten, nur Fassadenhölzer
mit werkseitiger Beschichtung
anbieten.
Bei Lasuren mit hydrophobierenden Substanzen lassen
sich gleichmäßigere Übergänge zwischen beschichteten
und bereits verwitterten Bereichen beobachten. Farbunterschiede sind zwischen bewitterten und geschützten Fassadenflächen jedoch immer festzustellen. Eine gleichmäßige
Vergrauung wird es nicht geben. Den Sonnenverlauf und
die Hauptwetterrichtung werden wir nicht ändern können
– das hinterlässt Spuren.
(siehe Abb. 3)
Die Weichen für eine gute
Optik in Grau werden daher
nach wie vor im Entwurf gestellt. Auch bei Verwendung
von „vorvergrauten“ Hölzern
ist eine strenge Entwurfsdisziplin gefordert – wie schon bei
gänzlich unbehandelten Hölzern. Möglichst senkrechte
Fassadenprofile, keine Dachüberstände und eine klare
Wasserführung ohne horizontale Unterbrechungen führen
zu einem optischen Erscheinungsbild, welches der Bauherr vielleicht im Sinn hatte,
als der Architekt von „silbergrau“ schwärmte. 쐽
Literaturverweis
Institut für Holzbau Hochschule Biberach: ZUKUNFT HOLZ - Statusbericht zum aktuellen Stand der Verwendung von Holz und Holzprodukten im Bauwesen und Evaluierung
künftiger Entwicklungspotentiale
Biberach, Kapitel 12 Holzschutz,
Oberflächenbehandlung,
Herausgeber: Prof. Dipl.-Ing. Kurt
Schwaner, Biberach, 2009
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