Material

Psychosoziale Prozessbegleitung
im Kontext der interdisziplinären
Zusammenarbeit
Notwendigkeit der interdisziplinären
Zusammenarbeit
„..keine Berufsgruppe wird das Problem der sexuellen
Gewalt und sexuellen Ausbeutung allein in den Griff
bekommen. Sie alle sind unverzichtbar. Je qualifizierter alle
Beteiligten für ihr jeweiliges Fachgebiet geschult sind, und
je wohlwollender und konkurrenzfreier sie miteinander
kooperieren, umso stärker werden die Verletzten hiervon
profitieren.“
(Friesa Fastie: Opferschutz im Strafverfahren. 2008)
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Begriffsverwendung im Kontext verschiedener
Angebote für Zeuginnen und Zeugen
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Zeugenbetreuung
Zeugenbegleitung
Prozessbegleitung
Psychosoziale Prozessbegleitung
Die einzelnen Angebote sollten klar definiert sein und transparent
für die Betroffenen, damit diese auch wissen was sie genau
erwarten können .Auch muss die Arbeitsweise für die Justiz
transparent sein. Ein klares Anforderungsprofil an die, die diese
Arbeit machen ist Voraussetzung.
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Psychosoziale Prozessbegleitung
• Psychosoziale Prozessbegleitung dient der
Unterstützung des Verletzten
• Juristische Vorgangsweisen folgen anderen
Richtlinien als Prozesse psychosozialer Arbeit.
PPP ist am Schnittpunkt beider Bereiche
angesiedelt und dient auch der Vermittlung
• Verständnis und Kooperation mit allen
Verfahrensbeteiligten ist eine wichtige Aufgabe
der/des Prozessbegleiter*in
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Beteiligte in einem Strafverfahren mit
denen Verletzte zu tun haben (können)
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Polizei
Staatsanwaltschaft
Aussagepsychologische Gutachter*in
Richterschaft
• Nebenklagevertretung
• Psychosoziale Prozessbegleitung (Mittler, Dolmetscher)
• Jugendamt (z.B.Ergänzungspflegschaft, sozialpädagogische
Familienhilfe)
• Beratungsstelle/ Psychotherapeut*in/ Klinik
• Arbeitsamt
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Herausforderungen der
interdisziplinären Zusammenarbeit
• Verstehen der
unterschiedlichen
Arbeitsaufträge und
Arbeitsweisen
• Wohlwollende
Kooperation
• Multiprofessionalität
auf „Augenhöhe“
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Grundsätze für die
Psychosoziale Prozessbegleitung
• Schutz und Wahrung der Integrität der Klientinnen
• Keine Gespräche mit der Zeugin über strafrelevante Sachverhalte
und auch kein detailliertes Vorwissen über den Tatstrafbestand
• Akzeptanz des Ermittlungs- und Strafverfahrens sowie die
Unschuldsvermutung
• Ein klarer Arbeitsauftrag mit einer Transparenz für alle Beteiligten
• Keine Verfolgung eigener Interessen am Verfahrensausgang
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Grundsätze für die
Psychosoziale Prozessbegleitung
• Prozessbegleitung ist ein Bereich der psychosozialen Arbeit
gebunden an das Strafverfahren
• Trennung von Beratung und Psychosozialer Prozessbegleitung
• Beratung und Prozessbegleitung sind grundsätzlich verschiedene
Angebote mit unterschiedlicher Vorgehensweise.
• Durch den Rechtsanspruch auf Beiordnung bekommt die
Psychosoziale Prozessbegleitung die Rolle einer
„Verfahrensbeteiligte“
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Rolle der
Psychosozialen Prozessbegleitung
• Neben anderen Hilfsangeboten bietet die Psychosoziale
Prozessbegleitung eine weitere Möglichkeit der professionellen
Unterstützung für Verletzte von schweren Gewalt- und
Sexualstraftaten
• Sie beinhaltet die Betreuung und Begleitung und
Wissensvermittlung
• Sie ersetzt keine Beratung und Therapie, aber sie geht davon aus,
dass eine positive Bewältigung des Strafverfahrens Betroffenen eine
Chance zu aktiver Gegenwehr und zum Verlassen der Opferrolle
bietet
• interdisziplinäre Kooperation fallbezogen und fallunabhängig
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Rolle der
Psychosozialen Prozessbegleitung
• PPB hat keine rechtliche und/oder rechtsvertretende
Funktion und ersetzt/stellt auch keine individuelle
Rechtberatung dar
• PPB ist dem Interesse der Verletzten im Strafverfahren
verpflichtet und steht dem/der Beschuldigten/
Angeklagten neutral gegenüber
• Die Umsetzung erfolgt mit suggestionsfreien
Arbeitsmethoden
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Aufgaben der Psychosozialen
Prozessbegleitung
• Vermittlung altersangemessener Informationen zu Ablauf
des Strafverfahrens und den Rechten und Pflichten
• Vermittlung von Bewältigungsstrategien bezüglich
Ängsten und Befürchtungen
• Austausch über Vorstellungen zu Recht und
Strafverfahren
• Sicherstellung einer anwaltlichen Vertretung
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Aufgaben der Psychosozialen
Prozessbegleitung
• Kontaktaufnahme mit anderen Verfahrensbeteiligten,
wohlwollende Kooperation
• Evt. Suche nach Entlastungsmöglichkeiten für die Eltern/Angehörige
• Alltagsunterstützung
• Begleitung zur Hauptverhandlung
• Übersetzung juristischer Abläufe und „Verhaltensweisen“
• Nachbereitung des Urteils, sowie die Weitervermittlung an
weiterführende Beratung oder Therapie, wenn dies notwendig ist.
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Rechtliche Grundlage seit
2009
Mit dem 2. Opferrechtsreformgesetz, das am 1. Oktober
2009 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die im
Strafverfahren bestehenden Rechte der Opfer und
Zeugen von Straftaten deutlich erweitert und
Möglichkeiten geschaffen, diese Rechte konsequenter
durchzusetzen.
So sind Verletzte und Geschädigte, gemäß
§ 406h Nr. 5 StPO darauf hinzuweisen, dass sie
„Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten
können, etwa in Form einer Beratung oder einer
psychosozialen Prozessbegleitung“.
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Veränderung der Rechtlichen
Grundlage
Mit dem 3. Opferrechtsreformgesetz, (Verabschiedung
voraussichtlich im November 2015) hat der Gesetzgeber
einen Rechtsanspruch auf Psychosoziale
Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche und bei
besonderer „Schutzbedürftigkeit“ des Verletzten
implementiert.
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Gesetzentwurf des
3. Opferrechtsreformgesetz
§ 406g StPO-E - Psychosoziale Prozessbegleitung
(3)Unter den in § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 bezeichneten
Voraussetzungen ist dem Verletzten auf seinen Antrag ein
psychosozialer Prozessbegleiter beizuordnen. Unter den in § 397a
Absatz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen kann dem
Verletzten ein psychosozialer Prozessbegleiter beigeordnet werden,
wenn die besondere Schutzbedürftigkeit des Verletzten dies erfordert.
Die Beiordnung ist für den Verletzten kostenfrei. Für den Antrag gilt §
142 entsprechend. Im Vorverfahren entscheidet das nach § 162
zuständige Gericht.
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Gesetzentwurf des
3. Opferrechtsreformgesetz
§ 406g StPO-E - Psychosoziale Prozessbegleitung
•
gesetzlicher Anspruch auf Beiordnung insb. bei minderjährigen Opfern
schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten i.S.d. § 397a Abs. 1 Nr. 4
und 5 StPO
•
Ermessensspielraum des Gerichts hinsichtlich der Beiordnung in Fällen des §
397a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StPO („wenn die besondere Schutzbedürftigkeit des
Verletzten dies erfordert“)
Prüfungsmaßstab des § 48 Abs. 3 S. 3 StPO-E:
„Dabei sind die persönlichen Verhältnisse des Zeugen sowie Art und Umstände
der Straftat zu berücksichtigen. Hinweise auf eine besondere
Schutzbedürftigkeit können sich insbesondere aus der Stellungnahme einer
Opferhilfeeinrichtung ergeben.“
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Qualifikation für die
Psychosoziale Prozessbegleitung
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Studium der Sozialpädagogik oder vergleichbarer Qualifikation
Kenntnisse im Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Kenntnis der alltäglichen Abläufe im Strafverfahren
Wissen um Belastungserleben von Verletzten im Strafverfahren
Bewusstsein über Suggestibilität von Kindern und Jugendlichen
Informationen zu aussagepsychologischen Begutachtung
Erfahrung in der Beratung und Begleitung von Gewaltopfern
Gesprächsführung und Methodenkompetenz
Sicherheit im Umgang mit Polizei und Justiz
Reflexionsfähigkeit
Kooperationsbereitschaft
nach Friesa Fastie, Insitut für Opferschutz RWH
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Was leistet
Psychosoziale Prozessbegleitung?
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eine frühzeitige, altersgerechte und individuelle Hilfestellung,
durchgeführt durch eine speziell ausgebildete Fachkraft.
eine engmaschige, intensive und nachhaltige Begleitung.
die Abklärung und Sicherung des Unterstützungsbedarfes durch
eine enge Zusammenarbeit mit Netzwerkspartnern und der Justiz.
 die Sicherstellung der Rechte der Klientin oder des Klienten
innerhalb des Strafverfahrens in Zusammenarbeit mit der
rechtlichen Vertretung.
 die Stärkung des Selbstwertgefühls durch die gemeinsame
Erarbeitung von Bewältigungsstrategien und positiver Bestärkung.
 die Unterstützung bei der schnellen Reintegration.
29.9.2015
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Ziel der
Psychosozialen Prozessbegleitung
• die Stabilisierung der Klientin oder des Klienten;
• die Vermeidung von sekundärer Viktimisierung;
• die Minderung möglicher negativer Folgen der Tat;
• die Stärkung der Aussagetüchtigkeit;
• die adressatenbezogene Erklärung der Grundlagen des
Strafverfahrens
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Mehrwert
der Psychosozialen Prozessbegleitung für die
Verletzten
• Korrektur von Falschvorstellungen über
Verfahrensabläufe und Verfahrensbeteiligte
• Orientierung in und Verständnis von Abläufen
• Wiedererlangung von Selbstkontrolle
• Bewältigung einer Leistungsanforderung = positive
Bestätigung
• Psychische Stabilität
• Wahrnehmung der Justiz als Institution, die Belastungen
von Zeuginnen und Zeugen ernst nimmt.
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Mehrwert der Psychosozialen
Prozessbegleitung für die Justiz
– Stabile und sichere Zeuginnen und Zeugen
– Aussagen sind verständlicher und flüssiger
– Zeuginnen und Zeugen sind zugewandter und
mit den Abläufen vertraut
– Höhere Konzentrationsfähigkeit
– Weniger Unterbrechungen der
Hauptverhandlung
– Verwertbare Aussagen
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Fazit
Multiprofessionelle Zusammenarbeit bedeutet:
• Den Kinderschutz aus der eigenen Berufsrolle zu
transportieren
• Kommunikation
• Vorurteile abzubauen
• Verständnis für die verschiedenen Arbeitsaufträge und
Arbeitsweisen entwickeln
• Eigene Ängste zu reflektieren
• Wohlwollend und konkurrenzfrei kooperieren
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Weitere Informationen
• [email protected]
• www.opferschutz-niedersachsen.de
• www.pbb-bundesverband.de
(Bundesverband Psychosozialer Prozessbegleitung)
• www.rwh-insitut.de
(Insitut für Opferschutz im Strafverfahren RechtWürdeHelfen e.V.)
29.9.2015
Andrea Behrmann
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
29.9.2015
Andrea Behrmann
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