Rede von Jugend- und Sozialdezernent Thomas

Rede von Jugend- und Sozialdezernent Thomas Walter
zur Verabschiedung
im Rat der Landeshauptstadt Hannover am 28.01.2016
--- Es gilt das gesprochene Wort ---
Als der große britische Komiker Marty Feldman beerdigt wurde, musste sein
bester Freund die Trauerrede halten.
Er begann sie mit den Worten:
„Marty Feldmann hat Beerdigungen nie gemocht; heute ist er trotzdem gekommen!“
So, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es mir heute auch:
Eigentlich hält niemand gern eine Abschiedsrede, wahrscheinlich hört ihr auch
niemand besonders gerne zu. Trotzdem muss sie wohl sein!
Ich will deshalb, Herr Ratsvorsitzender, Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte
Damen und Herren des Rates, geschätzte Kolleginnen und Kollegen Dezernenten, meine sehr verehrten Damen und Herren, mich nicht entziehen und vielmehr versuchen, die Erwartungen nicht zu hoch zu treiben!
Was also gehört zu einer halbwegs anständigen Abschiedsrede?
Nach der Begrüßung – die haben Sie jetzt schon geschafft! – eigentlich nur
noch drei Teile:
An erster Stelle natürlich der Dank, in der Mitte eine ordentliche Leistungsbilanz, die üblicherweise so etwa 95 Prozent der Rede ausmacht und bei meinen
22 Jahren dann schon ein paar Details erfordert – und zum Schluss ein paar
Worte in die Zukunft, sozusagen als wegweisende Perspektive.
Zunächst also der Dank: Es gibt reichlich und in vielfältiger Weise Anlass dafür.
Wenn Sie, verehrte Damen und Herren des Rates, sich in Gesprächen inner-
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halb wie außerhalb des Rathauses, durch die Medien oder auch nur im Wege
der inneren Reflektion mit der sozialen Sicherheit in unserer Stadt beschäftigen,
dann mag es sein, dass Sie vielleicht auf gut hannöversch feststellen:
„Eigentlich gar nicht so schlecht!“.
Wenn das aber so ist, dann liegt es natürlich nahe zu meinen, dies läge doch
weitgehend an der Arbeit des Jugend- und Sozialdezernenten.
In Wahrheit aber liegt es, meine Damen und Herren, an den rund 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Dezernates und es liegt ebenso an den Kolleginnen und Kollegen der Freien Träger und Dienste der sozialen Arbeit, die
jeden Tag ihre Arbeit darin sehen, für andere Menschen da zu sein, sie zu beraten, zu begleiten und ihnen zu helfen. Ihnen gilt mein erster und ausdrücklichster Dank!
Eine Stadt kann aber auch nicht gut für ihre Menschen da sein, wenn sich Rat
und Verwaltung dauerhaft mit sich selbst beschäftigen. Mein Dank gilt deshalb
den Mitgliedern des Rates, insbesondere natürlich „meinen“ Ausschüssen, für
ihr Engagement für gerade diesen Politikbereich – was von anderen ja nicht
immer nur gedankt und mit Freundlichkeit umrankt wird! – und für das hohe
Konsensniveau, in dem wir auch in schwierigen Zeiten zusammen arbeiten
durften.
Meine Arbeit hat mich auch vielfach in überregionale Gremien geführt, in denen
ich merken durfte, wie wohltuend und konstruktiv es für Hannover ist - auch im
Unterschied zu anderen Städten - hohe Einigkeit etwa in Fragen der Drogenpolitik, der sozialräumlichen Gestaltung der Jugendhilfe oder auch beim eigenen
kommunalen Engagement in der Jugend- und Sozialpolitik zu haben.
Ich danke Ihnen, Herr Oberbürgermeister, für Ihre überaus anerkennenden
Worte; hätte mein verstorbener Vater sie gehört, er wäre sehr stolz auf seinen
Sohn gewesen – und meine 85-jährige Mutter hätte alles geglaubt!
Ich danke Ihnen – natürlich aber genauso Ihren drei von mir hochgeschätzten
Vorgängern im Amte – insbesondere dafür, dass sich Hannovers Verwaltungs-
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chefs immer besonders für das Soziale interessiert und engagiert haben; fußballtechnisch hatte ich bei meinen Mannschaftsführern immer das Gefühl als
Spielmacher gewollt zu sein – und nie als Außenverteidiger!
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen Dezernenten der aktuellen Riege, aber
insbesondere auch all denjenigen, die in der Vergangenheit mit mir im Team
waren!
Und wenn wir schon beim gepflegten Mannschaftssport sind:
In meinen 22 Spielzeiten sind wir Dezernenten in sehr unterschiedlichen Aufstellungen und Formationen angetreten, aber ich habe Anlass für jede Menge
gute Spielideen, Flanken und Steilpässe zu danken! – Wir haben immer mindestens um die Europa-League gekämpft – nie gegen den Abstieg!
Stellvertretend für die gesamte Belegschaft danke ich besonders meinen Fachbereichsleiterinnen und Fachbereichsleitern – von mir als älterem Herrn immer
gerne auch noch mal „Amtsleiter“ genannt.
In 22 Dienstjahren waren das für alle Bereiche übrigens nur acht verschiedene,
worin sich ein hohes Maß an Kontinuität und Verlässlichkeit unserer Stadtverwaltung wiederspiegelt. Von allen habe ich ungeheuer viel fachlich profitieren
können; ohne ihre Loyalität, Kompetenz und Kollegialität wäre unser gemeinsamer beruflicher Erfolg undenkbar gewesen.
Nicht zuletzt danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines
Büros, die viele Schrulligkeiten und Launen haben ertragen müssen,
die aber ihrem Chef mit unglaublichem Engagement, großartigem
Fachwissen und einer nicht zu übertreffenden, stets verbindenden Arbeitsatmosphäre geholfen haben, alle Probleme, allen Ärger und alle
Schwierigkeiten über mehr als zwei Jahrzehnte fröhlich zu überstehen
– Leute, ihr ward großartig!
Verzichten möchte ich deshalb auch darauf, wie es in Abschiedsreden gerne
sonst geschieht, einzelne Namen zu unterstreichen; das wäre endlos oder zu
Recht wären alle böse, die nicht verlesen wurden! Lassen Sie mich stattdessen
noch einen letzten Dank aussprechen:
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Ohne meine Frau Ulrike wäre ich weder Dezernent geworden, noch hätte ich so
lange durchgehalten; es sind die Frauen, meine Herren, die uns den Rücken
stärken!
Ich komme nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie versprochen, zur
ausführlichen Bilanz von 22 Jahren Leitung des Jugend- und Sozialdezernates.
– Lehnen Sie sich entspannt zurück!
(„Wo sind denn jetzt die anderen 40 Seiten bloß geblieben …?“)
Nein, im Ernst, lassen Sie sich mich in der Rückschau und zum Stand der Dinge nur kurz drei – aus meiner Sicht besonders exemplarische Leistungsnachweise erwähnen:
1. In Hannover hat es in den letzten 22 Jahren keinen kältetoten Obdachlosen gegeben!
Niemand, ich betone, niemand, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat in unserer Stadt in dieser Zeit sein Leben verloren, weil Hilfsangebote fehlten oder ihn nur unzureichend erreichten. Auch das ist kein
Verdienst eines Einzelnen!
Aber wir haben in den vergangenen Jahren eben mit leistungsstarken
Partnern ein Hilfesystem für Menschen in besonders sozialen Notlagen
aufgebaut, das von Tagestreffs und Notschlafstellen über Beratungsund Krankenversorgungsangebote bis hin zu stationären Heimen mit
verknüpftem Integrationsangebot, mit Straßensozialarbeit und gezielten
Hilfen für Drogenabhängige und Strafentlassene ein Gesamtnetzwerk
geschaffen, das sich – selbst in Zeiten des Flüchtlingszustroms – als
stark belastbar und vor allen Dingen auch wirksam, wirksam nämlich in
seiner Verhinderung schwerster Folgeschäden, gezeigt hat.
2. Wir mussten in den letzten 22 Jahren – anders als bei manchen traurigen Anlässen anderswo – in Hannover auch nicht erleben, dass ein Kind
in Folge von Vernachlässigung oder Misshandlungen sein Leben verlo-
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ren hat. Das, meine Damen und Herren, ist die beste „Fehlanzeige“, die
eine Verwaltung überhaupt abgeben kann!
Selbstverständlich spielen dabei immer auch glückliche Umstände eine
Rolle. Aber über einen derart langen Zeitraum wirksamen Kinderschutz
einzuhalten, muss auch etwas mit dem System zu tun haben!
Einen fachlich vieler Orts noch nicht erreichten Personalschlüssel von 1
zu 30 bei den erzieherischen Hilfen hat die Landeshauptstadt Hannover
bereits seit vielen Jahren weit übertroffen. Allein seit der letzten Novelle
zum Kinderschutzgesetz haben wir dort rund 40 zusätzliche neue Stellen
eingerichtet. Konsequenter Mut zur Regionalisierung und Vor-OrtOrientierung der sozialen Arbeit, eine richtige fachliche Schwerpunktsetzung, ausgedrückt in detaillierten Arbeitsrichtlinien, um nur ein wichtiges
Beispiel zu nennen etwa für drogenabhängige Eltern, und ein Höchstmaß an kooperationswilligen, konstruktiven Partnern der freien Wohlfahrtspflege, die gemeinsam mit uns die Netzwerke früher Hilfen ausgebaut und differenziert haben, führen eine solche Bilanz auch aus der Zufälligkeit sozialen Geschehens heraus.
3. Und letztes Beispiel:
Hannover hat in den letzten 22 Jahren weit mehr als 9.000 neue Plätze
in der Kinderbetreuung geschaffen. 9.000! Das bedeutet: An jedem einzelnen Tag ein neuer Platz, und Sonn- und Feiertags sogar 2 – über 400
Plätze jedes Jahr – und das nicht in zwei oder fünf, sondern 22 Jahre
lang. (… und meistens natürlich von mir ganz allein gebaut!)
Nein, meine Damen und Herren, diese intensive, nachdrückliche Entwicklung zeigt vor allem zweierlei:
Zum einen den gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, der in dieser Zeit
erfolgt ist, und in dem die pädagogische Kinderbetreuung von der individuellen Notlösung zur normalisierten Eingangs- und Integrationsstufe
unseres Bildungssystems geworden ist.
Und zum anderen die klare kontinuierliche Bereitschaft der Landeshauptstadt Hannover, sich diesen gewandelten Ansprüchen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner und der frühzeitigen Chancengerechtigkeit
für ihren Nachwuchs mit Geld, Kreativität und Einsatz zu stellen.
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Wir haben dabei nicht nur zwei Rechtsansprüche der Bundesgesetzgebung – ohne ein einziges Klageverfahren gegen uns – umgesetzt, sondern zugleich die Qualität der Betreuung ausdifferenziert und verbessert.
Davon zeugen v. a. ein Ganztagsanteil von über 90 Prozent, ein regionalisiertes System zur Inklusion von Kindern mit einer Behinderung, ein
freiwilliges Stufenmodell zur dritten Krippenkraft, unsere NotfallBetreuung Fluxx, die über 30 inzwischen etablierten zusätzlichen Familienzentren und die deutlich verbesserten Fördersysteme für Elterninitiativen und freie Träger.
Letzter Teil der Abschiedsrede:
Die wegweisende Perspektive.
Verwaltung, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll keine Politik
machen. Aber natürlich befindet sich alles, was sie umsetzt und tut, im
Feld der politisch gestalteten und kontrollierten Öffentlichkeit.
Verwaltung tut deshalb gut daran, die politischen Implikationen und Voraussetzungen ihres Handelns weder zu leugnen noch sich selbst mit
Politik zu verwechseln. Sie muss sich stattdessen dieser Implikationen
bewusst sein und sie transparent handhaben. – Das ist im Übrigen etwas, um das ich mich selbst immer wieder versucht habe zu bemühen!
Wenn es – meinem Temperament und meiner Launigkeit geschuldet –
nicht immer gelungen ist, dieses einzuhalten, so entschuldige ich mich
gerne dafür. Ich habe dabei aber wahrscheinlich immer auch ein wenig
Spaß gehabt!
Umgekehrt sollte aber die Politik auch nicht der Versuchung erlegen,
sich als bessere Verwaltung zu beweisen! – Wir sind eh mehr als ihr!
Vielmehr darf der Rat, meine sehr verehrten Damen und Herren, - ich
kann ja auf eine gewisse Zeit zurückblicken – ruhig wieder etwas politischer in seinen Themen und Argumenten werden!
Hannah Arendt hat es klassisch so formuliert: „Die Kardinaltugend des
Politischen ist der Mut!“
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Und wenn wir Kommunalen als unterste Stufe unseres Gemeinwesens
selbstverständlich immer wieder auf die Verantwortung der staatlichen
und überstaatlichen Ebenen für die Lebenskraft unserer Gemeinden
hinweisen und diese auch einfordern – ich habe mich selbst immer wieder daran beteiligt –, so erfordert es ein solcher Mut, genauso selbstverständlich auch klar und deutlich Stellung zu beziehen, was man denn in
seiner eigenen Verantwortung beitragen kann und will.
Forderungen an andere, meine Damen und Herren, sind immer dann am
glaubwürdigsten, wenn man selbst seine Schularbeiten gemacht hat!
Gustav Heinemanns Wort von den drei Fingern, die auf einen zurückweisen, wenn man auf andere zeigt, hat mich immer stark beeindruckt!
Ich wünsche Ihnen als Rat und Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover immer wieder die Kraft für solchen Mut und solche Verantwortung;
ganz einfach weil nur dies zufriedene Bürger und ein stabiles Gemeinwesen hervorbringt!
Ich habe nach meinen Kräften versucht, dazu beizutragen.
Es war mir eine Ehre!