DeutscheGesellschaftfürInternationaleZusammenarbeit(GIZ)GmbH●SitzderGesellschaftBonnundEschborn●Friedrich-Ebert-Allee40●D-53113 T+492284460-0●Dag-Hammarskjöld-Weg1-5●65760Eschborn/Deutschland●T+49619679-0●F+49619679-1115●[email protected] 9.Februar2016 GIZ-Reihe „Forschung trifft Praxis“ Globale Wanderungsbewegungen – Herausforderungen und Lösungsansätze der internationalen Zusammenarbeit Nicht nur Industrienationen sind Ziel von Migrationsbewegungen. Zum großen Teil migrieren Menschen zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern und auch im eigenen Land – freiwillig aber auch unfreiwillig. Dabei kann Migration Entwicklung negativ beeinflussen oder Chancen bringen. In Bonn traf Forschung auf Praxis und diskutierte die aktuelle Lage in Deutschland und in Marokko mit Kopf und Herz. Ein kleines Quiz zu Beginn der Veranstaltung führte in Zahlen und Begriffe ein: nur etwa 22 der insgesamt 250 Millionen internationalen Migranten 1 weltweit sind Flüchtlinge oder Asylsuchende im engen völkerrechtlichen Sinn. Eine weit größere Zahl bilden Binnenmigranten, Arbeitsmigranten, Binnenvertriebe und Rückkehrer. Es war ein Aufwärmspiel Anna Wittenborg (GIZ) zu einem Thema, das die Diskutanten in ihrer täglichen Arbeit als sehr polarisiert wahrnehmen – Anna Wittenborg bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Marokko und Dr. Steffen Angenendt bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Deutschland. Moderator Armin Himmelrath befragte sie dazu. „Im Moment ist es keine fröhliche Wissenschaft“, sagte der Migrationsforscher und Politikberater Angenendt. „Die Ängste und Befürchtungen sind groß, das Thema ist in den Medien allgegenwärtig, und die Erwartungen an die Politik, besonders auch an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Durchführungsorganisationen sind zum Teil absurd hoch.“ Als ob die Entwicklungszusammenarbeit auf die Schnelle die Wanderungsursachen oder gar die Wanderung selbst abschaffen könnten. Mehr Gelassenheit und Sachlichkeit täte der Debatte gut, meinte der Forscher. Denn letztlich geht es in der Entwicklungszusammenarbeit darum, langfristig die Lebensperspektiven in den Partnerländern zu verbessern und die Länder so zu stabilisieren, dass Menschen sich nicht mehr flüchten müssen. Die Journalistenanfragen und der Beratungsbedarf seien jedenfalls angestiegen, so der Politikberater. Auch Anna Wittenborg berichtete von einem dynamischen Arbeitsalltag in Marokko, wo sie 2015 die Leitung für das neue Cluster Migration und Local Governance übernommen hat. „Marokko hat sich von einem klassischen Auswandererland mit einer weltweiten Diaspora hin zu einem Transitund Aufnahmeland für Wanderarbeitern, Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende unter anderem aus Syrien und Subsahara Afrika entwickelt“, erläuterte Wittenborg die Situation vor Ort. 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. 1 DeutscheGesellschaftfürInternationaleZusammenarbeit(GIZ)GmbH●SitzderGesellschaftBonnundEschborn●Friedrich-Ebert-Allee40●D-53113 T+492284460-0●Dag-Hammarskjöld-Weg1-5●65760Eschborn/Deutschland●T+49619679-0●F+49619679-1115●[email protected] „Viele schaffen den Sprung nach Europa nicht. Andererseits kehren Marokkaner aufgrund der Wirtschaftskrisen in Italien oder Spanien nach langen Jahren zurück in ihre Heimat. Das stellt das Land vor große Herausforderungen in Sachen Integration“, schilderte sie weiter. Dabei sei Marokko das einzige Land in Nordafrika, das diesen Paradigmenwechsel auch mit einer eigenen, vom königlichen Staatsoberhaupt persönlich beauftragten Migrations- und Asylpolitik anginge. Die GIZ leiste bei dieser Pionierarbeit Unterstützung. Manchmal setze eine klar vorgegebene Linie mehr Dynamik frei als verfestigte Strukturen, kommentierte der Forscher die neue Entschlossenheit in Marokko. Dr. Steffen Angenendt (SWP) Doch wie schafft das Land es, die nötigen Strukturen aufzubauen? Und wie genau sieht die Leistung der GIZ hier aus? „Migration ist ein transversales Thema. Es geht um Integration in den Arbeitsmarkt, Zugang zu Schulen und Gesundheit und kulturelle Vielfalt. Wir arbeiten hier mit mehreren Ministerien zusammen, hauptsächlich aber mit dem Migrationsministerium. Auf der nationalen Ebene hilft die GIZ den Marokkanern ein Asylsystem aufzubauen. Letztlich muss jedoch der nationale Rahmen lokal realisiert werden. Daher setzen wir da an, wo die Migranten ankommen: in den Städten und Kommunen“, erklärte Wittenborg. Die GIZ berät die Kommunen zum Umgang mit den Neuankömmlingen. Gleichzeitig müsse auch der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt und Konflikten vorgebeugt werden. „Die lokale Bevölkerung lebt zu großen Teilen in armen und prekären Verhältnissen. Es dürfen keine Leistungsangebote für die einen ges chaffen werden, die bei den anderen Neid erzeugen“, erläuterte Wittenborg. Angenendt pflichtete ihr bei: „Das ist ein wichtiges entwicklungspolitisches Prinzip: Mache nie etwas für eine isolierte Gruppe, sondern betrachte immer den Kontext.“ Beide waren sich einig, dass Begegnung und Dialog hier der Schlüssel sind – egal ob in Deutschland oder Nordafrika. Auch in ihrer Meinung über die Datenlage stimmten beide Vertreter von Forschung und Praxis überein: man wisse noch viel zu wenig über die Zielgruppen, die zu häufig über einen Kamm geschert würden. Welche Fähigkeiten und Erwartungen haben Migranten? Welche Lebensläufe gibt es? Was sind Motivationen zu gehen oder zu bleiben? Hier müssten letztlich auch die Partnerländer befähigt werden, ihre eigenen Daten besser zu erheben. Angenendt wies darauf hin, dass die Internationale Organisation für Migration derzeit in Berlin ein neues Institut für migrationsbezogene Daten aufbaue. Die Fakten müssten auch wirksamer in die Öffentlichkeit getragen werden, betonte Wittenborg. Etwa wie viel Nichtintegration Staaten koste. Oder dass Migranten häufig auch über eine gute Ausbildung verfügen. Aber auch, welche Beiträge Migranten zur lokalen Wirtschaft leisten. Die GIZ-Expertin lobte die Arbeit des Mediendienstes Integration, der Journalisten und Medienschaffenden ausgewogenere Informationen zur Einwanderungsgesellschaft liefere. Denn schließlich böte Migration auch Chancen: Geldtransfers seien ein weltweites Phänomen, aber auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ländern könnten sich verbessern. „25 Prozent der Migranten mit regulärem Aufenthaltsstatus in Marokko stammen aus dem Senegal. Marokko will sich stärker in Westafrika etablieren. Es entstehen neue Korridore, von denen beide Seiten profitieren“, zeigte sich Wittenborg überzeugt. Und auch Forschung und Praxis profitierten von einer regen Diskussion miteinander und mit dem Publikum. Text: Sofia Shabafrouz Fotos: Deniss Kacs 2
© Copyright 2024 ExpyDoc