Optimale Sauberkeit für 1.750 Tonnen Aluminium

Special
Lösemit telreinigung
Die Kühlkörper für LED-Scheinwerfer
werden fließgepresst und erhalten
zur besseren Wärmeableitung
außerdem einen Kupferkern.
Optimale Sauberkeit für
1.750 Tonnen Aluminium
Dezentrale Reinigung in elf
Reinigungsanlagen von wässrig bis PER
Immer mehr Bauteile müssen strenge Sauberkeitsanforderungen
fließgepressten und gespanten Aluminiumbauteilen über Jahre eine
umfassende Reinigungsabteilung aufgebaut.
Die Firma alutec aus Sternenfels ist ein
Spezialist für das Fließpressen von Aluminiumbauteilen und kauft pro Jahr etwa 2.000
Tonnen dieses Leichtmetalls ein. Zieht man
ein durchschnittliches Zerspanungsvolumen von etwa 15 Prozent ab, bleiben etwa
1.750 Tonnen Bauteile übrig, die pro Jahr
gereinigt und entfettet werden müssen. Gegründet wurde das Unternehmen 1988 von
den Brüdern Willy und Stefan Kretz. Richtig
Aluminiumrohlinge, aus ihnen werden nach
dem Fließpressen Kolben für Bremszangen.
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Fahrt nahm die Produktion nach dem Umzug
vom ersten Standort in Pforzheim nach Sternenfels auf. Hier erfolgte ein Neubau mit zunächst 3.000 Quadratmetern Fertigungsfläche. Schon drei Jahre später wurden im Jahr
2000 in einem zweiten Bauabschnitt weitere
4.000 Quadratmeter ergänzt. Heute beschäftigt das Unternehmen 220 Mitarbeiter. Etwa
zehn Prozent davon sind Leiharbeitskräfte,
um flexibel genug produzieren zu können.
Mit ein Erfolgsrezept der Firma ist sicherlich, dass sämtliche Umformwerkzeuge
selbst entwickelt und gefertigt werden,
damit sämtliches Fertigungsknowhow inhouse gehalten und weiterentwickelt wird.
Alleine im Werkzeugbau sind 16 Mitarbeiter beschäftigt. Ebenso wird das Thema Qualifizierung und Ausbildung groß
geschrieben. 2008 wurde ein zusätzlicher
Ausbilder als Reaktion auf den schlechten
Fachkräftemarkt eingestellt. Außerdem
erfolgt schon in der Ausbildung eine Spezialisierung auf die Fertigungsbereiche,
in denen die angehenden Werkzeugmechaniker, Zerspanungsmechaniker sowie
Maschinen- und Anlagenführer arbeiten
werden. Derzeit betreut das Unternehmen
zehn Auszubildende.
Bilder: CB
einhalten. Im Rahmen dieser Entwicklung hat ein Hersteller von
Insgesamt setzt das Unternehmen auf
einen hohen Automationsgrad und aktuelle
Anlagentechnik – auch im Werkzeugbau. So
kommt neben klassischen Erodierverfahren
zunehmend eine Fünf-Achsen-HSC-Fräse
mit 60.000 1/min zum Einsatz (HSC für High
Speed Cutting). Diese erlaubt es, auch aus
extrem harten Werkzeugstählen hochpräzise
komplexe Formen auszufräsen. Im Gegensatz
zu Erodierverfahren kommt es zu keinerlei negativen thermischen Einflüssen auf die für den
Umformprozess entscheidenden Randschicht.
Hochmodern ist auch die Ausstattung für die
Überprüfung der Form- und Lagetoleranzen
der fließpressten Bauteile. Hier arbeiten vier
vollautomatische 3D-Tastmaschinen in unterschiedlichen Größen und Ausstattungen.
Kunden bei alutec sind namhafte TIR1Systemlieferanten aus dem Automobilbereich, von Bosch, Valeo, über Continental
bis hin zu ZF.
Fertigungsintegriertes Reinigen
Das Fließpressen ist ein von außen erstaunlich müheloser Prozess. Ein gutes Beispiel
ist die Herstellung von Bremskolben. Direkt
neben dem Übergang vom Bürotrakt in die
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Linienorientiert Reinigen: Die Bremskolben fallen nach dem Fließpressen direkt in den Reinigungskorb und gelangen über eine Rollenbahn in die dahinter platzierte wässrige Reinigungsanlage.
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Fertigungshalle, steht eine relativ kleine
Fließpressmaschine. Eine Art Trichter ist gefüllt mit etwa drei Zentimeter dicken Aluminiumscheiben mit einem Durchmesser von
rund zehn Zentimetern. Aus diesem Trichter
werden die Rohlinge über eine Art Rollkanal
von oben in die eigentliche Fließpressmaschine eingefördert. Um bei der Umformung
Risse und Oberflächendefekte zu vermeiden,
müssen spezielle Öle und Schmiermittel
zum Einsatz kommen. Ist der Rohling fertig
vorbehandelt, fällt er vor den Stempel, der
das Aluminium in die Form drückt, als wäre
es weiche Butter. Auf der anderen Seite der
Maschine fallen im Sekundentakt Bremssattelkolben aus der Maschine, die über ein
Förderband in einen Reinigungskorb fallen.
Der wiederum steht auf einer Rollenbahn,
mit der ohne den Korb auch nur einmal
anzuheben zu müssen, eine wässrige Reinigungsmaschine von Mafac beschickt wird.
Linienorientierte Reinigung nennt das Jürgen Merz, der für die Prozessentwicklung
Teilereinigung zuständig ist. Nicht nur Ergonomie, auch Nachhaltigkeit ist bei alutec
Trumpf, so heizen die bis zu 160 Grad heißen Aluminiumbauteile die Reinigungsbäder
der Mafac-Anlagen so stark auf, dass über
Kühlschlangen die Wärme an einen großen Speichertank abgegeben werden kann.
Damit steht jederzeit für einen Badwechsel
prozesswarmes Wasser zur Verfügung. Insgesamt verfügt alutec heute über elf Reinigungsanlagen. Als Medium kommen dabei
je nach Verschmutzung alkalische und saure
wässrige Medien oder PER zum Einsatz. Bei
der Waschmechanik reicht das Spektrum von
der Spritzreinigung über Tauchverfahren,
über Druckfluten und natürlich Ultraschall.
Eine Sonderbehandlung erhalten Gehäuse
für Elektroniksteuergeräte von Bosch, hier
erfolgt zusätzlich eine Vibrationsreinigung,
um eine Partikelverschleppung aus der
spanenden Bearbeitung zu verhindern.
Special
Lösemit telreinigung
Beratungsqualität
verhilft zum Durchbruch
Vier moderne
Vakuum-Lösemittelanlagen arbeiten bei
alutec mit PER
Gute Partikelabreinigung
durch Druckfluten
„Wir garantieren unseren Kunden bei Bedarf
keine Partikel größer 500 Mikrometer – sind
allerdings vom Prozess her deutlich besser.
Je nach Bauteil erreichen wir Ergebnisse im
Bereich von Partikeln kleiner als 250 Mikrometer“, berichtet Merz. „Ganz entgegen
vieler Vorurteile erreichen wir auch mit unseren PER-Anlagen hervorragende Partikelwerte, unter anderem, weil wir hier mit 18
bar Druckfluten können. Die Abreinigung
von Partikeln ist in meinen Augen mehr eine
Frage der Waschmechanik als des Mediums.
Um diese Werte allerdings bis zum Kunden
halten zu können, wären zusätzliche Maßnahmen im Bereich Verpackung und Fertigungsumfeld notwendig. Die Möglichkeiten
evaluieren wir bereits, doch seitens unserer
Kunden besteht hier bisher noch kein akuter
Bedarf.“
Seit der Firmengründung 1988 hat die
Reinigungssparte im Unternehmen eine rasante Entwicklung durchgemacht. Wurde
am ersten Standort in Pforzheim noch mit
einer offenen, gebrauchten TrichlorethylenAnlage gearbeitet, kam bald Bosch mit der
Forderung, dass keine CKW mehr eingesetzt
werden dürfen. „Wir haben dann IndustrieGeschirrspülmaschinen beschafft, ein Chemikalienhersteller hat uns ein alkalisches
Reinigungsmedium entwickelt. Zu Spitzenzeiten hatten wir zwölf solcher Anlagen in
Betrieb“, schmunzelt Stefan Kretz, der Geschäftsführer. „Die Anforderungen und Definitionen von Sauberkeit waren ja damals
noch wenig ausgereift.“ Zunehmend stellte
sich allerdings der hohe Personalaufwand bei
der Beschickung und die zusätzliche notwendige Trockenkammer als problematisch heraus, so dass vor sechs Jahren eine Durchlauf-
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anlage von Hobart angeschafft wurde. Neben
den fünf wässrigen Anlagen von Mafac sind
inzwischen auch vier PER-Anlagen von Roll
im Einsatz. Davon sind alle projektspezifisch zugeordnet und reinigen AluminiumGehäuse von Bosch, eines der Bauteile, auf
die Kretz besonders stolz ist. „Hier haben wir
ganz erhebliches Knowhow eingebracht, um
die Gehäuse in der Form und vor allem mit
dem hohen Umformgrad herstellen zu können. Hinzu kommt, dass Partikelfreiheit eine
große Rolle spielt, denn schon kleine metallische Partikel können bei hochintegrierten
Platinen zum Kurzschluss führen.
Trotz des umfangreichen Maschinenparks
und Reinigungsknowhows steht der Aufbau
einer Lohnreinigung bei alutec nicht zur
Debatte. „Wenn man Teile im Lohn reinigt,
weiß man nie, was man für Kontaminationen
hat“, erläutert Merz. „Wir haben Anlagen, da
wird bewusst nur eine Bauteilgruppe gereinigt, weil die Anforderungen der Kunden so
hoch sind, dass wir unsere Prozesssicherheit
nicht einmal durch andere Teile aus unserer
Fertigung gefährden wollen – gar nicht zu
reden von Fremdteilen.“
Im Bereich der Reinigung mit PER lief aber
zunächst längst nicht alles so, wie sich das
die Verantwortlichen gewünscht hätten. An
der ersten PER-Anlage waren regelmäßig
umfangreiche und teure Reparaturen notwendig, unter anderem wegen Korrosionsschäden an der Reinigungsanlage. „Von
unserem ersten Lösemittellieferanten wurden wir in der Situation regelrecht alleine
gelassen, eine Betreuung gab es nicht, statt
dessen sagte man uns, es wäre ein Anwenderfehler“, erinnert sich Kretz. „Schließlich
bekamen wir Kontakt zu der Firma Richard
Geiss. Obwohl wir damals noch nicht einmal
Kunde waren, übernahm der Leiter der Teilereinigung, Peter Hess, das Troubleshooting
und optimierte den Reinigungsprozess und
die Lösemittelpflege so, dass wir einigermaßen arbeiten konnten.“
„Letztendlich war die Anlage den Anforderungen nicht gewachsen“, zieht Hess sein
Fazit. „Die meisten Reinigungsanlagen bestehen aus 1.4301, einem Edelstahl, der empfindlich gegen Chlorid-Ionen ist. Deshalb ist
das Nachstabilisieren so wichtig. Zudem hat
die Anlage nicht im Vakuum und damit unter
ungünstigen Temperaturverhältnissen gearbeitet. In der Folge wurden starke Säuren
gebildet, woraus die relativ großen Schäden
resultierten. Wir konnten den Prozess zwar
bis zu einem gewissen Grad optimieren, das
war aber immer noch weit davon entfernt,
was mit aktueller Prozesstechnik möglich
gewesen wäre. Deshalb war unsere klare
Empfehlung in neue Anlagentechnik zu investieren.“ Die Empfehlung setzte alutec dann
nach einer intensiven Marktrecherche um
und beschaffte die erste Vakuum-PER-Reinigungsanlage von Roll. Erst Anfang 2015
wurde die jüngste der vier Roll-Anlagen in
Betrieb genommen.
Immer häufiger kommen Aluminium-Kühlkörper für Elektronik-Anwendungen im Automotive-Bereich
zum Einsatz. Hier wird gerade die PER-Anlage mit einer neuen Charge automatisch beschickt.
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Die Lösemittelqualität wird bei alutec täglich bei allen Maschinen geprüft. Auf diesem Weg können Änderungen schnell
erkannt werden.
90 Prozent CO2-Einsparung
Seit 2007 verlässt sich alutec außerdem auf
das PER-Recyclat von Geiss für die Lösemittelreinigung. Dabei wird die PER-Qualität täglich anhand der Parameter Alkalität
und Säureaufnahmefähigkeit überprüft, um
sofort Trends und Veränderungen identifizieren zu können. Trotz eines 18-SchichtBetriebes – die Anlagen stehen quasi niemals still – müssen im Schnitt nur etwa
2,5 Liter alle zwei Wochen für die Säureaufnahmefähigkeit nachdosiert werden und
für die Alkalität noch deutlich weniger.
Letztendlich spricht das für eine optimale Anlagenauslegung und eine sehr hohe
Lösemittelqualität.
„Um für unsere Kunden optimale Qualität liefern zu können, arbeiten wir mit unserenPartnern langfristig zusammen“, betont
Kretz. „Diesbezüglich sind wir mit den Produkten und vor allem dem Support der Firma
Geiss äußerst zufrieden.“
„Es gibt immer noch Vorbehalte gegen
aufbereitete Lösemittel“, schildert Peter
Hess. „Aber Regenerieren ist nicht gleich
Regenerieren. Wir sind der einzige Aufbereiter in Europa, der durch einen mehrstufigen
Prozess eine Qualität erreicht, die der von
Frischware entspricht. Trotzdem liegt der
Preis zwischen 10 und 30 Prozent unter der
eines ‚Virgin Grade‘.“
A
enn l ag
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Fa k t
Das PER wird in Sicherheitsbehältern geliefert, um die Risiken im
Umgang zu minimieren.
Da Lösemittel aus wertvollen Rohstoffen
hergestellt werden, verbessert die Verwendung
von aufbereiteten Lösemitteln die Ökobilanz
von Lösemitteln erheblich. Laut Hess kann
99 Prozent der PER-Altware zurück in den
orginären Prozess geführt werden, ohne dass
es zu Einschränkungen in der Qualität kommt.
Damit kann der Einsatz von recyceltem PER
90 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich
zu Frischware sparen (laut Studie von EthosResearch im Auftrag von ESRG).
„Das ist ein wesentlicher Aspekt neben
der guten Energiebilanz bei der Entfettung,
das grüne Image der Lösemittel zu fördern“,
argumentiert Hess. „Wir bemerken zum
Glück mehr und mehr ein Umdenken in der
Reinigungsbranche insofern, dass der wässrige Prozess nicht mehr von vorneherein als
nachhaltiger angesehen wird, als ein Lösemittelprozess. Nicht selten ist es nämlich umgekehrt und in der Energie- und Stoffbilanz
ist der Lösemittelprozess im Vorteil.“
Insgesamt zeigt der Umfang, den heute
die Teilereinigung bei einem Unternehmen
wie alutec einnimmt, dass gut optimierte
Reinigungsprozesse eine wichtige Voraussetzung für einen hohen Grad an Wertschöpfung im Bereich der Fertigung sind. CB
i
Richard Geiss GmbH
www.geiss-gmbh.de
Halle 4, Stand D19
n
Druckluft: Atlas Copco
Reinigungsanlagen: Mafac (5), Lpw (1), Hobart(1), Karl Roll(4)
Reinigungsmedien: PER (Richard Geiss), wässrig-alkalisch und -sauer ( Wigol)
Medienaufbereitung: Ionentauscher (Enviro Falk), Umkehrosmose, Verdampfer ( H2O)
Sauberkeitsanalyse: QA Quality Analysis
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