Da brüllt der Löwe

p f Ie g i m u r i
wo h n e n . b e t re u e n . I e b e n .
pflegizytig
hauszeitung der pflegimuri | ausgabe 37 | mai 2015
Freude und Herausforderung
Da brüllt der Löwe
Thomas Räber
Aus dem Jahresbericht von 1946 der pflegimuri
Was mit Bauen zu tun hat, interessiert mich. Das
begann schon in meiner Lehre als Elektromonteur
und zeigt sich nach wie vor in meiner Berufstätigkeit
in der Immobilienbranche. Als Nachfolger von Maurus
Weber bin ich seit 2013 Präsident der Baukommission des Vereins pflegimuri. Dieses Ehrenamt ist mir
Freude und Herausforderung zugleich. Denn mit dem
laufenden «Projekt Löwen», also dem Neubau anstelle des heutigen Ökonomiegebäudes
der pflegimuri, darf ich gleich ein
Projekt von beachtlicher Dimension begleiten.
«Im Berichtsjahr haben die Anstaltsbehörden ihr Hauptaugenmerk auf die Förderung
der Vorarbeiten für den Bau des neuen Oekonomiegebäudes gerichtet. Nachdem sich
die Baudirektion und die Direktion des Inneren für die Ideallösung, Ankauf und Abbruch
des Hotel Löwen, ausgesprochen hatten, wurde mit dem Eigentümer ein Kaufvertrag
auf der Basis von 130'000 Franken abgeschlossen. Ebenso wurde auf Veranlassung der
Direktion des Inneren die Einwohnergemeinde Muri mit Rücksicht auf die durch den
Abbruch des Löwen entstehende Verschönerung des Dorfbildes und die Bedeutung der
Anstalt für die Gemeinde um die Leistung eines namhaften Beitrages ersucht. Diese hat
an ihrer Versammlung vom 18. Juli 1946 einen solchen von 10'000 Franken beschlossen.»
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Ja, sie haben richtig gelesen. Der Ge­
meinde Muri wurde 1946 von der Direktion
des Inneren in Aarau nahegelegt, einen
Beitrag an den Abbruch des Hotel Löwen
zu leisten. Grund, mit dem Abbruch des
Gebäudes würde das Dorfbild von Muri
aufgewertet. Und die Gemeinde hat bezahlt.
tw
Auf der nächsten Seite wird diese Ge­
schichte zu Ende erzählt.
2
SEITE
Der Mensch im Mittelpunkt:
Ein Gespräch mit
Monika Messerli-Künzle.
4
SEITE
Die letzte Zigarette:
Ein Rauchzeichen von
Thomas Wernli.
8
SEITE
Grahambrot und Pflegizopf:
Eine facettenreiche
Lebensgeschichte.
Der Mensch im Mittelpunkt
Im Gespräch mit Monika Messerli-Künzle, Leitung Pflege und Betreuung der pflegimuri
Was ist Ihnen als Führungsfrau wichtig?
Ganz verschiedene Aspekte. Zum Beispiel
dass wir als Arbeitgeberin eine gesamtge­
sellschaftliche Verantwortung haben. Das
kann sich darin äussern, dass ich jungen und
älteren Mitarbeitenden eine Chance gebe.
Dann will ich als Führungsfrau Leuchttum
sein, in stürmischen Zeiten Orientierung
geben, meinen Mitarbeitenden Wege aufzei­
gen, damit sie ihr Wissen bestmöglich in Nut­
zen umwandeln können, Hilfe und Energie
für ihre eigene Entwicklung bekommen. Über
allem setze ich mich dafür ein, dass der Fo­
kus nicht allein aufs kalkulatorische Denken
ausgerichtet ist. Denn dies zerstört meiner
Ansicht nach längerfristig ein gut funktionie­
rendes, motivierendes System.
persönlich
Monika Messerli ist als Monika Künzle in Muri
aufgewachsen. Die 51-Jährige lebt heute mit ihrer
Familie im Fricktal. Das Familienleben ist für sie
zentral – «mein grösstes Hobby», wie sie lachend
erklärt. Die Gesellige kocht sehr gerne, bevorzugt
philosophische Literatur, schwimmt, taucht und
wirkt im Garten. Sie liess sich im Akutbereich zur
diplomierten Pflegefachfrau ausbilden, absolvierte
die Höhere Pflegefachschule, Führungslehrgänge
und ein Nachdiplom­studium für Management im
Gesundheitswesen. Sie leitete die Pflege und Betreuung im Asana Spital Leuggern sowie im Spital
und Pflegeheim Riehen und wirkte in der Klinikleitung des Bruderholz-Spitals.
Fortsetzung von Seite 1
Da brüllt der Löwe
Aus heutiger Sicht war der damalige Löwen,
das ursprüngliche Weiberhaus des Klosters,
aber ein durchaus stattliches und schönes
Gebäude, welches sich gut in die Klosteranlage eingefügt hat. Das jetzige Ökonomiegebäude wirkt vergleichsweise nüchtern und
funktional und kann kaum als Bereicherung
des Dorfbildes bezeichnet werden.
Zustupf. Nun wird auch dieses Gebäude im
kommenden Jahr abgerissen, damit Neues
entstehen kann. Der «neue Löwen» wird
mit 50 Pflegeplätzen (alles Einerzimmer) die
Wohnqualität in der pflegimuri verbessern
und, davon gehen wir aus, auch das Dorfbild
positiv bereichern. Auf einen Antrag bei der
Einwohnergemeinde Muri für einen finan­
ziellen Zustupf «infolge optischer Attraktivitätssteigerung der Klosteranlage» verzichten wir aber vermutlich besser. tw
Sie leiten den grossen Bereich Pflege und
Betreuung im 80-Prozentpensum.
Ich unterstütze den Ansatz Führung in Teilzeit
und Familie vollends. Er ist machbar und
gewinnbringend für Mensch und Betrieb.
«Der Mensch ist für mich nicht Mittel. –
also Mittel zum Zweck. Vielmehr steht in
all meinem Handeln der Mensch im Mittelpunkt», betont Monika Messerli-Künzle.
Aufgewachsen in Muri und in den hiesigen
Klostermauern in die Schule gegangen,
wirkt sie seit knapp eineinhalb Jahren
wieder in ihrer alten Heimat, als Leitung
Pflege und Betreuung der pflegimuri.
Was hat Sie an dieser Stelle gereizt?
Die Vielseitigkeit dieser Aufgabe. Ich bin eine
Macherin und kann als Leitung Pflege und Be­
treuung viel bewirken für die Bewoh­ner­innen,
Bewohner und Mitarbeitenden der pflegimuri.
Das «Pflegiverständnis» entspricht meinem
eingangs beschriebenen Menschen­bild. Zu­
dem bin ich in Muri verwurzelt.
Was sind die besonderen Herausforderungen in Ihrer Aufgabe?
Die pflegimuri ist ein sehr komplexer Betrieb,
der sich in hohem Tempo weiterentwickelt.
Die Herausforderung als Führungskraft liegt
darin, eine gesunde Balance zu halten. Sprich
Entwicklungen zu unterstützen, aber damit
die Mitarbeitenden nicht zu überfordern.
Sie haben bis zum Stellenantritt in der
pflegimuri ausschliesslich in Spitälern
gearbeitet. Warum der Wechsel in eine
Pflegeinstitution?
Altersthemen gewinnen in unserer Gesell­
schaft immer mehr an Bedeutung, zudem
gleichen sich die zentralen Fragestellungen
von Akutspitälern und Heimen mittlerweile
sehr. Der Wechsel war für mich absolut kein
Imageverlust, sondern ein persönlicher Gewinn.
Denn in der pflegimuri geht es ausschliess­
lich um konstruktive Prozesse zum Wohl der
Menschen, die hier leben und arbeiten.
Mit welchen Projekten beschäftigen Sie
sich aktuell?
Ein Gewinn für die pflegimuri ist beispiels­
weise die Anstellung unserer Gerontologin
Brigitte Gysin. Durch sie werden die Anlie­
gen der Bewohnerinnen und Bewohner noch
besser vertreten. Langfristig schwebt mir in
Zusammenarbeit mit ihr eine Fachstelle für
Altersfragen vor, eine für Muri und die Region
offene Anlaufstelle für alle Anliegen rund ums
Altern. Dann beschäftigen mich zum Beispiel
Mein Wunsch für die
pflegimuri: Dass sie eine
Heimperle bleibt.
die elektronische Pflegedokumentation oder
Fragen zu Prozessstrukturen. Das heisst
konkret: Im Pflegebereich gibt es mittlerweile
so unterschiedliche Berufsabschlüsse, dass
wir überlegen müssen, wie sie in der Zusam­
menarbeit auf den Wohnbereichen optimal
koordiniert werden können. Weitere Themen
sind die Entwicklung zeitgemässer Wohn­
formen und die Positionierung der pflegimuri
als attraktive Arbeitgeberin.
Was haben wir noch nicht angesprochen?
Ich schätze die gute Betriebskultur in der
pflegimuri sehr. Es herrscht ein offener Geist
für Entwicklung und Veränderung, der Grund­
tenor ist lösungsorientiert und wertschätzend.
Damit dies so bleibt, wünsche ich mir neben
den anderen Kommunikationsmöglichkeiten
vermehrt den Austausch von Angesicht zu An­
gesicht. Eben ganz meinem Leitwort entspre­
chend: Der Mensch im Mittelpunkt. cf
3
pflegizytig I mai 2015 I seite
Aus Respekt vor der Lebensleistung
Architekten Martin Leder und Roger Casagrande zum Neubau «Projekt Löwen»
Im Austausch mit Martin Leder und Roger
Casagrande wird schnell spürbar, dass für
den Neubau «Projekt Löwen» Architekten
verpflichtet werden konnten, für die es ein
Ansporn ist, in hohem Mass sowohl den Anforderungen der künftigen Bewohnerinnen
und Bewohnern als auch der Einzigartigkeit
des Baustandorts gerecht zu werden.
pflegimuri beschreibt, war sofort spürbar und
wir empfanden sie als sympathisch.» Dieser
erste Eindruck hat sich während der bishe­
rigen Arbeit bestätigt. Das Zusammenwirken
mit Menschen aus verschiedenen Positionen
und Funktionen bezeichnen die Architekten
als motivierend. «In diesem Team spielen wir
gerne unseren Part» findet Roger Casagrande.
Schwarzwäldertorte. Das Architekturbüro
Meier Leder aus Baden hat sich vor allem
aus zwei Gründen für den Wettbewerb zum
Neubau anstelle des Ökonomiegebäudes der
pflegimuri entschieden. Roger Casagrande:
«Besonders reizvoll ist die städtebauliche Ein­
ordnung des Projekts, der Kontext zur Klosteranlage. Es ist Herausforderung und Freude
zugleich, in ein solch geschichtsträchtiges
Umfeld hineinbauen zu dürfen.» Martin Leder:
«Uns interessieren Projekte, bei denen mehr
als nur Dienstleistung gefragt ist. Wir haben
gemerkt, welche Überlegungen bereits ge­
macht wurden, mit welchen Persönlichkeiten
wir zusammenarbeiten können. Die Philoso­
phie der Schwarzwäldertorte, welche den ho­
hen Grad des selbstbestimmten Alltags in der
Schauspiel. Architekten haben laut Martin
Leder eine dem Schauspieler ähnliche Rol­
le. «Wir müssen uns bei der Planung in die
zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer des
Gebäudes hineinversetzen. Und deren An­
spruch mit der Aussenwirkung des Gebäu­
des in Einklang bringen.» Konkret arbei­
ten die Architekten dafür «im Schnitt»: Will
heissen, dass sie nicht nur über den Grund­
riss der Baute nachdenken, sondern die
Pläne stets auch in ihrer dreidimensionalen
Wirkung beurteilen. «So erschaffen wir die
Einzigartigkeit eines Raums.» Zentral hierbei
ist die Materialwahl, die auf die innere wie die
äussere Situation bezogen sein muss. Kunst­
stofffenster kämen für die beiden Architekten
beim Neubau «Projekt Löwen» beispielswei­
se nicht in Frage. Viel besser passen ihrer
Meinung nach Holzfenster zu einem Daheim
für ältere Menschen beziehungsweise in die
historische Umgebung.
Bezug Alter. Ein gewichtiges Thema für den
42-jährigen Martin Leder und den 52-jährigen
Roger Casagrande ist der Bezug zum älteren
Menschen, der dereinst im Neubau Zuhause
sein wird. Dazu recherchieren die Fachleute
intensiv, machen sich kundig über bereits re­
alisierte Bauwerke in diesem Segment und
lassen persönliche Erfahrungen im Umgang
mit älteren Menschen in ihre Arbeit einflies­
sen. Martin Leder: «Die künftigen Bewohne­
rinnen und Bewohner sollen sich wohl und
geborgen fühlen im neuen Gebäude. In eige­
nen Zimmer genauso wie in den öffentlichen
Räumen.» Traditionelle Einflüsse wie Licht
oder Haptik – also wie sich die gewählten
Materialien beim Berühren anfühlen – spie­
len eine zentrale Rolle. Entwerfen heisst
für Architekten primär verwerfen. Dennoch
weiss Roger Casagrande aus Erfahrung: «Es
gibt für alles eine optimale, nicht aber die
perfekte Lösung.» cf
Gruppenbild ohne Dame: Die Baukommission des Vereins pflegimuri in ihrer aktuellen Besetzung.
Stehend von links nach rechts: Architekt Martin Leder; Franz Hold, Präsident Verein pflegimuri; Guido Küng, Leiter Bau+Technik pflegimuri.
Sitzend von links nach rechts: Architekt Roger Casagrande; Vorstandsmitglied im Verein pflegimuri Erhard Trommsdorff; Thomas Wernli, Direktor pflegimuri; Thomas Räber, Präsident
der Baukommission. Gabriela Cozzio, nicht auf dem Bild, führt bei den Sitzungen der Baukommission Protokoll.
Fortsetzung von Seite 1
Freude und Herausforderung
Seit ich im Vorstand der pflegimuri aktiv bin, hat sich meine Einstellung zur pflegimuri markant gewandelt. Besonders beeindruckt mich
die hohe Lebens- und Arbeitsqualität im Haus. Vor allem wie den Bewohnerinnen und Bewohnern grösstmögliche Selbstbestimmung im
Heimalltag zugesprochen wird ist mir erst durch meine Vorstandsarbeit bewusst geworden. Das selbstbestimmte Leben der Bewohner­
innen und Bewohner der pflegimuri ist auch in der Baukommission
eines der Leit­themen und prägt die Diskussionen rund um den Neu­
b­au massgebend.
Gemeinsamen Nenner finden. War die Jury zum Architektur-Wettbewerb «Projekt Löwen» mit erfahrenen Architekten, dem Bauplaner, Denkmalpfleger, den Behörden- und Vorstandsmitgliedern eine
durchaus illustre Gesellschaft, so ist die Baukommission jetzt bewusst
schlank zusammengesetzt. Bei Bedarf werden Experten beigezogen.
Den Austausch in unserem Gremium empfinde ich als sehr anregend.
Gewiss sind wir nicht immer gleicher Meinung. Doch es wird eine offene
Kommunikation gepflegt und am Schluss obsiegt jeweils der Wille zum
gemeinsamen Nenner. An den bisherigen Sitzungen konnten bereits
wichtige Entscheide gefällt werden; etwa in Bezug auf das Raumprogramm des Neubaus, die Ausarbeitung des Vorprojekts oder in der Definition der Etappenziele. So streben wir im Herbst 2015 die Baueingabe
an, erhoffen uns in der ersten Hälfte 2016 den Spatenstich und im 2017
den Bezug des Neubaus.
Geben und Nehmen. Das Engagement in Vorstand und Baukommission
der pflegimuri ist für mich ein Geben und Nehmen. Auf der einen Seite kann ich Erfahrungen sammeln und interessante Kontakte pflegen.
Auf der anderen Seite spüre ich, dass ich etwas beisteuern kann, was
geschätzt wird. Und wer weiss, vielleicht lebe ich selber einmal in der
pflegimuri. Dann werde ich mich daran erfreuen, dass ich ein Kapitel zur
Geschichte dieser wertvollen Institution mitgestalten durfte. tr
19:0,5
Das Seelsorgeteam der pflegimuri
19:0,5 beträgt das Verhältnis der Jahre, die
Bettina Lukoschus Dinter beziehungsweise Andreas Zimmermann in der pflegimuri
arbeiten. In dieser Rubrik beantwortet das
Seelsorgeteam die gleichen Fragen auf unterschiedlichem Erfahrungshintergrund als
Mitarbeitende der pflegimuri.
Wie persönlich darf es sein?
BL: Bettina Lukoschus Dinter, geboren in
Düsseldorf, seit 52 Jahren unterwegs im Le­
ben. Studiert habe ich in Birmingham, Mün­
ster in Westfalen und in Austin, Texas und das
zweigleisig mit Abschlüssen in Pädagogik und
Theologie. Ich bin mit André Dinter seit fast
25 Jahren verheiratet. Wir sind 1992 in die
Schweiz gekommen mit einer Punktlan­
dung im Freiamt. Aktuell habe ich ein 70 Pro­
zent-Pensum in der Kirchgemeinde mit allem,
was eine Pfarrerin so zu tun hat. Ausserdem
unterrichte ich das Freifach Hebräisch an der
Kanti Wohlen – mit wachsender Begeiste­
rung, weil die Sprache und das Judentum so
unglaublich faszinierend sind und es Freude
bereitet, diesen Reichtum jungen Leuten
weiter zu geben.
Bleibt Zeit für ein Hobby?
BL: Meine Freude an Pferden entwickelte ich
hauptsächlich in Irland bei unseren sommer­
lichen Ferienaufenthalten. Irland ist meine
zweite Heimat geworden – Pferde gehören
zu meinem Leben, insbesondere Casandra,
mit der ich seit 14 Jahren unterwegs bin. Als
Niederrheinerin trinke ich gerne Bier und
engagiere mich deshalb bei den Freunden
des Murianer Pflegibiers «Lonzi».
Wie persönlich darf es bei Ihnen sein?
AZ: Ich bin 58 Jahre alt, seit 26 Jahren verhei­
ratet und habe drei Töchter, die mittlerweile
23, 21 und 18 Jahre alt sind. In den 22 Jahren
in der Pfarreiseelsorge arbeitete ich jeweils
im 80-Prozent-Pensum, damit ich zwei Werk­
tage pro Woche Hausmann sein und so auch
die Beziehung zu meinen Töchtern intensiver
leben konnte, während meine Frau ihre
Arbeitstage als Pfarreimitarbeiterin hatte.
Zu meinen Hobbys zähle ich Skifahren, Velo­
fahren, Wandern, im Garten arbeiten, ein mal
pro Monat Plauschkochen unter Männern,
mich mit Kollegen und Freunden auf ein Bier,
Glas Wein oder einen Spaziergang treffen. In
Waldshut, wo ich aufgewachsen bin, machte
ich nach der Schule auf dem Stadtbauamt
die Lehre als Tiefbauzeichner und arbeitete
dort zehn Jahre. Erst anschliessend ging ich
aufs katholische Internat, machte mit 30 das
Abitur und studierte in Freiburg im Breisgau
katholische Theologie.
Ihre Funktion in der pflegimuri?
AZ: Ich bin zu 60 Prozent als katholischer
Seelsorger für die pflegimuri angestellt und
daneben zu 40 Prozent für die Seelsorge am
Spital Muri.
BL: Mein Pensum an der pflegimuri als refor­
mierte Pfarrerin beträgt 15 Prozent. Knapp
ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner
ist reformiert. Ihnen gilt meine besondere
Zuwendung. Aber selbstverständlich bin ich
für alle da – Bewohnerinnen, Bewohner, Mit­
arbeitende und Angehörige.
Was gefällt Ihnen am Beruf?
AZ: Mir gefällt, dass ich in der Beziehung zu
den Bewohnerinnen und Bewohnern deut­
lich mehr Seelsorge ausüben kann, als in der
Pfarreiseelsorge. Gerade die vielen persön­
lichen Gespräche mit den ganz unterschied­
lichen Menschen bereichern auch mich. Dabei
spüre ich bereits nach den wenigen Monaten
in der pflegimuri, dass aufgrund wiederkeh­
render Besuche und Gespräche langsam
Beziehungen wachsen. Auch Gespräche mit
den Mitarbeitenden schätze ich und so habe
ich mich hier doch in überraschend kurzer
Zeit heimisch gefühlt. Auch weil ich zu Beginn
im Haus sehr wohlwollend aufgenommen
und eingeführt wurde.
BL: Als Pfarrerin habe ich mit Menschen aller
Couleur zu tun: Kinder, Jugendliche, Erwach­
sene, Senioren. Unterschiedliche Hintergrün­
de, Lebensweisen, Anschauungen – bunt
eben. Darauf einzugehen ist eine besondere
Aufgabe. Und Verantwortung. So habe ich
Freude daran, beispielsweise ein Lager mit
26 Jugendlichen nach Ungarn zu leiten mit
einer Woche Volleinsatz, aber auch eher
ruhige Besuche bei den Bewohnerinnen und
Bewohner der pflegimuri zu machen und
dabei den Lebenslinien nachzuspüren.
Was überrascht immer wieder positiv an
der pflegimuri?
AZ: Dass der Bewohner, die Bewohnerin
wirklich das Zentrum und der Kern von allem
ist und wirklich alle Mitarbeitenden bis hin
zur Küche und den technischen Diensten
bestrebt sind, dass es den Bewohnerinnen
und Bewohnern so gut wie möglich geht.
BL: Die konstante Freundlichkeit und Zuge­
wandheit der Pflegenden zu den Bewohne­
rinnen und Bewohnern. Auch jenen gegen­
über, denen es Mühe macht, sich einzuleben
oder die einfach immer mal wieder eine knur­
rige Seite zeigen. Der Alltag ist die besondere
Herausforderung.
Ein Wunsch für die Zukunft der pflegimuri?
BL: Dass nach den Veränderungen und Neu­
erungen der letzten Zeit eine gewisse Konti­
nuität Raum greift, denn ein gleichmässiger
Rhythmus schafft Sicherheit und Vertrauen.
AZ: Im Grossen und Ganzen, dass sie ihren
Weg so weitergeht, wie ich das in den vergan­
genen Monaten erlebt habe.
Andreas Zimmermann als römisch-katholischer Seelsorger und
die reformierte Pfarrerin Bettina Lukoschus Dinter bilden das
Seelsorgeteam der pflegimuri.
Die letzte Zigarette
Wenn in der pflegimuri eine Bewohnerin oder ein Bewohner stirbt,
wird die Verstorbene, der Verstorbene auf dem entsprechenden Wohn­
bereich mit einem Ritual verabschiedet. Angehörige, Mitbewohne­
rinnen, Mitbewohner und Mitarbeitende haben so die Gelegenheit,
vom Verstorbenen Abschied zu nehmen. Gestaltet wird das Ritual
gemeinsam, verantwortlich ist in der Regel die Bezugsperson der
verstorbenen Personen.
Rauchzeichen. Auf dem gerontopsychiatrischen Wohnbereich ist Herr
M. verstorben. Herr M. war eine bekannte Person in der pflegimuri. Er
drehte regelmässig seine Runden im und ums Haus, er war gern ge­
sehener Gast im Restaurant benedikt und – er war leidenschaftlicher
Raucher. Seine bescheidenen finanziellen Mittel erlaubten ihm keine
grossen Sprünge und mehr als ein Päckli pro Tag lag gar nicht drin.
Doch Herrr M. hatte seine Quellen, welche ihn grosszügig mit zusätz­
lichem «Stoff» versorgten.
Nach dem Tod von Herrn M. wurde auf dem Wohnbereich das Abschieds­
ritual durchgeführt. Nachdenklich, traurig, einige auch eher unberührt,
so fanden sich die Bewohner zum Gedenken ihres Kollegen ein
5
pflegizytig I mai 2015 I seite
Bilderrahmen wird Seelenfenster
pflegimuri ist Praxispartnerin der «Aufgeweckten Kunst-Geschichten»
Die «Aufgeweckten Kunst-Geschichten»
animieren Menschen mit demenzieller Erkrankung zum kreativen Geschichtenerfinden. Als Gruppe zu Besuch in einem Museum werden gemeinsam und moderiert
ausgewählte Bilder betrachtet und die dabei
erfundenen Geschichten aufgeschrieben.
Die Teilnahme am Projekt des Zentrums
für Gerontologie der Universität Zürich war
bisher in vielerlei Hinsicht eine bewegende
Erfahrung für die Bewohnerinnen und Bewohner der pflegimuri.
Spannende Geschichten. Auslöserin des Pro­
jekts «Aufgeweckte Kunst-Geschichten» am
Zentrum für Gerontologie (ZfG) der Universität
Zürich war die TimeSlips™-Methode. Sie wur­
de ab 1996 in den USA von der Kulturanthro­
pologin Anne Basting entwickelt. TimeSlips™
lädt Menschen mit demenzieller Erkrankung
ein – auch in Anwesenheit ihrer Angehörigen
und Betreuenden – sich gemeinsam und im­
provisiert Geschichten zu einer ausgewählten
Fotografie oder einem ausgewählten Bild aus­
zudenken. Ein Moderator oder eine Modera­
torin stösst mit offenen Fragen das Gespräch
an, das von einer weiteren Person notiert und
schrittweise präsentiert wird. Abschliessend
wird für die Geschichte ein Titel gesucht. Dies
dauert so lange, bis alle Beteiligten mit dem
Titel zur Bildgeschichte einverstanden sind.
Umfangreiche Organisation. Thomas Wernli
betraute in der pflegimuri Sandra Portmann
mit der Projektleitung «Aufgeweckte KunstGeschichten». Die Sozialpädagogin verant­
wortet die Aktivierungstherapie. In dieser
Position kommt sie regelmässig mit den
Menschen in der Pflegeinstitution in Kontakt,
kennt die Fähigkeiten und Möglichkeiten der
Bewohnerinnen und Bewohner. Mit einem
Brief wurden diese beziehungsweise ihre
Angehörigen zur Teilnahme am Projekt ein­
geladen. Für die Sessionen im Aargauer
Kunsthaus wurde die Gruppe bewusst über­
schaubar gehalten. Fünf, sechs Menschen
mit demenzieller Erkrankung reisten jeweils
nach Aarau, alle mit einer Begleitperson –
rekrutiert aus dem privaten Umfeld, aus dem
Pool der freiwilligen Helferinnen und Helfer
oder vom Personal der pflegimuri. Sandra
Sonnige Murianer Präsenz in Aarau
«Alle Teilnehmenden haben das Miteinander
genossen; im gemeinsamen Unterwegssein oder
beim Apéro nach dem Geschichtenerfinden»,
erklärt Sandra Portmann, die in der pflegimuri
Ansprechperson für das Projekt «Aufgeweckte
Kunst-Geschichten» ist.
Portmann: «Vor der ersten Session war ich
sehr nervös. Das legte sich jedoch rasch,
als wir im Kunsthaus so herzlich empfangen
wurden. Am Anfang lief es mit dem Geschich­
tenerfinden eher harzig. Nach wenigen Be­
suchen fühlten sich die Bewohnerinnen und
Bewohner jedoch wohl und wussten, um was
es geht. Letztlich sind denn auch sehr schöne
Texte entstanden.» Positiv waren nicht nur die
Reaktionen der Bewohnerinnen und Bewoh­
ner, sondern auch jene der Begleitpersonen.
«Die meisten Angehörigen waren vom spür­
baren Interesse und der wachsamen Teilnah­
me der Bewohnerinnen und Bewohner mehr
wie überrascht», bilanziert Sandra Portmann.
Bewegende Erfahrungen. Bei einer Session
wurde das Bild eines Kinderbegräbnisses ge­
wählt. Sandra Portmann: «Das hat zum Teil
emotional aufgewühlt und überfordert und
für mich nicht ins Konzept gepasst, welches
darauf zielt, den Teilnehmenden eine posi­
tive Erfahrung zu schenken.» Entsprechend
intensiv fielen die Reaktionen aus, die sich
schliesslich doch zum Guten wendeten, wie
die Aussage der Schwester einer teilneh­
menden Bewohnerin bestätigt: «Ich dachte
zuerst, dass ich meine Schwester nach die­
ser Erfahrung aufmuntern müsste. Doch das
Gegen­teil war der Fall. Weil sie sich in ihrem
bisherigen Leben und natürlich auch durch
das Erleben in der pflegimuri intensiv mit
Sterben und Tod befasst hat, lag sie mit ihren
Äusserungen zur Bildbetrachtung goldrich­
tig. Für mich war es phänomenal zu hören,
was sie alles bemerkt hat.» cf
Anekdoten. Und es versteht sich von selbst, das Ritual fand im Rau­
cherraum und nicht in der Nichtraucherstube statt. Herr M. hatte kaum
persönlichen Besitz. Aber er hinterliess ein Päckli Zigaretten. Und die­
se Zigaretten verteilte eine Mitarbeiterin an die anwesenden Herren
und dann wurde im Gedenken an den Kollegen gemeinsam in der Run­
de eine «gepafft». Genüsslich, dankbar. Dazu erzählten sich die anwe­
senden Personen Anekdoten aus ihren Begegnungen mit Herrn M.
Buch, Film, Web
und Radiobeitrag
zum Projekt
Die positiven Erfahrungen mit dem Projekt
«Aufgeweckte Kunstgeschichten» werden
in direkter Partnerschaft von pflegimuri und
Aargauer Kunsthaus weitergeführt. Um Inte­
ressierte zum Nachahmen zu motivieren, hat
die Projektinitiantin, das Zentrum für Geron­
tologie der Universität Zürich, ein Buch (112
Seiten) inklusive einen Film (23 Minuten)
realisiert. Die beiden stimmungsvollen und
informativen Publikationen können für 30
Franken in der pflegimuri gekauft werden.
Auf der Website www.pflegimuri.ch finden
sich Bilder und Geschichten, die während
der Besuche im Aargauer Kunsthaus in
Aarau entstanden sind. Schliesslich gibt es
das ganze Projekt als Radio-Beitrag auf:
www.srf.ch/sendungen/kontext/aufgewecktekunst-geschichten
Ein Herz fassen. So stelle ich mir Seelsorge vor, berührend und authen­
tisch aber immer wertschätzend. Und hier zeigt sich letztendlich die
Qualität eines Betriebes. Nicht primär in der Erfüllung der kantonalen
Vorgaben und Richtlinien. Nicht in umfangreichen Statistiken und
Benchmark-Vergleichen, sondern dort, wo Mitarbeitende sich ein Herz
fassen und es sprechen lassen.
Ich bin zwar Nichtraucher, aber im Gedenken an Herr M. hätte ich
gerne an diesem Abschiedsritual teilgenommen und mir eine kleine
Meccarillo gegönnt.
Thomas Wernli
Über den Gartenzaun
Schnittstellenpraktikum gibt Lernenden Einblick in andere Berufe
Ursina Winkler ist in Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit. Trotzdem steht sie an diesem Morgen nicht auf ihrem Wohnbereich,
sondern in der Küche der pflegimuri einsatzbereit. Michael Kuhn hingegen ist in der
Lehre als Koch. Doch an diesem Tag ist er auf
dem Wohnbereich G2 unterwegs und reinigt
dort Bewohnerzimmer, Aufenthaltsräume
sowie die Gänge. Diese Rollenwechsel sind
Programm und heissen in der pflegimuri
«Schnittstellenpraktikum».
Fragen beantworten. «Der Einstieg in eine
Berufslehre bringt spannende Herausfor­
derungen mit sich. Neues zu erfahren, zu
lernen und zu üben, vielseitige Erwartungen
zu erfüllen und dabei noch den Überblick zu
behalten, ist anspruchsvoll» erklärt Anneke
Dorrestein, Ausbildungsverantwortliche für
die rund 40 Lernenden der pflegimuri. Wie
mache ich meine Arbeit korrekt, welche Be­
rufsgruppen gibt es in der pflegimuri, welche
Aufgaben haben diese Personen, welches
sind die Schnittstellen mit meiner Tätigkeit?
All das sind Fragen, die mit dem Schnittstel­
lenpraktikum antwortet werden.
Pflegefachfrau backt Kuchen. «Am Anfang
wurde mir in der Küche alles gezeigt. Dann
habe ich zuerst in der kalten Küche gearbei­
tet und dort bei verschiedenen Arbeiten mit­
geholfen. Am Mittag half ich beim Schöpfen
der Mittagessen. Auch mussten wir im­
mer wieder frisches Essen ins Restaurant
benedikt bringen. Am Nachmittag durfte ich
für meinen Wohnbereich einen Kuchen ba­
cken. Am Schluss haben wir dann noch die
Küche gereinigt» schreibt Ursina Winkler
über ihren Tag in der Küche und bilanziert:
«Ich wurde gut im Team aufgenommen. Der
Tag hatte mir sehr viel Spass gemacht und
ich habe jetzt ein ganz anderes Bild von der
Küche als zuvor. Ich habe Vieles gelernt, was
die Küche alles zu tun hat und ich fand es
toll, dass ich einen Kuchen backen konnte.»
Anneke Dorrestein: «Das Schnittstellenprak­
tikum unterstützt die Lernenden darin, Ver­
ständnis für verschiedene Arbeitsfelder und
Dienstleistungen der pflegimuri zu entwickeln.
Dabei lernen sie andere Mitarbeitende der
pflegimuri kennen, gleichzeitig wird die ei­
gene Berufskultur und Berufstätigkeit unter
die Lupe genommen und reflektiert.»
Koch im Hausdienst. Michael Kuhn war unter
anderem während zwei Tagen seines Schnitt­
stellenpraktikums im Hausdienst tätig. «Am
zweiten Tag war ich mit Josef unterwegs
und reinigte das Restaurant benedikt, WCAnlagen, Gänge sowie Büroräume.» Kritisch
bemerkt der angehende Koch: «Die Arbeit
wiederholt sich oft und meist ist es nach
kurzer Zeit wieder schmutzig und man konnte
wieder von vorne anfangen. Trotzdem war das
Praktikum eine Erfahrung.» Immer wieder
sorgt das Schnittstellenpraktikum für AhaErlebnisse. Michael Kuhn: «Was mich bei Bau
und Technik überrascht hat, war die Infor­
mation, dass in der pflegimuri täglich 60 bis
70' 000 Liter Wasser verbraucht werden.»
Zweifel ausräumen. Aus Erfahrung mit
den Schnittstellenpraktika weiss Anneke
Dorrestein: «Auch allfällige Zweifel werden
eruiert, ob man überhaupt den richtigen
Beruf gewählt hat.» Michael Kuhn bestätigt
dies in seiner schriftlichen Rückmeldung zu
einem Einsatz: «Bei meinem Schnittstellen­
praktikum in der Pflege und Betreuung war
ich mehrheitlich mit der Teamleitung des
Wohnbereichs G2, Rita Käppeli, unterwegs.
Ich konnte jeweils mitlaufen und meine
Fragen zu den Arbeiten stellen. Die Arbeit
auf den Wohnbereichen mit den Bewohne­
rinnen und Bewohnern ist teilweise sehr an­
strengend, jedoch am Nachmittag ziemlich
ruhig. Ich bewundere die Mitar­beitenden
der Pflege. Ich selbst könnte diese Arbeit
nicht ausführen.»
Positives Echo. Das Schnittstellenprakti­
kum dauert rund fünf Wochen und findet
im zweiten oder dritten Semester der Aus­
bildung statt. «Die Reaktionen und Reflexi­
onen sind durchwegs positiv» freut sich die
Ausbildungs­verantwortliche. «Die verschie­
denen Abläufe der pflegimuri werden ersicht­
lich, verständlich und mit den eigenen Tätig­
keiten verknüpft was das eigene Handeln
bestärkt.» cf
Ziele des
Schnittstellenpraktikums
Obschon sich Ursina Winkler und Michael Kuhn in ihren
angestammten Berufen als Fachfrau Gesundheit beziehungs­
weise Koch in Ausbildung wohl fühlen, empfanden sie
die Schnittstellen­praktika als bereichernde Erfahrung.
Die Lernenden kennen die verschiedenen Bereiche der
pflegimuri mit den verantwortlichen Personen und deren Aufgaben.
Die Lernenden können mindestens fünf Dienstleistungen jedes
Bereichs benennen.
Die Lernenden können den Kundennutzen der Dienstleistungen
und Produkte aufzeigen.
Die Lernenden kennen die Schnittstellen von Pflege und
Betreuung / Hotellerie / Bau + Technik / Verwaltung / Stabstellen und kann die damit zusammenhängenden Aufgaben und
Tätigkeiten der eigenen Arbeit erklären.
Die Lernenden erläutern ihre Erkenntnisse bezüglich der
beobachteten Schnittstellen.
7
pflegizytig I mai 2015 I seite
Sich verstanden fühlen
Die Sozialberatung: Erste Kontaktstelle zur pflegimuri
persönlich
Ursula Bittel, (rechts im Bild), leitet seit 2008 die Sozialberatung der pflegimuri
im100-Prozentpensum. Die 58-Jährige ist ausgebildete Psychiatriepflegerin mit
einem Nachdiplom­studium für Management in Sozialen Institutionen. Bevor sie in die
pflegimuri kam, leitete Ursula Bittel die Spitex Stadt Brugg und Umgebung. In ihrer
Freizeit fährt sie gerne Velo oder Ski, geht wandern, pflegt Familie und Freundeskreis
und liebt das Reisen.
Angela Freinhofer ist 50-jährig und seit zwei Jahren in der pflegimuri tätig. Die ehemalige Luftverkehrsangestellte ist ebenfalls schon viel gereist und entschied sich
nach beruflichen Zwischenstationen für die Arbeit mit älteren Menschen. Zuerst in
der Altersberatung Opfikon, dann in der Sozialberatung am Regionalen Pflegezentrum
Baden und jetzt im 60-Prozentpensum in der pflegimuri. Zurzeit unterstützt sie ihre
88-jährige Mutter und fährt deshalb oft ins Appenzellerland. Sie ist viel im Freien und
liebt die Berge.
Wer sich für einen Aufenthalt in der pflegimuri interessiert, kommt zuerst mit Ursula
Bittel, Leiterin der Sozialberatung, oder mit
Angela Freinhofer in Kontakt. Sie führen
kompetent und mit viel Empathie das Erstgespräch mit möglichen Bewohnerinnen,
Bewohnern und Angehörigen mit dem Ziel,
dass sich die Fragestellenden in allen Belangen verstanden und gut informiert fühlen.
Zahlreiche Dienstleistungen im Haus. Die bei­
den Sozialberaterinnen haben den Überblick
über die Bettenbelegung in der pflegimuri,
kennen die Bewohnerinnen und Bewohner
sowie die meisten Mitarbeitenden. Nach dem
Erstgespräch im Büro mit gegenseitigen
Informationen stellen die Fachfrauen Interes­
sierten auf einem Rundgang die Institution
und den Wohnbereich mit dem verfügbaren
Platz vor. Sie verweisen auf das breite Dienst­
leistungsangebot – von den zahlreichen haus­
eigenen Therapiemöglichkeiten, über den
Coiffeur bis hin zum öffentlichen Restaurant
benedikt – und informieren über die Finan­
zierung eines Heimaufenthalts. «Die grosse
Herausforderung bei diesen Gesprächen be­
steht darin, sehr gut zuzuhören und die Fra­
gestellenden am richtigen Ort abzuholen»
erklärt Ursula Bittel. «Es gibt Angehörige,
die bereits sehr viel über einen Heimaufent­
halt wissen. Andere wiederum kommen vol­
ler Sorgen zu uns und möchten im Austausch
erst einmal abladen.» Das richtige Mass an
Mitgefühl und Faktenvermittlung macht den
Erfolg der Erstgespräche von Ursula Bittel
und Angela Freinhofer aus.
Dankbarkeit ernten. Für diese herausfor­
dernden Abklärungen bekommen die Sozial­
beraterinnen viel Dankbarkeit. «Der Wandel
in der Stimmung vom Grüezi bis zum Adieu ist
für mich jedes Mal eindrücklich» findet An­
gela Freinhofer. «Dieses Lob motiviert mich
täglich aufs Neue.» Das wachsende Vertrau­
en der Interessierten in die pflegimuri ist sehr
wichtig für das nächste Wegstück, denn die
Sozialberaterinnen sind die Begleiterinnen
eines jeden Bewohnerheimeintritts. In dieser
Phase gilt es, den verschiedenen Ansprüchen
der neuen Bewohnerin, des neuen Bewoh­
ners, des Umfelds, der Zimmernachbarn,
der Mitbewohnenden oder dem betreuenden
Pflegepersonal gerecht zu werden. Gerade weil
jeweils nicht für alle Interessierten ein Ein­
erzimmer verfügbar ist, muss gut zwischen
Wunsch und Bedarf abgewogen werden.
Faszination Lebenslauf. Ursula Bittel leitet
die Sozialberatung der pflegimuri seit sieben
Jahren und ist nach wie vor fasziniert von ih­
rer Aufgabe. «Sie gefällt mir ganz besonders,
weil ich an den Geschichten der Menschen in­
teressiert bin. Unsere Kundinnen und Kunden
ernst zu nehmen und sie in dieser Phase be­
Der Wandel vom Grüezi
zum Adieu ist eindrücklich.
gleiten zu dürfen, erfüllt mich.» So sehr sich
Ursula Bittel und Angela Freinhofer mit ihrer
Arbeit identifizieren, so wichtig ist ihnen auch,
einen guten Ausgleich zu haben. Beide woh­
nen ausserhalb des Bezirks Muri und betäti­
gen sich in ihrer Freizeit sportlich in der Natur.
Nach einem Wunsch für die pflegimuri ge­
fragt, sind sich die Sozialberaterinnen schnell
einig: «Der Aufenthalt bei uns muss weiterhin
für alle Menschen finanzierbar sein.» Zudem
wünschen sich die Sozialberaterinnen, «dass
die pflegimuri auch in Zukunft einen so guten
Ruf geniessen darf.» ub, af, cf
Gutes tun tut gut
Angela Freinhofer ist Ansprechperson für die freiwilligen Helferinnen und
Helfer im Besuchsdienst der pflegimuri. Vier Fragen an die Fachfrau.
Welche Bedeutung hat die Freiwilligenarbeit in der pflegimuri?
Die Freiwilligenarbeit hat eine jahrelange Tradition in der pflegimuri. Die Be­
suche der engagierten Frauen und Männer haben einen festen und willkom­
menen Platz im Wochenplan der Bewohnerinnen und Bewohner.
Was ist zentral bei diesem Engagement?
Der Besuchsdienst lebt von der Regelmässigkeit. Die gemeinsame Zeit wird je
nach Bedürfnis der Bewohnerin, des Bewohners gestaltet.
Gibt es einen Austausch unter den freiwilligen Helferinnen
und Helfern?
Rund alle zwei Monate werden die freiwilligen Helferinnen und Helfer zu
einem thematischen Treffen und Erfahrungsaustausch in die pflegimuri
eingeladen. Einmal im Jahr werden sie mit einem kulinarischen Dan­
keschön verwöhnt.
Wie zahlt sich ein solcher Einsatz aus?
Viele schätzen es, durch diese Aufgabe Einblick in spannende, neue
Lebensgeschichten zu erhalten. Sie geben mit Freude das Gelungene in
ihrem Leben an ihre Mitmenschen weiter. Der Gewinn liegt in der Aner­
kennung, die sie von den Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen
und Pflegenden erhalten.
Interessierte an der Freiwilligenarbeit in der pflegimuri erreichen Angela Freinhofer, Mitarbeiterin Sozialberatung,
unter Telefon 056 675 92 14 oder per Mail an [email protected]
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pflegizytig I mai 2015 I seite
Grahambrot und Pflegizopf
Geschichten aus einem facettenreichen Leben
Die rund 220 Bewohnerinnen und Bewohner bereichern mit ihren Lebensgeschichten
die pflegimuri auf besondere Weise. Den
Erzählungen aus so vielen Lebensjahren zuhören zu dürfen, ist beeindruckend. Für
diesen Beitrag hat eine 88-jährige Bewohnerin ihr Lebensbuch geöffnet. Sie möchte
jedoch nicht namentlich erwähnt sein. Auch
dies ist eine Form von Selbstbestimmung,
die in der pflegimuri in hohem Mass respektiert wird.
Zeitreise. Im Jahr 1376 beginnt die Ge­
schichte von Frau K. Damals wurde die Bä­
ckerei samt dazugehörender Bühlmühle in
Althäusern das erste Mal schriftlich erwähnt.
«Ein Betrieb, der zum Kloster Muri gehörte»,
weiss Frau K. um jenen Ort, an dem sie 551
Jahre später geboren wurde. «Ich hatte eine
schöne Jugend, wir spielten viel und vor
allem durften wir mitfahren, wenn unser Va­
ter mit Ross und Wagen in der Region das
Brot auslieferte.»
Liebling Max. Über diese Brottouren lies­
sen sich ganze Bücher schreiben. Frau K.
erinnert sich noch gut, wie schwer die Vier­
pfünder zu tragen waren, die sie jeweils
an die Haustüren brachte. Bezahlt wurden
die Backwaren via Monatsrechnung, wobei
ihr Vater insbesondere in Kriegsjahren beim
Einkassieren mehr als einmal ein Auge zu­
drücken musste. Überhaupt machte die Zeit
während des Zweiten Weltkriegs erfinde­
risch. So wurde beispielsweise des knappen
Mehls wegen der Brotteig mit Kartoffeln ge­
streckt oder weil es nur Ruchbrot und kein
Zopf im Sortiment geben durfte, führte die
Bäckerei aus der Bühlmühle eine Zwischen­
lösung ein, in dem sie beliebte kleine Brote
mit etwas Halbweissmehl im Angebot hatte.
Der Dachsaal der pflegimuri hat es in sich:
Einmal ist er Gottesdienstraum, dann wieder Turn­
halle und seit Ende April 2015 für jeweils 30 Sonn­
tagabende im Jahr Bühne für auserlesene Klänge.
Denn aus der Konzertreihe «Musig im Ochsen» wur­
de «Musig im Pflegidach». Stephan Diethelm kon­
zipiert unter dem Brand «Musig im… » nicht irgend
eine Konzertserie, sondern setzt mit seinem Pro­
gramm Massstäbe, sei es in Muri oder in seinen Ab­
legern in Zürich und Andermatt.Seine Erfolgsformel:
«Es spielen nur Bands, die mich interessieren.» Der
49-Jährige kuriert seine Konzertreihe ehrenamtlich.
Darum ist er auf tragfähige Partnerschaften ange­
wiesen. So wird auch «Musig im Pflegidach» von
Murikultur unterstützt. Die pflegimuri hingegen tritt
als Gastgeberin ohne finanzielle Ver­pflichtung auf.
«Für uns ist das natürlich eine Image-Politur», be­
stätigt Thomas Wernli. «Mit ‹Musig im Pflegidach›
können wir uns einer breiteren Öffentlichkeit als
moderner Betrieb präsentieren und erlebbar machen,
Max hiess übrigens das Lieblingspferd von
Frau K. und ja, einmal brannte sogar ein Ross
auf der Brottour durch. «Danach mussten wir
die herumliegenden Brote auflesen und sie
den Kühen füttern.»
Zusammenhalt. Frau K. besuchte in Muri
die Bezirksschule. «In einem Winter war es
monatelang so kalt, dass ich zu Fuss zur
Schule laufen musste. Zum Glück durften
wir jeweils über Mittag in Muri essen.» Gerne
wäre die gute Schülerin Lehrerin geworden.
Doch liessen ihre familiären Verpflichtungen
keine Berufsausbildung zu. Denn Frau K.
verlor bereits als Jugendliche ihre Eltern und
sorgte sich fortan um ihre drei jüngeren Ge­
schwister. Das schweisste zusammen. Ein
inniges Band, das unter dem Bruder und
den Schwestern noch heute hält. «Ein Bru­
der verstarb im 2001 leider viel zu früh.» Und
nachdem Frau K. 1955 nach Merenschwand
geheiratet hatte, nahmen sie schliesslich
ihre eigene Familie und der Bauernbetrieb
tüchtig in Beschlag.
Prominente Kundschaft. Frau K. und ihr Mann
bekamen vier Kinder. Ein Sohn verunglückte als
kleiner Bub. Eine Erinnerung, die Frau K. noch
heute zutiefst traurig stimmt. In solch’ schick­
salhaften Momente fand sie Kraft im Glauben
und Halt in all ihren Aufgaben. «Ich hatte eine
ganz gute Schwiegermutter», schwärmt sie.
Weil diese zu den Kindern schaute, konnte
Frau K. nach der Hofübernahme 1961 einmal
pro Woche zusammen mit ihren Mann im Last­
wagen nach Zürich fahren wo die Kundschaft
direkt mit erntefrischem Gemüse und Obst be­
dient wurde. Der bekannte Gastronomiebetrieb
Hiltl war Kunde der ersten Stunde: «500 Kilo­
gramm Kartoffeln kauften sie uns jede Woche
ab», freut sich Frau K. noch heute.
Bergruh. Neben ihrem Engagement für die
zwei Töchter, den Sohn, die sechs Enkel und
drei Urenkel zählte das Zeitungslesen, das
Mitmachen als Altstimme in der Trachten­
gruppe oder später das Altersturnen zu ihren
Hobbies. In den letzten Jahren traf man Frau
K. oft im Haus Bergruh in Amden an: «Ich ken­
ne Amden so gut wie meine Hosentasche»,
lacht die Erzählfreudige. Eine Gehschwäche
schränke ihre Selbständigkeit jedoch zuse­
hends ein, so dass sie sich entschloss, zu­
rück in die Region, näher zur Familie, kon­
kret in die pflegimuri zu ziehen. Dieses Haus
kannte sie bereits, denn in seiner letzten
Lebensphase wurde hier ihr Mann betreut
und gepflegt. «Er war dementiell erkrankt.
Die ersten Jahre pflegte ich ihn daheim. Er
machte stets die gleiche Velotour und war
bekannt dafür, dass er bei einem Zwischen­
halt jeweils ganz schnell einen Kaffee trank.»
In der pflegimuri gefällt es ihr sehr gut: «Ich
bin froh, hier zu sein und möchte hier blei­
ben, bis ich sterbe. Mein Zimmer entspricht
mir, weil es auf den Balkon hinausführt. Und
stellen sie sich vor», staunt Frau K., «drei
Bewohnerinnen meines Wohnbereichs waren
schon damals in der Dorfgemeinde im glei­
chen Schulzimmer unterrichtet worden. So
führen die Wege immer wieder zusammen.»
Schliesslich darf erwähnt werden, dass der
Pflegizopf, der zum sonntäglichen Frühstück
gehört, der ehemaligen Bäckerstochter ganz
besonders gut schmeckt: «Mein absoluter
Favorit, neben dem Grahambrot.» cf
dass man in der pflegimuri gut leben und alt werden
kann.» Die Verantwortlichen der pflegimuri prüfen ak­
tuell, ob künftig in Kombination mit den Konzerten das
Restaurant benedikt geöffnet sein wird.
Demnächst auf der Bühne im Pflegidach: Juan Rozoff. Er ist DAS Aushängeschild
der französischen Funk-Szene und stand schon mit
Grössen wie Bootsy Collins, George Clinton oder Fred
Wesley auf der Bühne. Der Sohn einer Spanierin und
eines Russen wird dank seiner Fähigkeit, die verschie­
denen Kulturen in seinen satten Funk-Mix einfliessen
zu lassen, als einer der mitreissendsten Funk-Acts
gehandelt. Der Mann, den man in Paris auch den klei­
nen Prince nennt, ist Garant für eine vibrierende LiveShow, an der tanzen nicht nur erlaubt, sondern aus­
drücklich erwünscht ist. Zum dritten Mal in Muri, am
Sonntag, 31. Mai 2015, 20.30 bis 21.30 Uhr,
www.juanrozoff.com
p f Ie g i m u r i
wo h n e n . b e t re u e n . I e b e n .
Impressum pflegizytig
Redaktion: Thomas Wernli (tw), Thomas Räber (tr),
Bettina Lukoschus Dinter, Andreas Zimmermann, Ursula
Bittel (ub), Angela Freinhofer (af), Carmen Frei (cf),
Fotos: Giorgio von Arb, Roger Wehrli, Felix Wey
Gestaltung: Küttel Laubacher Werbeagentur, Wohlen
Druck: Schumacher Druckerei AG, Muri
Auflage: 4500 Exemplare
Herausgeber: www.pflegimuri.ch