p f Ie g i m u r i wo h n e n . b e t re u e n . I e b e n . pflegizytig hauszeitung der pflegimuri | ausgabe 37 | mai 2015 Freude und Herausforderung Da brüllt der Löwe Thomas Räber Aus dem Jahresbericht von 1946 der pflegimuri Was mit Bauen zu tun hat, interessiert mich. Das begann schon in meiner Lehre als Elektromonteur und zeigt sich nach wie vor in meiner Berufstätigkeit in der Immobilienbranche. Als Nachfolger von Maurus Weber bin ich seit 2013 Präsident der Baukommission des Vereins pflegimuri. Dieses Ehrenamt ist mir Freude und Herausforderung zugleich. Denn mit dem laufenden «Projekt Löwen», also dem Neubau anstelle des heutigen Ökonomiegebäudes der pflegimuri, darf ich gleich ein Projekt von beachtlicher Dimension begleiten. «Im Berichtsjahr haben die Anstaltsbehörden ihr Hauptaugenmerk auf die Förderung der Vorarbeiten für den Bau des neuen Oekonomiegebäudes gerichtet. Nachdem sich die Baudirektion und die Direktion des Inneren für die Ideallösung, Ankauf und Abbruch des Hotel Löwen, ausgesprochen hatten, wurde mit dem Eigentümer ein Kaufvertrag auf der Basis von 130'000 Franken abgeschlossen. Ebenso wurde auf Veranlassung der Direktion des Inneren die Einwohnergemeinde Muri mit Rücksicht auf die durch den Abbruch des Löwen entstehende Verschönerung des Dorfbildes und die Bedeutung der Anstalt für die Gemeinde um die Leistung eines namhaften Beitrages ersucht. Diese hat an ihrer Versammlung vom 18. Juli 1946 einen solchen von 10'000 Franken beschlossen.» Fortsetzung Seite 3 Ja, sie haben richtig gelesen. Der Ge meinde Muri wurde 1946 von der Direktion des Inneren in Aarau nahegelegt, einen Beitrag an den Abbruch des Hotel Löwen zu leisten. Grund, mit dem Abbruch des Gebäudes würde das Dorfbild von Muri aufgewertet. Und die Gemeinde hat bezahlt. tw Auf der nächsten Seite wird diese Ge schichte zu Ende erzählt. 2 SEITE Der Mensch im Mittelpunkt: Ein Gespräch mit Monika Messerli-Künzle. 4 SEITE Die letzte Zigarette: Ein Rauchzeichen von Thomas Wernli. 8 SEITE Grahambrot und Pflegizopf: Eine facettenreiche Lebensgeschichte. Der Mensch im Mittelpunkt Im Gespräch mit Monika Messerli-Künzle, Leitung Pflege und Betreuung der pflegimuri Was ist Ihnen als Führungsfrau wichtig? Ganz verschiedene Aspekte. Zum Beispiel dass wir als Arbeitgeberin eine gesamtge sellschaftliche Verantwortung haben. Das kann sich darin äussern, dass ich jungen und älteren Mitarbeitenden eine Chance gebe. Dann will ich als Führungsfrau Leuchttum sein, in stürmischen Zeiten Orientierung geben, meinen Mitarbeitenden Wege aufzei gen, damit sie ihr Wissen bestmöglich in Nut zen umwandeln können, Hilfe und Energie für ihre eigene Entwicklung bekommen. Über allem setze ich mich dafür ein, dass der Fo kus nicht allein aufs kalkulatorische Denken ausgerichtet ist. Denn dies zerstört meiner Ansicht nach längerfristig ein gut funktionie rendes, motivierendes System. persönlich Monika Messerli ist als Monika Künzle in Muri aufgewachsen. Die 51-Jährige lebt heute mit ihrer Familie im Fricktal. Das Familienleben ist für sie zentral – «mein grösstes Hobby», wie sie lachend erklärt. Die Gesellige kocht sehr gerne, bevorzugt philosophische Literatur, schwimmt, taucht und wirkt im Garten. Sie liess sich im Akutbereich zur diplomierten Pflegefachfrau ausbilden, absolvierte die Höhere Pflegefachschule, Führungslehrgänge und ein Nachdiplomstudium für Management im Gesundheitswesen. Sie leitete die Pflege und Betreuung im Asana Spital Leuggern sowie im Spital und Pflegeheim Riehen und wirkte in der Klinikleitung des Bruderholz-Spitals. Fortsetzung von Seite 1 Da brüllt der Löwe Aus heutiger Sicht war der damalige Löwen, das ursprüngliche Weiberhaus des Klosters, aber ein durchaus stattliches und schönes Gebäude, welches sich gut in die Klosteranlage eingefügt hat. Das jetzige Ökonomiegebäude wirkt vergleichsweise nüchtern und funktional und kann kaum als Bereicherung des Dorfbildes bezeichnet werden. Zustupf. Nun wird auch dieses Gebäude im kommenden Jahr abgerissen, damit Neues entstehen kann. Der «neue Löwen» wird mit 50 Pflegeplätzen (alles Einerzimmer) die Wohnqualität in der pflegimuri verbessern und, davon gehen wir aus, auch das Dorfbild positiv bereichern. Auf einen Antrag bei der Einwohnergemeinde Muri für einen finan ziellen Zustupf «infolge optischer Attraktivitätssteigerung der Klosteranlage» verzichten wir aber vermutlich besser. tw Sie leiten den grossen Bereich Pflege und Betreuung im 80-Prozentpensum. Ich unterstütze den Ansatz Führung in Teilzeit und Familie vollends. Er ist machbar und gewinnbringend für Mensch und Betrieb. «Der Mensch ist für mich nicht Mittel. – also Mittel zum Zweck. Vielmehr steht in all meinem Handeln der Mensch im Mittelpunkt», betont Monika Messerli-Künzle. Aufgewachsen in Muri und in den hiesigen Klostermauern in die Schule gegangen, wirkt sie seit knapp eineinhalb Jahren wieder in ihrer alten Heimat, als Leitung Pflege und Betreuung der pflegimuri. Was hat Sie an dieser Stelle gereizt? Die Vielseitigkeit dieser Aufgabe. Ich bin eine Macherin und kann als Leitung Pflege und Be treuung viel bewirken für die Bewohnerinnen, Bewohner und Mitarbeitenden der pflegimuri. Das «Pflegiverständnis» entspricht meinem eingangs beschriebenen Menschenbild. Zu dem bin ich in Muri verwurzelt. Was sind die besonderen Herausforderungen in Ihrer Aufgabe? Die pflegimuri ist ein sehr komplexer Betrieb, der sich in hohem Tempo weiterentwickelt. Die Herausforderung als Führungskraft liegt darin, eine gesunde Balance zu halten. Sprich Entwicklungen zu unterstützen, aber damit die Mitarbeitenden nicht zu überfordern. Sie haben bis zum Stellenantritt in der pflegimuri ausschliesslich in Spitälern gearbeitet. Warum der Wechsel in eine Pflegeinstitution? Altersthemen gewinnen in unserer Gesell schaft immer mehr an Bedeutung, zudem gleichen sich die zentralen Fragestellungen von Akutspitälern und Heimen mittlerweile sehr. Der Wechsel war für mich absolut kein Imageverlust, sondern ein persönlicher Gewinn. Denn in der pflegimuri geht es ausschliess lich um konstruktive Prozesse zum Wohl der Menschen, die hier leben und arbeiten. Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich aktuell? Ein Gewinn für die pflegimuri ist beispiels weise die Anstellung unserer Gerontologin Brigitte Gysin. Durch sie werden die Anlie gen der Bewohnerinnen und Bewohner noch besser vertreten. Langfristig schwebt mir in Zusammenarbeit mit ihr eine Fachstelle für Altersfragen vor, eine für Muri und die Region offene Anlaufstelle für alle Anliegen rund ums Altern. Dann beschäftigen mich zum Beispiel Mein Wunsch für die pflegimuri: Dass sie eine Heimperle bleibt. die elektronische Pflegedokumentation oder Fragen zu Prozessstrukturen. Das heisst konkret: Im Pflegebereich gibt es mittlerweile so unterschiedliche Berufsabschlüsse, dass wir überlegen müssen, wie sie in der Zusam menarbeit auf den Wohnbereichen optimal koordiniert werden können. Weitere Themen sind die Entwicklung zeitgemässer Wohn formen und die Positionierung der pflegimuri als attraktive Arbeitgeberin. Was haben wir noch nicht angesprochen? Ich schätze die gute Betriebskultur in der pflegimuri sehr. Es herrscht ein offener Geist für Entwicklung und Veränderung, der Grund tenor ist lösungsorientiert und wertschätzend. Damit dies so bleibt, wünsche ich mir neben den anderen Kommunikationsmöglichkeiten vermehrt den Austausch von Angesicht zu An gesicht. Eben ganz meinem Leitwort entspre chend: Der Mensch im Mittelpunkt. cf 3 pflegizytig I mai 2015 I seite Aus Respekt vor der Lebensleistung Architekten Martin Leder und Roger Casagrande zum Neubau «Projekt Löwen» Im Austausch mit Martin Leder und Roger Casagrande wird schnell spürbar, dass für den Neubau «Projekt Löwen» Architekten verpflichtet werden konnten, für die es ein Ansporn ist, in hohem Mass sowohl den Anforderungen der künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern als auch der Einzigartigkeit des Baustandorts gerecht zu werden. pflegimuri beschreibt, war sofort spürbar und wir empfanden sie als sympathisch.» Dieser erste Eindruck hat sich während der bishe rigen Arbeit bestätigt. Das Zusammenwirken mit Menschen aus verschiedenen Positionen und Funktionen bezeichnen die Architekten als motivierend. «In diesem Team spielen wir gerne unseren Part» findet Roger Casagrande. Schwarzwäldertorte. Das Architekturbüro Meier Leder aus Baden hat sich vor allem aus zwei Gründen für den Wettbewerb zum Neubau anstelle des Ökonomiegebäudes der pflegimuri entschieden. Roger Casagrande: «Besonders reizvoll ist die städtebauliche Ein ordnung des Projekts, der Kontext zur Klosteranlage. Es ist Herausforderung und Freude zugleich, in ein solch geschichtsträchtiges Umfeld hineinbauen zu dürfen.» Martin Leder: «Uns interessieren Projekte, bei denen mehr als nur Dienstleistung gefragt ist. Wir haben gemerkt, welche Überlegungen bereits ge macht wurden, mit welchen Persönlichkeiten wir zusammenarbeiten können. Die Philoso phie der Schwarzwäldertorte, welche den ho hen Grad des selbstbestimmten Alltags in der Schauspiel. Architekten haben laut Martin Leder eine dem Schauspieler ähnliche Rol le. «Wir müssen uns bei der Planung in die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes hineinversetzen. Und deren An spruch mit der Aussenwirkung des Gebäu des in Einklang bringen.» Konkret arbei ten die Architekten dafür «im Schnitt»: Will heissen, dass sie nicht nur über den Grund riss der Baute nachdenken, sondern die Pläne stets auch in ihrer dreidimensionalen Wirkung beurteilen. «So erschaffen wir die Einzigartigkeit eines Raums.» Zentral hierbei ist die Materialwahl, die auf die innere wie die äussere Situation bezogen sein muss. Kunst stofffenster kämen für die beiden Architekten beim Neubau «Projekt Löwen» beispielswei se nicht in Frage. Viel besser passen ihrer Meinung nach Holzfenster zu einem Daheim für ältere Menschen beziehungsweise in die historische Umgebung. Bezug Alter. Ein gewichtiges Thema für den 42-jährigen Martin Leder und den 52-jährigen Roger Casagrande ist der Bezug zum älteren Menschen, der dereinst im Neubau Zuhause sein wird. Dazu recherchieren die Fachleute intensiv, machen sich kundig über bereits re alisierte Bauwerke in diesem Segment und lassen persönliche Erfahrungen im Umgang mit älteren Menschen in ihre Arbeit einflies sen. Martin Leder: «Die künftigen Bewohne rinnen und Bewohner sollen sich wohl und geborgen fühlen im neuen Gebäude. In eige nen Zimmer genauso wie in den öffentlichen Räumen.» Traditionelle Einflüsse wie Licht oder Haptik – also wie sich die gewählten Materialien beim Berühren anfühlen – spie len eine zentrale Rolle. Entwerfen heisst für Architekten primär verwerfen. Dennoch weiss Roger Casagrande aus Erfahrung: «Es gibt für alles eine optimale, nicht aber die perfekte Lösung.» cf Gruppenbild ohne Dame: Die Baukommission des Vereins pflegimuri in ihrer aktuellen Besetzung. Stehend von links nach rechts: Architekt Martin Leder; Franz Hold, Präsident Verein pflegimuri; Guido Küng, Leiter Bau+Technik pflegimuri. Sitzend von links nach rechts: Architekt Roger Casagrande; Vorstandsmitglied im Verein pflegimuri Erhard Trommsdorff; Thomas Wernli, Direktor pflegimuri; Thomas Räber, Präsident der Baukommission. Gabriela Cozzio, nicht auf dem Bild, führt bei den Sitzungen der Baukommission Protokoll. Fortsetzung von Seite 1 Freude und Herausforderung Seit ich im Vorstand der pflegimuri aktiv bin, hat sich meine Einstellung zur pflegimuri markant gewandelt. Besonders beeindruckt mich die hohe Lebens- und Arbeitsqualität im Haus. Vor allem wie den Bewohnerinnen und Bewohnern grösstmögliche Selbstbestimmung im Heimalltag zugesprochen wird ist mir erst durch meine Vorstandsarbeit bewusst geworden. Das selbstbestimmte Leben der Bewohner innen und Bewohner der pflegimuri ist auch in der Baukommission eines der Leitthemen und prägt die Diskussionen rund um den Neu bau massgebend. Gemeinsamen Nenner finden. War die Jury zum Architektur-Wettbewerb «Projekt Löwen» mit erfahrenen Architekten, dem Bauplaner, Denkmalpfleger, den Behörden- und Vorstandsmitgliedern eine durchaus illustre Gesellschaft, so ist die Baukommission jetzt bewusst schlank zusammengesetzt. Bei Bedarf werden Experten beigezogen. Den Austausch in unserem Gremium empfinde ich als sehr anregend. Gewiss sind wir nicht immer gleicher Meinung. Doch es wird eine offene Kommunikation gepflegt und am Schluss obsiegt jeweils der Wille zum gemeinsamen Nenner. An den bisherigen Sitzungen konnten bereits wichtige Entscheide gefällt werden; etwa in Bezug auf das Raumprogramm des Neubaus, die Ausarbeitung des Vorprojekts oder in der Definition der Etappenziele. So streben wir im Herbst 2015 die Baueingabe an, erhoffen uns in der ersten Hälfte 2016 den Spatenstich und im 2017 den Bezug des Neubaus. Geben und Nehmen. Das Engagement in Vorstand und Baukommission der pflegimuri ist für mich ein Geben und Nehmen. Auf der einen Seite kann ich Erfahrungen sammeln und interessante Kontakte pflegen. Auf der anderen Seite spüre ich, dass ich etwas beisteuern kann, was geschätzt wird. Und wer weiss, vielleicht lebe ich selber einmal in der pflegimuri. Dann werde ich mich daran erfreuen, dass ich ein Kapitel zur Geschichte dieser wertvollen Institution mitgestalten durfte. tr 19:0,5 Das Seelsorgeteam der pflegimuri 19:0,5 beträgt das Verhältnis der Jahre, die Bettina Lukoschus Dinter beziehungsweise Andreas Zimmermann in der pflegimuri arbeiten. In dieser Rubrik beantwortet das Seelsorgeteam die gleichen Fragen auf unterschiedlichem Erfahrungshintergrund als Mitarbeitende der pflegimuri. Wie persönlich darf es sein? BL: Bettina Lukoschus Dinter, geboren in Düsseldorf, seit 52 Jahren unterwegs im Le ben. Studiert habe ich in Birmingham, Mün ster in Westfalen und in Austin, Texas und das zweigleisig mit Abschlüssen in Pädagogik und Theologie. Ich bin mit André Dinter seit fast 25 Jahren verheiratet. Wir sind 1992 in die Schweiz gekommen mit einer Punktlan dung im Freiamt. Aktuell habe ich ein 70 Pro zent-Pensum in der Kirchgemeinde mit allem, was eine Pfarrerin so zu tun hat. Ausserdem unterrichte ich das Freifach Hebräisch an der Kanti Wohlen – mit wachsender Begeiste rung, weil die Sprache und das Judentum so unglaublich faszinierend sind und es Freude bereitet, diesen Reichtum jungen Leuten weiter zu geben. Bleibt Zeit für ein Hobby? BL: Meine Freude an Pferden entwickelte ich hauptsächlich in Irland bei unseren sommer lichen Ferienaufenthalten. Irland ist meine zweite Heimat geworden – Pferde gehören zu meinem Leben, insbesondere Casandra, mit der ich seit 14 Jahren unterwegs bin. Als Niederrheinerin trinke ich gerne Bier und engagiere mich deshalb bei den Freunden des Murianer Pflegibiers «Lonzi». Wie persönlich darf es bei Ihnen sein? AZ: Ich bin 58 Jahre alt, seit 26 Jahren verhei ratet und habe drei Töchter, die mittlerweile 23, 21 und 18 Jahre alt sind. In den 22 Jahren in der Pfarreiseelsorge arbeitete ich jeweils im 80-Prozent-Pensum, damit ich zwei Werk tage pro Woche Hausmann sein und so auch die Beziehung zu meinen Töchtern intensiver leben konnte, während meine Frau ihre Arbeitstage als Pfarreimitarbeiterin hatte. Zu meinen Hobbys zähle ich Skifahren, Velo fahren, Wandern, im Garten arbeiten, ein mal pro Monat Plauschkochen unter Männern, mich mit Kollegen und Freunden auf ein Bier, Glas Wein oder einen Spaziergang treffen. In Waldshut, wo ich aufgewachsen bin, machte ich nach der Schule auf dem Stadtbauamt die Lehre als Tiefbauzeichner und arbeitete dort zehn Jahre. Erst anschliessend ging ich aufs katholische Internat, machte mit 30 das Abitur und studierte in Freiburg im Breisgau katholische Theologie. Ihre Funktion in der pflegimuri? AZ: Ich bin zu 60 Prozent als katholischer Seelsorger für die pflegimuri angestellt und daneben zu 40 Prozent für die Seelsorge am Spital Muri. BL: Mein Pensum an der pflegimuri als refor mierte Pfarrerin beträgt 15 Prozent. Knapp ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner ist reformiert. Ihnen gilt meine besondere Zuwendung. Aber selbstverständlich bin ich für alle da – Bewohnerinnen, Bewohner, Mit arbeitende und Angehörige. Was gefällt Ihnen am Beruf? AZ: Mir gefällt, dass ich in der Beziehung zu den Bewohnerinnen und Bewohnern deut lich mehr Seelsorge ausüben kann, als in der Pfarreiseelsorge. Gerade die vielen persön lichen Gespräche mit den ganz unterschied lichen Menschen bereichern auch mich. Dabei spüre ich bereits nach den wenigen Monaten in der pflegimuri, dass aufgrund wiederkeh render Besuche und Gespräche langsam Beziehungen wachsen. Auch Gespräche mit den Mitarbeitenden schätze ich und so habe ich mich hier doch in überraschend kurzer Zeit heimisch gefühlt. Auch weil ich zu Beginn im Haus sehr wohlwollend aufgenommen und eingeführt wurde. BL: Als Pfarrerin habe ich mit Menschen aller Couleur zu tun: Kinder, Jugendliche, Erwach sene, Senioren. Unterschiedliche Hintergrün de, Lebensweisen, Anschauungen – bunt eben. Darauf einzugehen ist eine besondere Aufgabe. Und Verantwortung. So habe ich Freude daran, beispielsweise ein Lager mit 26 Jugendlichen nach Ungarn zu leiten mit einer Woche Volleinsatz, aber auch eher ruhige Besuche bei den Bewohnerinnen und Bewohner der pflegimuri zu machen und dabei den Lebenslinien nachzuspüren. Was überrascht immer wieder positiv an der pflegimuri? AZ: Dass der Bewohner, die Bewohnerin wirklich das Zentrum und der Kern von allem ist und wirklich alle Mitarbeitenden bis hin zur Küche und den technischen Diensten bestrebt sind, dass es den Bewohnerinnen und Bewohnern so gut wie möglich geht. BL: Die konstante Freundlichkeit und Zuge wandheit der Pflegenden zu den Bewohne rinnen und Bewohnern. Auch jenen gegen über, denen es Mühe macht, sich einzuleben oder die einfach immer mal wieder eine knur rige Seite zeigen. Der Alltag ist die besondere Herausforderung. Ein Wunsch für die Zukunft der pflegimuri? BL: Dass nach den Veränderungen und Neu erungen der letzten Zeit eine gewisse Konti nuität Raum greift, denn ein gleichmässiger Rhythmus schafft Sicherheit und Vertrauen. AZ: Im Grossen und Ganzen, dass sie ihren Weg so weitergeht, wie ich das in den vergan genen Monaten erlebt habe. Andreas Zimmermann als römisch-katholischer Seelsorger und die reformierte Pfarrerin Bettina Lukoschus Dinter bilden das Seelsorgeteam der pflegimuri. Die letzte Zigarette Wenn in der pflegimuri eine Bewohnerin oder ein Bewohner stirbt, wird die Verstorbene, der Verstorbene auf dem entsprechenden Wohn bereich mit einem Ritual verabschiedet. Angehörige, Mitbewohne rinnen, Mitbewohner und Mitarbeitende haben so die Gelegenheit, vom Verstorbenen Abschied zu nehmen. Gestaltet wird das Ritual gemeinsam, verantwortlich ist in der Regel die Bezugsperson der verstorbenen Personen. Rauchzeichen. Auf dem gerontopsychiatrischen Wohnbereich ist Herr M. verstorben. Herr M. war eine bekannte Person in der pflegimuri. Er drehte regelmässig seine Runden im und ums Haus, er war gern ge sehener Gast im Restaurant benedikt und – er war leidenschaftlicher Raucher. Seine bescheidenen finanziellen Mittel erlaubten ihm keine grossen Sprünge und mehr als ein Päckli pro Tag lag gar nicht drin. Doch Herrr M. hatte seine Quellen, welche ihn grosszügig mit zusätz lichem «Stoff» versorgten. Nach dem Tod von Herrn M. wurde auf dem Wohnbereich das Abschieds ritual durchgeführt. Nachdenklich, traurig, einige auch eher unberührt, so fanden sich die Bewohner zum Gedenken ihres Kollegen ein 5 pflegizytig I mai 2015 I seite Bilderrahmen wird Seelenfenster pflegimuri ist Praxispartnerin der «Aufgeweckten Kunst-Geschichten» Die «Aufgeweckten Kunst-Geschichten» animieren Menschen mit demenzieller Erkrankung zum kreativen Geschichtenerfinden. Als Gruppe zu Besuch in einem Museum werden gemeinsam und moderiert ausgewählte Bilder betrachtet und die dabei erfundenen Geschichten aufgeschrieben. Die Teilnahme am Projekt des Zentrums für Gerontologie der Universität Zürich war bisher in vielerlei Hinsicht eine bewegende Erfahrung für die Bewohnerinnen und Bewohner der pflegimuri. Spannende Geschichten. Auslöserin des Pro jekts «Aufgeweckte Kunst-Geschichten» am Zentrum für Gerontologie (ZfG) der Universität Zürich war die TimeSlips™-Methode. Sie wur de ab 1996 in den USA von der Kulturanthro pologin Anne Basting entwickelt. TimeSlips™ lädt Menschen mit demenzieller Erkrankung ein – auch in Anwesenheit ihrer Angehörigen und Betreuenden – sich gemeinsam und im provisiert Geschichten zu einer ausgewählten Fotografie oder einem ausgewählten Bild aus zudenken. Ein Moderator oder eine Modera torin stösst mit offenen Fragen das Gespräch an, das von einer weiteren Person notiert und schrittweise präsentiert wird. Abschliessend wird für die Geschichte ein Titel gesucht. Dies dauert so lange, bis alle Beteiligten mit dem Titel zur Bildgeschichte einverstanden sind. Umfangreiche Organisation. Thomas Wernli betraute in der pflegimuri Sandra Portmann mit der Projektleitung «Aufgeweckte KunstGeschichten». Die Sozialpädagogin verant wortet die Aktivierungstherapie. In dieser Position kommt sie regelmässig mit den Menschen in der Pflegeinstitution in Kontakt, kennt die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner. Mit einem Brief wurden diese beziehungsweise ihre Angehörigen zur Teilnahme am Projekt ein geladen. Für die Sessionen im Aargauer Kunsthaus wurde die Gruppe bewusst über schaubar gehalten. Fünf, sechs Menschen mit demenzieller Erkrankung reisten jeweils nach Aarau, alle mit einer Begleitperson – rekrutiert aus dem privaten Umfeld, aus dem Pool der freiwilligen Helferinnen und Helfer oder vom Personal der pflegimuri. Sandra Sonnige Murianer Präsenz in Aarau «Alle Teilnehmenden haben das Miteinander genossen; im gemeinsamen Unterwegssein oder beim Apéro nach dem Geschichtenerfinden», erklärt Sandra Portmann, die in der pflegimuri Ansprechperson für das Projekt «Aufgeweckte Kunst-Geschichten» ist. Portmann: «Vor der ersten Session war ich sehr nervös. Das legte sich jedoch rasch, als wir im Kunsthaus so herzlich empfangen wurden. Am Anfang lief es mit dem Geschich tenerfinden eher harzig. Nach wenigen Be suchen fühlten sich die Bewohnerinnen und Bewohner jedoch wohl und wussten, um was es geht. Letztlich sind denn auch sehr schöne Texte entstanden.» Positiv waren nicht nur die Reaktionen der Bewohnerinnen und Bewoh ner, sondern auch jene der Begleitpersonen. «Die meisten Angehörigen waren vom spür baren Interesse und der wachsamen Teilnah me der Bewohnerinnen und Bewohner mehr wie überrascht», bilanziert Sandra Portmann. Bewegende Erfahrungen. Bei einer Session wurde das Bild eines Kinderbegräbnisses ge wählt. Sandra Portmann: «Das hat zum Teil emotional aufgewühlt und überfordert und für mich nicht ins Konzept gepasst, welches darauf zielt, den Teilnehmenden eine posi tive Erfahrung zu schenken.» Entsprechend intensiv fielen die Reaktionen aus, die sich schliesslich doch zum Guten wendeten, wie die Aussage der Schwester einer teilneh menden Bewohnerin bestätigt: «Ich dachte zuerst, dass ich meine Schwester nach die ser Erfahrung aufmuntern müsste. Doch das Gegenteil war der Fall. Weil sie sich in ihrem bisherigen Leben und natürlich auch durch das Erleben in der pflegimuri intensiv mit Sterben und Tod befasst hat, lag sie mit ihren Äusserungen zur Bildbetrachtung goldrich tig. Für mich war es phänomenal zu hören, was sie alles bemerkt hat.» cf Anekdoten. Und es versteht sich von selbst, das Ritual fand im Rau cherraum und nicht in der Nichtraucherstube statt. Herr M. hatte kaum persönlichen Besitz. Aber er hinterliess ein Päckli Zigaretten. Und die se Zigaretten verteilte eine Mitarbeiterin an die anwesenden Herren und dann wurde im Gedenken an den Kollegen gemeinsam in der Run de eine «gepafft». Genüsslich, dankbar. Dazu erzählten sich die anwe senden Personen Anekdoten aus ihren Begegnungen mit Herrn M. Buch, Film, Web und Radiobeitrag zum Projekt Die positiven Erfahrungen mit dem Projekt «Aufgeweckte Kunstgeschichten» werden in direkter Partnerschaft von pflegimuri und Aargauer Kunsthaus weitergeführt. Um Inte ressierte zum Nachahmen zu motivieren, hat die Projektinitiantin, das Zentrum für Geron tologie der Universität Zürich, ein Buch (112 Seiten) inklusive einen Film (23 Minuten) realisiert. Die beiden stimmungsvollen und informativen Publikationen können für 30 Franken in der pflegimuri gekauft werden. Auf der Website www.pflegimuri.ch finden sich Bilder und Geschichten, die während der Besuche im Aargauer Kunsthaus in Aarau entstanden sind. Schliesslich gibt es das ganze Projekt als Radio-Beitrag auf: www.srf.ch/sendungen/kontext/aufgewecktekunst-geschichten Ein Herz fassen. So stelle ich mir Seelsorge vor, berührend und authen tisch aber immer wertschätzend. Und hier zeigt sich letztendlich die Qualität eines Betriebes. Nicht primär in der Erfüllung der kantonalen Vorgaben und Richtlinien. Nicht in umfangreichen Statistiken und Benchmark-Vergleichen, sondern dort, wo Mitarbeitende sich ein Herz fassen und es sprechen lassen. Ich bin zwar Nichtraucher, aber im Gedenken an Herr M. hätte ich gerne an diesem Abschiedsritual teilgenommen und mir eine kleine Meccarillo gegönnt. Thomas Wernli Über den Gartenzaun Schnittstellenpraktikum gibt Lernenden Einblick in andere Berufe Ursina Winkler ist in Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit. Trotzdem steht sie an diesem Morgen nicht auf ihrem Wohnbereich, sondern in der Küche der pflegimuri einsatzbereit. Michael Kuhn hingegen ist in der Lehre als Koch. Doch an diesem Tag ist er auf dem Wohnbereich G2 unterwegs und reinigt dort Bewohnerzimmer, Aufenthaltsräume sowie die Gänge. Diese Rollenwechsel sind Programm und heissen in der pflegimuri «Schnittstellenpraktikum». Fragen beantworten. «Der Einstieg in eine Berufslehre bringt spannende Herausfor derungen mit sich. Neues zu erfahren, zu lernen und zu üben, vielseitige Erwartungen zu erfüllen und dabei noch den Überblick zu behalten, ist anspruchsvoll» erklärt Anneke Dorrestein, Ausbildungsverantwortliche für die rund 40 Lernenden der pflegimuri. Wie mache ich meine Arbeit korrekt, welche Be rufsgruppen gibt es in der pflegimuri, welche Aufgaben haben diese Personen, welches sind die Schnittstellen mit meiner Tätigkeit? All das sind Fragen, die mit dem Schnittstel lenpraktikum antwortet werden. Pflegefachfrau backt Kuchen. «Am Anfang wurde mir in der Küche alles gezeigt. Dann habe ich zuerst in der kalten Küche gearbei tet und dort bei verschiedenen Arbeiten mit geholfen. Am Mittag half ich beim Schöpfen der Mittagessen. Auch mussten wir im mer wieder frisches Essen ins Restaurant benedikt bringen. Am Nachmittag durfte ich für meinen Wohnbereich einen Kuchen ba cken. Am Schluss haben wir dann noch die Küche gereinigt» schreibt Ursina Winkler über ihren Tag in der Küche und bilanziert: «Ich wurde gut im Team aufgenommen. Der Tag hatte mir sehr viel Spass gemacht und ich habe jetzt ein ganz anderes Bild von der Küche als zuvor. Ich habe Vieles gelernt, was die Küche alles zu tun hat und ich fand es toll, dass ich einen Kuchen backen konnte.» Anneke Dorrestein: «Das Schnittstellenprak tikum unterstützt die Lernenden darin, Ver ständnis für verschiedene Arbeitsfelder und Dienstleistungen der pflegimuri zu entwickeln. Dabei lernen sie andere Mitarbeitende der pflegimuri kennen, gleichzeitig wird die ei gene Berufskultur und Berufstätigkeit unter die Lupe genommen und reflektiert.» Koch im Hausdienst. Michael Kuhn war unter anderem während zwei Tagen seines Schnitt stellenpraktikums im Hausdienst tätig. «Am zweiten Tag war ich mit Josef unterwegs und reinigte das Restaurant benedikt, WCAnlagen, Gänge sowie Büroräume.» Kritisch bemerkt der angehende Koch: «Die Arbeit wiederholt sich oft und meist ist es nach kurzer Zeit wieder schmutzig und man konnte wieder von vorne anfangen. Trotzdem war das Praktikum eine Erfahrung.» Immer wieder sorgt das Schnittstellenpraktikum für AhaErlebnisse. Michael Kuhn: «Was mich bei Bau und Technik überrascht hat, war die Infor mation, dass in der pflegimuri täglich 60 bis 70' 000 Liter Wasser verbraucht werden.» Zweifel ausräumen. Aus Erfahrung mit den Schnittstellenpraktika weiss Anneke Dorrestein: «Auch allfällige Zweifel werden eruiert, ob man überhaupt den richtigen Beruf gewählt hat.» Michael Kuhn bestätigt dies in seiner schriftlichen Rückmeldung zu einem Einsatz: «Bei meinem Schnittstellen praktikum in der Pflege und Betreuung war ich mehrheitlich mit der Teamleitung des Wohnbereichs G2, Rita Käppeli, unterwegs. Ich konnte jeweils mitlaufen und meine Fragen zu den Arbeiten stellen. Die Arbeit auf den Wohnbereichen mit den Bewohne rinnen und Bewohnern ist teilweise sehr an strengend, jedoch am Nachmittag ziemlich ruhig. Ich bewundere die Mitarbeitenden der Pflege. Ich selbst könnte diese Arbeit nicht ausführen.» Positives Echo. Das Schnittstellenprakti kum dauert rund fünf Wochen und findet im zweiten oder dritten Semester der Aus bildung statt. «Die Reaktionen und Reflexi onen sind durchwegs positiv» freut sich die Ausbildungsverantwortliche. «Die verschie denen Abläufe der pflegimuri werden ersicht lich, verständlich und mit den eigenen Tätig keiten verknüpft was das eigene Handeln bestärkt.» cf Ziele des Schnittstellenpraktikums Obschon sich Ursina Winkler und Michael Kuhn in ihren angestammten Berufen als Fachfrau Gesundheit beziehungs weise Koch in Ausbildung wohl fühlen, empfanden sie die Schnittstellenpraktika als bereichernde Erfahrung. Die Lernenden kennen die verschiedenen Bereiche der pflegimuri mit den verantwortlichen Personen und deren Aufgaben. Die Lernenden können mindestens fünf Dienstleistungen jedes Bereichs benennen. Die Lernenden können den Kundennutzen der Dienstleistungen und Produkte aufzeigen. Die Lernenden kennen die Schnittstellen von Pflege und Betreuung / Hotellerie / Bau + Technik / Verwaltung / Stabstellen und kann die damit zusammenhängenden Aufgaben und Tätigkeiten der eigenen Arbeit erklären. Die Lernenden erläutern ihre Erkenntnisse bezüglich der beobachteten Schnittstellen. 7 pflegizytig I mai 2015 I seite Sich verstanden fühlen Die Sozialberatung: Erste Kontaktstelle zur pflegimuri persönlich Ursula Bittel, (rechts im Bild), leitet seit 2008 die Sozialberatung der pflegimuri im100-Prozentpensum. Die 58-Jährige ist ausgebildete Psychiatriepflegerin mit einem Nachdiplomstudium für Management in Sozialen Institutionen. Bevor sie in die pflegimuri kam, leitete Ursula Bittel die Spitex Stadt Brugg und Umgebung. In ihrer Freizeit fährt sie gerne Velo oder Ski, geht wandern, pflegt Familie und Freundeskreis und liebt das Reisen. Angela Freinhofer ist 50-jährig und seit zwei Jahren in der pflegimuri tätig. Die ehemalige Luftverkehrsangestellte ist ebenfalls schon viel gereist und entschied sich nach beruflichen Zwischenstationen für die Arbeit mit älteren Menschen. Zuerst in der Altersberatung Opfikon, dann in der Sozialberatung am Regionalen Pflegezentrum Baden und jetzt im 60-Prozentpensum in der pflegimuri. Zurzeit unterstützt sie ihre 88-jährige Mutter und fährt deshalb oft ins Appenzellerland. Sie ist viel im Freien und liebt die Berge. Wer sich für einen Aufenthalt in der pflegimuri interessiert, kommt zuerst mit Ursula Bittel, Leiterin der Sozialberatung, oder mit Angela Freinhofer in Kontakt. Sie führen kompetent und mit viel Empathie das Erstgespräch mit möglichen Bewohnerinnen, Bewohnern und Angehörigen mit dem Ziel, dass sich die Fragestellenden in allen Belangen verstanden und gut informiert fühlen. Zahlreiche Dienstleistungen im Haus. Die bei den Sozialberaterinnen haben den Überblick über die Bettenbelegung in der pflegimuri, kennen die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die meisten Mitarbeitenden. Nach dem Erstgespräch im Büro mit gegenseitigen Informationen stellen die Fachfrauen Interes sierten auf einem Rundgang die Institution und den Wohnbereich mit dem verfügbaren Platz vor. Sie verweisen auf das breite Dienst leistungsangebot – von den zahlreichen haus eigenen Therapiemöglichkeiten, über den Coiffeur bis hin zum öffentlichen Restaurant benedikt – und informieren über die Finan zierung eines Heimaufenthalts. «Die grosse Herausforderung bei diesen Gesprächen be steht darin, sehr gut zuzuhören und die Fra gestellenden am richtigen Ort abzuholen» erklärt Ursula Bittel. «Es gibt Angehörige, die bereits sehr viel über einen Heimaufent halt wissen. Andere wiederum kommen vol ler Sorgen zu uns und möchten im Austausch erst einmal abladen.» Das richtige Mass an Mitgefühl und Faktenvermittlung macht den Erfolg der Erstgespräche von Ursula Bittel und Angela Freinhofer aus. Dankbarkeit ernten. Für diese herausfor dernden Abklärungen bekommen die Sozial beraterinnen viel Dankbarkeit. «Der Wandel in der Stimmung vom Grüezi bis zum Adieu ist für mich jedes Mal eindrücklich» findet An gela Freinhofer. «Dieses Lob motiviert mich täglich aufs Neue.» Das wachsende Vertrau en der Interessierten in die pflegimuri ist sehr wichtig für das nächste Wegstück, denn die Sozialberaterinnen sind die Begleiterinnen eines jeden Bewohnerheimeintritts. In dieser Phase gilt es, den verschiedenen Ansprüchen der neuen Bewohnerin, des neuen Bewoh ners, des Umfelds, der Zimmernachbarn, der Mitbewohnenden oder dem betreuenden Pflegepersonal gerecht zu werden. Gerade weil jeweils nicht für alle Interessierten ein Ein erzimmer verfügbar ist, muss gut zwischen Wunsch und Bedarf abgewogen werden. Faszination Lebenslauf. Ursula Bittel leitet die Sozialberatung der pflegimuri seit sieben Jahren und ist nach wie vor fasziniert von ih rer Aufgabe. «Sie gefällt mir ganz besonders, weil ich an den Geschichten der Menschen in teressiert bin. Unsere Kundinnen und Kunden ernst zu nehmen und sie in dieser Phase be Der Wandel vom Grüezi zum Adieu ist eindrücklich. gleiten zu dürfen, erfüllt mich.» So sehr sich Ursula Bittel und Angela Freinhofer mit ihrer Arbeit identifizieren, so wichtig ist ihnen auch, einen guten Ausgleich zu haben. Beide woh nen ausserhalb des Bezirks Muri und betäti gen sich in ihrer Freizeit sportlich in der Natur. Nach einem Wunsch für die pflegimuri ge fragt, sind sich die Sozialberaterinnen schnell einig: «Der Aufenthalt bei uns muss weiterhin für alle Menschen finanzierbar sein.» Zudem wünschen sich die Sozialberaterinnen, «dass die pflegimuri auch in Zukunft einen so guten Ruf geniessen darf.» ub, af, cf Gutes tun tut gut Angela Freinhofer ist Ansprechperson für die freiwilligen Helferinnen und Helfer im Besuchsdienst der pflegimuri. Vier Fragen an die Fachfrau. Welche Bedeutung hat die Freiwilligenarbeit in der pflegimuri? Die Freiwilligenarbeit hat eine jahrelange Tradition in der pflegimuri. Die Be suche der engagierten Frauen und Männer haben einen festen und willkom menen Platz im Wochenplan der Bewohnerinnen und Bewohner. Was ist zentral bei diesem Engagement? Der Besuchsdienst lebt von der Regelmässigkeit. Die gemeinsame Zeit wird je nach Bedürfnis der Bewohnerin, des Bewohners gestaltet. Gibt es einen Austausch unter den freiwilligen Helferinnen und Helfern? Rund alle zwei Monate werden die freiwilligen Helferinnen und Helfer zu einem thematischen Treffen und Erfahrungsaustausch in die pflegimuri eingeladen. Einmal im Jahr werden sie mit einem kulinarischen Dan keschön verwöhnt. Wie zahlt sich ein solcher Einsatz aus? Viele schätzen es, durch diese Aufgabe Einblick in spannende, neue Lebensgeschichten zu erhalten. Sie geben mit Freude das Gelungene in ihrem Leben an ihre Mitmenschen weiter. Der Gewinn liegt in der Aner kennung, die sie von den Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen und Pflegenden erhalten. Interessierte an der Freiwilligenarbeit in der pflegimuri erreichen Angela Freinhofer, Mitarbeiterin Sozialberatung, unter Telefon 056 675 92 14 oder per Mail an [email protected] 8 pflegizytig I mai 2015 I seite Grahambrot und Pflegizopf Geschichten aus einem facettenreichen Leben Die rund 220 Bewohnerinnen und Bewohner bereichern mit ihren Lebensgeschichten die pflegimuri auf besondere Weise. Den Erzählungen aus so vielen Lebensjahren zuhören zu dürfen, ist beeindruckend. Für diesen Beitrag hat eine 88-jährige Bewohnerin ihr Lebensbuch geöffnet. Sie möchte jedoch nicht namentlich erwähnt sein. Auch dies ist eine Form von Selbstbestimmung, die in der pflegimuri in hohem Mass respektiert wird. Zeitreise. Im Jahr 1376 beginnt die Ge schichte von Frau K. Damals wurde die Bä ckerei samt dazugehörender Bühlmühle in Althäusern das erste Mal schriftlich erwähnt. «Ein Betrieb, der zum Kloster Muri gehörte», weiss Frau K. um jenen Ort, an dem sie 551 Jahre später geboren wurde. «Ich hatte eine schöne Jugend, wir spielten viel und vor allem durften wir mitfahren, wenn unser Va ter mit Ross und Wagen in der Region das Brot auslieferte.» Liebling Max. Über diese Brottouren lies sen sich ganze Bücher schreiben. Frau K. erinnert sich noch gut, wie schwer die Vier pfünder zu tragen waren, die sie jeweils an die Haustüren brachte. Bezahlt wurden die Backwaren via Monatsrechnung, wobei ihr Vater insbesondere in Kriegsjahren beim Einkassieren mehr als einmal ein Auge zu drücken musste. Überhaupt machte die Zeit während des Zweiten Weltkriegs erfinde risch. So wurde beispielsweise des knappen Mehls wegen der Brotteig mit Kartoffeln ge streckt oder weil es nur Ruchbrot und kein Zopf im Sortiment geben durfte, führte die Bäckerei aus der Bühlmühle eine Zwischen lösung ein, in dem sie beliebte kleine Brote mit etwas Halbweissmehl im Angebot hatte. Der Dachsaal der pflegimuri hat es in sich: Einmal ist er Gottesdienstraum, dann wieder Turn halle und seit Ende April 2015 für jeweils 30 Sonn tagabende im Jahr Bühne für auserlesene Klänge. Denn aus der Konzertreihe «Musig im Ochsen» wur de «Musig im Pflegidach». Stephan Diethelm kon zipiert unter dem Brand «Musig im… » nicht irgend eine Konzertserie, sondern setzt mit seinem Pro gramm Massstäbe, sei es in Muri oder in seinen Ab legern in Zürich und Andermatt.Seine Erfolgsformel: «Es spielen nur Bands, die mich interessieren.» Der 49-Jährige kuriert seine Konzertreihe ehrenamtlich. Darum ist er auf tragfähige Partnerschaften ange wiesen. So wird auch «Musig im Pflegidach» von Murikultur unterstützt. Die pflegimuri hingegen tritt als Gastgeberin ohne finanzielle Verpflichtung auf. «Für uns ist das natürlich eine Image-Politur», be stätigt Thomas Wernli. «Mit ‹Musig im Pflegidach› können wir uns einer breiteren Öffentlichkeit als moderner Betrieb präsentieren und erlebbar machen, Max hiess übrigens das Lieblingspferd von Frau K. und ja, einmal brannte sogar ein Ross auf der Brottour durch. «Danach mussten wir die herumliegenden Brote auflesen und sie den Kühen füttern.» Zusammenhalt. Frau K. besuchte in Muri die Bezirksschule. «In einem Winter war es monatelang so kalt, dass ich zu Fuss zur Schule laufen musste. Zum Glück durften wir jeweils über Mittag in Muri essen.» Gerne wäre die gute Schülerin Lehrerin geworden. Doch liessen ihre familiären Verpflichtungen keine Berufsausbildung zu. Denn Frau K. verlor bereits als Jugendliche ihre Eltern und sorgte sich fortan um ihre drei jüngeren Ge schwister. Das schweisste zusammen. Ein inniges Band, das unter dem Bruder und den Schwestern noch heute hält. «Ein Bru der verstarb im 2001 leider viel zu früh.» Und nachdem Frau K. 1955 nach Merenschwand geheiratet hatte, nahmen sie schliesslich ihre eigene Familie und der Bauernbetrieb tüchtig in Beschlag. Prominente Kundschaft. Frau K. und ihr Mann bekamen vier Kinder. Ein Sohn verunglückte als kleiner Bub. Eine Erinnerung, die Frau K. noch heute zutiefst traurig stimmt. In solch’ schick salhaften Momente fand sie Kraft im Glauben und Halt in all ihren Aufgaben. «Ich hatte eine ganz gute Schwiegermutter», schwärmt sie. Weil diese zu den Kindern schaute, konnte Frau K. nach der Hofübernahme 1961 einmal pro Woche zusammen mit ihren Mann im Last wagen nach Zürich fahren wo die Kundschaft direkt mit erntefrischem Gemüse und Obst be dient wurde. Der bekannte Gastronomiebetrieb Hiltl war Kunde der ersten Stunde: «500 Kilo gramm Kartoffeln kauften sie uns jede Woche ab», freut sich Frau K. noch heute. Bergruh. Neben ihrem Engagement für die zwei Töchter, den Sohn, die sechs Enkel und drei Urenkel zählte das Zeitungslesen, das Mitmachen als Altstimme in der Trachten gruppe oder später das Altersturnen zu ihren Hobbies. In den letzten Jahren traf man Frau K. oft im Haus Bergruh in Amden an: «Ich ken ne Amden so gut wie meine Hosentasche», lacht die Erzählfreudige. Eine Gehschwäche schränke ihre Selbständigkeit jedoch zuse hends ein, so dass sie sich entschloss, zu rück in die Region, näher zur Familie, kon kret in die pflegimuri zu ziehen. Dieses Haus kannte sie bereits, denn in seiner letzten Lebensphase wurde hier ihr Mann betreut und gepflegt. «Er war dementiell erkrankt. Die ersten Jahre pflegte ich ihn daheim. Er machte stets die gleiche Velotour und war bekannt dafür, dass er bei einem Zwischen halt jeweils ganz schnell einen Kaffee trank.» In der pflegimuri gefällt es ihr sehr gut: «Ich bin froh, hier zu sein und möchte hier blei ben, bis ich sterbe. Mein Zimmer entspricht mir, weil es auf den Balkon hinausführt. Und stellen sie sich vor», staunt Frau K., «drei Bewohnerinnen meines Wohnbereichs waren schon damals in der Dorfgemeinde im glei chen Schulzimmer unterrichtet worden. So führen die Wege immer wieder zusammen.» Schliesslich darf erwähnt werden, dass der Pflegizopf, der zum sonntäglichen Frühstück gehört, der ehemaligen Bäckerstochter ganz besonders gut schmeckt: «Mein absoluter Favorit, neben dem Grahambrot.» cf dass man in der pflegimuri gut leben und alt werden kann.» Die Verantwortlichen der pflegimuri prüfen ak tuell, ob künftig in Kombination mit den Konzerten das Restaurant benedikt geöffnet sein wird. Demnächst auf der Bühne im Pflegidach: Juan Rozoff. Er ist DAS Aushängeschild der französischen Funk-Szene und stand schon mit Grössen wie Bootsy Collins, George Clinton oder Fred Wesley auf der Bühne. Der Sohn einer Spanierin und eines Russen wird dank seiner Fähigkeit, die verschie denen Kulturen in seinen satten Funk-Mix einfliessen zu lassen, als einer der mitreissendsten Funk-Acts gehandelt. Der Mann, den man in Paris auch den klei nen Prince nennt, ist Garant für eine vibrierende LiveShow, an der tanzen nicht nur erlaubt, sondern aus drücklich erwünscht ist. Zum dritten Mal in Muri, am Sonntag, 31. Mai 2015, 20.30 bis 21.30 Uhr, www.juanrozoff.com p f Ie g i m u r i wo h n e n . b e t re u e n . I e b e n . Impressum pflegizytig Redaktion: Thomas Wernli (tw), Thomas Räber (tr), Bettina Lukoschus Dinter, Andreas Zimmermann, Ursula Bittel (ub), Angela Freinhofer (af), Carmen Frei (cf), Fotos: Giorgio von Arb, Roger Wehrli, Felix Wey Gestaltung: Küttel Laubacher Werbeagentur, Wohlen Druck: Schumacher Druckerei AG, Muri Auflage: 4500 Exemplare Herausgeber: www.pflegimuri.ch
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