ums Krickl Griss

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bwohl es schon eine Ewigkeit her ist, als ich die erste
Abwurfstange eines Rehbocks
gefunden habe, werde ich diesen Tag
bestimmt nicht vergessen. Es war der
Von Dieter Hopf
erste November. Allerheiligen. Am
Vormittag hatte ich meinen obligatorischen Friedhofsbesuch gemacht
und so saß ich ab Mittag auf einem
Sitz, welcher einen guten Blick auf
einen Wild­
acker mit dem angrenzenden Hochwald bot. Der Wildacker
war sehr gut angenommen, wie die
angebissenen Stängel bewiesen. Am
Ende des Wildackers stand plötzlich
ein Reh auf dem wenige Meter breiten
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Grünstreifen zwischen Waldrand und
Wildacker. Der Blick durchs Fernglas
bestätigte einen Bock, der ein gutes
Sechsergeweih aufhatte. Beide Stangen gleichmäßig geformt und gut lauscherhoch. Der Bock in seiner grauen
Winterdecke zog in den Wildacker und
begann zu äsen. Da ein Hälmchen,
dort ein Blättchen verspeisend, zog er
langsam schräg an mir vorbei. Er äste
in aller Ruhe einige Meter innerhalb
des Wildackers, aber – was war das?
Er hatte nur noch eine Stange auf dem
Haupt, wie durch das Fernglas deutlich
zu erkennen war. Die rechte Stange
fehlte. Er musste sie in dieser Minute,
als ich ihm keine Beachtung schenkte,
abgeworfen haben. Deutlich war auf
dem Haupt etwas Rotes zu erkennen,
Das Rehkrickl fasziniert den
Jäger nicht nur am lebenden
Stück oder auf der eigenen Trophäenwand. Auch
Abwürfe haben ihren Reiz.
Gar viel wird unternommen,
um ihrer habhaft zu werden.
die schweißende Wunde des Rosenstocks. Dem Bock schien es nicht das
Geringste auszumachen, er äste in
aller Ruhe weiter. So gut als möglich
merkte ich mir die Stelle, denn diese
Stange wollte ich mir, sobald der Bock
verschwunden war, unbedingt sichern.
Als ob er ahnte, dass ich es kaum
erwarten konnte, zog er kurze Zeit später mit einer Stange auf dem Haupt in
den Hochwald zurück. An der Stelle,
die ich mir gemerkt hatte, begann ich
zu suchen und man möchte es nicht
glauben, es dauerte bestimmt zwanzig
Minuten, ehe ich die Stange zwischen
Topinamburresten und Sonnenblumenstängeln liegen sah. Es war, wie
schon durch das Glas erkennbar, eine
schön geformte Sechserstange mit
DER ANBLICK 11/2015
gefunden, die es aber auch verdienen
mitgenommen zu werden. Natürlich
sind auch manchmal Sechserstangen
von Jährlingen dabei. Von den 211
gefundenen Abwürfen sind „nur“ 17
Pärchen dabei und erstaunlicherweise
war vermutlich keiner dieser Böcke
älter als vier Jahre. Stangen der älteren
Böcke (5 Jahre und älter) wurden bisher keine gefunden, da diese bereits
ab Ende Oktober abwerfen und zu dieser Zeit noch viel auf den Wiesen oder
Wildäckern stehen und vermutlich dort
abwerfen.
Natürlich übersehe ich auch Abwürfe,
die dann ein oder zwei Jahre später
durch Zufall entdeckt werden. Oft sind
sie aber bereits von Waldmäusen angenagt oder dermaßen ausgebleicht, dass
es nicht mehr lohnt, sie mitzunehmen.
Apropos Waldmäuse: Nach getaner
Arbeit im Wald setzte ich mich zum
Ausruhen mit dem Rücken an einen
Baum. Nach einiger Zeit hörte ich ein
schabendes, nagendes Geräusch hinter
dem Baum. Vorsichtig erhob ich mich
und schaute hinter die Fichte. Da saß
doch tatsächlich eine Rötelmaus und
benagte das Abwurfstänglein eines
Jährlingsbockes. Schnell aus dem
nahen Auto die Kamera geholt und
innerhalb der nächsten zwei Stunden
gelangen einige nette Bilder dieses
Nagers zur Dokumentation. Anschließend wanderte auch dieser Abwurf
gekennzeichnet zu den anderen in
die Kiste und erinnert mich auch noch
Jahre später an das nette Erlebnis.
Die meisten Stangen findet der Autor in seinem Allgäuer
Revier im Advent zwischen 10. und 25. Dezember.
Auch bei noch so akribischer Suche findet
der Jäger nur einen Teil der Rehkrickl.
FOTOS: D. HOPF
FOTO: A. SCHILLING
Griss
ums
Krickl
mäßiger Perlung. Die Bruchstelle war
rot von Schweiß, der schon etwas
angetrocknet war. Der Bock dürfte
damals vermutlich vier Jahre gewesen
sein. Die zweite Stange dieses Bockes
wurde nie gefunden, aber auch als Einzelstange ist sie für mich wertvoll. Seit
dieser Zeit suche ich verstärkt in diesem 1.000 ha großen Gemeinschaftsrevier jedes Jahr zwischen Ende Oktober und Ende Jänner nach den Abwürfen. Inzwischen ist meine Sammlung
auf 211 Stück angewachsen.
Die meisten Stangen finde ich im
Advent zwischen dem 10. und 25.
Dezember. Zu dieser Zeit liegt bei uns
im Allgäu in der Regel Schnee und die
Fütterungen sind daher gut besucht.
ln dieser Zeit suche ich täglich vier bis
fünf Fütterungen ab und nehme dabei
immer gleich etwas Futter mit. Am
nächsten Tag werden wieder einige
besucht, am übernächsten Tag wieder
und nach etwa fünf Tagen habe ich alle
20 Fütterungen im Revier besucht. So
bin ich zwei Wochen lang (fast) jeden
Tag im Revier und kann sicher sein,
wenn ein Rehbock an der Fütterung in
dieser Zeit abgeworfen hat, dass ich die
Stangen auch finde. ln die Einstände
wird während des Winters nicht eingedrungen. Erst Ende März gehe ich den
Wechseln in die Einstände nach, und
ab und zu findet sich darin noch eine
Stange eines bekannten Bockes.
Da Jährlinge und 2- bis 3-jährige Böcke
später abwerfen, werden ab Mitte Jänner meist nur noch schwache Stänglein
FOTO: H. FLADENHOFER
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FOTOS: H. FLADENHOFER
„Abwurfhilfe“ für den Rehbock
Wie groß ist die Freude bei uns Jägern, wenn wir eine Abwurfstange finden. Um die Wahrscheinlichkeit ein wenig zu erhöhen,
gibt es einige Möglichkeiten. Manche Jäger spannen einen starken Draht über den Futtertrog, so dass der Bock beim Berühren
des Drahtes seine Stangen verliert, sofern
die Stangen schon locker sitzen. Eine einfache und schnelle Methode gelingt mit
einem Fichtenwipfel. Ein dürrer Wipfelteil
einer Fichte wird so am Futtertrog befestigt, dass der Rehbock erschwert zum Futter
gelangt und sich dabei mit seinem Krickl in
den Ästen verheddert.
Ofö. Helmut Fladenhofer
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