12 Panorama Der Landbote Donnerstag, 26. November 2015 «Krisen sind Weckrufe, aber es braucht meist mehrere» Herzensqualitäten Der Winterthurer Psychotherapeut Hanspeter Ruch geht in seinem neuen Buch der Rastlosigkeit unserer Zeit nach. Sie beschreiben in «Herzensqualitäten» einen vollen Alltag, jedoch ohne wirkliche Erfüllung, und fordern auf, «aus dem Irr-Sinn des Machens auszusteigen». Was ist so schlecht an einem ausgefüllten Alltag? Hanspeter Ruch: Die Frage ist, mit was er ausgefüllt ist! Es ist wun derbar, wenn man ihn mit Freude und Energie füllt. Es geht nicht darum, nichts mehr zu schaffen, sondern es geht darum, wie man es tut. Schwierig wird es, wenn man sich nicht mehr spürt und gefangen ist im Hamsterrad. Was motiviert Menschen, sich im Alltag zu überlasten? Ist es das Geldverdienen? Es geht doch am Morgen schon los: Ich sollte, ich müsste, die Kin der ... es ist die Lebenshaltung, die sie belastet. Wenn ich nicht ent spannt bin, kompensiere ich mit zu viel Essen, mit Rauchen, mit Alkohol. Konsumieren ist in Ord nung, aber man muss wissen, wo seine Heimat ist. Wir sind zu lan ge Hirngespinsten hinterherge rannt; Erfolg, Geld, Karriere. Neunzig Prozent der Menschen sind heimatlos, sie sind auf der Flucht, physisch oder innerlich. Das macht sie krank. Man muss die Sichtweise än dern. Wenn der Stress im Zen trum steht, und meine Gedanken kreisen um ihn, wird er gross. Wenn die Angst im Zentrum steht, wird sie gross. Aber wenn die innere Quelle, das Herz, im Zentrum steht, wird es gross. Sie sagen: Der denkende Geist ist das Hindernis, man solle aufhören, ihn wie einen Affen zu füttern. Was sollte an seine Stelle treten? Der denkende Geist ist nichts Schlechtes, aber er ist nur ein Werkzeug. Wir folgen ihm blind, und wenn er sich nicht mehr ab stellen lässt, ist das ein grosses Problem. Sie können das mit dem Staubsauger vergleichen: Wenn Sie fertig gesaugt haben, stellen sie ihn in den Schrank. Sie laufen auch nicht den ganzen Tag damit herum. Entspricht Ihr Ansatz, mehr auf das innere Bewusstsein zu hören, nicht dem populären Konzept der Achtsamkeit? Achtsamkeit ist eine notwendige Eigenschaft oder Qualität. Doch es besteht die Gefahr, dass ich wieder mit etwas beschäftigt bin und vergesse zu sein. Ich konzen triere mich intensiv auf bestimm te Dinge. Es geht darum, dass der Kopf leer sein muss. Sie beschreiben, dass Menschen trotz Therapien bei Ihnen landen, weil sie etwas anderes suchen. Was machen Sie anders? Die Psychotherapie von heute macht einen guten Job. Oft aber ist sie zu einseitig, zu mechanis tisch, zu sehr auf das Lösen von Problemen bezogen. Ihr fehlt ein fundiertes Verständnis vom Be wusstsein. Wenn ich meine Pro bleme erzähle, beschäftige ich mich mit meinen Problemen. Man sollte aber nicht noch mehr Öl ins Feuer giessen. Die Frage ist, wo stehe ich, und welches Fahrzeug muss ich benutzen, um weiterzu kommen? Wenn die Eltern das Problem sind, dann muss ich mit den Eltern sprechen, da helfen mir Meditation und Yoga auch nicht weiter. Dann muss ich mich dem stellen. Sicher ist es gut, zuerst ein Fundament in Form einer Psychotherapie zu schaffen, aber die Spiri tualität ist erst die nächste Stufe. Krisen seien Weckrufe, schreiben Sie. Sehen Sie da einen Zusammenhang; sind körperliche Krankheiten auch Weckrufe? Ja, das Bewusstsein sucht sich seinen Weg, aber manchmal ist es gefangen. Dann braucht es eine Krise, und in der Regel sind es mehrere, um aufzuwachen und das Leben neu anzuschauen. Bei den Krankheiten bin ich der Meinung, dass die Energie eine entscheidende Rolle spielt. Es ist vielleicht etwas in der Anlage, aber beim einen bricht es aus und beim anderen nicht. Wenn ich es genetisch begründe, dann kann ich einfach zum Hausarzt gehen und muss nichts an meinem Leben ändern. In Bezug auf das Denken schreiben Sie: «Die Bewertung und Aufteilung in positiv und negativ ist unnatürlich.» Der denkende Geist sagt uns, was gut und was schlecht ist, aber das gibt es in Wahrheit nicht. Das Le ben ist grundlegend Energie. Um so mehr wir im Geist gefangen sind, desto mehr bewerten wir. Wenn wir zum Beispiel den Sternenhimmel betrachten, dann konsultiert schon einer eine App und weiss, welcher Stern das ist und welcher der grösste ist etc. – anstatt den Himmel einfach zu geniessen. Sie stützen Ihre Erkenntnisse unter anderem auf den tibetischen Buddhismus. Was machen die Menschen dort anders und allenfalls besser? Die Tibeter haben das Bewusst sein seit Jahrhunderten tief er forscht und sich mit diesem ver traut gemacht, das fehlt uns. Sie leben im Hochland und haben gelernt, wie man unter grössten Entbehrungen und trotz schlim mer Erlebnisse Kraft aus sich selbst heraus schöpft und glück lich leben kann. Interview: Gabriele Spiller Herzensqualitäten – Vom Machen zum Sein Der Psychotherapeut Hanspeter Ruch hat sein sechstes Buch veröffentlicht. Marc Dahinden Hanspeter Ruch. Via-Nova-Verlag. 130 Seiten, ca. 20 Franken. In der Ausgewogenheit liegt das Glück umdenken Während einer Mittlebenskrise begann der Sozialpsychologe Jens Förster über das Haben und das Sein nachzudenken. Seine «neue Psychologie von Konsum und Verzicht» erklärt, wie Menschen mit unterschiedlichen Zielen gut leben können. Jens Förster (Foto) musste fast 50 und depressiv werden, um zu er kennen, dass er sich mit allerlei «Zeug» umgab. Der Universitäts professor und passionierte Schuhsammler entschied sich für einen Be freiungsschlag: Er stellte 30 Müllsäcke, zwanzig Paar Schuhe und 300 Bü cher vor die Tür, verkaufte sein grosses Haus und schrieb die Kündigung. Zu seinem erfolgrei chen, aber gehetzten Lebensstil wollte er nicht mehr zurückkeh ren. Schliesslich – so dämmerte es ihm – arbeitete er nur noch für die Hypothek und die Dinge, die er sich gönnte, weil er sie sich doch «verdient» hatte. Aus seiner Be schäftigung mit dem Thema wur de das Buch «Was das Haben mit dem Sein macht». Darin beschreibt er zunächst ausführlich die verschiedenen Istzustände. Es gibt Menschen, bei denen das Haben(wollen) do miniert, und andere, die einfach nur sein möchten, möglichst oh ne sich um Materielles zu küm mern. Dazwischen gibt es Misch und Übergangsformen. Der Ha benHabenTyp ist der prototypi sche Workaholic, bei dem das Arbeiten schon eine Sucht ist. Wie ein Raucher weiss er, dass er nicht gesund lebt, aber er schafft es nicht, gegenzusteuern. Dabei gibt ihm das viele Arbeiten ja auch Glücksgefühle. Vor allem ist sein Erfolg (finanziell) messbar – das ist etwas, was man über ideelle Ziele oft nicht sagen kann. Bin ich eine gute Mutter, spreche ich schon ausreichend Spanisch und engagiere ich mich genug im Eh renamt? Solange Familie, Kollegen oder die Gesundheit keinen Stress ma chen, kann der HabenHaben Mensch seinen Stil problemlos durchziehen. Anstrengend wird es, wenn unterschiedliche Inter essen, Zielkonflikte auftauchen. Mehr Schein als Sein Es gibt auch Personen, die «sind», um zu haben. Sie netzwerken, ler nen und kommunizieren auf ein Habensziel hin. Förster nennt Studenten, zum Beispiel Juristen oder Mediziner, die bereits einen Habitus einnehmen, der ihrem Statusziel entspricht – eine teure Uhr inklusive. Diese sind genervt, wenn sie vertieft studieren sollen. Auch eine aufgezwungene El ternzeit ist Menschen, die zwar den gesellschaftlich erwünschten Status einnehmen möchten, sich aber viel lieber mit ihren Habens zielen beschäftigen, ein Graus. In teressant ist auch die Beobach tung, dass «ewige Studenten», die schon alles wissen, aber keinen Abschluss machen, nach aussen zwar ein Habensziel (Beruf ) an streben, im Grunde aber lieber im Sein verharrten, weil sie das Ha ben im Grunde nicht interessiert. Die ideale Verkörperung des Seins, um zu sein, ist die Nonne. Sie lebt in einer religiösen Ge meinschaft, die ihr das Lesen, Lehren, Helfen und Beten ermög licht. Natürlich könnten in unse rer Gesellschaft, wo für die Grund bedürfnisse von fast allen gesorgt ist, etliche Menschen aus dem Hamsterrad aussteigen. Sie müss ten aber als Erstes einmal gegen Marketingstrategien und das Ge rede von Mitbürgern gefeit sein. Arbeit als Mittel zum Zweck Menschen, die haben, um zu sein, betrachten ihre Arbeit als Mittel zum Zweck. Sie verwirklichen sich in anderen Bereichen. Auf diese Stufe muss man zunächst kommen. Deshalb besteht hier die Gefahr, dass die Person ihre Erwerbsphase als Durststrecke ansieht, unzufrieden wird oder gar nicht erkennt, wann sie das Ziel erreicht hat. Sie lebt viel von ihren Träumen in der Zukunft. Und wem das Haben zufällt, ohne selbst etwas dafür getan zu haben, dem droht, dass ihn das Sein nicht befriedigt. Nein, Veganer sind nicht die besseren Menschen und Banker muss man nicht verteufeln. Mit schlauen Exkursen und anschau lichen Beispielen, wenn auch meist aus seinem ganz persönli chen Umfeld, beschreibt Jens Förster, dass jegliche Motivation – zur richtigen Zeit und wohl do siert – zur besten Lebensmi schung führt. Ein wichtiges Anlie gen ist ihm dabei, auf die kurz sichtige Ausbeutung unser Exis tenzgrundlage, der Erde, hinzu weisen. Denn sie ist kein Haben mittel, sondern dient allein un serem Sein. Gabriele Spiller Was das Haben mit dem Sein macht Jens Förster, Pattloch-Verlag. 332 Seiten, ca. 29 Franken. Hausratgeber Giorgio Giani Leiter Baumanagement Hauseigentümerverband Zürich Auf den Winter vorbereiten W er rechtzeitig vorsorgt, kann den Winter in seinem eigenen Haus entspannt geniessen. Deshalb tun Eigentümer im Herbst gut daran, ihre Häuser auf den kom menden Winter vorzubereiten. Das Hauptaugenmerk sollte man dabei auf das Dach und auf die Wasserläufe legen. Einmal jährlich, idealerweise im Herbst, sollten die Eindeckung des Daches und die Wasserrin nen kontrolliert werden. Auf grund der Verletzungsgefahr übernimmt dies je nach Dach und Gebäudehöhe am besten ein Fachmann. Frühjahrsstürme oder Hagelereignisse können zu Schäden an Dachziegeln oder Schiefereindeckung geführt ha ben. Eine Kontrolle des Daches verhindert, dass im Winter Was ser eindringen kann oder Ziegel durch Eis weiter beschädigt werden. Gleichzeitig sollten die Dachwasserrinnen von Laub und Ästen befreit werden, um ein reibungsloses Ablaufen des Regen und Schmelzwassers sicherzustellen. Das verhindert, dass sich das Wasser seinen eigenen Weg sucht und im dümmsten Fall in die Konstruk tion eindringt. Die Aussenwand ist ebenfalls ein Kontrollblick wert. Ist der Verputz durchgehend intakt und ohne Risse, die durch gefrorenes Wasser aufplatzen könnten? Um Zugluft zu vermeiden, sollten Fenster und Türdichtungen kon trolliert und allenfalls leicht ein gefettet werden. Dadurch wer den diese nicht porös und schlies sen auch im kommenden Winter wasser und winddicht ab. Bevor in den Nächten die Tem peratur unter den Gefrierpunkt zu sinken beginnt, sollten alle Zuleitungen zu Aussenwasseran schlüssen zugedreht und die Lei tungen bis zum Hahn entleert werden. Dadurch wird verhin dert, dass stehendes Wasser in den Leitungen gefrieren kann und im schlimmsten Fall die Lei tung sprengt. Wasserrinnen und Schlammsammler, zum Beispiel bei der Garageneinfahrt, sind zu kontrollieren und allenfalls zu reinigen. Meist fällt der erste Schnee über Nacht. Wer Besen und Schneeschaufel sowie allen falls etwas Streusalz bereit gestellt hat, erlebt kein böses Erwachen, sondern hat morgens schnell gepfadet. Briefträger und Lieferanten werden es Ihnen ebenfalls danken. Nicht zuletzt kann sich auch ein Blick in den Öltank oder den Pelletsilo lohnen. Reicht der Vorrat noch für den ganzen Winter, oder ist an eine Nach lieferung zu denken? Dank der richtigen Vorbereitung kann die kalte Jahreszeit nun ruhig kommen. Weitere Informationen: Giorgio Giani, Leiter Baumanagement, Hauseigentümerverband Zürich, Albisstrasse 28, 8038 Zürich, Telefon 044 487 18 18, E-Mail: baumanagement@ hevzuerich.ch, Internet: www.hevzuerich.ch
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