FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Befragung Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Herzlich willkommen zur Vorlesung Methoden der empirischen Sozialforschung I Heute: Forschungsparadigmen – Wertungen – Ethik 1 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 2 Forschungsparadigmen: Vorgehen I „Quantitativ“ „Qualitativ“ • Fragestellung und Hypothesen vorab festgelegt • Offenheit, „Dummheit als Methode“ (Ronald Hitzler) • Begriffe klar definiert • „Sensitizing concepts“ • Schluss von Stich• Typenbildung, gewonprobe auf Grundnen aus Einzelfällen, gesamtheit Æ große daher kleine StichZufallsstichproben proben gemäß (oder Randomisierung „Theoretical Sampling“ in Experimenten) FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 3 Forschungsparadigmen : Vorgehen II „Quantitativ“ • Datenerhebung so standardisiert wie möglich Forscher meist selbst nicht in Datenerhebung involviert („armchair sociology“) • Auswertung mittels statistischer Modellierung „Qualitativ“ • Keine oder geringe Vorstrukturierung der Datenerhebung • Datenerhebung durch Forscher „im Feld“ • Auswertung durch sinnverstehende oder sinnrekonstruierende Verfahren FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Qualitative Forschung: Beispiel • Ein “durchschnittliches” Beispiel: Wolfram Backert, “Armutsrisiko: Überschuldung” • Offene Befragung von 41 überschuldeten Personen, später Gruppendiskussion und Wiederholungsbefragung • Herausarbeitung von fünf “Lebenswelten überschuldeter Haushalte” (Typenbildung) 4 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Qualitative Forschung: Beispiel • Typ I: Ökononomisch gescheiterte Mitte Menschen mit guten Ressourcen (Bildung, Beziehungen), deren Unternehmen Pleite gingen Æ hohe Schulden, aber gute Anpassungsmöglichkeiten, Chancen des Wiederaufstiegs. • Typ II: Distinktionsschuldner Menschen lebten auf hohem Konsumniveau über ihre Verhältnisse, wenig Chancen des Ausstiegs, solange Ziele nicht an Ressourcen angepasst werden. 5 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Qualitative Forschung: Beispiel • Typ III: Rationale Durchwurstler Menschen mit wenig Ressourcen, lebten schon immer an Armutsgrenze, Überschuldung durch Notwendigkeitskonsum, große Schuldendisziplin. • Typ IV: Perspektivlose Schuldner am Ende der Erwerbsphase (ähnlichTyp III). • Typ V: Exklusion am Rand der Gesellschaft Delinquenz, Alkohol- oder andere Drogenprobleme; (nicht sehr hohe) Schulden weniger durch Konsum, eher Mietschulden. 6 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Forschungsparadigmen: Verfeindet, verbündet, oder ....? Überwiegende Tendenz: Wechselseitige Abwertung Neuere Entwicklungen: Angebote der Ergänzung, Komplementarität, wechselseitigen Korrektur oder zumindest Zugeständnis der „Quantis“ einer explorativen Rolle für qualitative Methoden Zwiespältigkeit bleibt: Jedes Verfahren für sich genommen unbefriedigend, aber noch keine zufriedenstellende Beziehung zueinander 7 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 8 Forschungsparadigmen nach U. Flick I „Quantitativ“ • Fragestellungen und Ergebnisse zu weit von Alltagsfragen entfernt, Komplexität der Modelle verstärkt diesen Effekt • Idealvorstellung: Theorieprüfung • Linear, sequenziell „Qualitativ“ • „Offene“ Methoden werden Sinnstrukturen des Alltags gerecht • Exploration • Prozessual, zirkular, iterativ-zyklisch FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 9 Forschungsparadigmen nach U. Flick II „Quantitativ“ „Qualitativ“ • Analysen zeigen nur, • Methoden passen sich was vorher in Modelle Gegenstand an, nicht „hineingesteckt“ wurde umgekehrt (“Grounded Theory”) • Ideal der Objektivität • Subjektivität (auch der (nicht einlösbar) ForscherInnen) einbezogen • Allgemeine Gütekriterien der Forschung • Spezifische Gütekriterien qualitativer Forschung FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 10 Qualitative Forschung: Anspruch und Wirklichkeit (nach WLM) I Anspruch Wirklichkeit • Offene Methoden werden Alltagswirklichkeit gerechter • Ergebnisse sind (u.U.: deshalb!) schwer nachvollziehbar • Exploration • Anspruch nicht unumstritten (und: auch “Quantis” entdecken) • Prozessual, zirkular, iterativ-zyklisch • Forschungspraxis wird dem selten gerecht (und: auch „quanti“ Forschung iterativ) FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 11 Qualitative Forschung: Anspruch und Wirklichkeit (nach WLM) II Anspruch Wirklichkeit • Methoden passen sich • Anspruch gilt auch für Gegenstand an “quantitative” For(“Grounded Theory”) schung (ist jedoch grundsätzlich naiv) • Subjektivität der • Ganz unklar, ob und ForscherInnen wie dies geschehen einbezogen soll • Spezifische Gütekriterien für qualitative Forschung • Postulat ebenso umstritten wie einzelne Kriterien FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 12 „Quali“ und „Quanti“ – worum geht es also? Teil I „Quantitativ“ „Qualitativ“ • bei “objektivierten” • Zeichen, Sinn-, KomDaten stark; bei munikationsstrukturen Meinungen, Sinnstruk(häufig latenter Art) turen oft oberflächlich • Zusammenhänge • Zusammenhänge zwischen Daten durch zwischen Daten durch Assoziation (X1 und A1 Aufzeigen von Sinntreten häufiger gestrukturen (daher u.U. meinsam auf als X2 „kleine“ Fallzahlen und A2) ausreichend) FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Vorgehen Überlegenheit der „quali“ Forschung? Anspruch und Wirklichkeit Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 13 „Quali“ und „Quanti“ – worum geht es also? Teil II „Quantitativ“ „Qualitativ“ • Anspruch auf Explora- • Anspruch auf tion verleugnet, Exploration häufiger dadurch wenig echte ernst genommen, Exploration, Zufallsallerdings Tendenz, entdeckungen werden dies auf Erforschung nachträglich als exotischer LebensHypothesenprüfung welten zu beschrändeklariert ken FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik Werturteile Forschungsethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Werturteilsproblematik: Die Sicht Max Webers (nach Diekmann und SHE) Wissenschaft „wertet“ durch Auswahl der Fragestellung(en) (D: „Relevanzproblem“; allgemein: „Entdeckungszusammenhang“). Die Ergebnisse als „Tatsachenaussagen“ sollten ohne Wertung (objektiv, neutral) sein („Begründungszusammenhang“), Wertungen sollten deutlich gekennzeichnet werden und sind nicht „objektiv begründbar“. Die Umsetzung von Forschungsergebnissen („Verwendungszusammenhang“) basiert explizit oder implizit auf Wertungen. 14 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik Werturteile Forschungsethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Moderner Werturteilsstreit, „Positivismustreit“ Kritische Theorie (Habermas, Adorno): Da in Entdeckungs- und Verwertungszusammenhang Wertungen enthalten sind, ist auch Begründung dieser Wertungen erforderlich (Vorwurf des Dezisionismus). Adorno („Positivismusstreit“, Einleitung, S. 33): „Der Begriff von Gesellschaft ... impliziert die Vorstellung einer Assoziation freier und selbständiger Subjekte um der Möglichkeit eines besseren Lebens willen, und damit Kritik an naturwüchsigen gesellschaftlichen Verhältnissen“. 15 FB 1 W. Ludwig-Mayerhofer Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik Methoden I – Paradigmen/Ethik „Wertbasis der Wissenschaft“ Werturteile Forschungsethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben Als „Wertbasis“ bezeichnet Diekmann die Regeln, die die Wissenschaft sich selbst gibt: o „Wahrhaftigkeit“ (insbesondere: keine Datenfälschung etc.; siehe Beispiele bei Diekmann) o Offenlegung von Interessen, Auftraggebern, Ablehnung unseriöser/unwissenschaftlicher Aufträge o Nachvollziehbarkeit aller Schritte o Anwendung bestmöglicher Standards o Veröffentlichung von Ergebnissen 16 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik Umgang mit Forschungs“subjekten“ Werturteile Forschungsethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben Freiwilligkeit der Teilnahme an Untersuchungen „Informierte Einwilligung“ Anonymisierung von Daten, allgemein: Datenschutz Vermeidung möglicher Risiken oder Gefährdungen (durch anstrengende/riskante Untersuchungen) Kein Zeugnisverweigerungsrecht (im Gegensatz zu Ärzten und Pfarrern) 17 FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 18 Weitere Regeln Werturteile Forschungsethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben In Bezug auf MitarbeiterInnen: Anerkennung der Mitarbeit (bei Publikationen), fairer, nichtdiskriminierender Umgang In Bezug auf KollegInnen: Faire Begutachtung (Projektanträge, Publikationen, Evaluation) Ethik-Kodex von DGS und BDS unter http://www.soziologie.de (dort „Über die DGS“ wählen, dann Unterpunkt „Ethik-Kodex“) FB 1 Einstieg/Überblick Paradigmen Werturteile/Ethik Forschungslogik Hypothesen Forschungsdesign Messung Standardisierte Befragung Qualitative Interviews Beobachtung Nicht-reaktive Methoden Inhaltsanalyse Stichproben W. Ludwig-Mayerhofer Methoden I – Paradigmen/Ethik 19 Spezielle Literatur Adorno, Theodor W. (Hrsg.): Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Neuwied: Luchterhand, 1969. Backert, Wolfram: Armutsrisiko: Überschuldung, in: Eva Barlösius & Wolfgang Ludwig-Mayerhofer (Hrsg.): Die Armut der Gesellschaft, Opladen: Leske + Budrich, 2001, S. 243-261. Zur Bestimmung „qualitativer“ Forschung siehe auch: Ullrich, Carsten G.; Hollstein, Betina: Einheit trotz Vielfalt? Zum konstitutiven Kern qualitativer Sozialforschung. In: Soziologie (2003), Heft 4/20
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