Obersee Nachrichten, 30.12.2015

LOKALSPIEGEL
OBERSEE NACHRICHTEN Mittwoch, 30. Dezember 2015
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WENN JUGENDLICHE NICHT MEHR LEBEN WOLLEN
«Nach Weihnachten rutschen viele
Jugendliche in eine Depression»
Tanja und Dimi sind selbst jung, haben aber schon schwere Lebenskrisen überwunden. Sie wollen
ihre Erfahrungen weitergeben. Im Peer-to-Peer-Projekt [U25] Schweiz zeigen sie gleichaltrigen Kindern
und Jugendlichen, die sich das Leben nehmen wollen, mögliche Lösungswege aus der Krise auf.
Es ist noch nicht lange her, da stand
Dimi selbst oben auf einer Brücke. Im
Kopf des 15-Jährigen kreisten tausend
Gedanken. In Dimis Leben war viel
Schlimmes passiert. Zu viel. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er
fünf Jahre alt war. Auch die Schule bot
ihm damals kein stabiles soziales Umfeld: Die Kameraden neckten und
mobbten Dimi, machten ihm neben
dem Elternhaus auch noch den Alltag
zur Hölle. Und dann noch dieser dumme Streit mit einem Freund. Irgendeine
banale Kleinigkeit, und Dimi war
einfach weggelaufen. Irgendwohin in
die Nacht. Und stand plötzlich auf der
Brücke.
Ein Häufchen «Gar nichts»
Dimi ist kein Einzelfall. Etwa 140 Kinder und Jugendliche nehmen sich jedes
Jahr in der Schweiz das Leben (s. Box).
Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten, illegale Drogen
und Aids zusammen. Etwa jede Stunde
versucht sich ein junger Mensch in der
Schweiz zu töten. Suizid ist die zweithäufigste Todesursache unter den 15bis 29-Jährigen. Und fast 70 Prozent
aller Jugendlichen haben sich schon
einmal Gedanken über Suizid gemacht.
Verzweifelt versuchte Dimi mit seinem Handy Kollegen zu erreichen.
Doch niemand nahm ab. Keiner zu
Hause, alle im Ausgang, glücklich,
ausgelassen, den lauen Sommerabend
geniessend. Das Gefühl der Einsamkeit in ihm drin wurde immer grösser.
Was ging in diesen Momenten in seinem Kopf vor? «In diesem Augenblick
fällt dir einfach gar nichts mehr ein.
Dein Hirn will nicht mehr mitmachen,
es gibt keine Lösung mehr, der Kopf ist
Jugendliche
brauchen Ihre Hilfe
Die Jugendsuizidprävention [U25]
Schweiz wird fast ausschliesslich
durch private Spenden finanziert.
Jeder Geldbeitrag fliesst ohne Abzüge direkt in die Präventionsarbeit
und kommt somit vollumfänglich
suizidgefährdeten Kindern und
Jugendlichen zugute.
• Bank: Alternative Bank Schweiz,
Olten
• Konto: PC 46-110-7
• IBAN: CH05 0839 0032 9912
1000 0
• BIC: ABSOCH22
(Betreff: [U25] Schweiz)
suizidalen Gedanken durchlebte. Nur
einer einzigen Freundin erzählte sie davon. Dimi kennt das. «Auch unter besten Freunden ist Suizid nach wie vor ein
Tabuthema», sagt der heute 18-Jährige.
Gerade an den Festtagen und danach fühlen sich Jugendliche verloren und unverstanden.
leer», erinnert er sich heute. «Das ist Pärchen, alles lebt auf und fängt an zu die Peerberater von [U25] Schweiz
ein echt harter Moment. Da fühlst du blühen – nur du selbst hast das Gefühl, sehr oft mit schlimmen Schicksalen
dich wie ein Häufchen ‘Gar Nichts’. innerlich zu verwelken. «Familien konfrontiert. Sie lesen von häuslicher
Nur das Problem besteht immer noch. sollten deshalb die Weihnachtszeit nut- Gewalt über sexuellen Missbrauch,
Und genau das ist
Mobbing, Liebesdann der Moment,
kummer,
Verwo du dir sagst:
nachlässigung bis
Jetzt mag ich nicht
hin zu Vergewaltimehr.» Doch er hat
gungen und MissGlück.
Irgendhandlungen. Worwann, nach einer
te, Sätze, die
Stunde,
nimmt
keinen kalt lassen.
eine Kollegin von
Tanja bestätigt:
ihm zufällig den
«Ohne ein stabiles
Anruf entgegen.
soziales Umfeld
Zehn Minuten späist es sehr schwieter holt sie ihn ab,
rig, aus einer Krispricht mit ihm,
se herauszufintröstet ihn. Aber
den. Die Krux
was wäre gewesen,
daran ist nur, dass
wenn er niemandas Umfeld meisden erreicht hätte?
tens gar nichts von
Wäre er wirklich Peerberater Dimi und Tanja treten aus der Anonymität, um die Öffentlichden
suizidalen
Foto: Vanessa Püntener Gedanken weiss.
gesprungen? «Im keit für das Thema «Jugendsuizid» zu sensibilisieren.
Nachhinein denke
Weder die Famiich, dass ich es nicht getan hätte. Aber zen, um mit ihren Kindern Gespräche lie, noch die Freunde.»
in jenem Moment war ich wirklich zu führen», rät Raphael Wobmann, der
ganz kurz davor.»
die Jugendsuizidprävention [U25] Abgestempelt
Schweiz vor zwei Jahren ins Leben Tanja (24) war neun Jahre alt, als ihre
Suizidrate steigt nach Festtagen
rief. «Eltern müssen unbesorgt offen Mutter starb. Da ihr Vater mit der SituaViele meinen, vor und während Weih- reden und Fragen stellen. Und ihren tion völlig überfordert war, wurde das
nachten sei die Suizidrate am höchsten. Kindern anbieten, immer für sie da zu junge Mädchen in einer Pflegefamilie
Tatsache ist aber, dass sich suizidale sein. Ein grösseres Geschenk können untergebracht. Diese Umstellung und
Gedanken bei Kindern und Jugendli- sie nicht machen.»
der Verlust beider Eltern warfen Tanja in
chen erst nach den Festtagen markant
In den Gesprächen mit den suizida- eine Krise, während der auch sie im Alsteigern. Überall verliebte, turtelnde len Kindern und Jugendlichen werden ter von erst 13 Jahren eine Phase mit
Standort Kanton St. Gallen
Tanja und Dimi sind drei von 21 Jugendlichen, die ihre Erfahrungen an
andere junge Menschen weitergeben
wollen, um ihnen zu helfen und Lösungswege aufzuzeigen. Darum arbeiten sie ehrenamtlich und in ihrer Freizeit für die Suizidprävention von U25
Schweiz, einem sozialen Projekt, das
suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen auf eine ganz neue Art und
Weise Unterstützung bietet. Denn die
Beratung basiert auf dem Peer-to-PeerAnsatz – das bedeutet: Die Peers von
[U25] Schweiz sind im gleichen Alter
wie die Betroffenen und haben ihre
eigenen Krisen erfolgreich gemeistert.
Heute, zwei Jahre nach dem Start des
Pilotprojektes, sind 21 Peerberater für
[U25] Schweiz tätig, dies in den Standorten Wil, St. Gallen und Bern. 2016
soll das Angebot mit zusätzlichen
Standorten in den Regionen Basel,
Zürich, Luzern und Aargau ausgebaut
werden. Für diese Erweiterung läuft
zurzeit die Finanzierungsphase.
Leben retten
Um diesen Ausbau bewältigen zu können, sucht [U25] Schweiz bereits heute
nach engagierten Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren, die sich dafür
interessieren, als Peerberater zu arbeiten und damit junge Leben zu retten.
Manuel Drilling
Infos über die Ausbildung gibt es auf
www.u25-schweiz.ch oder via Mail bei
[email protected].
Suizide in Zahlen
Durch Suizide sterben jedes Jahr
weltweit über 800 000 Menschen,
das sind weit mehr als durch Kriege
oder Hungersnöte. Die Schweiz ist
dabei eines der Länder mit den
höchsten Suizidraten. 1200 Menschen nahmen sich in der Schweiz
im vergangenen Jahr das Leben,
darunter etwa 140 Kinder und Jugendliche. Die Zahl der Suizdiversuche liegt in der Schweiz gemäss
Experten jährlich zwischen 30 000
und 60 000, davon fallen etwa zehn
Prozent auf Minderjährige.
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