Momente der Begegnung Jochen Metzger Ein Fremder lächelt uns in der Menge zu. In der Schlange vor der Kasse ergibt sich ein nettes Gespräch mit einem anderen Wartenden. Solche Momente sind für unser Wohlbefinden wichtiger, als wir denken. Ein Tag wie jeder, ich träum` von Liebe. Menschen, wohin ich schau, Grossstadtgetriebe. Und auf einmal sah ich sie. Sie hat mich angelacht und war vorüber. Um Udo Jürgens war es geschehen, nachdem er mit der blonden 17-Jährigen Blickkontakt hatte. Wiedergefunden hat er sie, laut Songtext, im Gewühl jedoch nicht mehr. Abgesehen davon, dass solche flüchtigen Begegnungen unser Wohlbefinden verbessern, können daraus durchaus Zuneigung, Freundschaft und Liebe entstehen, wie Emotionspsychologen belegen. Die US-Forscherin Barbara Fredrickson sieht in diesen kurzen Augenblicken gar das Grundnahrungsmittel einer gesunden Seele. International bekannt wurde die Emotionsforscherin von der University of North Carolina in Chapel Hill durch ihre broaden and build-Theorie. Diese besagt, dass positive Emotionen wie Freude, Hoffnung oder Dankbarkeit vor allem zwei Auswirkungen auf unsere Seele haben: Sie erweitern zunächst unseren Blick – wir sehen nicht mehr nur Details, sondern vielmehr das „ganze Bild“ einer Sache. Gute Gefühle lassen uns offener durch die Welt gehen. Und wer diese Art von Offenheit regelmässig erlebt – das ist der zweite Teil der Geschichte –, dessen Persönlichkeit verwandelt sich mit der Zeit. Man wird dadurch gesünder, kreativer und resilienter, also stabiler gegen Schicksalsschläge. Die broaden and build - Theorie sieht positive Emotionen als kleine Feldsteine, die am Wegesrand liegen und von uns gesammelt werden wollen. Und wenn wir viele solcher Steine beisammenhaben, können wir daraus gleichsam das Haus unserer Seele bauen. Ein Haus, das uns schützt, wenn es draussen stürmt, regnet oder schneit. In den vergangenen Jahren hat Barbara Fredrickson vermehrt über die Liebe nachgedacht – konkret über die „Mikromomente der Liebe“. Liebe meint dabei nicht nur den erotischen Blitzschlag zwischen Mann und Frau, sondern jede Form echter menschlicher Begegnung. Sie findet statt beim Brötchenholen, an der Supermarktkasse, im Büro – jedes Mal, wenn wir in unserem Gegenüber den Menschen sehen und nicht nur die wirtschaftliche Funktion, die er gerade für uns erfüllt. Erst wenn wir solche Mikromomente mit einem Menschen wiederholt erleben, erwachsen daraus Sympathien, Freundschaften, Affären, Beziehungen, Ehen. Wissenschaftler haben gründlich erforscht, was solche Augenblicke mit uns anstellen, mit unserer Biologie, unserem Gehirn, unserem Denken, unserer Intuition, unserem Verhalten. Die wichtigsten Fakten: 1. Der Mimikry-Effekt Zwei Menschen sehen einander in die Augen – und ohne es zu merken, gleichen sie ihre Körpersprache einander an. Das hat mehrere Konsequenzen. Verhaltensmimikry sorgt dafür, dass man einander sympathischer findet. „Ich bin nicht dein Feind“, lautet die unbewusste Botschaft. Sie hilft uns auch dabei, die Seelenlage des anderen schneller und präziser lesen zu können. So konnten der Psychologe Paul Ekman und sein Team 50 verschiedene Arten menschlichen Lächelns identifizieren. Wir nehmen Augenkontakt auf, lächeln auf dieselbe Art zurück und wissen intuitiv, was der Gesichtsausdruck des anderen „bedeutet“. Studien zeigen, dass dieser Mechanismus ohne Blickkontakt weitaus schlechter funktioniert: Das unbewusste Nachahmen unterbleibt – und sofort fallt es uns messbar schwerer, zu ahnen, wie es dem anderen gerade geht. „Der Mimikry-Ef- fekt erzeugt automatisch einen Moment der Intersubjektivität“, erklärt Barbara Fredrickson. 2. Der „lch denke wie du“-Effekt Was passiert, wenn wir uns am Bahnhof oder am Flughafen mit einem Fremden unterhalten, der zufällig auf denselben Zug oder Flieger wartet? Der Neurowissenschaftler Uri Hasson von der Princeton University stellte diese Situation in seinem Labor nach. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Die Gehirnaktivitäten zwischen beiden Gesprächspartnern zeigten eine verblüffende Übereinstimmung. Offenbar findet eine Art „Hirnkopplung“ statt, wenn wir uns einem Menschen wirklich zuwenden. Doch Hassons Untersuchungen verraten noch mehr: Sobald wir wirklich an den Lippen des anderen hängen, erraten wir manchmal dessen Worte, bevor sie ausgesprochen werden. Diese Momente werden im Hirnscanner sichtbar: Die neuronale Aktivität des Zuhörers antizipiert die des Erzählers. Hasson hält das für ein Beispiel gelingender, wahrer Kommunikation. Sie wird zu einem einzigen Akt, einem Schauspiel, das von zwei Gehirnen gleichzeitig aufgeführt wird. Und offenbar, so besagen Hassons Studien, funktioniert das am besten, wenn beide Gesprächspartner nicht nur dieselben Gedanken denken, sondern auch dieselben Emotionen empfinden. Hassons Arbeiten zeigen im Übrigen, dass derlei Vorgänge keiner Vertrautheit bedürfen. Wir können sie im Prinzip mit jedem Fremden erleben. Ein Moment intensiver Begegnung genügt. 3. Der Hormon-Effekt Die Verbundenheit zweier Menschen hat eine hormonelle Entsprechung: Unser Körper schüttet ein Neuropeptid namens Oxytocin aus, wenn wir einander besonders nahekommen – während der Geburt, beim Sex, beim Stillen. Neben diesen Oxytocintsunamis gibt es jedoch noch die kleineren Hormonwellen des Alltags. Sie gehen mit Situationen einher, in denen wir fremden Menschen Vertrauen schenken oder allgemeiner gesagt: soziale Situationen auf freundliche Art und Weise lösen. Wie man dabei in den Wald hineinruft, so schallt es heraus: Offenbar ist unser Oxytocinwert auf rätselhafte Weise ansteckend, wie Studien mit Kindern und ihren Eltern zeigen. Die im Speichel gemessenen Hormonwerte entwickelten sich bei ihnen parallel, wenn sie eine gute Verbindung zu- einander hatten. Es spricht also viel dafür, die kurzen Begegnungen im Alltag zu suchen. Wie Barbara Frederickson bestätigt, bringen konkret erlebte Mikromomente im Alltag „den direktesten Nutzen für unsere Gesundheit“. Meist spüren wir es sofort, wenn ein solcher Moment passiert. „Aber es gibt es auch Momente, die ich erst im Nachhinein bemerke. Und ich habe die Vermutung, dass wir diese Erlebnisse in der Rückschau noch mehr geniessen können“, erklärt die Psychologin. “Wenn man hinterher sagt: Das war eine tolle Begegnung!“ Literaturangabe Metzger, J. (2015). Momente der Begegnung. Psychologie Heute, 7, 23-24. Basierend auf Fredrickson, B. (2014). Love and health. Keynote Lecture auf der 7. Europäischen Konferenz für Positive Psychologie in Amsterdam. INHABERIN GLÜCKSSCHMIEDE GMBH Als Arbeits- und Organisationspsychologin sowie als Klinische Psychologin M. Sc. verfüge ich über wissenschaftlich fundiertes Know-how im Bereich der Psychologie. Sowohl als Leiterin Produkte/Entwicklung wie auch als Mitglied der Geschäftsleitung beim Coachingzentrum Olten setze ich mich ständig mit dem Themenschwerpunkt Resilienz auseinander – Forschungen zu diesem Thema interessieren mich sehr: Welche Ressourcen Menschen in schwierigen Situationen aktivieren können, überrascht und berührt mich immer wieder. Daher sehe ich meine Aufgabe darin, Menschen in herausfordernden Lebenssituationen als Coach (dipl. Coach SCA / CAS Coaching) und Psychotherapeutin (Fachpsychologin für Psychotherapie FSP) zu begleiten. KONTAKTANGABEN Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie Dorfstrasse 21 3084 Wabern E-Mail-Adresse: [email protected]
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