Kein Platz für die Heilige Familie! Advents- und Weihnachtskrippe 2015 im Bibelwerk Einführung Allgegenwärtig sind in Deutschland zurzeit die Flüchtlinge. Wir begegnen ihnen in den Medien und auch in den Städten und Dörfern. Immer häufiger wird diskutiert, wie viel Platz in Deutschland für sie ist. Manche Menschen hier im Land und in Nachbarstaaten wollen gar, dass ihnen überhaupt kein Platz eingeräumt wird. Wie viel Platz können und wollen wir Menschen in Not geben? Durch Krieg, Hungersnot und Naturkatastrophen wird Menschen immer wieder ihr Platz, wo sie lebten, entzogen. Auch die Politik der Mächtigen tut das immer wieder, nicht erst in heutiger Zeit, sondern zu allen Zeiten, also auch in biblischer Zeit. Im Advent und in der Weihnachtszeit erinnern wir Christen uns jedes Jahr an die Kindheitsgeschichten der Evangelisten Matthäus und Lukas, die uns Wesentliches von Jesus erzählen in Form von Geschichten über Geburt und Kindheit Jesu, die aber Jesu ganzes Leben meinen. Im Bibelwerk machen wir jedes Jahr in der Form einer Adventsund Weihnachtskrippe auf ein Thema rund um das Weihnachtsfest aufmerksam. Was liegt dieses Jahr näher, als das Thema in den Jesuserzählungen aufzunehmen, das uns zurzeit Tag für Tag beschäftigt: Haben wir Platz für Vertriebene, Flüchtende, Menschen in Not? So heißt das Thema dieses Jahr: Kein Platz für die Heilige Familie! Nach dem Lukasevangelium sagt der erwachsene Jesus einmal: „Wenn jemand meinen Weg mitgehen will, muss er wissen: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, der Menschensohn (= Jesus) hat keinen Ort, wo er sein Haupt zum Schlafen hinlegen kann“ (Lk 9,58). Jesus ist ständig unterwegs und immer wieder auch auf der Flucht. Nach Mt 4,12 zieht sich Jesus, der in der Nähe von Johannes dem Täufer gewesen war, nach Galiläa zurück, als jener verhaftet wird. Nach dem Johannesevangelium weicht Jesus immer wieder Gewalttätigkeiten aus − Gegner wollen ihn ergreifen, werfen Steine… − und verbirgt sich zeitenweise (z.B. Joh 8,59; 10,39; 12,36). In den Kindheitsgeschichten Jesu bei Lukas und Matthäus wird diese Tatsache in Erzählungen gegossen, um zu sagen: Keinen Platz zu haben und vertrieben zu werden, gehört zur Existenz des historischen Jesus. Drei Szenen verdeutlichen das in der Advents- und Weihnachtskrippe: 1. Szene: Auf Geheiß des Kaisers muss die Heilige Familie die Heimat verlassen. 2. Szene: Es gibt keinen Platz in Betlehem für die Heilige Familie. 3. Szene: Die Heilige Familie muss vor Herodes’ Mordabsichten fliehen. © Katholisches Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de [email protected] Szene 1: Die Heimat verlassen müssen Viele Menschen weltweit müssen zurzeit ihre Heimat verlassen, weil Krieg ist, weil sie keine Arbeit und kein Auskommen haben, weil es ihnen von Mächtigen angeordnet wird oder sie von ihnen bedroht werden. Die Geburtserzählung nach dem Lukasevangelium (Lk 2) wird mit dem Verlassen der Heimat in Nazaret durch Josef und der mit Jesus schwangeren Maria eröffnet. Der Anlass ist nach Lukas eine Steuererhebung des Kaisers Augustus in seinem ganzen Reich, die Menschen zwecks Aufzeichnung ihrer Verhältnisse in ihre Herkunftsorte zurückzwingt. Josef stammt aus Betlehem, aus dem Geschlecht Davids. Für den Evangelisten ist wichtig, dass Jesus als Davids Nachkomme (vgl. Lk 3,23-31) von Maria in Betlehem geboren wird, der Stadt, aus der David stammt und aus welcher der Messias erwartet wurde. Lukas schildert, wie Josef mit der hochschwangeren Maria nach Betlehem hinaufzieht, um den Anordnungen der Mächtigen zu folgen. Damit allerdings erfüllen jene unwissentlich Gottes Heilsplan. Josef und die mit Jesus schwangere Maria dienen in der Bibel wie auch heute als Identifikationsfiguren für die vielen, die aus welchen Gründen auch immer ihre Heimat verlassen und sich beschwerlich auf ungesicherte Wege begeben müssen, auf denen sie nicht wissen, wie sie aufgenommen werden bei ihrer Ankunft. Der Bibeltext: Lk 2,1-5 1 2 3 4 5 Es geschah aber in jenen Tagen: Ein Erlass ging aus vom Kaiser Augustus, es solle aufgezeichnet werden der ganze Erdkreis. Diese erste Aufzeichnung geschah, als Quirinius Präfekt von Syrien war. Und alle zogen hin, sich aufzeichnen zu lassen, jeder in seine eigene Stadt. Es stieg aber auch Josef von Galiläa aus der Stadt Nazaret hinauf nach Judäa in Davids Stadt, die Betlehem heißt, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, um sich aufzeichnen zu lassen mit Maria, der ihm Angetrauten, die schwanger war. © Katholisches Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de [email protected] Szene 2: Kein Platz in der Unterkunft Viele Menschen, die aus verschiedenen Gründen die Heimat verlassen mussten, kommen heute an Orten an, an denen sie nicht erwartet oder sogar abgelehnt werden. In der Geburtserzählung des Lukas kommen Josef und Maria in Betlehem an, wohin sie wegen der kaiserlichen Aufzeichnung von Nazaret wandern mussten, und es gibt dort keinen Platz für sie. Kein Schutz, keine Geborgenheit, keine Unterkunft und auch keine Verpflegung. Der Ort, der beileibe kein Platz ist für eine Geburt, für eine Mutter und ihr neugeborenes Kind, ist der Platz für die Tiere. Der Platz des Kindes ist die Futterkrippe, die für Tiere vorgesehen ist und denen noch weggenommen werden muss. Kein Platz für den „Retter“, den „Herrn“, den „Davidsohn“ und Messias (Lk 2,11)! Der Bibeltext: Lk 2,6-7 6 7 Es geschah aber: Als sie dort waren, erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Und sie wickelte ihn und lagerte ihn in eine Krippe, weil sie keinen Platz hatten in der Unterkunft. © Katholisches Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de [email protected] Szene 3: Fliehen müssen vor Gewalt und Mord Zurzeit sind weltweit zig Millionen Menschen auf der Flucht. Dazu gehört, dass man die Heimat und den vertrauten Lebensraum verloren hat, dass man vielfach unerwünscht ist, dass man unzähligen Gefahren auf dem Weg ausgesetzt ist, die nicht selten lebensbedrohlich sind. Ausgeliefert sind die Flüchtenden solchen, die sie ausnützen, der Ungewissheit und Unsicherheit, dem Hunger, der Witterung und der Sorge, wo sie überleben können. Und natürlich sind da Gott sei Dank auch die unzählig vielen, die Hilfe leisten und unter die Arme greifen und so Leben bewahren. Matthäus schildert in seiner Kindheitsgeschichte Jesu, dass die Heilige Familie – Josef, Maria und das kleine Kind Jesus – bald von Betlehem fliehen müssen. Denn Herodes fürchtet Gefahr für seine Herrschaft von dem angekündigten Messias-König, der in Jesus gesehen wird. Eines der Länder, in das Menschen des Volkes Israel in Notzeiten wiederholt geflüchtet sind, ist Ägypten. Durch den Nil gibt es dort in allen Jahreszeiten Nahrung. Und Verfolgung auf dem Weg durch die Wüste muss man wenig fürchten. Aus der Knechtschaft Ägyptens hatte nach biblischer Tradition Gott einst sein Volk (= „Sohn Gottes“) befreit und zu sich gerufen. Da Jesus (= Sohn Gottes) nun durch die Flucht in Ägypten ist, ruft Gott nach Beendigung der Gefahr erneut aus Ägypten seinen Sohn. Die Erzählung von der Flucht nach Ägypten und der Mord an Kindern in Betlehem durch Herodes, der Jesus beseitigen will, steht symbolisch für die Bedrohung von Jesu Leben während seiner späteren Wirksamkeit, während der er sich immer wieder bei Gefährdungen seines Lebens verbergen muss. Der Bibeltext: Mt 2,13b-15 13b Ein Bote des Herrn erschien Josef im Traum und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten und bleibe dort, bis ich es dir sage! Herodes will nämlich das Kind suchen, um es zu vernichten. 14 Da stand er auf, nahm noch in der Nacht das Kind und seine Mutter und entfloh nach Ägypten. 15 Und dort war er bis zum Ende des Herodes, damit erfüllt werde, was vom Herrn durch den Propheten gesagt worden war: Aus Ägypten rief ich meinen Sohn! 16 Als Herodes sah, dass er von den Sterndeutern getäuscht worden war, wurde er sehr zornig und veranlasste, alle Knaben in Betlehem und seiner ganzen Umgegend zu töten, bis zum Alter von zwei Jahren. Anneliese Hecht © Katholisches Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de [email protected]
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