EFIC-Studie: Große Unterschiede beim Zugang zu Opioid

Pressegespräch der Österreichischen Schmerzgesellschaft zum Kongress der
Europäischen Schmerzföderation EFIC, Wien, 2. September 2015
EFIC-Studie: Große Unterschiede beim Zugang zu Opioid-Arzneimitteln in
Europa – Österreich nur im Mittelfeld
Wien, 2. September 2015 – „Eines der wichtigen Anliegen der Europäischen
Schmerzföderation EFIC ist es, europaweit einen gerechten Zugang von Schmerzpatienten zu
den vielfältigen therapeutischen Optionen der modernen Schmerzmedizin sicherzustellen. So
widmen wir uns auch auf dem aktuellen EFIC-Kongress in Wien nicht nur aktuellen
Forschungsergebnissen und innovativen Behandlungsmöglichkeiten, sondern auch der Frage,
ob diese auch tatsächlich bei den Patienten in ganz Europa ankommen“, so o.Univ.-Prof. DDr.
Hans Georg Kress (AKH/MedUni Wien), Past President der Europäischen Schmerzföderation
EFIC und Vorstandsmitglied der ÖSG im Vorfeld des Europäischen Schmerzkongresse in
Wien. „Dass dem bedauerlicherweise nicht so ist, und dass Österreich in diesem
Zusammenhang eine nicht allzu vorzeigbare Position einnimmt, zeigt eine neue EFIC-Studie,
die auf dem Kongress erstmals vorgestellt wird und zeigt, dass die Verfügbarkeit und
Krankenkassen-Erstattung bestimmter Schmerzmedikamente für Patienten weniger von
medizinischen Kriterien abhängen als vom Glück, im richtigen Land zu leben.“
Einige Details aus der Untersuchung: In Westeuropa ist die Zahl der unterschiedlichen
Opioid-Präparate, auf die Schmerzpatienten zurückgreifen können, generell deutlich höher als
in Osteuropa. Deutschland ist diesbezüglich Spitzenreiter: Die Bundesrepublik ist mit 47
zugelassenen oralen Opioid-Schmerzmitteln, für die alle die Kosten von den Krankenkassen
übernommen werden, klarer europäischer Spitzenreiter, vor Italien mit 42 zugelassenen und
erstatteten Opioiden, Dänemark mit 37 Medikamenten auf dem Markt, von denen allerdings
nur 22 erstattet werden, und Schweden mit 35 zugelassenen und bezahlten Medikamenten.
Die Schlusslichter bilden der Kosovo (4 zugelassenen Medikamente, davon keines erstattet),
Russland (4/4), Bosnien-Herzegowina (3/0) und die Ukraine, wo kein einziges orales Opioid
verfügbar ist.
Opioid-Verfügbarkeit: Österreich nur im europäischen Mittelfeld
„Österreich liegt im Mittelfeld, hierzulande stehen 20 orale Opioid-Analgetika zur Verfügung
und werden zum Großteil auch von den Krankenkassen erstattet“, berichtet Prof. Kress. „Eine
der Ausnahmen bezüglich der Kostenübernahme bilden die Rapid Onset Opioids (ROOs),
spezielle Fentanyl-Formulierungen, die besonders rasch und kurz wirken und für die
Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Krebspatienten besonders geeignet sind. Es sind
zwar hierzulande alle verfügbaren Produkte dieser Kategorie zugelassen und im Markt
erhältlich, aber keines davon wird, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, von den
Kassen automatisch erstattet.“ In Österreich müssen Arzt und/oder Patient in jedem Einzelfall
bei der Kasse um Erstattung ansuchen (Stichwort: „chefarztpflichtig“). Prof. Kress: „Die
Gewährung der Erstattung geschieht durch die Chefärzte und wird in den jeweiligen
gesetzlichen Kassen durchaus unterschiedlich gehandhabt – von großzügig bis sehr
restriktiv.“
In einzelnen europäischen Ländern werden die Kosten für Opioide automatisch dann von den
Krankenkassen oder der öffentlichen Hand erstattet, wenn das Medikament zugelassen ist. In
den meisten Ländern sind jedoch, wie in Österreich, die Verfahren der Zulassung durch die
staatliche Behörde und die Kostenübernahme durch die Krankenkassen entkoppelt. In
osteuropäischen Staaten werden für die meisten zugelassenen Produkte auch die Kosten
rückerstattet.
Verfügbare Medikamente werden nicht bezahlt
„Über die Erstattungspraxis schränkt sich im Alltag der Zugang zu solchen wichtigen
Schmerzmittel ein, obwohl sie offiziell zugelassen und in den Apotheken verfügbar sind“, so
Prof. Kress. „Das sehen wir in Österreich nicht nur im Bereich der Opioide, sondern auch am
Beispiel anderer innovativer Schmerzmittel, wie dem Capsaicin 8% Pflaster, zu dem unter
anderem unsere Abteilung an der MedUni Wien auf dem Kongress eine ganze Reihe neuer
Arbeiten präsentiert, und das erwiesenermaßen bei neuropathischen Schmerzen wirksam ist.“
Zwar ist dieses Medikament das einzige der in den letzten Jahren neu auf den österreichischen
Markt gekommenen Schmerzmedikamente, das es überhaupt in die Kassen-Erstattung (das so
genannte Ampelsystem) geschafft hat. Doch das bedeutet – aufgrund zahlreicher trickreicher
Einschränkungen, denen diese Erstattung unterworfen ist – allerdings noch lange nicht, dass
das Chili-Pflaster für alle Patienten verfügbar ist, die davon profitieren könnten, kritisiert
Prof. Kress. „Zunächst einmal muss die Erstanwendung erfolgreich in einem Krankenhaus
erfolgt sein, bevor es weiter verwendet werden kann. So weit, so gut. Wird es aber nun bei
diesem Patienten im Krankenhaus weiter angewendet, muss das Spital selbst die Kosten dafür
übernehmen, denn für Krankenhaus-Arzneimittel übernehmen die Kassen keine Kosten. In
Zeiten des Sparstiftes wird das zurückhaltend erfolgen. Aber auch die Weiterverschreibung
im niedergelassenen Bereich ist nicht einfach. Denn hier werden die WeiterbehandlungsKosten für das Medikament zwar von den Kassen übernommen, allerdings nur, wenn die
Anwendung nicht im Krankenhaus erfolgt. Der niedergelassene Arzt hat dann für die
aufwändige rund eineinhalbstündige Anwendungsprozedur keine Abrechnungsposition,
weshalb letztlich die Anwendung im niedergelassenen Bereich sehr eingeschränkt bleibt.“
Diese Beispiele würden zeigen, dass europaweit noch viel zu tun ist, bis die Qualität der
Schmerzbehandlung nicht mehr eine Frage des Wohnortes ist, so Prof. Kress. „Es wird aber
auch klar, dass in Österreich noch erheblicher Aufholbedarf gegenüber vergleichbaren
Ländern besteht, was die Versorgung von Schmerzpatienten betrifft.“
Quellen: EFIC IX „Pain in Europe“, Abstract-Band: Christrup et al: Political Barriers for
optimal Opioid Therapy in the European Countries; with focus on reimbursement policies
and generic substitution; Schabert et al: Epidermal nerve fibre density reduction as a function
of application-time of topical capsaicin; Kock et al: Lost but not forgotten: Recurrence of
neuropathic pain by peripheral trauma; Knolle et al: Heat-, cold- and mechanical pain
thresholds under topical high dose capsaicin.
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