Windows 10 telefoniert zu viel nach Hause - Kunat

Windows 10 telefoniert zu viel nach Hause
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Windows 10 telefoniert zu viel nach Hause
Datenschützer kritisieren Rundumüberwachung der Computernutzer /
Microsoft holt sich sogar den Inhalt von Dokumenten nach Redmond
Bis Ende März will Microsoft noch einige Millionen Mal das Betriebssystem
Windows 10 verkaufen. Doch die Bedenken der Computeranwender und die Kritik der
Datenschützer an der Datensammelei von Windows 10 wachsen. Darauf sollte
Microsoft reagieren, denn die Zeit läuft dem Internetgiganten davon.
"Sie brauchen Windows 10 ganz dringend, um es wieder nach vorn zu schaffen",
sagt der Londoner IT-Analyst Carmi Levy. Andere sehen die Lage des
Software-Riesen aus Redmond noch drastischer. Für sie ist Windows 10 der letzte
Versuch, um sich dauerhaft am Markt halten zu können. Und da kann Microsoft die
massive Kritik von Datenschützern nicht gebrauchen. "Der Verbraucher wird von
Windows 10 komplett überwacht und ausgeforscht", warnt Christian Gollner von der
Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Diese Datensammelei führe bei den
Computerbesitzern zu Unbehagen. Sie zögern, von Windows 7 oder Windows 8 auf die
Version 10 umzusteigen, weil sie verhindern wollen, dass ihre Nutzungsdaten vom
neuen Betriebssystem an Microsoft geschickt werden.
Bisher hat sich das Management aufs Abwiegeln beschränkt und argumentiert, dass
die Nutzungsdaten nur mit Erlaubnis der Anwender an Microsoft geschickt würden.
Diese Erlaubnis erteilt der Computerbesitzer bei der Installation von Windows
10. "Problematisch ist, dass Windows 10 in der Standardeinstellung alle
Datenübertragungen vornimmt", bewertet Christian Gollner die Situation.
Microsoft hält dagegen, die erhobenen Daten seien notwendig, um größtmögliche
Sicherheit vor Schad-Software und Hackerangriffen bieten zu können. Das
bezweifelt der Informatik-Professor Hartmut Pohl aus Sankt Augustin. Er hat sich
die Mühe gemacht, alle Daten, die Windows an die Microsoft-Server schickt,
zusammenzustellen. Die Sammlung ist beträchtlich. "Das reicht vom Namen und den
Kontaktdaten über demographische Daten zu den Inhalten von Dokumenten, Fotos,
Musik oder Videos", berichtet Pohl. Sogar Abschriften von Textnachrichten und
Audioaufzeichnungen von Sprachnachrichten greift Windows 10 beim Nutzer ab und
funkt sie nach Hause.
Jeder Anwender könne die Datenübertragung jederzeit abschalten, hebt dagegen
Microsoft hervor. Doch das ist aufwendig und überfordert so manchen
Computeranwender. Außerdem hat Microsoft bisher nicht transparent gemacht, was
mit den erhobenen Daten geschieht und an wen sie weitergegeben werden. In der
Schweiz hat deshalb der eidgenössische Datenschutzbeauftragte ermittelt. In
Russland prüft der Generalstaatsanwalt, ob Windows 10 gegen
Datenschutzbestimmungen verstößt.
In Deutschland haben einige Datenschutzbehörden zwischenzeitlich einen
umfangreichen Fragenkatalog erarbeitet. Sie wollen unter anderem wissen, wie
lange die Daten gespeichert werden und ob der Anwender aus der Verarbeitung
Nachteile zu erwarten hat. Microsoft zeigt sich äußerst bedeckt und weist
etwaige Nachteile für den Anwender natürlich zurück.
"Das sind Fragen, die sich in ähnlicher Weise stellen bei Auskunfteien, die
Bonitätswerte ermitteln, Unternehmen, die mit Scoringwerten über Verbraucher
handeln, und Organisationen, die über die Bonität informieren", stellt
Verbraucherschützer Gollner den Zusammenhang her. Tatsächlich haben einige
Wirtschaftsauskunfteien in Amerika bereits großes Interesse bekundet, mit
Microsoft zusammenarbeiten zu wollen. Das alarmiert die Datenschützer nicht nur
hierzulande, sondern beunruhigt sogar die sonst sehr auskunftsfreudigen
amerikanischen Bürger. So wächst auch dort der Widerstand gegen einen Umstieg
auf Windows 10.
Die Microsoft-Produktmanager hat diese Entwicklung kalt erwischt, denn sie haben
sehr viel Wert auf eine komfortable Bedienung und ein hohes Maß an Sicherheit
gelegt. Dass die vielen Daten, die das Betriebssystem erhebt, zum Problem werden
könnten, haben sie nicht einkalkuliert. Doch darauf müssen sie jetzt reagieren.
So wird in Redmond an Plänen getüftelt, Windows-10-Anwendern zusätzliche
Cloud-Services, Rabatte und andere Vorteile bei der Software-Nutzung anzubieten,
wenn die sich im Gegenzug mit der Erhebung und Nutzung ihrer Anwendungsdaten
durch Microsoft einverstanden erklären. Spätestens zur Cebit-Messe in Hannover
sollen diese Angebote Insidern zufolge konkreter werden.
PETER WELCHERING
16.02.2016 11:39