QUARTERLY BY LEONTEQ 1 16 DAS MAGAZIN FÜR ANLAGEN, TRENDS UND TECHNOLOGIEN ZUKUNFT FINTECH – FINANZINSTITUTE SIND GEFORDERT BUSINESS TRAVEL 48 STUNDEN IN HONGKONG MASSGESCHNEIDERT STEINWAYSKLANG UND QUALITÄT GROSSES INTERVIEW JESSICA ALBA UNTERNEHMERIN AUS HOLLYWOOD THEMEN-SCHWERPUNKT RECYCLING 2 EDITORIAL Liebe Leser Die Grundsteine für eine grünere Zukunft zu legen, bleibt auch 2016 ein wichtiges Thema. Neben einem Umdenken, beispielsweise bei der Produktion, spielt das Recycling eine entscheidende Rolle. Unternehmen, die für neue Wege der Wiederverwertung sorgen, bieten viel Potenzial. Das haben prominente Investoren wie Bill Gates schon früh erkannt und in diesem Segment investiert. Mehr dazu lesen Sie ab Seite 18. Was jeder einzelne Konsument mittels entsprechender Abfallentsorgung und bewussterer Konsumentscheidungen zu einer grüneren, kreislauforientierteren Wirtschaft beitragen kann, erfahren Sie ab Seite 28. Abfall lässt sich sprichwörtlich in Gold verwandeln. Einblicke in die «Honest Company», dem Unternehmen von Hollywoodstar Jessica Alba, das mit schadstofffreien, ökologischen, sicheren und erschwinglichen Baby- und Reinigungsprodukten in kurzer Zeit erst den US-Markt aufgerollt hat und nun auf internationalen Expansionskurs geht, erhalten Sie ab Seite 8. «FinTech» ist in aller Munde und dabei, den Wandel in der Finanzbranche entscheidend mitzuprägen. Im Retailbanking stehen neue Bezahlsysteme im Vordergrund, auf der B2B-Seite geht es in erster Linie um Prozess- und Kostenoptimierung. Wie sich der Finanzplatz Zürich dank der Kombination von Swissness und Innovationsfreude auf der FinTech Weltkarte etabliert, lesen Sie ab Seite 30. Ein Sport-Trend, der sich immer grösserer Beliebtheit erfreut, ist das Indoor-Klettern. Vielleicht weckt unser Bericht ab Seite 14 ja Ihre Neugier, gute Sport-Vorsätze im neuen Jahr in die Tat umzusetzen und einmal etwas Neues auszuprobieren? Unser Standort Hongkong, kultureller Schmelztiegel zwischen Ost und West und globale Finanzmetropole, erstrahlt Anfang Februar 2016 im Glanz der Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr. Doch lohnt ein Besuch auch zu anderen Jahreszeiten, wie die Tipps von Ka Long Lee, dem Leiter unseres Hongkonger Büros, ab Seite 40 zeigen. Ich wünsche Ihnen ein gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2016 und anregende Einblicke beim Lesen der neuen Ausgabe. Jan Schoch CEO | Leonteq AG INHALT 3 Inhalt INTERVIEW Die Unternehmerin Jessica Alba im Interview. STANDORT Die besten Tipps für ein Wochenende in Hongkong. AUF EINEN BLICK Recycling. Seite 4 NEWS Leonteq Day 2016. Seite 6 PORTRÄT Filmstar und Unternehmerin: Jessica Alba. Seite 8 8 SPORT Kleine Griffe, grosse Gefühle: Klettern. Seite 14 38 SPEZIAL: RECYCLING EINE ERFOLGSGESCHICHTE Beitrag zum Klimaschutz. Seite 18 18 ANLAGETREND RECYCLING «Schrott»-Aktien als High-Performer. Seite 24 ALCHEMISTEN DES 21. JAHRHUNDERTS Müll wird zum Rohstoff. Seite 28 34 ZUKUNFT FinTech – Disruptive Energie. Seite 30 MASSGESCHNEIDERT Steinway – In Sachen Klang das Mass der Dinge. MASSGESCHNEIDERT Steinway – Hochamt für Pianisten. Seite 34 STANDORT Hongkong – Weltmetropole und Hotspot Asiens. Seite 38 RECYCLING Vom Abfall zum Rohstoff. GIMMICKS Aus Alt mach Neu. Seite 42 Impressum Herausgeberin Leonteq Securities AG Brandschenkestrasse 90, Postfach 1686 8027 Zürich, Schweiz Erscheinung: 3x im Jahr Druckauflage: 3’000 DE / 3’000 EN Konzeption + Realisation Leonteq & Pracimamedia GmbH Chefredaktion Manuel Dürr [email protected] Übersetzung Amelia Sassano Head MarCom Sandra Frank Dudler [email protected] Autoren Alexandra Dinter Thomas Garms Wolfgang Hagl Tobias Hatje Christian Ingerl Ina Krug Sven Millischer Frank Siering Christoph Wöhrle Bildnachweise Titel: Getty Images / Paul Zimmermann; Porträt: Getty Images / Gilbert Carrasquillo; Infografik (Auf einen Blick): Sebastian Adrian Alle übrigen Bilder iStock. Bestellung Abonnement Leonteq Securities AG [email protected] Tel. +41 58 800 1091 Druck Staffel Medien AG, Zürich www.staffelmedien.ch Eine Wiedergabe – auch auszugsweise – von Artikeln und Bildern ist nur mit Genehmigung von Leonteq Securities AG gestattet. Jegliche Haftung für unverlangte Zusendungen wird abgelehnt. Hinweis In der Ausgabe 3/15 entfiel versehentlich der Quellenvermerk für das Interview mit Nick Hayek (CEO der Swatch Group). Es war ursprünglich von der Handelszeitung geführt worden und ist am 07. Mai 2015 in derselben Zeitung erstmals erschienen. Rechtlicher Hinweis Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und ist kein Research; sie ist weder als Empfehlung zum Kauf bzw. Verkauf von Finanzprodukten noch als Angebot oder Einladung zur Offertenstellung zu verstehen. Die darin enthaltenen Angaben werden ohne jegliche Garantie oder Zusicherung bezüglich Korrektheit, Vollständigkeit oder Verlässlichkeit gemacht. Investoren wird ausdrücklich empfohlen, sich vor einer Investition in Finanzprodukte durch einen Fachmann umfassend und persönlich beraten zu lassen. Diese Publikation kann eine solche Beratung in keinem Fall ersetzen. © Leonteq Securities AG 2016. Alle Rechte vorbehalten. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit wurde diese Publikation auf FSC-zertifiziertem Papier klimaneutral gedruckt und trägt so zu einer weltweiten nachhaltigen Waldbewirtschaftung bei. Es wurde ausschliesslich Ökostrom zur Herstellung dieser Publikation eingesetzt und die Auslieferung erfolgte mit einem Hybridauto. 4 AUF EINEN BLICK Herausforderung Recycling Gerade vor dem Hintergrund immer kürzer werdender Produktionszyklen ist die sinnvolle Neuverwertung kostbarer Rohstoffe eine zentrale Herausforderung. Dies sowohl zugunsten des Umweltschutzes und der Schonung von Ressourcen, aber schlichtweg auch aus wirtschaftlichen Gründen. Die Recyclingindustrie ist ein Milliardengeschäft. So wird nach Schätzungen des deutschen Umweltministeriums der Weltmarkt allein für Anlagen der Abfall- und Recyclingwirtschaft bis 2020 um mehr als die Hälfte auf 53 Milliarden Euro wachsen. Besonders in Schwellenländern besteht für Entsorger das grösste Potenzial. Für die sogenannte Kreislaufwirtschaft prognostiziert eine mit Daten von Roland Berger erstellte Studie bis 2020 starkes Wachstum der Absatzmärkte für Entsorgungstechnik vor allem in Russland, Indien und China. Beispielsweise entwickelt das Toyota Global Car-to-Car Recycling Project weltweit Recycling-Technologien und -Systeme, um Altfahrzeuge als Ressource für die Herstellung neuer Autos zu verwenden. Aber auch für den Elektroschrott braucht es Lösungen. 46 Pd Palladium 78 Pt Platin Die Anoden werden per Elektrolyse weiter gereinigt. Im Schwefelsäurebad scheidet sich reines Kupfer ab. Am Boden setzt sich dabei der sogenannte Anodenschlamm ab. Er enthält wertvolle Edelmetalle wie Gold, Silber, Platin, Palladium und Rhodium. + 47 Ag Silber 79 Au Gold - 170 Die Grafik zeigt das prognostizierte Wachstum der Kreislaufwirtschaft bis zum Jahr 2025. 167% 10 Energetische Verwertung 200% 42 Stoffliche Verwertung 21 Abfalldeponierung 381% 5 11 15 140% 137% prognostiziertes Wachstum total 97 71 2013 Jahr Quelle: Roland Berger, Angaben in Mrd. Euro QUARTERLY 1 | 16 Das Flussdiagramm zeigt die einzelnen Arbeitsschritte des Recycling-Prozesses am Beispiel eines Smartphones. Der Anodenschlamm wird getrocknet, die Edelmetalle werden in einem mehrstufigen Verfahren nacheinander abgetrennt. WACHSTUMSMARKT KREISLAUFWIRTSCHAFT 102 DER RECYCLINGPROZESS Nach einer Studie der Umweltschutzorganisation CWIT werden in der EU zwei Drittel des Elektroschrotts falsch recycelt, weggeworfen oder ins Ausland gebracht – und der illegale Handel blüht. Die unsachgemässe Entsorgung von Computern, Smartphones oder Haushaltsgeräten belastet die Umwelt mit austretenden Chemikalien wie etwa Quecksilber oder Blei. Das Gewicht des illegal verschobenen Schrotts entspricht der Studie zufolge einer Backsteinmauer von Oslo bis Süditalien. 2025 Abfallsammlung, -transport und -trennung Der Rest wird eingeschmolzen und in mehreren Stufen raffiniert. Dabei entstehen Begleitprodukte wie Eisensilikatsand oder Zinn-Blei-Legierungen. Das Endprodukt ist fast reines Rohkupfer. In diesen sogenannten Anoden sind noch Spuren von Edelmetallen enthalten. 5 WEGWERFPRODUKT SMARTPHONE Kunststoffteile (z.B. das Gehäuse) werden zunächst meist von Hand entfernt. Das gilt auch für schadstoffhaltige Bauteile wie Akku und Display, die abgetrennt und entsorgt werden. Per Schredder werden die Handys zu einem groben Granulat zerkleinert, um danach die einzelnen Bestandteile besser auseinander sortieren zu können. Neue Smartphones werden oft nicht gekauft, weil das alte defekt ist, sondern weil man das aktuellste, technisch fortschrittlichste Modell möchte. Wegen der verbauten Edelmetalle gelten Smartphones als Filetstücke des Elektroschrotts. Jedoch sind aufwendige Verfahren zur Rückgewinnung erforderlich. Nur wenige Firmen in Europa sind in der Lage, auch diese Edelmetalle aus entsorgten Smartphones herauszuholen. Dazu gehört u.a. das süditalienische Start-up Material Recovery System. Eine zu diesem Zweck entwickelte Maschine ist in der Lage, die bei der Fertigung von Microchips anfallenden Edelmetallabfälle herauszusortieren und für eine Wiederverwendung bereitzustellen. Die Recyclingquote liegt bei 60 Prozent. Rückgewonnen werden vor allem Gold, Silber, Platin und Metalle Seltener Erden. Diese können in neue Fertigungsprozesse wie beispielsweise die Herstellung von Schmuck überführt werden. 30 Aufheben 23 Verschenken 17 keine Angabe 13 Händlerrücknahme 8 Spende 7 Sammelstelle 1 Hausmüll Quelle: Zeit.de VERWERTUNG VON WERTSTOFFEN AUS DEM HAUSMÜLL 1991 Zur Optimierung der stofflichen Verwertungsquote ist es notwendig, die Metalle möglichst vollständig abzutrennen. Für eisenhaltige Metalle geschieht dies per Magnetabscheider. Schwerkraft, Elektrostatik und Druckluftströme helfen, um aus den zerkleinerten Bauteilen Aluminium und Kunststoffe zu separieren. 2014 28% Papier 82% 33% Weissblech 96% 53% Glas 89% 5% Aluminium 90% 3% Kunststoffe 58% Quelle: gvm, Angaben für Deutschland 6 NEWS LOKAL Leonteq Day 2016 / Swiss FinTech Initiative und Awards Der beste Nährboden für Innovationen ist eine enge Kooperation von Wissenschaft und Praxis. Dies lebt und fördert Leonteq als führendes B2B FinTech Unternehmen seit der Gründung und engagiert sich insbesondere am Finanzplatz und Forschungsstandort Zürich auf vielfältige Art und Weise. Leonteq Day 2016 Unter dem Motto «(R)Evolution Day 2016 – Hear it from the experts» werden wir auch dieses Jahr wieder interessante Einblicke und Inspirationen weltweit führender Wirtschafts- und TechnologieExperten erhalten. Finanzexperte und früherer Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet wird seinen Wirtschaftsausblick für 2016 präsentieren. Dass das Timing in der Entscheidungsfindung eine viel bedeutendere Massgrösse ist als weitläufig gedacht, wird Olav Maassen, Projektmanager und Buchautor, erörtern. David Rowan, Chefredaktor der Zeitschrift Wired, dem QUARTERLY 1 | 16 preisgekrönten Technologie- und Innovationsmagazin, wird seine Erfahrungen und Einsichten zum Thema «Wie Technologie die Finanzwelt verändert» darlegen. Der Politik- und Kommunikationsberater Julius van de Laar, der Barack Obama in den Wahlkämpfen 2008 und 2012 zur Seite stand, wird zum Thema «Message, Money, Mobilization: Auf der Zielgeraden ins Weisse Haus» referieren. Eine Präsentation von Technologie Innovationen aus dem Hause Leonteq wird das Programm weiter abrunden. Wir freuen uns auf Ihr Kommen und anregende Diskussionen mit Ihnen. Leonteq@Swiss FinTech Awards Die Swiss FinTech Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Zürich fest auf der internationalen FinTech Weltkarte zu verankern und dabei neue Talente und Ideen zu fördern. Schon bei der Erforschung neuer Ideen und Konzepte, also am Beginn der sogenannten Innovationswertschöpfungskette, soll angesetzt werden, um sich so von anderen FinTech Innovation Hubs wie London, New York und Singapur abzuheben. Leonteq als eines der führenden Schweizer FinTech Unternehmen unterstützt diese Bestrebungen massgeblich. Jan Schoch wird im Rahmen der ersten Swiss FinTech Awards als Juror Sparringspartner für Finalisten sein und die präsentierten Konzepte und Projekte bewerten. Mit ihm in der Jury werden Urs Häusler von Swiss Finance Startups und DealMarket, George H. Schmidt von Accenture und Sandra Tobler von Switzerland Global Enterprise sein. Der Startschuss für die Swiss FinTech Awards fiel am 1. Oktober 2015. Mitte Januar werden internationale FinTech Experten von Accenture den Top-10Teams in einem FinTech Boot Camp in Zürich beratend zur Seite stehen. Die Preisverleihung wird dann im Rahmen der «FinTech 2016 – Advance Finance Together» Konferenz – am 31. März 2016 stattfinden. 7 GLOBAL Neue Leonteq Büros / Neue avisierte Plattform Partner NEUE LEONTEQ BÜROS Leonteq wächst weiter und hat in den letzten Monaten an verschiedenen internationalen Standorten neue Büros bezogen. Auch in Zürich stehen die Zeichen auf Veränderung. Unsere Kollegen in Paris residieren nun in Räumlichkeiten in der Rue La Pérouse unweit des Triumphbogens und mit kurzen Wegen zu La Defense, wo viele unserer französischen Kunden ihre Büros haben. In Hongkong bietet unser neues Büro im International Financial Centre auf Hong Kong Island nun genügend Platz für weitere Kollegen in Asien und ist der ideale Standort, um von hier unsere Expansion in Nordasien voranzutreiben. In London sind wir seit Dezember 2015 in der 26. Etage im Shard an der London Bridge zu finden. Der Glassplitter, eines der höchsten Hochhäuser Europas, überzeugte uns durch seine hervorragende Infrastruktur mit Nähe zur City und zur Canary Wharf und guten Verbindungen nach Mayfair. Auch in Zürich wird es im neuen Jahr räumliche Veränderungen geben. Unsere Bürogebäude auf dem Hürlimann Areal haben ihre Kapazitäten erreicht. Ein neuer Hauptsitz in der Europaallee wird allen über 300 Mitarbeitenden genügend Platz unter einem Dach bieten. Im zweiten Quartal 2016 wird die Schlüsselübergabe erfolgen, danach wird den Räumlichkeiten ein Leonteq «Look and Feel» verliehen. NEUE AVISIERTE PARTNERSCHAFTEN Wir haben mit der Mobiliar, der ältesten privaten Versicherungsgesellschaft der Schweiz, eine Grundsatzvereinbarung hinsichtlich einer geplanten Zusammenarbeit zur Entwicklung anteilgebundener Vorsorgeprodukte unterzeichnet. Im Rahmen der anvisierten Zusammenarbeit auf der Leonteq-Plattform will die Mobiliar ihren privaten Vorsorgekunden in der Schweiz unter anderem anteilgebundene (unitlinked) Lebensversicherungen anbieten, die klassische Garantieleistungen und innovative Anlageelemente kombinieren. Leonteq beabsichtigt wiederum, die Mobiliar bei der Entwicklung und Umsetzung einer entsprechenden Produktepalette zu unterstützen. Die Einführung des ersten Produktes ist für das zweite Halbjahr 2016 geplant. Auch mit der Malayan Banking Berhad (Maybank), dem grössten Finanzdienstleister Malaysias, planen wir eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung und dem Vertrieb Strukturierter Anlageprodukte. Leonteq beabsichtigt, Maybank bei der Entwicklung Strukturierter Anlageprodukte und deren Lifecycle-Management entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu unterstützen. Leonteqs hochautomatisierte Plattform und unser breit aufgestelltes Vertriebsnetz in Europa und Asien werden Maybank eine Erweiterung ihrer internationalen Kundenbasis ermöglichen. Erste Produkte sollen im Lauf des Jahres 2016 auf der Leonteq-Plattform verfügbar sein. Die geplante Zusammenarbeit spiegelt Maybanks Zielsetzung wider, den Bereich Strukturierte Anlageprodukte auszubauen. 8 DAS PORTRÄT «DU SOLLTEST NIEMALS DER SCHLAUSTE KOPF IM RAUM SEIN» JESSICA ALBA. Sie avancierte vom Armee-Kind zum Filmstar und ist zudem auch noch als Unternehmerin erfolgreich. Ihr Rezept: Fleiss und Bodenhaftung. P Mit «The Honest Company» hat sie es nach nur fünf Jahren sogar auf die «Billion Dollar»-Liste von Forbes geschafft QUARTERLY 1 | 16 reisgekrönte Hollywood-Schauspielerin, «World’s Sexiest Woman», zweifache Mutter und die wohl cleverste Geschäftsfrau, die Tinseltown in den letzten Jahren hervorgebracht hat: Jessica Alba (34) scheint einfach nichts falsch machen zu können. Mit ihrem Unternehmen «The Honest Company» hat sie es nach nur fünf Jahren jetzt sogar auf die «Billion Dollar»-Liste von Forbes geschafft und ist somit in kürzester Zeit zu einer der reichsten Self-MadeFrauen der Welt avanciert. Zeit, einmal nachzuforschen und zu fragen, wie «die unsichtbare Frau» aus den «Fantastischen Vier» es geschafft hat, innerhalb weniger Jahre in den Olymp der Top-Business-Leader in Amerika aufzusteigen und nach Schätzungen von Forbes mittlerweile mehr als 200 Millionen US-Dollar auf dem Girokonto zu parken. Wenn Jessica Alba am frühen Morgen gegen neun Uhr in ihrem lichtdurchfluteten Büro im kalifornischen Santa Monica eintrifft, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass der Hollywood-Star schon mindestens drei bis vier Stunden von zuhause aus gearbeitet hat. «Es kommt schon häufiger vor, dass ich 80 bis 85 Stunden in der Woche im Büro sitze», sagt Alba mit ihrem Strahlen im Gesicht, wenn sie über ihren Arbeitseifer spricht. Bodenständigkeit als Schlüssel zum Erfolg Ständig, so sagt sie selbst, brüte sie über neuen Ideen, mache sich Gedanken, «wie man ‘The Honest Company’ noch weiter verbessern, wie man das Leben unserer Kunden vereinfachen kann». Dabei ist Jessica Alba eigentlich gar keine Geschäftsfrau im klassischen Sinne. Als Armee-Kind stammte sie aus normalen, sehr bodenständigen Verhältnissen. Sie musste ständig herumreisen, nahm schon in jungen Jahren Teilzeitjobs an, «um die Familie zu unterstützen». Doch Alba hatte neben ihrem guten Aussehen, das ihr bald einen Job in der Entertainment-Industrie beschaffen sollte, immer «ein gutes Gefühl dafür, was die Menschen wollen», sagt die zweifache Mutter, die mit dem Filmproduzenten Cash Warren verheiratet ist, heute über sich selbst. «Unsere Familie hatte niemals viel Geld, ich konnte 9 Es kommt schon häufiger vor, dass ich 80 bis 85 Stunden in der Woche im Büro sitze 10 DAS PORTRÄT mich immer schon gut mit den Bedürfnissen anderer um mich herum identifizieren», sagt die Schönheit, deren Vater mexikanischer und deren Mutter kanadisch-dänischer Abstammung ist. Mit dieser Aussage deutet sie auch schon ein bisschen an, was das Geheimnis ihres Erfolgs ausmacht. Sie ist trotz ihrer Erfolge vor der Kamera «normal geblieben und nicht abgehoben », was man von so vielen Kollegen Albas wohl nicht unbedingt sagen kann. Es fing mit einem Strampelanzug an Als Alba vor sieben Jahren – zu diesem Zeitpunkt war sie dank ihrer TV-Serie «Dark Angel» längst ein bekannter Name in Hollywood und von diver- Warum finden wir in Waschmitteln für Babyprodukte Chemikalien und Gifte? sen Klatschmagazinen nicht zu Unrecht mehrfach zur schönsten Frau der Welt gekürt worden – als Hochschwangere ein Waschmittel für Babykleidung ausprobierte und mit einem hässlichen Hautausschlag darauf reagierte, wurde sie neugierig. «Was geschieht hier? Warum finden wir sogar in Waschmitteln für Babyprodukte Chemikalien und Schadstoffe, auf die wir allergisch reagieren? Das hatte mich aufgeregt. Ich wollte mein Kind nicht in eine Welt hineingebären, in der es von Anfang an Chemikalien ausgesetzt sein muss», so Alba, die selbst als Teenager unter Allergien und Asthma litt, weiter. Die Schauspielerin stellte sich eine einfache Frage, die ihre berufliche Zukunft für immer verändern sollte: «Wenn ich solch eine Reaktion auf die Waschmittel habe, die ich für Babykleidung benutze, wie kann das dann gut für empfindliche Babyhaut sein?» – Alba machte sich auf und versuchte «umwelt- und babyfreundliche Waschmittel zu finden, aber ich fand meist nur Produkte, die so teuer waren, dass sie sich kaum jemand leisten konnte und eine Klientel anzogen, die keineswegs einer modernen und weltoffenen Familie zuzuordnen waren», so Alba weiter. QUARTERLY 1 | 16 Ich wollte mein Kind nicht in eine Welt hineingebären, in der es von Anfang an Chemikalien ausgesetzt sein muss 11 12 DAS PORTRÄT Eine Begegnung mit Christopher Gavigan, zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer der Non Profit Organisation «Healthy Child Healthy World», und kurze Zeit später mit Brian Lee, bekannter Gründer von LegalZoom.com, entwickelte sich schnell zu einem 50 Seiten starken Business-Plan für ein neues Unternehmen. Ein Unternehmen, das einen «Lebensstil ohne Gifte für die ganze Familie» fördern sollte. «Das war meine Vision», sagt Alba. FAKTEN AUS DEM LEBEN VON JESSICA ALBA 2011 Gründungsjahr von The Honest Company. 75 Ehrlich, geradeheraus, sympathisch. Doch der Launch von «The Honest Company» – den Namen «honest» wollte Alba unbedingt im Titel ihrer neuen Firma führen – musste noch bis 2012 warten. «Ich habe schnell gelernt, dass ein Unternehmen Zeit braucht, bis es reif genug ist, am Markt bestehen zu können. Alle Puzzleteile müssen erst einmal richtig positioniert sein», sagt Alba, die zugibt, dass es ihr in der Gründerphase des Unternehmens schwer fiel, «mich auf Hollywood und meine Filmkarriere zu konzentrieren. Ich war total begeistert von der Idee meiner neuen Firma und wollte jede freie Minute mit der Entwicklung unserer Produkte verbringen», erinnert sie sich. Eine Milliarde Gründe, die für die Honest Company sprechen. Nach ihren Auftritten in «Little Fockers» und «Machete» war Alba endlich soweit, die Schauspielerei hintenanzustellen, die neuen Büroräume der Honest Company in Santa Monica zu beziehen und mit einigen umweltfreundlichen Haushalts- und Babyprodukten den Markt aufzurollen. Heute ist die Firma, von der Alba als eine von drei weiteren Mitinhabern geschätzte 15 Prozent besitzen soll – finanzielle Einzelheiten plaudert die sonst sehr gesprächige Amerikanerin nicht so gerne aus –rund QUARTERLY 1 | 16 Prozent aller Produkte der Honest Company werden online verkauft. 2’500 Läden führen mittlerweile die Produkte der Honest Company. 122 Millionen US-Dollar wurden von den Investoren General Catalyst Partners, Institutional Venture Partners, Lightspeed Venture Partners und Wellington Management in die Firma von Alba gesteckt. 1.7 Milliarden US-Dollar soll nach Schätzungen des Wall Street Journals Albas Unternehmen mittlerweile wert sein. 817 Millionen US-Dollar hat Jessica Alba als Hauptdarstellerin in neun Filmen in die weltweiten Kinokassen eingespielt. 1.7 Milliarde US-Dollar wert und steht wohl schon in diesem Jahr als neuer IPO an der New Yorker Börse in der Warteschleife. Mehr als 200 Mitarbeiter füllen mittlerweile die loftartigen Büros in Santa Monica, und neben dem weiterhin anwachsenden Online-Geschäft führen längst auch grosse US-Kaufhausketten wie Nordstrom, Target und selbst die Öko-Supermarktkette Whole Foods viele Honest-Produkte. Wenn es um den Profit des Unternehmens geht, dann verweist Alba schnell an ihren Geschäftspartner Lee. Wohl auch, weil es dem Mitinhaber leichter fällt, die Zahlen zu verschweigen. Doch aus Branchenkreisen ist zu hören, dass das Verkaufsvolumen in 2015 auf rund 250 Millionen US-Dollar angewachsen sei. 2014 belief es sich noch auf geschätzte 150 Millionen US-Dollar. «Unsere Firma ist unter anderem auch deshalb so erfolgreich, weil ich schnell gelernt habe, ein Zimmer mit Menschen zu füllen, die sehr viel smarter sind als ich es bin», so Alba. Und weiter: «Mittlerweile ist das sogar eine meiner Grundregeln: Du solltest niemals der schlauste Kopf im Raum sein. Da sind immer andere, von denen man noch etwas lernen kann.» Ablehnung in Hollywood als beste Vorbereitung zur Unternehmerin Es hilft, dass sich Alba in einem Marktsegment bewegt, das nach einem Bericht des National Marketing Institutes ein Kapitalvolumen von rund zehn Milliarden US-Dollar umfasst. Und es hilft sicherlich auch, dass Alba als eigenes PR-Zugpferd für die Honest Company der wohl beste Werbeträger ist, den man sich für dieses Unternehmen wünschen kann. «Als Schauspielerin wirst du tausendmal abgelehnt, musst lernen, mit Niederlagen und Abweisungen umzugehen. Ich habe festgestellt, dass das eine der besten Vorbereitungen auf mein Leben als Unternehmerin war. Sie haben mich stark gemacht», sagt Alba. 13 «Wir sind jetzt auch in Asien, und wollen noch weitere Märkte antesten» Selbstverständlich ist die 34-jährige Amerikanerin smart genug, ihr positives Image in Hollywood als Marketing-Werkzeug für die Honest Company einzusetzen. Sei es bei Foto-Shootings für die Firma, bei LifestyleGeschichten in ausgewählten Gazetten oder in Auftritten in beliebten Talk Shows wie zum Beispiel bei Ellen DeGeneres. «Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich stolz bin auf meine Firma und unsere Produkte, die wir vermarkten, warum also sollte ich nicht in der Öffentlichkeit darüber reden, solange mein Bekanntheitsgrad mich noch in diverse Talkshows und Publikationen bringt», so Alba. Ehrlich, geradeheraus, sympathisch Attribute, die selten zu finden sind in einer Geschäftswelt, die von Strategiespielchen, Taktiererei und oftmals auch unnützen Übertreibungen und sogar Lügen vorangetrieben wird. «Das war niemals meine Welt. Ich bin in erster Linie Mutter, die heute umweltfreundliche Produkte anbietet, damit andere Mütter und auch Väter eine bessere Wahl treffen können, wenn es um Haushaltsprodukte oder Produkte für ihre Kinder geht. Diese Aufgabe allein erfüllt mich mit Freude», so Alba. Auf die Frage, ob Frauen Geschäfte anders führen als Männer, muss Alba kurz nachdenken, bevor sie antwortet. «Ich glaube, dass Frauen intuitiver führen als Männer. Wir wissen instinktiver, welche Richtung wir einschlagen müssen. Ich habe das Gefühl, dass mir das schon oft geholfen hat bei meiner Entscheidungsfindung», sagt Alba. Und gibt im gleichen Atemzug zu, dass «ich am Anfang auch viele Fehler gemacht habe». So war Alba nach dem Launch ihrer Online-Site so aufgeregt, dass «wir fleissig Pakete an Kunden verschickten, die bestellt waren und dabei total vergessen haben, die Kreditkarten der Besteller zu belasten», erzählt sie freizügig. «Doch Fehler müssen gemacht werden, damit man aus ihnen lernt und sie berichtigen kann», sagt die Unternehmerin weiter. Heute passiert das mit den Kreditkarten nicht mehr, «da achte ich jetzt besser drauf», witzelt Jessica Alba. Die Honest Company ist weiterhin auf Expansionskurs. «Wir sind jetzt auch in Asien, und wollen noch weitere Märkte antesten», so Alba, die gar nicht erst versucht, ihre Aufgeregtheit zu verbergen. Am schönsten sind aber trotz all der finanziellen Erfolge, die ihre Firma dieser Tage feiert, «die vielen tollen Rückmeldungen von zufriedenen Kunden. Das macht mich nicht nur glücklich, sondern motiviert mich noch mehr, weiterhin hart zu arbeiten», sagt Alba, bevor sie sich entschuldigt. Die Kinder müssen von der Schule abgeholt werden. Und das ist eine Aufgabe für «die CEO Mama», sagt Alba. Eine Aufgabe, die sie jeden Tag erneut «voller Freude und Begeisterung erfüllt». 14 SPORT KLETTERN KLEINE GRIFFE, GROSSE GEFÜHLE Viele Wege führen nach oben. In der Kletterhalle Milandia in Greifensee gibt es über 170 verschiedene Varianten, um unter das Dach der 12 Meter hohen Halle zu klettern – für Einsteiger genauso wie für Profis. Klettern boomt – am Felsen in freier Natur und in den rund 60 Schweizer Kletter- und Boulderhallen. QUARTERLY 1 | 16 15 A ls Sören Petersen (43) seine erste 6+Route (mittelschwer) im Vorstieg bewältigt hat, sind die Arme dick und seine Konzentration ist am Anschlag. «Zu», höre ich nur, als er oben ankommt – und fixiere das Seil, sodass er sich reinhängen und die Arme entspannen kann. Neben uns klettern zwei Frauen ganz entspannt eine 8-Route, mit langem Überhang unter der Hallendecke. Ihre Bewegungen sehen geschmeidig und katzengleich aus, während es bei uns noch etwas hölzern rüberkommt. Aber das interessiert niemanden hier. Auch wenn manche Kletterer scheinbar eine leicht exhibitionistische Veranlagung haben und ihren wohlgestählten Oberkörper inklusive Sixpack unverhüllt präsentieren – die meisten Aufsteiger geben sich entspannt und unprätentiös. Zu zweit, in Vierergruppen oder mit mehr Leuten wird kollektiv dem Krafttraining in der Vertikalen gehuldigt. Das Alter liegt zwischen 20 und 50 Jahren, man sieht fast genauso viele Frauen wie Männer, die sich an den bunten Klettergriffen entlanghangeln. Indoorklettern boomt In der Schweiz sind laut Schweizer Alpen Club rund 160‘000 Kletterer in der Vertikalen unterwegs, in Deutschland, so die Schätzungen des Deutschen Alpenvereins (DAV), sind es zwischen 400´000 und 500´000 Menschen, in Europa circa zwei Millionen. Und die Zahlen kraxeln weiter nach oben. Und Klettern könnte bald olympische Disziplin werden – für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio hat ein Kombinations-Wettkampf aus Bouldern, Speedklettern und Leadklettern (Schwierigkeitsklettern) die besten Chancen, ins Programm aufgenommen zu werden. ALLES IM GRIFF Der Weg nach oben stählt nicht nur die allgemeine Fitness und die Kondition, sondern verbessert auch das Gleichgewicht und vor allem die Koordination im Raum. 16 SPORT Viele erkennen im Weg nach oben ein perfektes Fitness- und Krafttraining Alternative zum Fitnessstudio Den Boom spüren auch die Hersteller von Kletterausrüstungen und -zubehör. Uwe Hofstädter (53), Inhaber der Kletterschuhmarke Red Chili: «Die vielen neuen Hallen in den Städten bringen den Berg zu den Leuten. Und zwar jederzeit und wetterunabhängig. Ich kann mich an einem bestimmten Tag abends nach der Arbeit zum Klettern verabreden wie zum Tennis.» Viele erkennen im Weg nach oben auch ein perfektes Fitness- und Krafttraining – besser und abwechslungsreicher als jedes Hanteltraining. «Für einige ist das Indoorklettern die Alternative zum Fitnessstudio geworden», sagt der Schweizer Profi-Alpinist Stephan Siegrist (42): «Viele klettern nie an natürlichen Felsen, sondern ausschliesslich an den bunten, künstlichen Griffen in den Hallen. Das Indoorklettern hat sich zu einer eigenen Sportart entwickelt, viele Aktive haben noch nie am natürlichen Felsen Hand angelegt.» Der Tipp von Bergführer Stephan Siegrist: Wer mit Gurt, Seil und Sicherung erste Erfahrungen sammeln möchte, sollte einen Kurs belegen. Schon wenige Einheiten von jeweils drei Stunden reichen, um grundlegende Sicherungstechniken beim Toprope-Klettern zu lernen. Klettern boomt nicht nur in den Bergen, sondern auch im Flachland. Wie bei unseren Nachbarn im Norden. Deutschland hat sich mit fast 500 reinen Kletterhallen zum grössten Klettermarkt in Europa entwickelt. In München-Thalkirchen So verstehen Sie in der Halle nicht nur Bahnhof Die wichtigsten Begriffe: TOPROPE Die Seilsicherung der Route verläuft von oben: Der Sichernde steht am Boden, das Seil wird am oberen Ende der Tour umgelenkt. ONSIGHT Freie Begehung einer Route ohne Vorkenntnisse und ohne sich ins Seil zu setzen. VORSTIEG Der Kletterer geht als Erster die Route, hängt das Seil abschnittsweise alle paar Meter in eine neue Sicherung. SITZSTART Tiefer Start aus dem Sitzen, wird oft beim Bouldern angewandt. BOULDERN Klettern in Absprunghöhe, eine Seilsicherung ist nicht notwendig. Eigene Disziplin mit – je nach Route – höchsten Anforderungen an Kraft, Körperspannung, Koordination. DYNAMO Dynamische, schnellkräftige Bewegung oder Sprung, um den nächsten sicheren Griff zu erreichen. Macht man nur, wenn der Griff weit weg ist. QUARTERLY 1 | 16 HMS-KARABINER Halbmastwurf-Karabiner: Schraub- oder Verschlusskarabiner, der u. a. fürs Sichern verwendet wird. EXPRESSSCHLINGEN Zwei Karabiner fix verbunden mit einem Gurtband. Werden zum Einhängen des Seils beim Sichern genutzt. 17 Klettermarkt in Europa entwickelt. In München-Thalkirchen steht mit 7800 Quadratmetern die grösste Anlage der Welt, sie bietet 610 verschiedene Routen. Selbst im norddeutschen Flachland geht es verstärkt hoch hinaus Im bergfernen aber küstennahen Hamburg ist mit der «Nordwand» ein Kletter- und Boulder-Mekka auf 6000 Quadratmetern entstanden. Sören Petersen geht zwar auch gerne in den Alpen an natürlichen Granitgriffen in die Höhe, aber geniesst auch die Vorzüge der künstlichen Wände. «Die Atmosphäre ist entspannt, man kann sich mit ein paar Freunden verabreden, und egal wie unterschiedlich das Niveau ist, man findet immer die passende Route.» Auch wenn es bei Könnern wie Sören spielerisch aussieht – ein Sturz ins Seil will geübt sein und Fehler beim Sichern können schmerzhaft und im schlimmsten Fall tödlich sein. So ist der Partnercheck, also das gegenseitige Kontrollieren von Knoten und Sicherungen, ein wesentlicher Punkt, bevor es steil nach oben geht. Bouldern als eigene Disziplin Ohne Sicherung, sondern mit weichen Bodenmatten kommt man beim Bouldern aus. Das Klettern im Souterrain in Absprunghöhe war früher nur als «Trockentraining» gedacht, inzwischen ist es eine der beliebtesten Disziplinen unter den Sportkletterern geworden, die noch schneller neue Anhänger findet als das Klettern mit Seil und Sicherung. Denn schwierigste Passagen lassen sich immer wieder üben, Techniken und Griffe ausprobieren und die Kraftanstrengung ist enorm. Beim Bouldern reichen normale Kletterschuhe aus und schon kann es losgehen. Gurt und Seil benötigt man nicht, auch keinen Partner. Aber natürlich macht es mehr Spass, seinen Aufstieg mit anderen zu teilen. Auch im Souterrain. AUSRÜSTUNG FÜR DIE VERTIKALE Gurt Solider einfacher Klettergurt, sollte gut sitzen und nicht einschnüren, z.B. Togir Light von Mammut, CHF 90. www.mammut.ch DOs & DON’Ts BEIM KLETTERN Do: Partnercheck ist Pflicht! Das gegenseitige Kontrollieren, ob das Sicherungsgerät richtig geführt wird, der Karabiner geschlossen oder der Achterknoten korrekt ist, ist die beste Versicherung gegen Fehler. Don’t: Beim Einbinden mit dem Achterknoten und Fixieren der Sicherung sollte man Smalltalk auf später verschieben – ein Fehler ist schnell passiert. Do: Aufwärmen und Cooldown mit leichten Routen und Stretching der stark belasteten Muskeln erhöhen den Erfolg. Bitte zwischen den Routen Pausen einlegen. Don’t: Nicht zu hektisch in der Wand agieren, «Schnelligkeit ist ein Risikofaktor». Schuhe Müssen eng sitzen, die Gummisohle sorgt für Halt, z.B. Spirit VCR von Red Chili, ca. CHF 129. www.baechli-bergsport.ch Sicherungsgerät Sicherungs- und Abseilgerät in einem und leicht bedienbar, z. B. das ATC XP Belay/Rappel Device von Black Diamond, ca. CHF 30. www.BlackDiamondEquipment.com Seil Mindestens 50 Meter lang und rund 9-10 mm dick sollte ein Seil sein, z.B. das 9.8. Eternity von Mammut, ca. CHF 118. www.camp37.ch 18 RECYCLING VOM ABFALL ZUM ROHSTOFF RECYCLING QUARTERLY 1 | 16 19 «Es wird immer deutlicher, dass die Ressourcen der Erde nicht unbegrenzt sind» 20 RECYCLING Eine Erfolgsgeschichte Recycling ist nicht nur zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden, sondern leistet auch einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz. Neue Ideen und Technologien könnten die Recycling-Quoten weiter steigen lassen. F rüher, als der Mensch noch Jäger und Sammler war, gab es kein Müllproblem. Der einzige Abfall, den unsere Urahnen «produzierten», war biologischer Natur. Und um dessen Entsorgung kümmerte sich die Natur selbst. Das änderte sich schlagartig als der Mensch sesshaft wurde. Von den ersten Siedlungen bis in die Anfänge der Industrialisierung landete das, was bei der alltäglichen Beschäftigung anfiel und nicht mehr als nutzbar erachtet wurde, kurzerhand neben dem eigenen Wohnplatz, auf der Strasse oder im nächsten Gewässer. Das hohe Bevölkerungswachstum sowie die immer stärker voranschreitenEin wichtiger Wirtschaftsde Industrialisierung führten ab faktor ist dabei das Recycling Beginn des 19. Jahrhunderts zu einer exponentiellen Zunahme der von Metallen geworden. Abfallmenge, auch deshalb, weil technischer Fortschritt und Massenproduktion zu einem explosionsartigen Anstieg chemisch erzeugter Materialien wie Kunststoffe oder Verpackungsmüll führten. In der Peripherie von Städten entstanden riesige Mülldeponien und später Müllverbrennungsanlagen. Paradigmenwechsel Vermutlich würde das Abfallproblem noch heute so gelöst, wenn nicht mit Beginn der 1970er-Jahre ein grundlegendes Umdenken eingesetzt hätte. Dieses bestand zum einen in der Erkenntnis, dass das De- QUARTERLY 1 | 16 ponieren oder Verbrennen von Müll die Umwelt in starkem Mass belastet, etwa über giftiges Sickerwasser oder den Ausstoss von gefährlichen Schadstoffen. Zum anderen wurde immer deutlicher, dass die Ressourcen der Erde nicht unbegrenzt sind. Als Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft wurde die Idee des Recyclings populär. Bereits benutzte Rohstoffe sollten also aufbereitet und wiederverwertet werden. Insbesondere die westlichen Industrieländer haben das Recyceln von Haushalts-, Bau- und Produktionsabfällen früh als Notwendigkeit erkannt. Allein schon deshalb, weil der in Europa erarbeitete Wohlstand massgeblich von der Versorgung mit Rohstoffen abhängt. Doch Ressourcen werden infolge steigender Weltbevölkerung und zunehmender Nachfrage aus Schwellenländern immer knapper und damit auch teurer. Recycling verlängert also nicht nur die Reichweite von Primär-Ressourcen, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von Förderländern. Folglich trägt die Verwendung von Recyclingmaterial zu einer Senkung des Versorgungsrisikos aus primärer Produktion bei. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr wurden weltweit 18.9 Millionen Tonnen Kupfer produziert. Bei geschätzten globalen Reserven von 700 Millionen Tonnen wären die gesamten Kupfer-Vorräte – ohne Recycling – schon in rund 37 Jahren verbraucht. Aktiver Klimaschutz Eine enorm wichtige Rolle spielt das Recycling auch 21 Recycling: Recycling verbessert die Klimabilanz Quelle: Magazin «Rohstoff», November 2014 Sekundärrohstoff (Recycling) Primärrohstoff (Abbau bzw. Produktion) Papier 6 Papier 178 Kunststoff 12 Kunststoff Metalle Metalle 30 104 1’482 Die Primärherstellung von Stoffen verursacht deutlich mehr CO2-Ausstoss als die Behandlung der Abfallfraktionen zu Sekundärrohstoffen. Werte: Emissionen je Tonne Material in Kilogramm CO2 -Äquivalenten/Jahr hinsichtlich des Klima- und Umweltschutzes, weil energieaufwändige Abbau- und Produktionsprozesse entfallen. Dazu ein bemerkenswertes Beispiel aus Deutschland. Das Bundesumweltministerium berichtet in der Studie «Recycling stoppt Treibhausgase» aus dem Jahr 2010, dass sich die deutsche Abfallwirtschaft zu einem Klimaschützer gewandelt hat. Im Jahr 1990 hätte sie noch mit gut 38 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten das Klima belastet. Im Jahr 2006 habe die Abfallwirtschaft hingegen etwa 18 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aktiv eingespart. Das entspreche dem jährlichen CO2-Ausstoss von 7.7 Millionen PWs oder fast 20 Prozent der damals in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge. Möglich wurde dies insbesondere durch die verstärkte stoffliche und energetische Nutzung der Abfälle. Zunahme der Recycling-Quoten In zahlreichen europäischen Ländern wurden in den drei vergangenen Jahrzehnten Verordnungen und Gesetze erlassen, die den Gedanken des Recyclings entscheidend voranbrachten. So wurden unterschiedliche Sammelsysteme für Materialien wie Metall, Glas oder Papier eingeführt. Mit Erfolg. Sammlungs- und Wiederverwertungsmeister auf dem alten Kontinent ist Deutschland mit einer Recycling-Quote von beachtlichen 64.5 Prozent der Siedlungsabfälle. Zum Vergleich: 1990 wurden erst 13 Prozent des Mülls aufbereitet. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist dabei das Recycling von Metallen geworden. So stammten in Deutschland im Jahr 2010 knapp 43 Prozent des in der deutschen Industrie verwendeten Kupfers, 69 Prozent des Bleis, 60 Prozent des Aluminiums und 44 Prozent des Rohstahls aus der Wiederverwertung. Angesichts solcher Zahlen ist es nicht überraschend, dass zahlreiche Länder planen, die Kreislaufwirtschaft weiter anzukurbeln. Das Problem: Noch mehr Stoffe der Wieder- und Weiterverwendung 22 RECYCLING zuzuführen, ist höchstwahrscheinlich nicht möglich, ohne das aktuelle Separatsammelsystem zu überdenken und neue Technologien der Trenn- und Sortierbarkeit einzubeziehen. Was das Sammeln betrifft, wird in verschiedenen Ländern darüber nachgedacht, die Motivation dafür durch eine erweiterte und vereinfachte Recycling-Logistik zu erhöhen. Wenn man es den Menschen mit einem intelligenten System- und Produktdesign einfacher macht, ihre Abfälle wieder in die Stoffkreisläufe einzuspeisen, erhöht das die Quantität und Qualität der gesammelten Stoffe. Hier könnte ein völlig neuer privatwirtschaftlicher Dienstleistungssektor entstehen wie das Beispiel Mr. Green zeigt: Die Zürcher Firma bietet ihren Kunden gegen eine Gebühr an, alle Wertstoffe zunächst in einem Sack zu sammeln, der dann in bestimmten Zeitabständen von Mr. Green abgeholt wird. Das Unternehmen übernimmt im Anschluss das Sortieren und stellt die Materialen den Verwertern zu. Ein Modell für die Zukunft könnte es auch sein, das Verursacherprinzip auf die Produzenten und Hersteller übergehen zu lassen. Bisher trägt in der Regel der Konsument die Kosten der Abfallentsorgung. Werden diese auf den Hersteller übertragen, wird sich dieser künftig bei der Produktplanung genau überlegen, was Als Lösung der Zukunft man später mit den dafür benötigten Stoffen anfangen kann respektive wird die Plasmawie sie sich wiederverwenden lassen. vergasung gehandelt. Viele Unternehmen könnten es dann Nespresso gleichtun. Die Nestlé-Tochter hat einen umfangreichen Sammeldienst für ihre Kaffeekapseln eingeführt. Industrie ist in der Pflicht Ein anderer wichtiger Ansatz wird sein, die Produkte selbst recyclingkonformer zu machen. Die Entwicklung zu immer mehr Inhaltsstoffen in Verpackungen, insbesondere bei polymeren Kunststoffen, macht das sortenreine Sammeln immer schwieriger – was für den Konsumenten demotivierend ist. «In Zukunft muss es mittels neuer Techniken oder neuer Produktgestaltung einfacher werden, noch mehr ausgediente Produkte wieder in den Kreislauf einzuspeisen, damit die Konsumenten auch weiterhin den Fokus nicht nur auf die Lieferkette, sondern gleichzeitig auch auf die Entsorgungskette legen», schreibt das Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in seiner QUARTERLY 1 | 16 Studie «Vom Abfall zum Rohstoff? Die Zukunft des Recyclings». Cradle to Cradle Wie eine innovative Entsorgungskette aussehen kann, zeigt sich in Ansätzen bereits in der Textil- und Bekleidungsindustrie. So stattete Nike die französische Fussball-Nationalmannschaft für die Euro 2012 mit Trikots aus, die aus jeweils 13 Plastikflaschen gefertigt wurden. Aber auch die Kleidung selbst kann nach der Verwendung wieder als Ressource dienen. Dabei gibt es einen technischen Weg, indem zum Beispiel alte Schuhe zu Autoreifen verarbeitet werden, oder einen biologischen, indem sich Kleidungsstücke kompostieren lassen. Zu den Pionieren gehört hier die deutsche Firma Trigema, die bereits 2006 Kleidungsstücke entwickelt hat, die zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind. Die italienische Nobelmarke Gucci wiederum brachte für die Herbstkollektion 2012 erstmals nachhaltige Schuhe auf den Markt, die nicht nur kompostierbar sind, sondern auch aus Kompost hergestellt wurden. Die Idee, die dahinter steckt, heisst «Cradle to Cradle»: Produkte sollen entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt werden oder als «technische Nährstoffe» kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden. Es ist aber auch klar, dass es keine 100-prozentige Wiederverwertung geben wird, allein schon wegen der grossen Menge an gefährlichen und giftigen Abfallstoffen. Wo das Recycling an seine Grenzen stösst, sind Verbrennungstechnologien gefragt, die mit möglichst hoher Effizienz und Unweltverträglichkeit den Abfall verschwinden lassen. Als Lösung der Zukunft wird die Plasmavergasung gehandelt. Dabei wird der Müll bei extrem hohen Temperaturen quasi atomisiert, bei der, zumindest theoretisch, keinerlei schädlichen Abgase entstehen. Zwar befinden sich bereits diverse Testanlagen im Einsatz, marktreif ist die Technologie aber noch nicht. Und selbst wenn, sollte die thermische Verwertung immer nur die letzte Option sein, sich des Abfalls zu entledigen. Die beste Art der Müllbeseitigung wird immer die sein, ihn erst gar nicht entstehen zu lassen. 23 Recyclingquote von Siedlungsabfällen in 2013 Quelle: Eurostat 70% 64.5% 60% 51.0% 50% 44.6% 41.8% 40% 37.6% 39.4% 32.0% 30% 24.2% 20% 17.0% 10% 0 Japan Polen USA Frankreich Italien EU 27 UK Schweiz Deutschland 24 RECYCLING Anlagetrend Recycling: «Schrott»-Aktien als High-Performer Auf der Suche nach einer nachhaltigen und ökologisch-orientierten Rendite bieten sich Anlegern Aktien aus den Bereichen Recycling, der Entsorgungsindustrie oder auch dem Abfallmanagement an. Dabei trifft verantwortungsvolles Investieren auf einen Wachstumsmarkt. Ein genauer Blick in die Branche zeigt, wer an den Abfällen der Zivilisation wirklich verdient. B ei einem sind sich alle einig: Müll stinkt und verpestet die Umwelt. Allerdings lässt sich Müll auch sprichwörtlich vergolden. Spezialisierte Unternehmen machen mit dem, was in der Tonne landet, gute Geschäfte. Ganze Branchen wie die Recycling-, Entsorgungsoder auch Wiederaufbereitungsindustrie leben davon. Ein Billionenmarkt Ein Blick auf die Dimensionen zeigt eindrucksvoll, wie viel Geld im Spiel ist. Nach Angaben der Weltbank betrug die Müllmenge im Jahr 2010 weltweit 3.5 Millionen Tonnen pro Tag. Der Löwenanteil davon entfiel auf die OECD-Länder. Allerdings wird sich dies nach Einschätzung der Weltbank bereits in den kommenden zwei Jahrzehnten drastisch verändern. Die Abfallentwicklung in den aufstrebenden Schwellenländern nimmt rasant zu, sodass sich der weltweite Müllberg bis zum Jahr 2025 auf sechs Millionen Tonnen pro Tag auftürmen könnte. Weltweit werden rund eine Billion US-Dollar mit Müll umgesetzt. Doch damit dürfte die Branche erst am Anfang stehen. Neben der zunehmenden Weltbevölkerung treibt vor allem die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Abfall das Wachstum an. Dies hat einen einfachen Grund: Rohstoffe werden überall auf der Welt knapper – sei es das Öl, das in Plastik landet, oder das Holz, aus dem Papier und Pappe werden. Ein weiterer wichtiger Wachstumsfaktor ist der Umstieg von Müllentsorgung auf Müll- QUARTERLY 1 | 16 verwertung. Nach Schätzungen der Weltbank liegt die weltweite Recyclingquote erst bei knapp 25 Prozent. Dies ist vor allem im mangelnden Bewusstsein für eine effiziente Abfallverwertung in Schwellenländern begründet. Allerdings findet hier bereits ein Umdenken statt. Beispielsweise hat die Weltbank der marokkanischen Abfallwirtschaft jüngst 130 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. Das Ziel: Der Aufbau von Deponien und das Erreichen einer Recyclingquote von 20 Prozent bis 2022. Ökologisch investieren Neben den guten Wachstumschancen für die Branche zeigen auch immer mehr Anleger ein steigendes Umweltbewusstsein bei ihrer Investmentwahl. Es geht ihnen nicht mehr nur um hohe Renditen, auch der ökologische Gedanke spielt bei der Entscheidungsfindung eine Rolle. Microsoft-Gründer Bill Gates hat diesen Trend früh erkannt und ein kleines Vermögen in den Müllspezialisten Waste Management, dem grössten, rein auf Abfallwirtschaft spezialisierten privaten Unternehmen in den USA, investiert. Mit Erfolg: Allein in den vergangenen fünf Jahren legte die Aktie des Betreibers von Recyclingund Müllverbrennungsanlagen um mehr als 70 Prozent zu. Der Aufschwung geht mit einem operativen Wachstumskurs einher. Zwischen 2009 und 2014 verbesserte sich der Umsatz um rund sieben Prozent, der operative Gewinn überproportional um 22 Prozent. Der Analystenkonsens geht für 2016 und 2017 von weiteren Ergebniszuwächsen von durchschnittlich 7.5 Prozent aus. 25 Auto: LKQ Noch einen Gang höher geschaltet hat LKQ Corporation. Das auf Auto- und Autoteile spezialisierte Recyclingunternehmen zeigt einen bemerkenswerten Wachstumstrend. Der Umsatz kletterte in den vergangenen fünf Jahren um 180 Prozent, der Gewinn kam um knapp 120 Prozent voran. Experten erwarten auch in Zukunft hohes Wachstum. Nach Daten von Thomson Reuters soll das Ergebnis je Aktie 2016 und 2017 jeweils um mehr als 13 Prozent zulegen. Börsianer honorieren den operativen Erfolgskurs mit deutlichen Kursaufschlägen: Auf Sicht von fünf Jahren hat sich die LKQ-Aktie nahezu verdreifacht. Trotz der Rallye lautet das durchschnittliche Analystenrating weiterhin auf «Buy». Ein Index voller Müll Die beiden US-Konzerne stehen an der Spitze des Sektorbarometers BNP Paribas Global Waste Management. Der Index bildet die Kursentwicklung der 20 weltweit grössten Unternehmen aus den Bereichen Abfallmanagement, Entsorgung und Recycling ab. Zusammengenommen bringen es Waste Management und LKQ auf einen Indexanteil von knapp 19 Prozent. Zusammensetzung und Gewichtung des Index werden halbjährlich überprüft und folgen einem genau geregelten Prozess. Kriterien sind die fundamentale Einschätzung von BNP Paribas, der operative Ergebnisanteil des Abfallsektors im jeweiligen Unternehmen sowie die Liquidität der Aktie. Die Performance des zu mehr als 60 Prozent von US-Konzernen bestimmten Index kann sich sehen lassen. Seit dem Start im September 2007 legte die Benchmark um 180 Prozent zu. Auch europäische Unternehmen spielen in der Abfallwirtschaft eine wichtige Rolle. So zum Beispiel Umicore. Die Belgier erzielen das Gros ihrer Erlöse mit sauberen Technologien, wie Autoabgaskatalysatoren, Werkstoffen für wiederaufladbare Batterien, Solarzellen und Photovoltaik, Brennstoffzellen und eben auch Recycling. Letztgenannter Bereich ist gemessen am Umsatz das zweitgrösste Segment im Konzern, gleichzeitig aber der grösste Gewinnbringer. Mit der Wiederverwertung erzielt Umicore eine beachtliche Marge von knapp 25 Prozent. Auch bei Rohstoffkonzernen wie Aurubis, dem deutschen und Quelle: Thomson Reuters. Stand: 26.11.2015. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen. 38 33 28 23 18 13 8 26.11.2010 26.11.2011 26.11.2012 26.11.2013 26.11.2014 26.11.2015 LKQ Der US-Konzern nimmt eine führende Stellung als Anbieter von recycelten und wiederaufbereiteten mechanischen Autoteilen wie Motoren und Getrieben ein. Metall: Aurubis Quelle: Thomson Reuters. Stand: 26.11.2015. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen. 65 60 55 50 45 40 35 30 26.11.2010 26.11.2011 26.11.2012 26.11.2013 26.11.2014 26.11.2015 Aurubis Den Vorteil, dass Kupfer und Edelmetalle ohne Qualitätsverlust unbegrenzt recycelt werden können, macht sich Aurubis zunutze. Die Deutschen bereiten eine Vielzahl an Metallen auf. 26 RECYCLING Wasser: Veolia Environnement Quelle: Thomson Reuters. Stand: 26.11.2015. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen. 30 25 20 15 10 5 26.11.2010 26.11.2011 26.11.2012 26.11.2013 26.11.2014 26.11.2015 Veolia Environnement Veolia Environnement ist ein weltweit führender Umweltkonzern. Die Franzosen beschäftigen sich mit Wasseraufbereitung und -versorgung sowie mit Müllwirtschaft. Papier: Mayr-Melnhof Quelle: Thomson Reuters. Stand: 26.11.2015. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen. 120 110 100 90 80 weltweit führenden Aufbereiter von Kupfer, Edelmetallen und anderen Nicht-Eisenmetallen, steht das Thema Recycling hoch im Kurs. Dies gilt ebenso für den weltgrössten Aluminiumhersteller Alcoa. Dessen Energiebilanz profitiert ebenfalls, denn im Aluminium-Recycling wird bis zu 95 Prozent weniger Strom verbraucht als im aufwändigen Gewinnungsprozess aus Erz. Das International Aluminium Institute erwartet, dass mehr und mehr Recycling-Ware auf den Markt kommen wird. Heute wird aus einer jährlichen Aluminiumproduktion von 56 Millionen Tonnen weltweit knapp ein Drittel (18 Millionen Tonnen) aus Schrott recycelt. Laut Hochrechnungen soll die Metallnachfrage bis zum Jahr 2020 bei nahezu gleichbleibender Recycling-Quote auf rund 97 Millionen Tonnen ansteigen. Dies würde einen wieder verwendbaren Anteil von 31 Millionen Tonnen bedeuten. Neue Anlagechancen Eine spezielle Rolle in der Wiederaufbereitung spielen die beiden Franzosen Veolia Environnement und Suez Environnement – das aber nicht bei Metallen, sondern dem lebensnotwendigen «blauen Gold». Das Duo versorgt Menschen weltweit mit sauberem Wasser. Die Verschmutzung nimmt allerdings stetig zu. Dies ist nicht nur der steigenden Bevölkerungszahl geschuldet, auch erfordern neue Technologien wie beispielsweise das beliebte Fracking in den USA zusätzliche Aufbereitungsmassnahmen. Der Öl- und Gassektor zählt zu den wasserintensivsten Industriezweigen. «Die 50’000 Bohrlöcher in den USA nutzen jedes Jahr schätzungsweise 265 bis 530 Milliarden Liter Wasser», erklärt Analyst Thomas Guennegues von RobecoSAM Sustainable Water. 70 60 50 26.11.2010 26.11.2011 26.11.2012 26.11.2013 26.11.2014 26.11.2015 Mayr-Melnhof Die österreichische Mayr-Melnhof ist die weltweit grösste Produzentin von Recyclingkarton. QUARTERLY 1 | 16 Aber es ist nicht nur der Verbrauch. 10 bis 40 Prozent des benötigten Wassers gelangen mit FrackingChemikalien belastet wieder an die Oberfläche. Dadurch entstehen enorme Mengen an Wasser, die behandelt werden müssen. «Durch den steigenden Wasserbedarf der Gasindustrie und die strengeren Wasserstandards wird der Markt der Abwasserbehandlung für die Öl- und Gasindustrie bis 2025 voraussichtlich auf 3.6 Milliarden US-Dollar anwachsen», schätzt Guennegues. 2011 waren es erst 1.3 Milliarden US-Dollar. Geht die Prognose auf, würde 27 dies einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 15 Prozent entsprechen. Derartige Entwicklungen eröffnen Anlegern neue Investmentchancen beim Thema Recycling. Unternehmen wie Veolia sind bereits mit Produkten für die Abwasserbehandlung in der Öl- und Gasindustrie vertreten und könnten so von dieser steigenden Nachfrage profitieren. Wiederaufbereitungsanlage für Eisen 28 RECYCLING Alchemisten des 21. Jahrhunderts Müll wird zum Rohstoff und kehrt in den Wirtschaftskreislauf zurück, das ist die Idee von Recycling. Die Schweizer sind bei der Wiederverwertung so gewissenhaft wie kaum ein anderes Land. Das Entsorgungssystem ist aber noch längst nicht ausgeschöpft, sondern hat noch viel Raum nach oben. F ür den Einzelnen stellt Abfall im Alltag meist nur ein nebensächliches Übel dar, welches hoffentlich regelmässig und pünktlich von der Müllabfuhr abgeholt wird. Nach dem Motto «aus den Augen, aus dem Sinn» ist unsere Konsumgesellschaft immer mehr von einer Wegwerfmentalität geprägt. Ein Blick auf Müllberge und immer knapper werdende Rohstoffe – so werden in Europa beispielsweise erneuerbare Ressourcen um die Hälfte schneller verbraucht als sie ersetzt werden können – drängt Staaten und Unternehmen zu umweltbewussterem Handeln. Auch hier in der Schweiz lässt sich ein steigendes Müllaufkommen verzeichnen. Im Jahr 2013 fielen insgesamt rund 21.5 Millionen Tonnen Abfälle an, nach Bauschrott, dem grössten Abfallverursacher, rangieren Siedlungsabfälle an zweiter Stelle. Besorgniserregend sind hier die hohen Steigerungsraten von gut 30 Prozent zwischen 1990 und 2012. Diese Entwicklung ist vor allem dem Bevölkerungsund Wirtschaftswachstum geschuldet. Mit steigendem Wohlstand haben sich beispielsweise Essensgewohnheiten verändert sowie das Verhältnis zur Verschwendung von Nahrungsmitteln. Eine Analyse der Zusammensetzung von Abfallsäcken aus Privathaushalten zeigt, dass Nahrungsmittel nahezu ein Sechstel der gesamten Kehrichtmenge ausmachen. Im Durchschnitt wirft also jede Person hierzulande jährlich mehr als 30 Kilogramm Essen in den Abfalleimer. Insgesamt produzierte im Jahr 2013 jede Schweizerin und jeder Schweizer rund 702 Kilogramm Abfall. Neuer Berufsstand Die Politik sieht dem Treiben nicht tatenlos zu. Die Pflicht zur Abfallverwertung ist in der Schweiz seit 1985 gesetzlich verankert. Mit dieser Satzung ist auch eine neue Industrie entstanden. Nicht nur QUARTERLY 1 | 16 Recyclingfirmen sind wie Pilze aus den Boden geschossen, auch hat sich ein komplett neuer Berufsstand entwickelt: der Recyclist. Rund 100 Jugendliche absolvieren hierzulande derzeit diese dreijährige Ausbildung. Versuchten die Alchemisten im 17. Jahrhundert aus unedlen Metallen vergeblich Gold zu machen, schaffen es «Recycler» im 21. Jahrhundert problemlos, Müll in Bares zu verwandeln. Verwertung und Recycling ist, neben Umweltschutz und Ressourcenschonung, inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Mittlerweile sind viele verschiedene Unternehmen und Organisationen in der Abfallwirtschaft tätig. Die Bandbreite reicht von Recycling-Spezialisten wie Thommen über auf Wissensvermittlung und Aufklärung spezialisierte Dienstleister wie Swiss Recycling, bis hin zu Swico Recycling, ein nicht gewinnorientiertes nationales Rücknahmesystem für ausrangierte Elektro- und Elektronikgeräte. Letztgenanntes Konzept kommt gut an: Swico Recycling zählt 500 Hersteller und Importeure aus dem In- und Ausland als Teilnehmer, die über 90 Prozent des Schweizer Marktes abdecken. Damit ist sichergestellt, dass ausgemusterte Produkte einem fachgerechten Recycling zugeführt werden können. Steigende Quoten Die Wiederverwendung von Rohstoffen steht in der Schweiz hoch im Kurs. So hat sich die Recyclingquote in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Bei den Siedlungsabfällen beträgt der Anteil der Separatsammlungen und Verwertung am gesamten Abfallaufkommen 54 Prozent, vor knapp 30 Jahren war es gerade Mal die Hälfte. Besonders hohe Recyclingquoten haben Getränkeverpackungen. Führend dabei ist Glas mit einem Anteil von 96 Prozent. Auch der Anteil nicht wiederverwertbarer Siedlungsabfälle konnte seit dem Höchststand 1989 29 EU-Kommission im Bereich des Möglichen. Von einer Kreislaufwirtschaft, wie es viele Umweltorganisationen fordern, ist Europa wie auch die Schweiz noch weit entfernt. Diese hat zum Ziel, nicht mehr benötigte Produkte so aufzubereiten, dass ein gleichwertiges, neues Erzeugnis entsteht. Laut der Ellen MacArthur Foundation haben Produkte derzeit eine Abschreibungszeit von nur vier Jahren. Danach werden lediglich 40 Prozent aller Stoffe wiederverwendet oder recycelt, wobei ihr Wert nur drei Prozent des ursprünglichen Werts beträgt. Es gibt also noch viel zu tun, um den gewonnenen Wohlstand jedes Einzelnen aufrecht zu erhalten und letztendlich unseren Planeten zu schützen. Laut Bruno Oberle, Direktor des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), sind hier vor allem auch die Schweizer gefragt. Denn würden alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie sie, bräuchte es 2.8 Erden, um die Bedürfnisse abzudecken. mit 433 Kilogramm auf inzwischen 344 Kilogramm pro Person reduziert werden. Im europäischen Vergleich steht die Schweiz gut da. Während hierzulande die Quote bei über 50 Prozent liegt, werden in den EU-Staaten lediglich 41.8 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt. Dabei gibt es innerhalb der Länder grosse Unterschiede. Während in Deutschland fast zwei Drittel des Mülls wiederverwertet werden, liegt die Quote in Litauen bei nur einem Fünftel. Ambitionierte Ziele Auch wenn es nur langsam voran geht, ebenso wie in der Schweiz zeigt die europäische Entwicklung in die richtige Richtung. Seit 1995 legte die Recyclingquote von 17.4 auf 41.8 Prozent zu. Liesse sich dieser Trend fortschreiben, würde der wiederverwertete Anteil bis 2030 auf knapp 67 Prozent ansteigen. Damit läge das anvisierte 70-Prozent-Ziel der Recycling von Getränkeverpackungen 2014 in der Schweiz Quelle: Bundesamt für Umwelt BAFU Verpackungsmaterial Menge Verbrauch Menge Recycling Verwertungsquote Glas 259’861 Tonnen 248’427 Tonnen 96% PET 45’365 Tonnen 37’119 Tonnen 82% Aluminiumdosen 10’137 Tonnen 9’290 Tonnen 92% Alle Verpackungen 315’363 Tonnen 294’836 Tonnen 93% Recycling-Quote nimmt stetig zu Quelle: Bundesamt für Umwelt BAFU. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen. 60 50 40 30 20 10 0 1985 1989 1993 1997 2001 2005 2009 Recycling-Quote in der Schweiz an der Gesamtmenge der Siedlungsabfälle in % 2014 30 ZUKUNFT DISRUPTIVE ENERGIE FinTech Eine agile Gründerszene macht sich mit hochmodernen Technologien bei den Finanzdienstleistungen breit. Entsprechende Startups hatten in der Schweiz bislang einen eher schweren Stand. Doch das ändert sich gerade. D isruptive Innovationen, FinTech, Digital Banking, Kryptowährungen, Blockchains: Wie sehr die Digitalisierung die Finanzinstitute in den nächsten Jahren fordern wird, verdeutlichte Jan vom Brocke, Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Liechtenstein, mit einer Analogie zu den japanischen Samurais. Diese hätten ihre Kampftechniken so weit perfektioniert, dass sie im Nahkampf praktisch unbesiegbar waren. Dann aber wurde die Schusswaffe erfunden, dagegen war auch der beste Samuraikämpfer chancenlos. «Genau dies könnte auch den Banken blühen, wenn sie die ‹Schusswaffen› FinTechs nicht ernst nehmen», mahnte vom Brocke in seinem Eröffnungsreferat auf der erstmals durchgeführten FinTech Konferenz Liechtenstein. Diese und andere Mahnungen fallen inzwischen nicht nur bei den etablierten Banken, sondern auch bei der Finanzmarktaufsicht (Finma) auf fruchtbaren Boden. So wollen die Aufseher für die FinTech Branche eine spezielle Anlaufstelle für regulatorische Fragen installieren. Die Behörde reagiert damit auf die Kritik, dass die Startups häufig nicht wüssten, ob eine Geschäftsidee überhaupt zulässig sei und wenn ja, welche regulatorischen Vorgaben zu berücksichtigen seien. QUARTERLY 1 | 16 Ebenfalls plant die Aufsichtsbehörde, mehr Tätigkeiten ohne Bewilligungen zuzulassen. Dabei sollen für FinTech Startups künftig sogenannte regulatorische Sandkästen eingerichtet werden, wie dies bereits in Grossbritannien der Fall ist. «In diesen Entwicklungsfeldern könnten die Firmen ihre neuen Geschäftsmodelle mit überschaubaren Risiken erproben», sagt Sprecher Vinzenz Mathys. Finma-Chef Mark Branson schlug im Herbst sogar die Einführung einer «Bankenlizenz light» für FinTech Firmen vor, um so rascher als bisher ein FinTech Ökosystem aufzubauen. Die Botschaft ist klar: Von Behördenseite möchte man nicht länger tatenlos zuschauen, wie der Finanzplatz Schweiz in den Ranglisten der Zukunftsinvestitionen von anderen Finanzplätzen überflügelt wird. An der Themse ging es von Beginn an weniger zögerlich zu. So rollt die britische Metropole der FinTech Branche schon lange den roten Teppich aus. Man schuf Innovationsparks, sponsorte FinTechs mit Steuergeldern und bietet vielfältige Unterstützung. Mit entsprechenden Ergebnissen: In Europa strömt das allermeiste Kapital zu den Jungunternehmen in die Themse-Stadt. Just diesen Sommer fühlten Vertreter der britischen Botschaft gar beim Schweizer FinTech Startup Advanon vor, sehr zum Staunen von dessen Chef Phil Lojacono: «Etliche in unserem 31 Team fragten sich, weshalb wir eigentlich noch in Zürich bleiben sollen.» Das Jungunternehmen hatte mit der Finma bis zu diesem Zeitpunkt negative Erfahrungen gemacht: Ganze sechs Monate wartete Advanon auf grünes Licht von den Behörden – für ein Startup eine halbe Ewigkeit. Mittlerweile jedoch hat sich Lojaconos Bild von der Finma grundlegend verändert. «Nach dem Lockruf aus London hat beim Regulator ein Umdenken stattgefunden», erklärte der Startup-Gründer. Seither würden seine Anfragen speditiv behandelt. Weiteren Schwung in die Szene soll auch die Anfang September gegründete Digital Zurich 2025 bringen. Der Verein will die Grossregion Zürich als attraktiven Standort für digitale Startups, Firmen und Talente positionieren. Zu den ersten fünf Massnahmen zählt die Schaffung des «Swiss Investor Summit». Dieser soll jährlich parallel zum WEF am Flughafen Zürich stattfinden, um Investoren und Unterneh- mensentscheider zusammenzubringen. Ausserdem soll ein Beschleunigerprogramm für Startups aufgelegt werden, welches bestehende nationale und internationale Programme zusammenführen soll. Zudem soll jedes Jahr eine digitale Konferenz im Grossraum Zürich abgehalten werden. Als Vorbild hierzu dient das Worldwebforum in Zürich. Daneben wurde die Schaffung der sogenannten «Swiss Creative and Digital Academy» in Aussicht gestellt. Hier soll das Wissen aus Universitäten, Industrie- und ICTUnternehmen zusammengeführt werden. Zuletzt will sich Digital Zürich 2025 auch am Partnerauftritt der Schweiz an der Cebit 2016 in Hannover beteiligen. Zu den 20 Gründungsmitgliedern gehören EY Schweiz, ETH Zürich, Google Schweiz, Leonteq, Migros, Mobiliar, Oliver Wyman, Post, Ringier, SBB, SIX, Swiss, Swiss Life, Swisscom, UBS, Wenger & Vieli, Ruedi Noser, Stadt und Kanton Zürich sowie Economiesuisse, die die Schirmherrschaft übernommen haben. 32 ZUKUNFT Marc Walder, CEO des Medienunternehmens Ringier, sieht Zürich als wichtigen Teil des europäischen Finanzclusters, zusammen mit London und Frankfurt, in dessen Sog sich auch der FinTech Sektor bewegen müsse. «Diese Entwicklung spielt uns gerade in die Hände», sagte Walder gegenüber der Handelszeitung. «Zudem unsere globalen Versicherer und hiesigen Retailer, die auch stark durch den digitalen Wandel herausgefordert sind.» Die Startups seien hierfür kolossal wichtig. «Dort, wo gute Startups sich ansiedeln und ihre Geschäfte aufbauen, werden Arbeitsplätze und Wertschöpfung geschaffen», glaubt der Medienmanager. «In den letzten 50 Jahren war das Momentum für Startups noch nie so entscheidend wie jetzt.» Digital Zurich 2025 sei eine historische Chance, da die Schweiz bestehende Wirtschaftszweige habe, die sich gerade neu erfinden oder erfinden müssten. Davon ist auch Thomas Puschmann überzeugt, Leiter des Kompetenzzentrums «Sourcing in der Finanzindustrie» am Business Engineering Institute St. Gallen, einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Universitäten St. Gallen und Leipzig. Puschmann organisiert aktuell den Aufbau des «Swiss FinTech Innovation Lab» in Zürich. Die Idee hierzu sei 2013 im Rahmen eines Forschungsaufenthalts am MIT in Boston entstanden, wo Innovationen durch die enge Kooperation von Wissenschaft und Praxis vorangetrieben würden. «Das Silicon Valley basiert auf dieser Vernetzung zwischen Industrie und den Universitäten», sagte Puschmann gegenüber der Zeitung Finanz und Wirtschaft. Parallel zu dem von der Schweiz initiierten Projekt des Nationalen Innovationsparks habe sich für ihn die Frage gestellt, ob es für den FinTech Bereich nicht auch einen Innovations-Hub geben könnte. Das Zusammenwirken eines Netzwerks relevanter Akteure sieht Puschmann als wichtigen Schlüssel zum Erfolg. Neben den Banken wie zum Beispiel UBS, Credit Suisse, Julius Bär, Vontobel und Zürcher Kantonalbank zählen auch Technologie-Provider, Startups, Venture-Capital-Unternehmen sowie die Universitäten zum Lab. Unterstützend wirken zudem die Zürcher Handelskammer, der Zürcher Bankenverband sowie das Amt für Wirtschaft und Arbeit. Zu den Ideen gehört, dass einzelne Banken oder Provider wie beispielsweise UBS oder SIX eigene Inkubatoren initiieren, welche die Zusammenarbeit «Wir wollen die Finanzmärkte demokratisieren» QUARTERLY 1 | 16 mit Startups intensivieren sollen. Zweitens gibt es bilaterale Ansätze wie die Startupbootcamp-Initiative von MasterCard, Lloyds Banking Group und Rabobank, bei der sich mehrere Banken gemeinsam engagieren. Ein dritter Ansatz seien institutionalisierte FinTech Labs, die in London oder in New York entstanden sind und aktuell in Sydney und Singapur am Entstehen sind. Der letztgenannte Ansatz gilt für Puschmann auch als favorisierte Idee für Zürich. Trotz all dieser Initiativen scheint man in der Schweiz jedoch noch ein Stück entfernt von dem innovativen Schwung, der den Alltag der FinTech Szene im Silicon Valley bestimmt und konkrete Geschäftsmodelle nahezu am Fliessband produziert. Zum Beispiel Coinbase: «Wir sind die weltgrösste Wechselstube, Börse und Bank für die Digitalwährung Bitcoin», sagt Dan Romero, der für die internationale Expansion zuständig ist. Vor drei Jahren gestartet, ist die Bitcoin-Bank bereits in 28 Ländern tätig und konnte für die Expansion namhafte Geldgeber wie die New York Stock Exchange an Bord holen. Über 100 Millionen Dollar Risikokapital sind so bislang zusammengekommen. Schliesslich hat die Digitalwährung Bitcoin disruptives Potenzial und Coinbase sieht sich dabei an vorderster Front. «Wir wollen Bitcoin als Zahlungsmittel, gerade auch im grenzüberschreitenden Verkehr, etablieren», sagte Romero in einem Interview mit der Handelszeitung. Der Endzwanziger spricht von einem «500-Milliarden-Dollar-Markt» im grenzüberschreitenden, SWIFT-basierten Finanzverkehr. Davon schöpften die Banken jährlich 50 Milliarden Dollar an Gebühren ab. «Mit Bitcoins würden die Transaktionskosten auf einen Bruchteil zusammenschmelzen», glaubt der Coinbase-Mann und schwört auf die Digitalwährung als Schlüsseltechnologie. Die verschlüsselten Bitcoins sollen Micropayment wie mobiles Bezahlen befeuern und gar den papiernen Pfandbrief ablösen. Die Welt des Zahlungsverkehrs könnte also bald eine andere sein, geht es nach Coinbase und Co. Bei FutureAdvisor dreht sich alles um die Zukunft der Geldanlage. Laut Manager Mitch St. Peter biete FutureAdvisor weit mehr als die vielen automatisierten Online-Vermögensverwalter, die mittlerweile auf den Markt gedrängt seien. Denn mit seinem «Roboadvisor» schustere seine Firma nicht einfach ein paar passive Börsenindizes zu einem lieblosen Portfolio zusammen. Das FinTech verfolge vielmehr einen holistischen Ansatz. Auf diese Weise liessen sich mit dem Online-Vermögensverwalter, der 2010 33 von zwei ehemaligen Microsoft-Ingenieuren gegründet wurde, sämtliche Bankbeziehungen aggregieren. Dank dieser Daten werden aus nackten Zahlen und Transaktionen Antworten, destilliert auf zentrale Finanzfragen wie: Reicht die jetzige Sparquote, dass mein Kind aufs College gehen kann? Wie hoch wird meine Rente sein? Oder: Lebe ich über meine Verhältnisse? ten Kapital der Kunden ein. Beides soll Robinhood profitabel machen. «Wir bilden die gesamte Anlegerperspektive ab, von der Wiege zur Bahre», sagt Manager St. Peter und spricht von einem digitalen Family Office für die Mittelklasse, welche zwischen 100’000 und 1 Million US-Dollar auf der hohen Kante hat. Es ist just jene Zielgruppe der «mass affluents», welche die traditionellen Banken bisher aus Kosten- und Komplexitätsgründen vernachlässigt haben. Inzwischen hat sich der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock den «Roboadvisor» einverleibt. Während Robinhood noch den Charme eines Garagen-Startups versprüht, ist Addepar schon einen Schritt weiter. Die amerikanische Softwarefirma beschäftigt 130 Mitarbeiter und hat unter anderem den Starinvestor Peter Thiel als Kapitalgeber. Der Anspruch von Addepar: die technische Infrastruktur Prominente Investoren stehen auch hinter dem FinTech Unternehmen Robinhood. Zu den Risikokapitalgebern des Online-Effektenhändlers gehören unter anderem die Hip-Hop-Superstars Snoop Dogg und Nas, die Rockband Linkin Park sowie Netscape-Gründer Marc Andreessen. Für die Eigner hat die Finanz-App für Android und iOS das Potenzial, den Online-Börsenhandel zu revolutionieren. «Trades sind bei uns generell kostenlos», sagt Kommunikationschef Jack Randall. Es gebe keinen vernünftigen Grund mehr, dafür eine Gebühr zu verlangen, meint er, da diese Gebühren alte Zöpfe seien aus jener Zeit, als die Geschäfte noch von echten Händlern am Börsenring abgewickelt wurden. Robinhood-Gründer Vladimir Tenev gibt die Lösung vor: «wir wollen die Finanzmärkte demokratisieren», sagt der Chef. Statt mit Transaktionsgebühren pro Trade Geld zu verdienen, setze man auf zwei andere Erlösquellen: Zum einen zahlen Kunden, wenn sie Margin-Handel betreiben, also Wertschriften gehebelt und auf Termin kaufen. Zum anderen zieht Robinhood Zinsen auf dem ungenutz- Doch vorerst ist Expansion angesagt: Sowohl in neue Anlageklassen wie auch in weitere Märkte. Nebst den USA und Australien steuert Robinhood dabei auch Europa an. «Wir sehen dort grosses Potenzial», sagt Kommunikationschef Jack Randall. für Finanzen «neu zu erfinden». Laut Marketingchefin Barbara Holzapfel könne das Unternehmen selbst komplexe Finanzstrukturen ganzheitlich und in Echtzeit abbilden. Sogar Trusts, Offshore-Vehikel oder illiquide Assets wie Immobilien oder Beteiligungsgesellschaften liessen sich ins System integrieren. Das macht Addepar insbesondere interessant für die anspruchsvolle Zielgruppe der Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI). Bislang tragen Family Offices häufig noch von Hand die Excel-Tabellen der Einzelinvestments zusammen und liefern den UHNWI alle paar Monate einen dicken Stapel Papier ab. Damit räumt Addepar auf, denn: «Je transparenter die Datenlage, desto besser ist der Anlageentscheid», sagt die ehemalige SAP-Managerin Holzapfel gegenüber der Handelszeitung. Lohn der Mühe: inzwischen soll unter anderem sogar das Family Office von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auf Addepar schwören. Dieser Artikel enthält ergänzende Inhalte von Handelszeitung online (24.10.2015 und 27.11.2015) 34 MASSGESCHNEIDERT HOCHAMT FÜR PIANISTEN Nicht nur in Sachen Klang und Qualität sind Steinways das Mass der Dinge. Auch als stabile Kapitalanlage können die handgefertigten Flügel sehr interessant sein. QUARTERLY 1 | 16 35 36 MASSGESCHNEIDERT mit Orchester werden mit einem Steinway-Flügel ausgerichtet. Letzteres sei besonders wichtig, denn gerade im robusten Konzertbetrieb müssen die Flügel eine Menge über sich ergehen lassen, sind sie doch der Sparringspartner unterschiedlicher Spieler und Temperamente. Steinways meistern diese Prüfung mit Bravour. Aber auch bei Hobbymusikern geniessen die Instrumente entsprechende Wertschätzung. Manch einer möchte sich beim Spielen besondere Glücksmomente schenken, oder sich vielleicht auch nur am schönen Anblick einzigartiger Instrumentenbaukunst erfreuen. D er unzufriedene Blick gehört zur Grundausstattung von Chefintoneurin Wiebke Wunstorf. Mit einem enervierenden Klopfen auf die Tasten hört die 53-Jährige Hamburgerin in ihrem schallisolierten Arbeitsraum kleinste Unregelmässigkeiten im Klangbild heraus, entnimmt mit ein paar Handgriffen die gesamte Spielmechanik, stichelt im Wollfilz der Hämmer herum, um deren Dichte so lange zu justieren, bis alles perfekt ausbalanciert ist. Auch wenn zuvor schon drei andere Intoneure Hand angelegt hatten, um dem Instrument den letzten Schliff zu geben – Wiebke Wunstorf hat das letzte Wort. Sie allein entscheidet, ob nach einem Jahr Produktionszeit ein neuer, aus insgesamt rund 12'000 Einzelteilen gefertigter Flügel die Backsteinfabrik im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld verlassen darf, um künftig irgendwo auf der Welt unterschiedlichsten musikalischen Darbietungen zu dienen. Die Mühe lohnt. Ob Klassik, Jazz oder Pop: Mehr als 1’600 Virtuosen weltweit schwören auf die Handwerkskunst von Steinway & Sons, darunter Berühmtheiten wie Artur Rubinstein, Vladimir Horowitz, Sergej Rachmaninow, Lang Lang, Daniel Barenboim oder Keith Jarrett. «Der Steinway ist das einzige Piano, auf dem ein Pianist all seine Wünsche und Träume wahr werden lassen kann», sagt Vladimir Ashkenazy. Mal lyrisch weich mit zarten Flüstertönen, mal das reinste Höllenfeuer mit bebenden Bässen – was auch immer ein Steinway von sich geben soll, er folgt präzise jeder klangmalerischen Phantasie. Für die Mehrheit der internationalen Konzertsäle, Opernhäuser und Theater sind Steinway-Instrumente mit ihrem besonderen Klang und Anschlag erste Wahl; rund 98% aller Klavierkonzerte QUARTERLY 1 | 16 Der Steinway, eine attraktive Vermögensanlage Und Steinway-Flügel erweisen sich als vorzügliches Investment. Die Verkäufer haben auch Verständnis für Sonderwünsche. Barocke Schnörkel, goldene Schnitzereien, Embleme, Bemalungen, Intarsien, alles ist für die beiden Steinway-Manufakturen in New York und Hamburg möglich, solange die Konstruktion nicht verändert wird. Seit 1999 gibt es die sogenannte Crown Jewel Collection aus edelsten Holzfurnieren aus aller Welt. Makassar Ebenholz, Ostindisch Palisander, Bubinga oder Amberbaum – Hölzer, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, stehen zur Auswahl. Als Ikone in der Firmenchronik gilt die 1883 von Lawrence AlmaTameda bemalte Sonderanfertigung, die auf dem Deckel die neun Musen zeigt und 1997 1.2 Millionen US-Dollar erbrachte. Das Steinway-Klavier, auf dem John Lennon «Imagine» komponierte, wurde später für mehr als 2 Millionen US-Dollar an den Popstar George Michael verkauft. «Gerade bei Musikinstrumenten spielt der Prominenten-Zuschlag eine zentrale Rolle», sagt der Mailänder Experte Max Bernardini, der mit kostbaren Uhren und anderen Sammlerstücken handelt. «Es kann für den Preis ausschlaggebend sein, wem das Instrument mal gehört hat und wer es spielte». Doch auch ohne einen namhaften Vorbesitzer steigert ein Steinway beständig seinen Wert. So kann ein 50 Jahre alter Flügel heute über das Neunfache seines ursprünglichen Kaufpreises erzielen. Das macht ihn zu einem kostbaren Besitz, der Jahr um Jahr Freude bereitet und mit Stolz an die nächste Generation weitergegeben wird. Tradition verpflichtet Die hohe Fertigungstiefe von Steinway ist beispiellos in der Klavierindustrie. Immer geht es um Klasse, nie um Masse. «Baut das bestmögliche Klavier», 37 hatte Heinrich Engelhard Steinweg einst seine Arbeiter angewiesen. Diese Regel gilt bis heute. Der deutsche Auswanderer hatte Steinway 1853 in New York gegründet und mit seiner Familie das Unternehmen Schritt für Schritt zur Blüte geführt. Mehr als 600'000 Instrumente wurden inzwischen produziert. Die Herstellungsweise basiert auf dem sogenannten «Steinway System». Hierfür hat die Firma bis heute über 125 Patente entwickelt. Es werden ausschliesslich klangoptimierende Materialien und Bauteile verwendet, das Holz nur unter Spannung verarbeitet und für den Gehäusebau ausnahmslos Holzverbindungen eingesetzt. Qualität und Präzision Am Anfang des Herstellungsprozesses steht das aus bis zu 20 Hartholzschichten gebogene Gehäuse, das sogenannte «Rim». Die angefeuchteten und verleimten Schichten werden aufeinander gelegt, in grosse Formpressen gespannt, um dort auszuhärten. Das Gehäuse bildet die Grundlage für den Einbau aller weiteren Konstruktionselemente. Der Resonanzboden mit dem aufgeleimten Hartholzsteg und die darunterliegenden Rippen ist mit dem inneren Rim (Raste) verleimt. Dieser bildet mit Unterstützung der Flügel-Raste eine Einheit, den Steinway-Klangkörper. Da der Resonanzboden sozusagen das Herzstück eines Flügels darstellt, legen die Klavierbauer hier besonderen Wert auf die Auswahl des verwendeten Materials. Um höchste Qualitätsansprüche zu erfüllen, wird ausschliesslich Sitka-Fichte mit regelmässigem Faserverlauf und einer genau definierten Anzahl von Jahresringen verwendet. Die Stege des Resonanzbodens wiederum werden ausschliesslich aus lamelliertem Hartholz mit horizontalem Faserverlauf gefertigt. Sorgsam wird jeder Steg auf Höhe gebracht und präzise nach der vorgegebenen Mensur gestochen. Mit einer Kappe aus massivem Ahorn versehen, sorgt dieses Patent für eine hervorragende Klangübertragung auf den Resonanzboden. So wird ein geringer Schwingungsverlust erzielt, wodurch ein tragender Ton mit einem grossartigen Klangvolumen entsteht. Zugkräfte von bis zu zwanzig Tonnen wirken auf die Gussplatte, die im Sandguss-Verfahren hergestellt wird. Die gedämpfte Eigenschwingung wirkt klangunterstützend. 306 Tischler, Lackierer, Klavierbauer und andere Spezialisten sind in der Hamburger Manufaktur beschäftigt, viele ein Leben lang. Obgleich jedes Instrument nach dem gleichen Prinzip hergestellt wird, ist es dennoch einzigartig und unterscheidet sich in winzigen Nuancen. Auch deswegen kommen viele der gefeierten Solisten persönlich ins Werk, um sich «ihren» Flügel auszusuchen. Der Dialog zwischen Hersteller und Musiker ist bei Steinway wichtiges Kundenbindungsinstrument. In den Empfangsräumen hängen zahlreiche Künstlerporträts mit handgeschriebenen Danksagungen und Widmungen. Ist ein Flügel verkauft, wird das Instrument per Spezialtransport zu seinem Bestimmungsort gebracht. Während die New Yorker Manufaktur Nord,- Mittelund Südamerika bedient, gehen von Hamburg aus Klaviere nach Europa, Asien, Afrika und den Rest der Welt. Börsenstar und Liebhaber feiner Klänge Im September 2013 kaufte der Wall Street Star John Paulson Steinway für 512 Millionen US-Dollar. Eine Zerschlagung blieb aber aus. Paulson ist nicht nur Investor, sondern auch ein passionierter HobbyPianist. Drei Steinway-Flügel besass er schon vor der Übernahme, sagte er in einem Interview. Steinway sei kein kurzfristiges Spekulationsobjekt für ihn, sondern eine Investition fürs Leben. Fühlbare und erlebbare Werte scheinen auch einen Milliardenjongleur sanfter zu stimmen. Wiebke Wunstorf macht sich über die veränderte Eigentümerstruktur nicht allzu viele Gedanken. Sie hatte schon früh ihre Bestimmung gefunden und war die erste Frau, die eine Lehre zur Klavierbauerin bei Steinway & Sons absolvierte. Sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder arbeiteten für das Unternehmen. Tradition verpflichtet. Erst recht, wenn man täglich etwas Kostbares schafft. ZAHLEN UND FAKTEN Das Holz der Flügel und Klaviere muss bis zu zwei Jahre lang lagern und reifen. Verarbeitet werden unter anderem Fichte für den Resonanzboden, Ahorn für die Mechanik und Pappel für den Deckel. Im Juni 2015 präsentierte Steinway seinen 600’000 Flügel – gestaltet von Frank Pollaro, der ihn mit der berühmten Fibonacci-Spirale verzierte. Über 6’000 Arbeitsstunden stecken in dem Instrument, das aus einem Furnier aus sechs einzelnen EbenholzStämmen besteht. Um Rohstoffe zu sparen, durfte Steinway & Sons während des Zweiten Weltkriegs keine Instrumente bauen. Stattdessen fertigte das Werk Segelflugzeuge und Särge. Die Steinway-Aktie notierte an der New Yorker Börse mit dem Kürzel «LVB» für Ludwig van Beethoven. 38 STANDORT 48 STUNDEN IN HONGKONG Hongkong ist eine Weltmetropole und ein Hotspot Asiens. Auch wenn man hier und da die Tradition durchscheinen sieht, zeigt sich die Stadt von ihrer modernen Seite. Sie ist sehr teuer, aber absolut lebenswert. H ongkong ist ein Abenteuer auf dem Wasser. Über sieben Millionen Menschen leben hier auf 263 Inseln und Halbinseln. Die Hafenstadt hat den Status einer Sonderverwaltungszone an der Südküste der Volksrepublik China – «hong kong» bedeutet «duftender Hafen». Ka Long Lee Das Hongkonger LeonteqBüro gibt es seit 2010. Das Unternehmen hat die Lizenz der Hongkong Securities and Futures Commission, um mit Wertpapieren zu handeln. CEO Ka Long Lee ist seit dem ersten Tag dabei. Er begann als DerivateHändler und steuert nun Leonteqs Weiterentwicklung in den nordasiatischen Märkten. Seit Mai 2015 residiert Leonteq in Büros im IFC2-Tower, dem höchsten Gebäude auf Hong Kong Island. Aber die Metropole ist nicht gleich China. Bis 1997 gehörte sie zu Grossbritannien und über 100 Jahre als Kronkolonie sind noch immer spürbar. Die drittgrösste Stadt Chinas hat als Freihandelszone viele demokratische und marktwirtschaftliche Privilegien und entwickelt sich immer mehr zu einem Wohn- und Lebensraum für reiche Festlandchinesen und Menschen aus der ganzen Welt. «Hongkong lebt vor allem vom Hafen und vom Handel. Es hat eine der liberalsten Marktwirtschaften weltweit und ist eines der bedeutendsten Finanzzentren Asiens», sagt Ka Long Lee, der CEO des Leonteq Büros in Hongkong. Was die Stadt ausserdem ausmacht, sind die niedrigen Steuern und die Dreisprachigkeit. Neben Kantonesisch (südchinesischer Dialekt) und Mandarin (Hochchinesisch) als Amtsprachen, wird auch immer noch Englisch gesprochen und verstanden. Am dichtesten besiedelt ist die Halbinsel Kowloon und der Norden von Hong Kong Island (Central). Die eine Hälfte der Einwohner lebt in den New Territories, dem QUARTERLY 1 | 16 Hinterland von Kowloon, in Planstädten, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Hongkong gehört zu den Städten mit den weltweit höchsten Lebenshaltungskosten. Eine Wohnung, nicht etwa ein Haus, kostet je nach Grösse zwischen 900 und 9’000 Euro aufwärts – pro Quadratmeter wohlgemerkt. Wie auf dem Festland sind hier Drei-GenerationenHaushalte üblich. Zum Teil aus Tradition, zum Teil weil Wohnraum sonst einfach zu teuer wäre. Trotzdem muss in Hongkong nicht alles viel kosten. Eine gute Wonton-Nudelsuppe in einer Garküche kostet keine vier Euro. Man bekommt sie direkt neben dem Restaurant des Jahrhundert-Kochs Joel Robuchon – dessen Küchen zusammen mit 18 Michelin-Sternen ausgezeichnet sind. Diese Gegensätze machen Hongkong aus. In Hongkong wird hart gearbeitet, aber auch mit Freude gelebt. «Das Motto: Work hard, play hard», zitiert auch der LeonteqManager im Interview. Supermärkte, Warenhäuser – eigentlich ist alles ausser Banken und Börse jeden Tag geöffnet, für mindestens zehn Stunden. Es ist üblich, unter der Woche erst gegen 21 Uhr Feierabend zu machen, ein paar Drinks zu nehmen, Essen zu gehen und erst nach Mitternacht nach Hause zu gehen. Wer sich auf Hongkong einlässt, muss diesen Rhythmus annehmen. 39 HONGKONG AUF EINEN BLICK Amtssprache Kantonesisch, Mandarin, Englisch Staatsform Sonderverwaltungsregion d. V.R. China Staatsoberhaupt Xi, Jinping Regierungschef Leung, Chun-ying Fläche 1’104 km² Einwohnerzahl 7.3 Millionen (2015) Bevölkerungsdichte 6’429 Einwohner pro km² Währung Hongkong-Dollar Telefonvorwahl +852 40 STANDORT Tipps für Hongkong BARS DISCO KONZERTE AUSSTELLUNGEN OUTDOOR In Lan Kwai Fong im Stadtteil Central viele kleine Strassen, in denen rund 100 Bars und Restaurants auf Gäste warten. Eine gute Bar, eine exquisite Küche und eine tolle Aussicht hat das Restaurant SEVVA im Prince’s Building. Von der Dachterrasse kann man die gesamte Halbinsel Kowloon überblicken. Die höchste Bar der Welt ist die Ozone Bar in der 118. Etage des International Commerce Center. Kaffee und Tee lassen sich stilvoll im Café Gray Deluxe geniessen. Was das Feiern angeht, ist ein Hongkong-Besuch ohne das Dragon-I nicht komplett. Wenn man Glück hat, trifft man hier Michael Jordan, David Beckham und Calvin Harris. Ein angesagter Club ist auch das Bungalow auf der Wyndham Road in Central. Tagsüber ein französisches Restaurant, in dem ein Sternekoch Menüs zaubert, wird hier abends auf über 500 Quadratmetern gefeiert. Es gibt vier riesige LED-Leinwände und DJs aus der ganzen Welt legen auf. Hongkong ist Aufführungsort für traditionelle chinesische Opern, speziell kantonesische Opern. Viele Grössen aus dem internationalen Musikgeschäft geben Konzerte in der asiatischen Metropole. 2016 zum Beispiel Diana Krall, Christoph Poppen, Lang Lang und Madonna. Konzertbesuche – egal ob Klassik oder Pop – gehören zum festen Bestandteil der Ausgehkultur unter den Menschen. Das Hong Kong Cultural Centre beherbergt Konzerthaus, Galerien und das Kunstmuseum Hong Kong Museum of Art, mit Schwerpunkt auf chinesische Werke. Das Lei Cheng Uk Han Tomb Museum wurde gebaut, nachdem Bauarbeiter 1955 eine Grabstätte aus der Zeit der Han-Dynastie entdeckten – die bedeutendste Ausgrabung Hongkongs. Im Hong Kong Heritage Museum gibt es bis Juli 2018 eine Ausstellung über die Martial Arts und Kinolegende Bruce Lee. Der Victoria Peak ist die höchste Erhebung auf Hong Kong Island. Seit der Kolonialzeit ist hier die exklusivste Wohngegend der Stadt. Mit spektakulärer Aussicht. Man erreicht den Peak mit einer historischen Drahtseilbahn. Lamma Island und Cheung Chau bieten schöne Wanderwege und Strände. The Big Buddha und das Po Lin Kloster auf Lantau Island sind beliebte Ziele für einen Tagesausflug. Das Hong Kong Disneyland liegt etwa 30 U-Bahn-Minuten vom Zentrum entfernt. QUARTERLY 1 | 16 41 ESSEN ERHOLUNG & SCHLAFEN TIPPS TEMPEL SHOPPING Wer sich etwas trauen möchte und richtig gute Krabben und Krebse essen möchte, geht zu Temple Street Spicy Crabs. Die Gar- und Strassenküche ist sehr beliebt. Wer chinesische Küche probieren möchte, ist im Lung King Heen, im Four Seasons Hotel richtig. Ein Essen hier ist nicht günstig, aber jeden HongkongDollar wert. Im Ko Lau Wan Hotpot im Stadtteil Tsim Sha Tsui werden Fisch und Fleisch direkt am Tisch gekocht, im heissen Topf. Wer den ganzen Tag unterwegs war, dessen Füsse brauchen eine Auszeit. Zum Beispiel bei Ten Feet Tall auf der Queen’s Road in Central. Hier kann man die wohl beste Fussmassage der Stadt geniessen. Viele der grossen Hotels bieten zudem grosse und moderne Spas. Zu den besten Hotels der Stadt gehört das von dem Schweizer Peter Borer geführte Peninsula, die Grand Dame der asiatischen Luxushotellerie. Die kleinsten Zimmer haben noch 40 m2 und eine stilvolle Ausstattung mit edelsten Materialien. Die beste Reisezeit ist zwischen Oktober und Dezember. Es regnet nur selten und die Temperatur misst angenehme 18 bis 26 Grad. Ab April wird es in Hongkong sehr schwül und regnerisch, zwischen Mai und September ist es häufig über 32 Grad. Die Währung ist der Hongkong-Dollar, der an den US-Dollar gekoppelt ist. Ein Auto macht in den engen und verstopften Strassen wenig Sinn. Am besten nutzt man die sicheren und zuverlässigen öffentlichen Verkehrsmittel. Der bedeutendste buddhistische Tempel Hongkongs ist der Tempel der 10’000 Buddhas auf einem Hügel in Sha Tin. Die Wände des Tempels sind mit rund 12’800 Buddhas geschmückt, die von Gläubigen gespendet wurden. Auch in Central oder Kowloon liegen kleine Tempel eingezwängt zwischen den Wolkenkratzern, wie etwa der Man-Mo-Tempel, der den taoistischen Göttern der Literatur und der Kampfkunst gewidmet ist. Die drei Malls IFC Mall in Central, Pacific Place in Admiralty und Times Square in Causeway Bay decken so ziemlich alle Shoppingwünsche ab. Hier finden sich neben internationalen Designern und Kaufhäusern auch kleine Märkte, die regionales Essen anbieten. Wer Möbel und Accessoires im chinesischen Stil kaufen möchte, wird in den vielen Läden auf der Queen’s Road East in Wanchai fündig. Exotische Köstlichkeiten gibt es tagsüber auf dem Yau Ma Tei Wet Market in Kowloon. 42 GIMMICKS AUS ALT MACH NEU AB DIE POST Up- und Recycling! Nachhaltigkeit, ein Trendthema. AUF KUFEN Die Dresdner Möbeldesigner Prinzler & Wodarzyk verwandeln alte Transportschlitten zu einer einzigartigen Sitzbank. Die aufwändig restaurierte Basis des Schlittens «Wikinger» ist rund 100 Jahre alt. Ab ca. CHF 8’500 | zeitgereift.de SKATEBOARDGARDEROBE Bei Ripflip entstehen in Handarbeit Garderoben aus alten Skateboads. Die Decks haben vier ausklappbare Dreiecke als Haken und sind mit einer Türhängevorrichtung ausgestattet. Die Wandmontage ist auf Wunsch auch möglich. Ab ca. CHF 60 | dawanda.com/shop/ripflip. AUFBAUARBEITEN Das Wort «cucula» bedeutet «etwas gemeinsam machen». Der gleichnamige Berliner Verein vermittelt Flüchtlingen handwerkliche Basisqualifikationen, mit denen Designobjekte gestaltet werden. Besonders begehrt ist die Stuhlserie «Botschafter», gefertigt aus den Planken gestrandeter Flüchtlingsschiffe. Ca. CHF 544 | cucula.org RETROZIRKEL Die Taschen oder Laptophüllen von «Zirkeltraining» werden aus recyceltem Sportgeräte-Leder oder alten Turnmatten hergestellt. Fast automatisch kommen Erinnerungen an die Turnstunden während der Schulzeit hoch. Laptopsleeve ca. CHF 90 | zirkeltraining.biz STARKE SÄCKE Die von Zürcher Schülern gegründete Firma «Sackstarch» gibt Resten aus der Markisen-Produktion einen neuen Lebenssinn. Egal ob Sporttasche, Seesack, Einkaufstasche, Turnsack oder Etui, alle Taschen werden von Hand genäht und sind sowohl wasserfest als auch robust. Sporttasche CHF 85 | sackstarch.com INTERN 43 UPGRADE TO LEONTEQ Leonteq AG (ehemalige EFG Financial Products) wurde Ende 2007 gegründet mit dem anfänglichen Geschäftszweck der Emission und dem Vertrieb von Strukturierten Produkten. Mittlerweile wird die Plattform auch externen Partnern im Rahmen der Partnership-Strategie angeboten. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, durch Transparenz und ein differenzierendes Serviceangebot den Markt für Strukturierte Produkte entscheidend mitzuprägen. Als unabhängiger Outsourcing Partner für Anlageproduktedienstleistungen sind wir einzigartig in der Branche und für die weitere Entwicklung des Marktes gut gerüstet. Leonteq AG verfügt über eines der erfahrensten Expertenteams, das sich über alle Bereiche des Unternehmens hinweg auf den Kundenservice fokussiert, unterstützt durch eine hochmoderne, integrierte IT-Infrastruktur. Mit unserer modernen und integrierten Plattform, die auf Flexibilität, Innovation, Kundenservice und Transparenz ausgerichtet ist, nehmen wir in der Schweiz eine führende Position ein. International sind wir tätig mit Schwerpunkt Europa und Asien. HABEN WIR IHR INTERESSE GEWECKT? Dann freuen wir uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen. [email protected] TERMINKALENDER 21.01.2016 LEONTEQ DAY (Anmeldung erforderlich) The Dolder Grand, Zürich 27.01.2016 CARREFOURS HEC Paris 28.01.2016 WORLDWEBFORUM (Anmeldung erforderlich) Komplex 457, Zürich 03. + 04.02.2016 FINANZ’16 (Anmeldung erforderlich) Kongresshaus Zürich, Stand V.07 03.03.2016 ABSOLVENTENTAG ZHAW Winterthur 05.03.2016 KONTAKTPARTY ETH Zürich 09.03.2016 HSG TALENTS CONFERENCE HSG St. Gallen 31.03.2016 SWISS FINTECH AWARDS (Anmeldung erforderlich) Kalanderplatz 6, Zürich 27.04.2016 IT TAG Zürich Wenn der Mensch nicht über das nachdenkt, was in ferner Zukunft liegt, wird er das schon in naher Zukunft bereuen. Konfuzius, chinesischer Philosoph Konfuzius (551-479 v. Chr.) war ein chinesischer Philosoph zur Zeit der Östlichen Zhou-Dynastie. Er galt als das Sinnbild des weisen und des vorbildhaften Menschen.
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