Übernachtung nach dem Krieg, das Bunkerhotel Rebstock

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Die Geschichtswerkstatt Gallus berichtet
Historisches und Aktuelles
Ausgabe: August 2015
Wo man im Gallus 1945 übernachten konnte
Im Hochbunker in der Josbacher Straße wird am 8. Dezember 1945 das BunkerHotel eröffnet
1945, das Jahr, in dem sich Frankfurt zuerst im Krieg, dann in Frieden und Verstörung befand und langsam begann, wieder zu atmen. Menschen kamen aus der Evakuierung zurück, suchten Wohnraum, wollten
weiterreisen oder bleiben. Diejenigen, die durchgehalten hatten in der Stadt, konnten in ihrer Wohnung
bleiben, andere, die keine Wohnung mehr haben, durften noch nicht wieder in die zerstörte Stadt zurück,
in der es viel zu wenige Wohnungen gab.
Das Gebäude
Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann, dürften bereits Pläne für den Bau von Bunkern
vorhanden gewesen sein. Denn schon am 2. Dezember 1940 begann man mit den Erdarbeiten zum Bunker
in der Josbacher Straße. Am Bau arbeiteten im Jahr 1940 26 Zwangsarbeiter und 10 Kriegsgefangene. Am
1. Juli 1942 wurde er fertiggestellt. In der Denkmaltopographie Hochbunker in Frankfurt am Main werden
die Maße 24 x 12 Meter = 288 m2 genannt (Frankfurts größter Bunker ist der Bunker in der Herxheimer
Straße im Gallus mit 1000 m2 Grundfläche). Die Einzelräume boten Schutz für jeweils 12 Personen, auf
den insgesamt drei Stockwerken waren 414 Schutzplätze vorhanden. Von außen ist der Bunker zugänglich
und zeigt im Wesentlichen noch das Gesicht der Entstehungszeit. Auffällig an ihm sind der Treppenturm
im Hinterhof und der Eingang mit der Originaltür in der Josbacher Straße.
Das Hotel
Der gelernte Gastwirt Hans Oberleitner beantragte im Juni 1945 die Zuweisung einer Gaststätte oder eines Bunkers als Hotel. Oberleitner hatte als Sohn
einer jüdischen Mutter in der NS-Zeit Verfolgung und Gefängnis erduldet.
Mutter und Bruder waren durch die Verbrechen des Nazi-Regimes umgekommen. Nun machte er geltend, dass [ehemalige] Parteimitglieder keine
Lizenz mehr erhalten sollen und begründete damit seinen Vorrang.
„Es wird Ihnen ja bekannt sein, dass in Frankfurt a/M. für Reisende keinerlei
Unterkunftsmöglichkeit besteht. […] Die Unterbringung der Quartiersuchenden würde im Anfang natürlich sehr einfach und primitiv sein, aber der Unterkunft-Suchende hätte Gelegenheit sich auszuruhen, sich zu waschen u. s.
w. Ich würde auch dafür sorgen, dass kleine Erfrischungen wie Kaffee und
Wasser etc. gereicht würden. Mit der Zeit würde ich versuchen alles zu verbessern und das ‚Bunkerhotel‘ so gemütlich wie möglich zu machen.“
Im Oktober reicht er eine Bauzeichnung für die Nutzung der Räume im Erdgeschoss und der I. und II.
Etage ein. Neben einem Wirtschaftsraum mit 32,5 qm und einer Küche von 12,60 qm waren im Erdgeschoß je ein Männer und ein Frauen-Abort [Toilette] geplant. Die beiden oberen Geschosse sollten mit
insgesamt 23 Zimmern mit einer Fläche von 11,6 qm und ebenfalls jeweils Männer- und Frauen-Aborte
ausgestattet werden. „Die beiden Stockwerke sind durch sehr gute gangbare Treppen zu erreichen. Alle
Zimmer sind mit künstlicher Belichtungs- und Entlüftungsanlagen versehen.“
Am 8. Dezember 1945 konnte das Bunker-Hotel eröffnet werden. Die Frankfurter Rundschau (sie war ab
August 1945 zugelassen) schrieb: „Der Zauberberg vom Kamerun - Ein Bunker wird Hotel“ und lobte die
wohnliche Atmosphäre mit Bar, Clubsesseln, Teppichen und Radioanlage. Im Juli 1946 beantragte Oberleitner die Erweiterung und Schankerlaubnis für den Außenbereichs der Gaststätte. Da der Wirtschaftsraum für die vielen Gäste zu klein sei, schrieb er, habe er sich entschlossen, den Vorgarten auf das schönste einzurichten, um allen Gästen einen gemütlichen Aufenthalt bieten zu können.
Oberleitner hatte noch viel vor. Mit der Unterschrift Oberleitners und dem Stempel „Grand-Hotel GmbH“
reichte Architekt Fritz Meier umfangreiche Pläne zum Wiederauf- und Umbau des Hauses Taunusanlage
14 für ein Hotel mit 110 Zimmern ein. Am 8.7.1948 erteilte das Gewerbeamt der Stadt für das beschädigte
Palais eine Schankerlaubnis für Gastwirtschaft und Hotel. Aber das Hotel wurde nicht realisiert. Dort wo
Oberleitner das Grand-Hotel betreiben wollte, stehen heute die Zwillingstürme der Deutschen Bank.
1947 erschien ein „Verzeichnis sämtlicher in Betrieb befindlicher Hotels, Restaurants, Gasthöfe, Pensionen, Bunker-Hotels und Massenquartiere“ der US-Zone. Für die darin mit 420.000 Einwohnern angegebene und zu diesem Zeitpunkt als sehr zerstört bezeichnete Stadt Frankfurt werden darin folgende Hotels
genannt: Viktoria, Kaiser-, Ecke Elbestraße, Nürnberg, Moselstraße, Schumann, Taunusstraße, Hessenländchen, Taunusstraße, Pfalzburg, Wiesenhüttenplatz, Goldener Stern, Lützowstraße, Stadt München,
Ottostraße Hamburger Hof, Poststraße, das Bunker-Hotel Josbacher Straße, der Kabinenbunker, Hauptbahnhof, die Pensionen Becker und Minerva, sowie das Savoy-Hotel in der Wiesenhüttenstraße, letzteres
mit dem Hinweis: Übernachtungen nur im LS-Keller [Luftschutz-Keller]. Alle anderen Unterkünfte waren
zerstört oder nicht verfügbar.
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Hans Oberleitner betrieb das Bunkerhotel bis August 1952. Zu diesem Zeitpunkt wurde es beim Gewerbeamt abgemeldet. Später bekam es einen neuen Namen. 1962 ist es im Adressbuch als „Hotel am Rebstock“ eingetragen. Im Adressbuch 1964/65 ist es nicht mehr erwähnt.
Nachdem der Bunker seine Funktion als Hotel verloren hatte, nutzten Vereine und Musikgruppen die
Räume. Seit 2012 steht er unter Denkmalschutz in der Kategorie Einzelkulturdenkmäler. Nach dem
2.Weltkrieg waren alle Bunker in Westdeutschland Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Ihr baldiger Abriss war geplant, wurde vorerst aber nicht ausgeführt. Heute hat sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BIMA genannt, von vielen Bunkern getrennt. So wurde der Bunker im Nachbarstadtteil
Griesheim bereits 2008 an Privat verkauft. Derzeit laufen Verhandlungen zum Kauf von sechs Bunkern;
genannt werden die Bunker Eppenhainer Straße, Goldsteinstraße, Küferstraße, Lasallestraße, Petterweilstraße und nicht zuletzt der Bunker an der Friedberger Anlage, an dessen Stelle einst die Synagoge stand
und der jetzt ein Gedenk- und Veranstaltungsort ist. Viele Bunker, die der Stadt wichtig sind, wurden ihr
leider nicht angeboten.
Zeitzeugen erzählen
Irmgard Lauer-Seidelmann:
Herr Sager war Empfangschef im „Bunkerhotel“ in der Josbacher Straße. Nach dem Krieg war nämlich
der Bunker in ein Hotel umgewandelt worden. Herr Sager war auch gleichzeitig unser Garten-Nachbar in
der Kleingartenanlage Erbbau-Block an der Oeser Straße. Weil er über Personalmangel für das morgendliche Betten-Machen in seinem Hotel klagte, kam meine Mutter auf die Idee, da könne sie sich doch ein
paar Mark verdienen. Denn eigentlich durfte sie nicht arbeiten gehen, mein Vater hatte es ihr nicht erlaubt. Das durfte er damals in den 50er Jahren nach dem Gesetz noch – er war das Familienoberhaupt.
Aber vormittags war mein Vater ja nicht zu Hause, und so zwei bis drei Stunden – das war schon drin,
ohne dass er das bemerkt hätte. Besonders hat sie sich damals über die amerikanischen Gäste gefreut.
Denn das Trinkgeld war bei den Amerikanern üppiger als bei den Deutschen. Immerhin war damals der
Umrechnungskurs Dollar gegen DM 1:4. Zwei Dollar waren schon 8 DM! Ich habe sie einmal bei ihrer
Arbeit besucht. Was ich nicht verstanden habe war, dass sich Hotelgäste in so abgeschlossenen Räumen
wohlfühlen können. Mir kam sofort die Erinnerung an die Nacht, die ich 1943 einmal dort verbracht hatte.
Das war im Krieg, und viele Leute sind bei Alarm in den Bunker geströmt, um Schutz vor den Bomben zu
suchen. Meine Mutter wollte das auch einmal ausprobieren. Es war nachts, als es wieder einmal Alarm
gab. Normalerweise wären wir in den „Luftschutzkeller“ in unserem Haus gegangen. Das war der ehemalige Trockenraum für die Wäsche, der als Schutzraum für uns umfunktioniert war. Diesmal bestand meine
Mutter darauf, dass wir von unserer Wohnung – wir mussten unseren Block in der Idsteiner Straße ent-
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lang laufen, denn wir wohnten direkt an der Wörsdorfer Straße, dann ein Stück in der Lorsbacher Straße
zurücklegen und dann in die Josbacher Straße einbiegen, um in den Bunker zu kommen.
Am Eingang knäulten sich die Menschen, bis man endlich drin war. Und drinnen gab es nur eine spärliche Beleuchtung, eine „Funzel“, wie wir uns ausdrückten. Das Schlimmste war aber das Gejammer der
Leute. Man sagte: „Wenn die eine Bombe vor die Tür werfen, kommen wir hier nicht mehr heraus. Die
dicken Betonmauern kann kein Mensch mehr einreißen. Wir sind hier gefangen, haben kein Wasser, nichts
zu Essen.“ Und es wurde beschrieben, wie man ersticken kann bei der jetzt schon schlechten Luft und den
vielen Menschen im Bunker. Ich bekam Angst. „Platzangst“, wie man das wohl nennt. Meine Mutter beschloss, das Experiment „Schutz im Bunker“ nicht zu wiederholen. Künftig sind wir wieder brav in unseren hauseigenen „Luftschutzkeller“ gegangen. Dort hatte jede Familie im Haus ein Bett. Es waren Etagenbetten. Kissen und Koltern hatten wir schon vorsorglich dort deponiert – so konnte man sogar, wenn
der Alarm nachts lang andauerte, dort schlafen. Wahrscheinlich war es zwar viel gefährlicher dort unten
im ehemaligen Trockenraum des Hauses als im Bunker – aber wir hatten ein besseres Gefühl, wir waren
zu Hause.
Die Sagers haben übrigens in der Wallauer Straße 27 gewohnt. Im Adressbuch steht als Berufsbezeichnung „Empfangschef“.
Ingeborg Rueda
Wenn es Bombenalarm gab, nahmen meine Mutter und ich unser Bündel und rannten zum Bunker.
Im Bunker war es schrecklich eng und voll. In dem Raum gab es Stockbetten. Man saß meist auf den
Betten. Im Bunker fühlten wir uns sicherer als im Keller. Manchmal, wenn zwischen Vor- und Hauptalarm
wenig Zeit blieb, war keine Zeit mehr, in den Bunker zu gehen, dann gingen wir in unseren
Luftschutzkeller. Ich war damals 13 Jahre alt. Bald darauf wurden wir Kinder evakuiert. Ich kam mit
Kindern meiner Klasse nach Übernthal.
Emilio Rueda-Sanchez
Als ich 25 Jahre alt war, verließ ich Spanien und ging im Oktober 1960 nach Deutschland. Ein Bekannter
aus meinem Dorf hatte mir ein Zimmer im Bunker-Hotel besorgt. Es war nicht schlecht dort, ganz
angenehm sogar, nur gab es leider kein Fenster. Ich glaube, es hat 7 Mark gekostet. Am nächsten Tag
habe ich mich bei der Bahn vorgestellt. Mein Bekannter ist mit mir gegangen. Dann habe ich ein Zimmer
in einem Eisenbahner Wohnheim in der Mammolshainer Straße bekommen.
Als Kind bin ich häufig am Bunkerhotel vorbeigekommen. In meiner – vermutlich falschen – Erinnerung
stand draußen vor dem Eingang in der Eppenhainer Straße ein Mann, prächtig gekleidet in eine Uniform
mit goldenen Knöpfen und einer breiten Kappe. Der Portier hat mich als Kind sehr beeindruckt.
Renate Ullrich
Abbildungen
S.1 Postkarte, Radioecke des Aufenthaltsraumes im Bunker-Hotel Frankfurt Main, Josbacher Straße, Inh. Hans Oberleitner, Sammlung Renate Ullrich; S. 2 ISG W2/2-43 Konzessionen N-O; S. 3 Postkarte, um 1960, Fritz Brieke Söhne, Rechtelage ungeklärt, Bildbestand Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt.
Quellen
Hampel, Andrea: Denkmaltopographie: Hochbunker in Frankfurt am Main, Frankfurt 2012
Hrsg: Werbekunst Göttingen-Lenglern: Wo übernachte ich? Ausgabe US-Zone, Göttingen 1947
ISG Akten W2/2-43 Hotel- und Gaststättenvereinigung, Konzessionen N-O, Laufzeit: 1945-1952;ISG Wirtschafts-Archiv, Gewerberegister-Karteikarten: Oberleitner / Bunker-Hotel/ Grand-Hotel
Frankfurter Rundschau 7.12.1945
Herausgeber: Geschichtswerkstatt Gallus, Frankenallee 166, 60326 Frankfurt.
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