K U N S T- B U N K E R Leben mit Stil: neben dem Messingkamin ein Flexform-Sofa, darüber ein Bild von Amir Fattal. Die Leuchte ist von Pierre Guariche, der Stuhl Vintage (r.). Der Natursteinboden ist in Parkettoptik verlegt 18 Foto: Christine Bauer ARCHITEKTUR Moderne im Bunker Immobilien sind sein Geschäft. Auch privat sucht Unternehmer Stefan F. Höglmaier das Besondere. In München hat er einen Bau aus der NS-Zeit zur Stilikone umgestaltet 19 ARCHITEKTUR K U N S T- B U N K E R Fotos: Hiepler Brunier für Euroboden, Elias Hassos Belebte Architektur: Eine Wendeltreppe verbindet die Etagen. Im Musik- und Wohnzimmer dominiert Schwarz-Weiß Fotos: Christine Bauer F ensterlos, grau und abweisend stand er da. Ein jahrzehntelang verlassenes Relikt. Der Luftschutzbunker in München Nord-Schwabing war ein hässlicher Zeuge aus der Zeit der Nationalsozialisten, unbewohnbar und unverrückbar. Dabei liegt der alte Betonkoloss aus dem Jahr 1943 zentral und fast im Grünen. Gegenüber sprießen Bäume am Nordfriedhof, der Englische Garten ist nur ein paar Schritte entfernt. Von oben eröffnet sich dem Besucher ein unverbaubarer Blick auf ganz München – von der Frauenkirche und den Alpen im Süden bis zur Allianz-Arena im Norden. Stefan F. Höglmaier erkannte das Potenzial des BauUngetüms sofort. Der erfahrene Immobilienentwickler hat einen Blick für außergewöhnliche Architektur. Der heute 41-Jährige besitzt genügend Fantasie, sich vorzustellen, wie man aus einem verwitterten Betonbau, der zudem unter Denkmalschutz steht, eine elegante Wohnskulptur schafft. Und er hat das richtige Händchen dafür, diesen Traum auch in die Wirklichkeit umzusetzen. In dem Fall zündete seine Idee bei einem Abendessen mit einem Freund. Der ist Architekt und schreckte ebenso wenig wie Höglmaier vor einem Umbau meterdicker Betonwände zurück. Noch am selben Abend kritzelte Tim Sittmann-Haury vom Starnberger Büro raumstation erste Entwürfe auf eine Serviette. Auf jeder Etage sollte in jeder Himmelsrichtung jeweils ein Fenster entstehen. Mit einer Raumhöhe von 2,50 Meter war das Gebäude per se als Wohnraum geeignet. Der Rest ist inzwischen Baugeschichte. Man reichte bei der Denkmalbehörde ein Nutzungskonzept ein. Unter mehr als 30 Bewerbern erhielt Stefan F. Höglmaiers Firma Euroboden vom Bund den Zuschlag. Vier Jahre später und rund 2000 Tonnen leichter ist der Münchner Betonbau an der Ungererstraße eine Bau- und Stilikone: Er ist Deutschlands einziger denkmalgeschützter Bunker, in FOCUS-SPEZIAL ARCHITEKTUR SINNLICH MACHEN will Bau- und Hausherr Stefan F. Höglmaier. Er lebt mit Partner und Hund im Bunker BLICK IN DEN KUNSTRAUM „BNKR“ im Bunker. Hier sind Ausstellungen über Kunst und Architektur zu sehen, etwa Fotos von Armin Linke (u.): bnkr.space dessen Innerem man wohnen kann. In die oberen drei Etagen ist der Bauherr gleich selbst eingezogen. Jede Etage für sich ist schon ein Unikat. Wer den Bunker betritt, ist überrascht, wie behaglich und modern der raue Chic des unverputzten Betons in den großzügigen Räumen wirkt. Die Mischung aus authentischen Spuren der Geschichte und moderner Ausstattung stimmt. Die ungewöhnlich tiefen Fensternischen bieten viel Licht. Man kann sie wie eine Loggia als zusätzliches kleines Zimmer in den Wohnungen nutzen. Unter dem schmeichelnden Eichenholzparkett wärmt eine Fußbodenheizung. Die Dielen korrespondieren perfekt mit der originalen Deckenschalung aus Beton. Die Bodenstruktur spiegelt das Linienmuster der Decke. In umlaufenden Simsen sind Kabel und Leitungen verborgen. Sie sind weiß. Ebenso die Wände. „Architekturkultur“ nennt Stefan F. Höglmaier seine Philosophie. „Ein Gebäude muss eine eigene Identität haben“, glaubt er. „Das macht eine Immobilie langfristig begehrlich und lebenswert.“ Konsequent umgesetzt hat er sein Motto auch in seinen Privaträumen. Bis ins Detail plante er zusammen mit seinem Lebenspartner Oscar Loya, einem Musiker, Singer und Songwriter, seine privaten vier Wände. Dass dabei Innenarchitektin Regina Hoefter und das Architektenteam von raumstation beratend zur Seite standen, macht das dreigeschossige Apartment zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk. Jede der drei Etagen gibt ein unterschiedliches Stimmungsbild wieder. Während im lichtdurchfluteten Penthouse des oberen Stockwerks mit Rundumglas ein Stil zwischen amerikanischem Midcentury Modern und RetroChic dominiert, ist die Etage darunter fast dramatisch schwarz-weiß durchkomponiert: Am Flügel gibt Oscar Loya dort zuweilen Haus- Ein Gebäude muss ein Unikat sein – der Bunker ist eins 21 Diner mit Weitblick: Corian-Esstisch mit Lüster von Lindsey Adelman aus New York und Platner-Stühlen (Knoll) Fotos: Hiepler Brunier für Euroboden (2), VG Bild-Kunst 2016 K U N S T- B U N K E R Foto: Christine Bauer ARCHITEKTUR konzerte für Freunde, die sich auf den Sitzelementen des Roche-Bobois-Sofas entspannen können. Die Bezugsstoffe der Mah-Jong-Sitzecke hat JeanPaul Gaultier entworfen. Blickfang der Etage ist eine spektakuläre weiße Wendeltreppe, die durch die meterdicke Betondecke des Gebäudes in die zusätzlich aufgestockte Etage führt. Für die Öffnung mussten die Arbeiter einen Kreis mit einem Durchmesser von drei Metern heraussägen. Allein er wog 35 Tonnen und wurde daher scheibenweise abtransportiert. Sanfte Farben und textile Opulenz finden sich in der untersten der drei Wohnetagen mit den privaten Schlafräumen. Stilelemente wie ein großzügiges maßgefertigtes Ankleidezimmer und die frei stehende Badewanne am Fenster hat Stefan F. Höglmaier schon Jahre zuvor in einigen seiner Immobilienprojekte propagiert – lange bevor sich der Trend dazu durchsetzte. Ein Stück Avantgarde, wie etwa messinggolden glänzende Vola-Armaturen in den Bädern, gehört dazu. Die Stilkomposition zieht sich auf den 400 Quadratmetern seines privaten Reichs durch alle Räume, vom maßgefertigten Bett, dessen stoffgepolstertes Kopfteil zur Struktur der Tapete dahinter passt, über die unikaten Lüster und Leuchter, die das Paar von ParisReisen mitbrachte, bis zum Natursteinboden in der Penthouse-Etage: Inspiriert von einer alten Technik, nach der in Schlössern Parkett verlegt wurde, fügen sich die gemaserten kleinen Quadrate des grauen Steins diagonal zusammen. So wirkt der Boden je nach Lichteinfall immer wieder anders und sehr lebendig. An Details wie diesen wird deutlich, wie sich Stefan F. Höglmaier in die jeweilige Planung seiner Projekte vertieft, so lange eben, „bis die Wohnung sitzt wie ein Maßanzug“. Mit Kunstwerken gibt das Paar seinen Wänden eine unverwechselbar individuelle Note. Im Schlafzimmer hängt ein Aquarell von Rainer Fetting, im Musikzimmer setzen Werke von Dash Snow Akzente, neben dem Kamin zieht ein abstraktes Kunstwerk des in Berlin lebenden IsFOCUS-SPEZIAL Die Wand im Treppenhaus gestaltete Ernst Alexander Voigt. Die rohe Betonoptik blieb erhalten Der Bunker heute: Unter den Wohnungen liegt eine Galerie. Die rote Skulptur ist von Tony Cragg raelis Amir Fattal die Blicke auf sich. Besonderen Gästen zeigt Stefan F. Höglmaier eine besondere Installation im Treppenhaus des obersten Stockwerks: Dort ist vor Betonwänden eine Malmaschine von Rebecca Horn zu sehen. Wer sie einschaltet, wird Augenzeuge eines kreativen Malprozesses, der ganz ohne Künstlerhand entsteht. „Ich bin ein Freigeist bei meinen Projekten“, erklärt Höglmaier. „Kunst inspiriert mich.“ Architekten aber ebenso. In München entwickelt er gerade Wohnungen zusammen mit dem in Tansania geborenen Briten David Adjaye, der für seine radikalen Entwürfe weltberühmt ist. In Berlin hat er bereits mit dem Trendsetter Jürgen Mayer H. ein stylisches Wohnhaus in der City realisiert. Neue Wohnprojekte in beiden Städten folgen. Die Architekten David Chipperfield und Thomas Kröger werden in München mitwirken. In der Isar-Metropole hat Stefan F. Höglmaier drei der sieben Etagen seines Bunkers als Lofts mit jeweils 120 Quadratmeter Wohnfläche inzwischen vermietet, die beiden unteren Etagen bieten Platz für Büros und einen Kunstraum. Dort bietet der Hausherr neugierigen Besuchern nicht nur einen Eindruck von seinem umgebauten Bunker-Kunstwerk. Er zeigt unter dem neuen Label BNKR auch wechselnde Ausstellungen. Das Thema kreist stets um Architektur und Kunst. Am Eingang erinnert eine Dokumentation an die Baugeschichte des Bunkers. In Fotos und Texten wird erklärt, wie der 1943 entstandene Luftschutzraum in den 80er-Jahren zum ABC-Bunker mit Filteranlagen gegen atomare, biologische und chemische Waffen umgerüstet wurde. Und wie er sich schließlich zum eleganten Wohnturm wandelte. So bleibt der Bunker auch heute noch ein Baudenkmal, das zum Nachdenken über deutsche Geschichte anregt. Vor der Tür steht Tony Craggs rote Skulptur „Discussion“ – eben diese findet dahinter statt. Weder Zaun noch Hecke vor dem Eingang grenzen das Privatgrundstück vom Bürgersteig ab. Schwellenangst soll hier gar nicht erst aufkommen. ■ Eine Wohnung muss sitzen wie ein Maßanzug – perfekt GABI CZÖPPAN 23
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