03/2016 Focus Spezial Immobilienkompass 2016 Moderne im Bunker

K U N S T- B U N K E R
Leben mit Stil: neben dem Messingkamin ein
Flexform-Sofa, darüber ein Bild von Amir Fattal. Die
Leuchte ist von Pierre Guariche, der Stuhl Vintage
(r.). Der Natursteinboden ist in Parkettoptik verlegt
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Foto: Christine Bauer
ARCHITEKTUR
Moderne
im Bunker
Immobilien sind sein Geschäft. Auch privat sucht Unternehmer
Stefan F. Höglmaier das Besondere. In München hat er einen Bau
aus der NS-Zeit zur Stilikone umgestaltet
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ARCHITEKTUR
K U N S T- B U N K E R
Fotos: Hiepler Brunier für Euroboden, Elias Hassos
Belebte Architektur: Eine Wendeltreppe
verbindet die Etagen. Im Musik- und
Wohnzimmer dominiert Schwarz-Weiß
Fotos: Christine Bauer
F
ensterlos, grau und
abweisend stand er
da. Ein jahrzehntelang verlassenes
Relikt. Der Luftschutzbunker in München
Nord-Schwabing war ein
hässlicher Zeuge aus der Zeit
der Nationalsozialisten, unbewohnbar und unverrückbar. Dabei liegt der alte Betonkoloss aus dem Jahr 1943
zentral und fast im Grünen.
Gegenüber sprießen Bäume
am Nordfriedhof, der Englische Garten ist nur ein paar
Schritte entfernt. Von oben
eröffnet sich dem Besucher
ein unverbaubarer Blick auf
ganz München – von der
Frauenkirche und den Alpen im Süden bis zur Allianz-Arena im Norden. Stefan F. Höglmaier erkannte
das Potenzial des BauUngetüms sofort. Der erfahrene Immobilienentwickler hat einen Blick für außergewöhnliche Architektur. Der heute
41-Jährige besitzt genügend Fantasie,
sich vorzustellen, wie man aus einem
verwitterten Betonbau, der zudem unter Denkmalschutz steht, eine elegante
Wohnskulptur schafft. Und er hat das
richtige Händchen dafür, diesen Traum
auch in die Wirklichkeit umzusetzen.
In dem Fall zündete seine Idee bei
einem Abendessen mit einem Freund.
Der ist Architekt und schreckte ebenso
wenig wie Höglmaier vor einem Umbau meterdicker Betonwände zurück.
Noch am selben Abend kritzelte Tim
Sittmann-Haury vom Starnberger Büro
raumstation erste Entwürfe auf eine Serviette. Auf jeder Etage sollte in jeder
Himmelsrichtung jeweils ein Fenster
entstehen. Mit einer Raumhöhe von
2,50 Meter war das Gebäude per se als
Wohnraum geeignet.
Der Rest ist inzwischen Baugeschichte.
Man reichte bei der Denkmalbehörde
ein Nutzungskonzept ein. Unter mehr
als 30 Bewerbern erhielt Stefan F. Höglmaiers Firma Euroboden vom Bund den
Zuschlag. Vier Jahre später und rund
2000 Tonnen leichter ist der Münchner
Betonbau an der Ungererstraße eine
Bau- und Stilikone: Er ist Deutschlands
einziger denkmalgeschützter Bunker, in
FOCUS-SPEZIAL
ARCHITEKTUR SINNLICH MACHEN will
Bau- und Hausherr Stefan F. Höglmaier.
Er lebt mit Partner und Hund im Bunker
BLICK IN DEN KUNSTRAUM „BNKR“ im
Bunker. Hier sind Ausstellungen über
Kunst und Architektur zu sehen, etwa
Fotos von Armin Linke (u.): bnkr.space
dessen Innerem man wohnen kann. In die oberen
drei Etagen ist der Bauherr
gleich selbst eingezogen.
Jede Etage für sich ist
schon ein Unikat. Wer den
Bunker betritt, ist überrascht, wie behaglich und
modern der raue Chic des
unverputzten Betons in
den großzügigen Räumen
wirkt. Die Mischung aus
authentischen Spuren der
Geschichte und moderner
Ausstattung stimmt. Die
ungewöhnlich tiefen Fensternischen bieten viel Licht.
Man kann sie wie eine Loggia als zusätzliches kleines
Zimmer in den Wohnungen
nutzen. Unter dem schmeichelnden Eichenholzparkett
wärmt eine Fußbodenheizung. Die Dielen korrespondieren perfekt mit der originalen Deckenschalung aus Beton. Die
Bodenstruktur spiegelt das Linienmuster der Decke. In umlaufenden Simsen
sind Kabel und Leitungen verborgen.
Sie sind weiß. Ebenso die Wände.
„Architekturkultur“ nennt Stefan
F. Höglmaier seine Philosophie. „Ein
Gebäude muss eine eigene Identität
haben“, glaubt er. „Das macht eine
Immobilie langfristig begehrlich und
lebenswert.“ Konsequent umgesetzt hat
er sein Motto auch in seinen Privaträumen. Bis ins Detail plante er zusammen
mit seinem Lebenspartner Oscar Loya,
einem Musiker, Singer und Songwriter,
seine privaten vier Wände. Dass dabei
Innenarchitektin Regina Hoefter und
das Architektenteam von raumstation
beratend zur Seite standen, macht das
dreigeschossige Apartment zu einem
harmonischen Gesamtkunstwerk.
Jede der drei Etagen gibt ein unterschiedliches Stimmungsbild wieder.
Während im lichtdurchfluteten Penthouse des oberen Stockwerks
mit Rundumglas ein Stil zwischen amerikanischem Midcentury Modern und RetroChic dominiert, ist die Etage
darunter fast dramatisch
schwarz-weiß durchkomponiert: Am Flügel gibt Oscar
Loya dort zuweilen Haus-
Ein Gebäude
muss ein
Unikat sein –
der Bunker
ist eins
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Diner mit Weitblick: Corian-Esstisch
mit Lüster von Lindsey Adelman aus
New York und Platner-Stühlen (Knoll)
Fotos: Hiepler Brunier für Euroboden (2), VG Bild-Kunst 2016
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Foto: Christine Bauer
ARCHITEKTUR
konzerte für Freunde, die sich
auf den Sitzelementen des
Roche-Bobois-Sofas entspannen
können. Die Bezugsstoffe der
Mah-Jong-Sitzecke hat JeanPaul Gaultier entworfen. Blickfang der Etage ist eine spektakuläre weiße Wendeltreppe, die
durch die meterdicke Betondecke des Gebäudes in die zusätzlich aufgestockte Etage führt.
Für die Öffnung mussten die
Arbeiter einen Kreis mit einem
Durchmesser von drei Metern
heraussägen. Allein er wog 35
Tonnen und wurde daher scheibenweise abtransportiert.
Sanfte Farben und textile Opulenz
finden sich in der untersten der drei
Wohnetagen mit den privaten Schlafräumen. Stilelemente wie ein großzügiges maßgefertigtes Ankleidezimmer
und die frei stehende Badewanne am
Fenster hat Stefan F. Höglmaier schon
Jahre zuvor in einigen seiner Immobilienprojekte propagiert – lange bevor sich
der Trend dazu durchsetzte. Ein Stück
Avantgarde, wie etwa messinggolden
glänzende Vola-Armaturen in den Bädern, gehört dazu.
Die Stilkomposition zieht sich auf den
400 Quadratmetern seines privaten
Reichs durch alle Räume, vom maßgefertigten Bett, dessen stoffgepolstertes Kopfteil zur Struktur der Tapete dahinter passt, über die unikaten Lüster
und Leuchter, die das Paar von ParisReisen mitbrachte, bis zum Natursteinboden in der Penthouse-Etage: Inspiriert von einer alten Technik, nach der
in Schlössern Parkett verlegt wurde,
fügen sich die gemaserten kleinen Quadrate des grauen Steins diagonal zusammen. So wirkt der Boden je nach
Lichteinfall immer wieder anders und
sehr lebendig.
An Details wie diesen wird deutlich,
wie sich Stefan F. Höglmaier in die jeweilige Planung seiner Projekte vertieft,
so lange eben, „bis die Wohnung sitzt
wie ein Maßanzug“. Mit Kunstwerken
gibt das Paar seinen Wänden eine unverwechselbar individuelle Note. Im
Schlafzimmer hängt ein Aquarell von
Rainer Fetting, im Musikzimmer setzen Werke von Dash Snow Akzente,
neben dem Kamin zieht ein abstraktes
Kunstwerk des in Berlin lebenden IsFOCUS-SPEZIAL
Die Wand im Treppenhaus gestaltete Ernst Alexander Voigt. Die
rohe Betonoptik blieb erhalten
Der Bunker heute: Unter den
Wohnungen liegt eine Galerie. Die
rote Skulptur ist von Tony Cragg
raelis Amir Fattal die Blicke auf sich.
Besonderen Gästen zeigt Stefan F. Höglmaier eine besondere Installation im
Treppenhaus des obersten Stockwerks:
Dort ist vor Betonwänden eine Malmaschine von Rebecca Horn zu sehen. Wer
sie einschaltet, wird Augenzeuge eines
kreativen Malprozesses, der ganz ohne
Künstlerhand entsteht. „Ich bin ein Freigeist bei meinen Projekten“, erklärt
Höglmaier. „Kunst inspiriert mich.“
Architekten aber ebenso. In München
entwickelt er gerade Wohnungen zusammen mit dem in Tansania geborenen Briten David Adjaye, der für seine
radikalen Entwürfe weltberühmt ist. In
Berlin hat er bereits mit dem Trendsetter Jürgen Mayer H. ein stylisches
Wohnhaus in der City realisiert. Neue
Wohnprojekte in beiden Städten folgen.
Die Architekten David Chipperfield und
Thomas Kröger werden in München
mitwirken.
In der Isar-Metropole hat Stefan F.
Höglmaier drei der sieben Etagen seines
Bunkers als Lofts mit jeweils 120 Quadratmeter Wohnfläche inzwischen vermietet, die beiden unteren Etagen bieten
Platz für Büros und einen Kunstraum.
Dort bietet der Hausherr neugierigen
Besuchern nicht nur einen Eindruck von
seinem umgebauten Bunker-Kunstwerk.
Er zeigt unter dem neuen Label BNKR
auch wechselnde Ausstellungen.
Das Thema kreist stets um Architektur
und Kunst. Am Eingang erinnert eine
Dokumentation an die Baugeschichte
des Bunkers. In Fotos und Texten wird
erklärt, wie der 1943 entstandene Luftschutzraum in den 80er-Jahren zum
ABC-Bunker mit Filteranlagen gegen
atomare, biologische und chemische
Waffen umgerüstet wurde. Und wie er
sich schließlich zum eleganten Wohnturm wandelte. So bleibt der Bunker
auch heute noch ein Baudenkmal, das
zum Nachdenken über deutsche Geschichte anregt. Vor der Tür steht Tony
Craggs rote Skulptur „Discussion“ –
eben diese findet dahinter statt. Weder
Zaun noch Hecke vor dem Eingang
grenzen das Privatgrundstück vom Bürgersteig
ab. Schwellenangst soll
hier gar nicht erst aufkommen.
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Eine Wohnung
muss sitzen wie
ein Maßanzug –
perfekt
GABI CZÖPPAN
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