Nutzung medizinischer Daten: Herausforderungen für den

Institut für Medizinische Biometrie,
Epidemiologie und Informatik
Nutzung medizinischer Daten:
Herausforderung für den Datenschutz?
Prof. Dr. Klaus Pommerening
IMBEI, Universitätsmedizin Mainz
Berlin, 27. November 2015
Institut für Medizinische Biometrie,
Epidemiologie und Informatik
Patient-ArztVerhältnis
[Primärnutzung / Behandlungskontext]
Datenschutzrecht / Zweckbindung
[Sekundärnutzung intern / Forschungskontext]
Zweckänderung erlaubt, wenn
- anonyme Daten oder
- Einwilligung oder
- spezialgesetzliche Regelung* oder
- Forschungsklausel anwendbar
z.B. klinische Forschung,
Versorgungsforschung
Strafrecht / Ärztliche Schweigepflicht
[Sekundärnutzung extern / Forschungskontext]
Zweckänderung und Export erlaubt, wenn
- anonyme Daten oder
- Einwilligung (Schweigepflichtentbindung) oder
- spezialgesetzliche Regelung** anwendbar
* insbesondere Landeskrankenhausgesetze
** z. B. Krebsregistergesetze
z.B. Register/
epidemiologische Forschung
Probleme und Lösungen
Institut für Medizinische Biometrie,
Epidemiologie und Informatik
Verhindert der Datenschutz die medizinische Forschung?
• Die schlechte Nachricht: Zusätzliche Arbeit ist nötig.
• Die gute Nachricht: Vieles ist bereits vorgedacht und konzipiert.
• Kein neues Rad erfinden: Vorarbeiten nutzen, Infrastruktur gemeinsam
aufbauen, dann auf inhaltliche Probleme der Forschung konzentrieren
• TMF: nachhaltige Infrastrukturmaßnahme, angestoßen durch das BMBF
• viele Ergebnisse, die genutzt werden können
• einige Baustellen, wo weiter gearbeitet werden muss
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Epidemiologie und Informatik
Allgemeine Ansätze zur datenschutzgerechten
Gestaltung medizinischer Forschung
• Erforderlichkeit und Angemessenheit klar definieren
• Verhältnismäßigkeit (oft Abwägung nötig)
• geregelte Organisation
• rechtlich tragfähige vertragliche Regelungen (mangels „Forschungsgeheimnis“)
• Transparenz, Aufklärung, Einwilligung
• informationelle Gewaltenteilung
• Anonymisierung und Pseudonymisierung
• Kontrolle der Nutzung (z. B. Public Use, Scientific Use)
• IT-Sicherheit
Public Use von Forschungsdaten
• Herausgabe von Daten zum freien Gebrauch
• Grenzen, wo Persönlichkeitsrechte berührt werden
• wirksame Anonymisierung obligatorisch
• mit medizinischen Daten kaum sinnvoll möglich:
• Hochdimensionale Daten implizieren hohes Reidentifizierungsrisiko.
• Vergröberung (zur Anonymisierung) beschädigt Nutzbarkeit.
• Anonymisierung muss auch künftige Entwicklungen berücksichtigen
(z. B. schlecht geschützte Daten aus Gesundheits-Apps).
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Epidemiologie und Informatik
Scientific Use von Forschungsdaten
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Epidemiologie und Informatik
• Herausgabe mit vertraglicher Vereinbarung, die Aufbewahrung oder
Weiterverwendung ausschließt
• Kontrolle bleibt beim „Datenbesitzer“.
• Herausgabe mit zusätzlichem Anonymisierungs- oder
Pseudonymisierungsschritt (Exportpseudonym ≠ Speicherpseudonym)
• Alternative: Recherche-Aufträge durch interne Mitarbeiter ausführen,
nur Ergebnisse herausgeben
Musterhaft: Regelungen der Forschungsdatenzentren der statistischen
Ämter des Bundes und der Länder. Siehe
http://www.forschungsdatenzentrum.de/datenzugang.asp
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Projektplanung zur Nutzung medizinischer Daten
In der Frühphase spezifizieren:
• Datenmodell (grob)
• Datenprozesse (z. B. Datenintegrationszentrum)
Zusatzaufwand für das Datenschutzkonzept: Erforderlichkeit begründen
für Verwendung von
• personenbezogenen Daten
• ( (nur) Behandlungskontext)
• pseudonymen Daten
• Zusammenführung aus verschiedenen Quellen, Follow-Up,
evtl. Datenqualitätssicherung
Sonst anonymisieren!
Pseudonymisierung von Forschungsdaten
MDAT (= medizinische Daten)
Datenquelle
mit „Ticket“ vorbeileiten
oder verschlüsselt durchleiten
IDAT
Externe Nutzung
oder
zentrale
Datenbank
Treuhänder
Pseudonym
Datenleck
L85FD23S
...
Maier, Johannes
Maier, Josef
Maier, Jupp
...
...
6AZCB661
KY2P96WA
L85FD23S
...
Treuhändermodell bei übergreifenden Projekten oft nötig
Sonst: Pseudonymisierung an der Quelle
Angreifer
Was gibt es schon?
• Analyse der rechtlichen Situation bei der Sekundärnutzung
• „generische“ Datenschutzkonzepte („Leitfaden“)
• Hilfen zur Erstellung von Einwilligungserklärungen
• Musterverträge und -dokumente
• IT-Werkzeuge zur Pseudonymisierung und Anonymisierung
• Unterstützungsangebot der TMF
Cave:
• Nicht alles, was man brauchen könnte, gibt es schon.
• Templates ersetzen nicht die eigene konzeptionelle Arbeit.
http://www.tmf-ev.de/
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Bestandteile der Infrastruktur
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• Musterkonzepte und Musterlösungen
• Software und Systemkomponenten
• Beispiellösungen (frei verfügbar, anzupassen):
MOSAIC (Greifswald) mit Schwerpunkt Epidemiologie
OSSE (Mainz) für seltene Erkrankungen
• Werkzeuge , z. B. zur Anonymisierung
• zentrale IT-Dienste
• z. B. Datentreuhänderdienst („Identitätsmanagement“) mit Aufbewahrung des
Personenbezugs, Pseudonymverwaltung einschließlich „Umpseudonymisierung“
für verschiedene kooperierende
Datensammlungen/Register/Studiendatenbanken,
Datenzugang über ein Datenintegrationszentrum
http://mosaic-greifswald.de/
http://www.unimedizin-mainz.de/imbei/informatik/ag-verbundforschung/osse.html
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Rechtsgutachten zur Sekundärnutzung
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Publikation in der TMF-Schriftenreihe
Übersicht über die komplexe rechtliche Situation und das
Zusammenwirken verschiedener Rechtsrahmen:
• Bundes- und Landesgesetze
• Krankenhausgesetze
• Datenschutzgesetze
• Forschungsklauseln
• Tragweite von Einwilligungserklärungen
•…
Ergänzendes Online-Tool zur Zusammenstellung der im Einzelfall
relevanten Vorschriften
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Leitfaden zum Datenschutz
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• Publikation in der TMF-Schriftenreihe
• Das Konzept ist flexibel genug, um angemessenen Spielraum bei der
Implementierung verschiedener Szenarien zu lassen.
Es ist kein Königsweg, aber eine entscheidende Hilfe im Sinne einer
Best-Practice-Anleitung.
Die 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27.
und 28. März 2014 in Hamburg empfiehlt medizinischen Forschungseinrichtungen
und Forschungsverbünden, den von der TMF entwickelten „Leitfaden zum
Datenschutz in medizinischen Forschungsprojekten […]“ als Basis zu nehmen für die
konkrete Ausgestaltung ihrer Datenschutzkonzepte.
Offene Baustellen
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• Konzepte für neue Situationen
• z. B. Datenintegrationszentrum
• Identifizierung von Situationen, Anwendungsfällen, Problemen,
die von bisherigen Lösungen nicht erfasst werden
• direkt nutzbare Musterlösungen, z. B. zu Verhältnismäßigkeitsabwägungen
• Weiterentwicklungsbedarf von Werkzeugen
• und systematische Evaluation (z. B. für Anonymisierungswerkzeuge)
• Integration der Werkzeuge in vorhandene IT-Landschaften
• s. a. jährlicher IT-Report der TMF
• Etablierung von standardisierten Diensten als problemlos nutzbare
Infrastruktur („Betreibermodell“)
• z. B. ein Datentreuhänderdienst
• Künftige Folgen der EU-Datenschutzverordnung?
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Fazit
• Zur datenschutzgerechten Nutzung medizinischer Daten gibt es
Vorarbeiten (Konzeption, Infrastrukturkomponenten), die nutzbar
sind.
• Um die reibungsarme Nutzung großer Datenmengen über
Datenintegrationszentren zu etablieren, gibt es substanziellen
Weiterentwicklungsbedarf, auch im Bereich des Datenschutzes.
• Hierzu werden Medizininformatiker mit gründlichem Know-How in
Datenschutz und IT-Sicherheit benötigt.