SCHREIBWERKSTATT – ESSAYS FIONA SCHLESIGER 23. April 2015 Das ABC-Modell nach Albert Ellis Der vorliegende Text „Das A-B-C Modell nach Albert Ellis“, welcher sich der Persönlichkeitspsychologie und dem Paradigma des Kognitivismus zuordnen lässt, wurde von Albert Ellis geschrieben und auf der Internetseite der UTB GmbH (https://studium.utb.de) veröffentlicht. Der Kognitivist Ellis thematisiert in seinem Text, warum Menschen in einer spezifischen Situation unterschiedliche Denk- und Verhaltensweisen zeigen. Dieses Phänomen erklärt er anhand des sogenannten ABC-Modells. Dieses Modell wird auch „Triadische[s] Modell“ (Z. 49) genannt und setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Der Buchstabe A steht für „activating event“ (kurz: action) und bezeichnet die Situation, welche für alle gleich ist. Diese Situation kann sowohl real sein, als auch lediglich in den Gedanken vorstellt, da das Auslösen von Gefühlen nicht davon abhängt, ob die Situation gegenwärtig ist oder nur eingebildet. Die Abkürzung C steht für „consequences“ und beschreibt, wie sich der Einzelne in der Situation verhält oder wie es dem Einzelnen geht (vgl. Z. 33ff.). Das Element zwischen A und B, also der Zusammenhang zwischen Situation und Konsequenzen, wird als „belief system“(kurz: beliefs) oder auf Deutsch als „Glaubensüberzeugungen“ (Z. 67) bezeichnet. Es wird etwas geglaubt, was in dieser Situation nicht mit der Realität übereinstimmt, aber „dieser Glaube ist so stark, dass die Person absolut davon überzeugt ist“ (Z. 70f.). Durch das ABC-Modell wird deutlich, dass unsere Überzeugungen, welche auf Erfahrungen und bisheriger Entwicklung basieren, maßgeblich beeinflussen, wie wir handeln und was wir wahrnehmen. Die Persönlichkeitsauffassung von Albert Ellis lässt sich anhand des ABC-Modells herleiten. Seiner Auffassung nach resultieren das Verhalten und Handeln des Menschen aus dessen Denkprozessen, bzw. Glaubensüberzeugungen, welche eine erhebliche Beeinflussung ausüben. Dabei stützen sich diese Gedanken „auf unsere bisherige Entwicklung, unsere Prägungen und Erfahrungen“ (Z. 59f.). Daraus lässt sich folgern, dass auch die Umwelt und die Vergangenheit des Menschen Einfluss auf dessen Persönlichkeit ausüben. Zur weiteren Erklärung des ABC-Modells ist die Rolle der Glaubenssätze von Bedeutung. Zuerst einmal lässt sich sagen, dass der Mensch bereits Erlebtes sehr stark verallgemeinert und diese Erfahrungen auf jegliche Situationen, welche ihm ähnlich erscheinen, überträgt. Des Weiteren neigen Menschen dazu, sich zu viele Gedanken zu machen. Dadurch reden sie sich Dinge ein, die nicht der Realität entsprechen oder Kleinigkeiten werden überinterpretiert. So werden entweder negative oder positive Gefühle hervorgerufen. Außerdem stützen Menschen ihre Gedanken auf die Erfahrungen anderer. Meistens ignoriert der Mensch das Positive, da hauptsächlich die negativen Aspekte wahrgenommen werden. Seine Überzeugungen lässt sich der Mensch meist nicht mehr von anderen Personen beeinflussen oder ändern, da er so von seinen Gedanken überzeugt ist, dass er deren Richtigkeit nicht bezweifelt. Diese Persönlichkeitstheorie lässt sich dem Paradigma des Kognitivismus zuordnen. Seite 1 von 4 SCHREIBWERKSTATT – ESSAYS FIONA SCHLESIGER 23. April 2015 Der Kognitivismus, dessen Hauptvertreter Albert Bandura, Albert Ellis, Walter Mischel, Edward C. Tolman und Jean Piaget sind, fokussiert sich auf kognitive Prozesse und sieht den Menschen als aktives, informationsverarbeitendes Wesen an. Zu den Prozessen der Informationsverarbeitung, welche in der „Black Box“ stattfinden, gehören die Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen, sowie deren Einordnung, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung. Dies stellt die Grundlage für die Entwicklung und das Handeln des Individuums dar. Zudem ist der Mensch vernunftbegabt und kann neue Informationen mit seinen zuvor entwickelten Vorstellungen vergleichen und bewerten. Dadurch werden aktiv Entscheidungen getroffen, d.h. der Mensch ist rational. Desweiteren sind zwischen dem Menschen und seiner Umwelt stetig Wechselwirkungen vorhanden, d.h. zwischen Mensch und Umwelt findet von beiden Seiten eine Beeinflussung statt. Durch das Wahrnehmen von Veränderungen in der Umwelt kann der Mensch sein Handeln an diese anpassen. Im Mittelpunkt des Kognitivismus steht der reziproke Determinismus (nach Albert Bandura), welcher ein Konzept der Interaktion zwischen Individuum, menschlichem Verhalten und sozialer Umwelt darstellt. Der Begriff „reziprok“ bezeichnet die Wechselseitigkeit, welche dazu führt, dass sich die o.g. Komponenten gegenseitig bestimmen („determinieren“). Aufgrund der wechselseitigen Beziehungen zwischen den drei Komponenten können sich diese alle drei gegenseitig beeinflussen und verändern. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Kognitivismus kognitive Prozesse ins Zentrum seiner Beobachtung stellt und dem Menschen freie, eigene Entscheidungen zuschreibt. Die Persönlichkeitstheorie von Albert Ellis bezieht sich ebenfalls auf kognitive Prozesse in unserem Gehirn, welche menschliches Verhalten und Handeln bestimmen. Ellis geht ebenfalls davon aus, dass das Verhalten und Denken durch die Umwelt beeinflusst wird. Im Folgenden werde ich die Persönlichkeitsauffassung von Albert Ellis mit der des psychobiologischen Paradigmas vergleichen. Die Psychobiologie, deren Hauptvertreter Hans Jürgen Eysenck und Ernst Kretschmer sind, erklärt das Verhalten und Handeln des Menschen auf der Grundlage neurobiologischer, ethologischer, ethnologischer und psychologischer Forschungen, wobei die Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche im Vordergrund stehen. Hans Jürgen Eysenck hat sich in diesem Zusammenhang mit der Erforschung der Wesenszüge und Intelligenz des Menschen beschäftigt und diesbezüglich Persönlichkeitsdimensionen aufgestellt, welche auch als der „Eysencksche Persönlichkeitszirkel“ bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich um zwei grundlegende Dimensionen: Introversion-Extraversion und Emotionale Stabilität-Labilität. Dadurch entstehen vier Varianten der Persönlichkeit: Melancholisch, Cholerisch, Phlegmatisch und Sanguinisch. Anhand dieses Modells ordnet Eysenck den Menschen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, welche er als vererbt und durch die Umwelt beeinflusst beschreibt, zu. Beispielsweise sind extravertierte Menschen gesellig und impulsiv, wobei introvertierte Menschen vorsichtig und zurückhaltend sind. Ernst Kretschmer entwickelte die Typenlehre, um verschiedene Eigenschaften der Menschen zu erklären. Laut Kretschmer treten bestimmte psychische Verfassungen immer bei Menschen mit bestimmtem Körperbau auf. Diese leib-seelischen Parallelitäten kann man sowohl bei kranken, als auch bei gesunden Menschen erkennen. Die Typenlehre beschreibt drei verschiedene Arten des Körperbaus. Der Athletiker ist ein visköser Typ (zähflüssig) und Seite 2 von 4 SCHREIBWERKSTATT – ESSAYS FIONA SCHLESIGER 23. April 2015 zeichnet sich durch Eigenschaften wie Beharrungsvermögen, Schwerfälligkeit und soziale Treue aus. Zum anderen gibt es den Leptosomer, ein schizothymer Typ (seelisch zwiespältig), welcher Merkmale wie hohe Sensibilität, Introversion und formales Denken zeigt. Als drittes wird der Pykniker genannt, der ein zyklothymer Typ (wechselhaft gestimmt) ist und Charaktereigenschaften wie Geselligkeit, Lebensnähe und anschauliches Denken aufweist. Eine der frühesten Typologien wurde von Hippokrates aufgestellt: die Säftelehre. Er war der Annahme, dass im Körper vier Flüssigkeiten (Blut, Phlegma, schwarze und gelbe Gallenflüssigkeit) vorhanden sind, welche die Persönlichkeit des Individuums bestimmen. Der Zusammenhang zwischen Körperflüssigkeit und Temperament wird wie folgt beschrieben: Das Blut verursacht das sanguinische Temperament (heiter und aktiv), während das Phlegma (Schleim) das phlegmatische Temperament (teilnahmslos und schwerfällig) hervorruft. Das melancholische Temperament (traurig und grüblerisch) entsteht durch die schwarze Gallenflüssigkeit und das cholerische Temperament (reizbar und erregbar) durch die gelbe Gallenflüssigkeit. Die Persönlichkeit hängt, laut dieser Theorie, davon ab, welche dieser vier Körperflüssigkeiten (humores) vorherrscht. Bei der Gegenüberstellung von der Persönlichkeitsauffassung von Ellis und der der Psychobiologie werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich. In beiden Paradigmen wird angenommen, dass das menschliche Verhalten durch die Umwelt in einer bestimmen Weise beeinflusst wird. Außerdem wird in beiden Ansätzen das Gehirn als wichtigstes menschliches Organ angesehen. Unterschiede finden sich allerdings darin, dass sich der Kognitivismus auf kognitive Prozesse bezieht, welche das Verhalten steuern, wobei die Psychobiologie sowohl die Psyche als auch den Körper untersucht, um Persönlichkeitsmerkmale festzustellen. Ellis geht in seinen Überlegungen davon aus, dass auch Erfahrungen einen Einfluss auf die Persönlichkeit haben, während die Psychobiologie die Wesenszüge des Menschen als prädisponiert, d.h. auf Vererbung und Veranlagung beruhend, beschreibt. Die verschiedenen Persönlichkeitsauffassungen haben zur Folge, dass auch unterschiedliche Verständnisse von menschlicher (Entscheidungs-)Freiheit entstehen. Durch das ABC-Modell von Albert Ellis wird deutlich, dass der Mensch ausgehend von seinen Glaubensüberzeugungen handelt. Dabei wird er zwar durch die Umwelt und andere Personen beeinflusst, jedoch bleibt seine Entscheidungsfreiheit, bzw. sein freier Wille aufrecht erhalten, jedoch in einem gewissen Maß durch die Umwelt und die Person selbst eingeschränkt. In Bezug auf die Psychobiologie wird menschliche Freiheit dadurch eingeschränkt, dass beispielsweise bestimmten Menschen abhängig vom Körperbau entsprechende Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften zugesprochen werden. Wenn einmal eine Einordnung getroffen wurde, ist keine Veränderung mehr möglich, wodurch die Freiheit des Menschen ebenfalls beschränkt wird. Auch die Persönlichkeitsdimensionen nach Eysenck ordnen den Menschen in bestimmte Kategorien ein, sodass die Eigenschaften dadurch bestimmt werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beide Paradigmen sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringen. Meiner Meinung nach überwiegen bei der Psychobiologie die negativen Aspekte, da beispielsweise bei der Typenlehre ein starres, einseitiges Bild des Menschen entsteht, da keine Überschneidung oder Veränderung möglich ist. Der Rückschluss vom Körper auf die Seite 3 von 4 SCHREIBWERKSTATT – ESSAYS FIONA SCHLESIGER 23. April 2015 Persönlichkeit ist zudem empirisch nicht oder nur schwer abzusichern und es entsteht die Gefahr von Vorurteilen oder Stereotypen. Weiterhin wird der Mensch nicht als Ganzes betrachtet, weshalb ich mich nicht mi dem psychobiologischen Paradigma identifizieren kann. Ich bin jedoch ebenfalls der Meinung, dass einige Persönlichkeitsmerkmale vererbt sind, aber sich durch Umwelteinflüsse weiter entwickeln und verändern. Der Kognitivismus betrachtet den Menschen zwar auch nicht als Ganzes, schreibt ihm aber eine hohe Entscheidungsfreiheit, bzw. einen freien Willen zu. Desweiteren wird der Mensch in seinem Handeln durch Gedanken, bzw. kognitive Prozesse und durch die Umwelt beeinflusst. Diesem Aspekt stimme ich zu, da ich durch eigene Erfahrungen diesen Aspekt „belegen“ könnte. Allerdings denke ich, dass auch unbewusste Prozesse und frühe Erfahrungen unsere Persönlichkeit prägen. Seite 4 von 4
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