Wie kommen Innovationen in das Gesundheitssystem? Beispiel: Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, bei denen Medizinprodukte maßgeblich sind PD Dr. med. Matthias Perleth, MPH Gemeinsamer Bundesausschuss WINEG – Summer School Hamburg, 9.9.2015 Gliederung • zur Einführung: der G-BA • Innovationen im G-BA ØMethodenbewertung ØErprobungsregelung Øvorläufige Nutzenbewertung von Hochrisikoprodukten im Rahmen innovativer Methoden ØBeispiele 2 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Gliederung • zur Einführung: der G-BA • Innovationen im G-BA ØMethodenbewertung ØErprobungsregelung Øvorläufige Nutzenbewertung von Hochrisikoprodukten im Rahmen innovativer Methoden ØBeispiele 3 PD Dr. med. M. Perleth, MPH 4 PD Dr. med. M. Perleth, MPH 2015: Innovationsfonds, Versorgungsforschung, frühe NB Medizinprodukte 2015: Qualitätsinstitut 2012: Nutzenbewertung Arthroskopie Knie 2010: KostenNutzen-Bewertung 2003: DMP bis 2000: Bundesausschuß Ä/KK 2013: Erprobung nach 137e 2011: AMNOG 2011: Mindestmengen Frühchen 2012: BKE 2009: BSG-Urteil Protonentherapie 2004: IQWiG 2003: BQS seit 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss 1999: Einschränkung Osteodensitometrie 1913: Reichsausschuß Ä/KK 5 2016: Innovationsausschuss PD Dr. med. M. Perleth, MPH Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) • …ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern, Krankenkassen – und Patienten • …konkretisiert in Form von Richtlinien verbindlich den Leistungskatalog der GKV für die etwa 70 Millionen Versicherten • …steht unter der Rechtsaufsicht des BMG, ist aber keine nachgeordnete Behörde • Gesetzliche Grundlage: Sozialgesetzbuch V 6 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Struktur: Mitglieder 7 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Hauptamtliche unparteiische Mitglieder J. Hecken Dr. H. Deisler Dr. R. Klakow-Franck Unparteiischer Vorsitzender (2012-2018) Unparteiisches Mitglied (2008-2018) Unparteiisches Mitglied (2012-2018) 8 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Struktur: Gremien und Unterausschüsse 9 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Zuständigkeiten des G-BA • Arzneimittel / frühe Nutzenbewertung • Qualitätssicherung • nicht-medikamentöse Untersuchungs- und Behandlungsmethoden • Prävention, Impfungen • Psychotherapie • veranlasste Leistungen • Zahnmedizin • sektorenübergreifende Versorgung, Disease Management-Programme, ASV • Bedarfsplanung 10 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Rechtsstellung Ministerium 11 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Der G-BA in Zahlen • 2015: 150 Mitarbeiter/innen, Etat: 32 Mio. € • Anzahl der Richtlinien: derzeit 69 • Anzahl Beschlüsse Ø2013: rund 250, davon ca. zwei Drittel im AMBereich • Gerichtsverfahren Øaktuell 52 laufende Gerichtsverfahren Ødavon 26 AMR, 8 QFR-RL, 6 Bedarfsplanung 12 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Weitere Entwicklung • Innovationsfonds / Versorgungsforschung • vorläufige Nutzenbewertung Hochrisikomedizinprodukte gemäß §137h SGB V • Ausbau der Qualitätssicherung / IQTiG • zunehmende Ungeduld in der Politik: mehr und engere Fristen, Berichterstattung Øsiehe aktuell GKV-VSG* 13 PD Dr. med. M. Perleth, MPH 14 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Gliederung • zur Einführung: der G-BA • Innovationen im G-BA ØMethodenbewertung ØErprobungsregelung Øvorläufige Nutzenbewertung von Hochrisikoprodukten im Rahmen innovativer Methoden ØBeispiele 15 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Grundsätzliche Aspekte der Methodenbewertung • Definitionen ØMethode ØNutzen / Zusatznutzen • Problem Erlaubnis- und Verbotsvorbehalt* • Methoden mit Medizinprodukten im Fokus Øinsbesondere bei umstrittenen Krankenhausmethoden tw. extrem lange Beratungszeiten 16 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Methodenbegriff • ‚Methode‘ und ‚Medizinprodukt‘ bzw. ‚Hilfsmittel‘ nicht identisch Ø dient nicht dem Behinderungsausgleich Ø ärztliches Behandlungskonzept erforderlich • BSG zur Behandlungsmethode Ø „…bezeichnet das therapeutische Vorgehen als Ganzes unter Einschluß aller nach dem jeweiligen methodischen Ansatz zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Einzelschritte.“ (…) „Mit dem Begriff der Methode kann deshalb nicht die einzelne Maßnahme oder Verrichtung gemeint sein…“ (AZ. B1 KR 11/98 R vom 28.3.2000) Ø „Ärztliche ‚Behandlungsmethoden‘ (…) sind nämlich medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll.“ (B 1 KR 44/12 R vom 7.5.2013) 17 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Nutzenbegriff • „Nutzen“ ist eine mehr als geringfügige (vgl. §35c SGB V; MCID) patientenrelevante positive Wirkung (= Kausalitätsanspruch) einer medizinischen Maßnahme unter Abwägung des Risikos Ø Als patientenrelevant wird ein Effekt bezeichnet, wenn er sich auf den Krankheitsverlauf inklusive Mortalität, Symptomatik sowie die Lebensqualität bezieht und für Patienten wichtig ist Ø Relevanz für Patienten nicht unbedingt identisch mit Relevanz aus klinischer oder Systemsicht! Ø Bsp. Psoriasis 18 PD Dr. med. M. Perleth, MPH • „Zusatznutzen“ (vgl. §35b Abs. 1 Satz 3 SGB V) ist das Ergebnis eines positiven Nutzenvergleichs mit dem bisherigen (etablierten) Standard • Lebensqualität ist eine Nutzendimension, bei der die Bewertung durch die Patienten im Vordergrund steht Øprimäres Bewertungskriterium nur, wenn sonst keine Unterschiede zwischen Alternativen nachweisbar sind oder klinisch-objektivierbare Kriterien fehlen [Kohlmann 2007] 19 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Wichtig zu wissen: Erlaubnis- vs. Verbotsvorbehalt auch Arzneimittel und ASV 20 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Wie kommen innovative Methoden in die GKV? • stationär: Ø DRG-System, Zusatzentgelt Ø ab 2016: vorläufige G-BA-Bewertung bei neuem wissenschaftlich-theoretischem Konzept (§137h SGB V) • ambulant: Ø Methodenbewertung nach Antragstellung im G-BA Ø ambulante spezialfachärztliche Versorgung, ASV nach §116 b SGB V Ø gesonderte Verträge von Krankenkassen mit Leistungserbringern Ø über die PKV und als Selbstzahlerleistungen (IGeL) • Erprobungsregelung (§137e SGB V) 21 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Ablauf der Methodenbewertung seit 2013 erneute Nutzenbewertung Beratungsantrag nach §137c SGB V (stationär) G-BAEntscheidung positiv = Kostenübernahme Bericht zur Nutzen/Potentialbewertung (z.B. IQWiG) Methode hat Potential negativ = keine Kostenübernahme unklar = Aussetzung 22 Erprobung Antrag auf Erprobung nach §137e (stationär/ambulant) G-BAEntscheidung Methode hat kein Potential oder Erprobung kommt nicht zustande ggf. erneuter Antrag nach 1 Jahr Beratungsantrag nach §135 SGB V (ambulant) Quelle: Olberg et al. 2014 gesetzliche Kriterien erfüllt (ambulant / stationär) (noch) keine ausreichende Evidenz, aber laufende Studien (Aussetzung) kein Nutzennachweis (bei neuen Beschlüssen: und kein Potential) Potential vorhanden, Erprobung ambulant - Kapselendoskopie bei Blutung im Dünndarm - PET beim kleinzelligen Lungenkarzinom - Lp(a)-Apherese - Akupunktur bei Kopf-, Rückenund Knieschmerzen - Vakuumversiegelungstherapie - Brachytherapie beim lokalisierten Prostatakarzinom - Screening auf Kindesmisshandlung - Glaukomscreening - HBO bei Hörsturz - Feno bei Asthma - Korneastimulation - Pränatest stationär „Typische“ Beispiele - Stammzelltransplantation mit nichtverwandtem Spender bei Hodgkin-Lymphom - Protonentherapie beim Prostata-Ca. - ACI am Kniegelenk - ThuliumlaserAblation bei BPS - antikörperbeschichtete Stents - PET beim Ösophaguskarzinom 23 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Demnächst Geschichte: Entscheidungsweg zur Brachytherapie beim Prostata-Karzinom • 2004: Beauftragung des IQWiG • 2007: Abschlussbericht „Interstitielle Brachytherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom“ • 2007: Einrichtung einer AG zum Thema: kontrovers • 2009: GKV und IQWiG entwickeln Konzept für präferenzbasierten RCT • G-BA beschließt Aussetzung & Qualitätssicherungsvorgaben • 2013: RCT startet, Laufzeit bis ca. 2025 24 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Erprobungsregelung nach §137e SGB V • Wer ist antragsberechtigt (§137e Abs. 7) ØHersteller eines Medizinprodukts, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode maßgeblich beruht, und Unternehmen, die in sonstiger Weise als Anbieter einer neuen Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben • Entscheidungskriterien (§20 Abs. 1 & 2 VerfO) ØEntscheidung zum Potenzial innerhalb von 3 Monaten ØEvidenz ist ausreichend, um ein Potenzial für einen zusätzlichen Nutzen anzuerkennen Ødie neue Methode wäre im Rahmen der GKV vom Leistungsanspruch umfasst ØBereitschaft zur Kostenübernahme durch Antragsteller 25 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Operationalisierung des Potentialbegriffs • Zu beantwortende Fragen: Ø ist Potenzial für eine Erprobung vorhanden (Voraussetzung) Ø ist der Nutzen nach Erprobung ausreichend für eine erforderliche Behandlungsalternative (Ziel der Erprobung) • Kriterien (aus Begründung zum VSt-Gesetz): Ø Wirkprinzip und bisherige Erkenntnisse • Erwartung, dass etwa - 26 weniger aufwändig weniger invasiv ersetzt nicht erfolgreiche Methoden weniger Nebenwirkungen Optimierung der Behandlung in sonstiger Weise effektiver PD Dr. med. M. Perleth, MPH als niedrigschwellig zu interpretieren! Operationalisierung des Potentialbegriffs Studienphase Erkenntnis I. Labor- und Tierversuche, Prototypen usw. Idee • Entwicklung IIa. first in man, kleine Sicherheit, Dosis, Funktion Patientengruppe (ca. 15-30), der Prozedur ohne Kontrollgruppe (Fallserie) IIb. größere Anzahl von Patienten (ca. 30-300), mit oder ohne Kontrollgruppe, inkl. RCTs Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Anforderungen an Qualität, Machbarkeit, Akzeptanz, Vorbereitung für Nutzenstudie III. RCT, ausreichend große Patientengruppe (bis zu mehrere 1000), Vergleich mit Standardintervention Nutzen, ggf. Nichtunterlegenheit, Nebenwirkungen IV. Surveillance-Studien Langzeiteffekte, Nebenwirkungen 27 erlaubt Aussage zu „aussagekräftige Unterlagen (…) aus denen hervorgeht, dass die Methode hinreichendes Potenzial für eine Erprobung bietet“ „Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative“ Beratungsverfahren • empfehlenswert bei vorgesehener Antragstellung • Formular zur Anforderung einer Beratung gemäß § 137e Abs. 8 SGB V • Gebührenpflichtig (500-7.000€) • wird innerhalb von 8 Wochen durchgeführt • verantwortlich ist Geschäftsstelle • Beteiligung der Träger für Vergütungsfragen 28 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Antragsinhalte http://www.g-ba.de/institution/themenschwerpunkte/erprobungsregelung/antragstellung/ ØAdministrative Informationen ØZusammenfassung ØMedizinproduktbezogene Angaben ØMethodenbezogene Angaben ØEckpunkte Erprobungsstudie (optional) - PICO-Format plus Kostenschätzung ØAngabe zur Kostenübernahme („dem Grunde nach“) ØErklärung zur Vollständigkeit und Veröffentlichung 29 PD Dr. med. M. Perleth, MPH methodische Aspekte zum Potential • Ziel: „falsch-positive“ / „falsch-negative“ Beschlüsse vermeiden • daher: Bestandteil der Potentialbewertung ist eine Prüfung auf Plausibilität: Ø Fragestellung entsprechend PICO-Schema klar ausarbeiten, Indikationen trennen Ø möglichst vollständiger Studienpool (wichtig!) inklusive laufender Studien – Merkblatt zur Literaturrecherche beachten Ø Bewertung der Qualität der Evidenz: lässt sich ein Potential belegen? - in welcher Größenordnung liegen die Effekte und wie hoch ist die Ergebnissicherheit jeweils - differenzierte Betrachtung bei diagnostischen Methoden Ø erscheint eine Erprobung realisierbar - z.B. Patientenrekrutierung, Ethikkommission 30 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Verfahrensablauf Antragstellung, Potentialprüfung, positiver Bescheid (3 Mo.) Auswahlentscheidung, Haushaltsentscheidung (1-11 Mo.) ErprobungsRL entwerfen, Stellungnahmeverfahren (ca. 6 +3-4 Mo.) Prüfung BMG, Veröffentlichung Banz (1-2 Mo.) Vergabe und Durchführung der Erprobungsstudie, Abschlussbericht an GBA (2-3 J.) Bewertung der Methode im G-BA, Stellungnahmeverfahren (ca. 6 + 3-4 Mo.) Beschluss RLÄnderung, Prüfung BMG, Veröffentlichtung Banz (2 Mo.) Bei Ablehnung des Potentials Neuantrag nach 1 Jahr möglich. 31 PD Dr. med. M. Perleth, MPH beispielhafte Herausforderungen 137e • Zeitdauer des Verfahrens Ø keine Frist für Erstellung der Erprobungs-Richtlinie vorgegeben (noch läuft keine einzige Studie) Ø Detaillierungsgrad der Richtlinie (kein Protokoll) • Kosten für Beratungen • „technische Äquivalenz“ von Medizinprodukten im Rahmen einer Methode Ø 510(k) und ähnliche Regelungen problematisch Ø mangelnde Transparenz in Europa 32 PD Dr. med. M. Perleth, MPH 33 PD Dr. med. M. Perleth, MPH 34 PD Dr. med. M. Perleth, MPH 35 PD Dr. med. M. Perleth, MPH • neue Regelung ab 2016: Øvorläufige Nutzenbewertung von Methoden mit Hochrisikomedizinprodukten, die ein Ø„neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept“ aufweisen Øausgelöst durch InEK-Antrag für neue DRG Øenge Fristen vorgesehen ØRechtsverordnung definiert Begriffe bis Ende 2015 36 PD Dr. med. M. Perleth, MPH Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected] PD Dr. med. M. Perleth, MPH
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