Spaziergang durch Giesenbrügge

Spaziergang durch Giesenbrügge
- Zeitzeuginnen berichten -
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Spaziergang durch Giesenbrügge in der Neumark
im Landkreis Soldin
Zeitzeuginnen berichten
Erinnerungen von
Ilse Richter, geborene Hasselberg
Giesela König, geborene Streese
Elisabeth Rohrmann, geborene Hilmes
Ingeborg Isler, geborene Schmidt
Else Berger, geborene Weslewski
aus Giesenbrügge
verfasst von Leonie R. Lucas
Februar 2016
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Wir starten unseren Spaziergang durch das Giesenbrügge, wie es von den
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Menschen bis 1945 bewohnt war. Los geht es an der Abbiegung von der großen Hauptstraße, die von Soldin nach Lippehne führt. Nach rechts geht es eine Straße entlang durch Felder und Wiesen, die zu beiden Seiten durch Lindenbäume gesäumt ist.
Nach etwa einem halben Kilometer treffen wir auf die Mühle, die vermutlich zu
den Neumärkischen Mühlenwerken gehörte, betrieben von Horst Große. Im
Adressbuch des Kreises Soldin von 1925 /2/ ist als Mühlenpächter Emil Richter eingetragen. Linkerhand liegen bis heute das Mühlengebäude, die Lagerhäuser und das große Wohngebäude, alles rote Backsteinbauten. Auf der
rechten Straßenseite wohnten früher die Gutsarbeiter, die dort nach Auflösung
des Guts auch blieben. Während des Krieges lebten dort Fremdarbeiter.
Heute scheint das Grundstück vor allem als Lagerhaus für Landmaschinen
genutzt zu werden. Es gibt immer noch kleine Bauern, die mit wenig Vieh ein
kleines Stück Land bewirtschaften. Daneben findet man aber auch mehr und
mehr Großraumwirtschaft. Zur Bestellung der großen Ländereinen sind große
Maschinen nötig, die zentral untergestellt werden.
Direkt links hinter dem Wohnhaus begannen die Liegenschaften der Giesenbrügger Bauern. Ein Feldweg führt linkerhand vorbei an Feldern nach hinten
auf die dortigen Wiesen zu. Hasselbergs hatten gleich rechts neben dem
Feldweg zwei Äcker mit gutem Boden zum Anbau von Runkel- und Zuckerrüben, dahinter Wiesen, von denen im Juni Heu eingefahren wurde. Der zweite
Schnitt wurde von den Kühen abgeweidet.
Der Feldweg quert bis heute einen gut geräumten Graben. Er bildet die Grenze zu den Ländereien von Ernestinenhof.
Ilse Richter, geb. Hasselberg erinnert sich noch deutlich, wie sie im Alter von
9 bis 11 Jahren mit ihrem kleinen Bruder Klaus die Kühe auf die Weide treiben
musste. Der Weg dorthin führt auf der einen Seite an den Feldern mit Luzerne,
Klee und Rüben vorbei - mitten durch mussten sie mit dem Vieh. Oft sind die
hungrigen Rinder in die Felder gelaufen und habe sich schon einmal an den
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Alle Informationen, die aus anderen Quellen stammen, sind ausdrücklich ausgewiesen. Die Erzählungen sind auf Plausibilität – soweit möglich - geprüft. Es ist nicht ausdrücklich ausgewiesen welche Erinnerung von welcher Erzählerin stammt.
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dortigen Früchten gütlich getan bevor man überhaupt auf der Weide angekommen war. Was gab es dann für Ärger zu Hause ! Nicht einmal der Hund
konnte helfen, das Vieh in Schach zu halten, es bückste immer wieder aus.
Geht man auf der Straße etwa 500 m weiter, teilt sie sich. Nach links führt die
Glasower Straße nach Giesenbrügge hinein. Geradeaus führt die Pommersche Straße dorthin, wo die Siedler aus Westfalen und dem Osnabrücker Land
sich in den zwanziger Jahren niedergelassen hatten; laut D. Helwig (1990) /1/
die Familien: Schwarte, Temming, Bornemann, Hunkemöller, Klosterann,
Schmidt, Hungerkamp, Warenfeld und Burs.
Ilse Richter weiß zu berichten, dass eine dieser Familien durch die einmarschierenden russischen Soldaten völlig ausgelöscht wurde. Alle Familienmitglieder wurden erschossen. Eine der unzähligen schrecklichen Geschichten,
die sich ereigneten. Welche Familie das war, weiß sie nicht mehr, aber bei
D. Helwig (1990) /1/ ist zu lesen, das Bernhard und Anna Hunkemöller am
02. Februar 1945 erschossen worden sind.
Wir steuern zuerst den Ortskern mit der Dorfstraße an. Kurz vor dem Dorf liegt
zu beiden Seiten des Weges ein kleiner Kiefernwald. Dort ging früher links ein
Weg ab zur Kiesgrube. Zu Ostern haben Ilse Richter und ihre Freunde dort
immer den Brauch des Ostereierrollens gepflegt. Es gibt diesen Weg noch
heute. Ob es die Kiesgrube noch gibt ?
Die Glasower Straße führt ins Dorf hinein. Die Bauform der Häuser zeigt oft
genau, wo die ursprünglichen Einwohner von Giesenbrügge schon seit langem
wohnten und wo die neu Zugezogenen der zwanziger Jahre aus Westfalen
und dem Osnabrücker und Emsland sich angesiedelt haben. Die alten Gehöfte
waren in der Form von Vierseithöfen gebaut mit einem Wohnhaus an der Straßenfront und Scheunen und Stallungen als getrennte Gebäude im Viereck um
den Hof herum in der Mitte. Die neuen Siedlungshäuser integrierten Stallungen und Scheunen unter einem Dach zusammen mit dem Wohnhaus. Diese
sogenannten Hallen- oder Eindachhäuser waren und sind in Westfalen gebräuchlicher Baustil und wurden von den Neusiedlern in den zwanziger Jahren
in der Neumark eingeführt.
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Evangelische Kirche
Die Giesenbrügger waren protestantischen Glaubens und hatten ihre evangelische, im neugotischen Stil und wahrscheinlich im 19. Jahrhundert erbaute
Kirche im Zentrum des Ortes.
Die katholischen Siedler bauten sich eine eigene, neue Kirche. Ihr neuartiger
Baustil mutet noch heute modern an. Genutzt wird diese Kirche bis heute von
den katholischen Bewohnern der Ortes Gizyn.
Vor 1945 treffen wir in der Glasower Straße im ersten Haus gleich rechts den
Tischler Heinrich Wüstnienhaus, auch ein Zugezogener aus Westfalen. Ilse
Richter erinnert sich, dass er noch Ende 1945 kurz vor dem Weggang aus der
Heimat half, ihren von den Russen erschossenen Vater zu beerdigen. Er tischlerte den einfachen Holzsarg, in dem Friedrich Hasselberg seine letzte Ruhe
auf dem evangelischen Friedhof links vor der Kapelle der Familie von Borcke
fand.
Auch Johanna Hasselbergs ebenfalls erschossene Mutter, Oma Auguste,
musste dort kurze Zeit später – dann nur noch in eine Decke gewickelt - verabschiedet werden. Die damals dreizehnjährige Ilse musste selber mithelfen,
ihre Oma zu begraben da die kranke Mutter dazu nicht mehr in der Lage war.
Russische Soldaten hatten die Oma wohl erschossen, als sie – bereits altersbedingt verwirrt – ins Dorf gelaufen war.
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Das nächste Haus in der Glasower Straße gehörte Familie Hügging, einem
Landwirt. Es folgen die Anwesen von Stoller, Zabel, Silwedel und Lücke. Laut
D. Helwig (1990) /1/ folgt das Haus von Landwirt und Stellmacher Lücke erst
etwas weiter die Straße hinunter nach dem Abzweig zum Friedhof. Wer erinnert sich ebenfalls ?
Dann wenden wir uns der linken Seite zu. Die Glasower Straße mündet hier in
die Dorfstraße. Wir finden dort beginnend vom Orteingang auf der linken Seite:.Das erste Haus gehörte Wilhelm Baek, anschließend folgte ein Zweig der
Familie Iding. Die Idings waren eine große Familie mit vielen Kindern. Laut
D. Helwig (1990) /1/ gab es in Giesenbrügge die Familien Heinrich und Bernhard Iding, die beide aus Alfhausen im damaligen Landkreis Bersenbrück im
Osnabrücker Land stammten und sich um 1930 angesiedelt hatten. Die Familie von Heinrich Iding wohnte hier am Dorfeingang, Bernhard hinten am Gut.
Heinrich Iding war Landwirt im Nebenerwerb und wohl auch als Helfer bei seinem Bruder Bernhard Iding tätig.
Dann folgte der alteingesessene große Bauer Klawitter. Sein Sohn Horst ging
mit Ilse Richter zusammen in der Schule in die gleiche Klasse und sie waren
befreundet. Nach Weihnachten hatte er immer noch – lange nach der Erntezeit
- Äpfel aus dem Garten zu seinem Schulbrot mit dabei. Bis in den April hinein
konnte er davon essen im Gegensatz zu den anderen Kindern, wo die Äpfel
schon aufgebraucht waren. Der Boskop-Apfel hält sich in der Miete lange und
schmeckt dann immer noch wie frisch gepflückt. Einmal traute sich Ilse, Horst
Klawitter zu fragen: „Horst bring mir doch mal von den schönen Äpfeln einen
mit, die schmecken ja so !“ Sie muss dann auch eine Kostprobe bekommen
haben. Es kam aber wohl nicht zu einem Happy-end in dieser Geschichte.
Das folgende Haus mit Schmied Richard Rohr war natürlich ganz wichtig. Er
beschlug die Hufe der Pferde, ohne die ja damals nichts ging, ob es nun um
den Transport der landwirtschaftlichen Produkte oder schlicht der Menschen in
die umliegenden Ortschaften ging. Ilse Richter erinnert sich an ein Haus, das
vollständig von Kletterrosen bewachsen war, die im Sommer wunderschön und
üppig blühten.
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Die alten Streuobstwiesen hinter den Gehöften
Anschließend geht ein Weg links nach Adamsdorf ab. Der nächste Hof gehörte
Familie Streese, die zwar auch zugezogen, allerdings protestantischen Glaubens war. Streeses waren auch in den zwanziger Jahren nach Giesenbrügge
gekommen und bauten sich im Dorf eine Bäckerei mit Kolonialwarenladen auf.
Das Geschäft florierte und sie wurden schnell heimisch im Ort. Wie schwer
muss es für die Familie gewesen sein, dieses neu aufgebaute kleine Unternehmen schon so bald mit Kriegsende 1945 wieder aufgeben und verlassen
zu müssen. Die Mutter wurde von den Russen angeschossen und die Mädchen nach Sibirien bei Archangelsk zum Arbeiten verschleppt.
Doch alle überlebten, auch der Vater kam aus dem Krieg zurück. Es ist bekannt, dass die Streeses zusammen mit den beiden Töchtern im Westen neu
angefangen haben. Das Beispiel dieser Familie zeigt, welche Energie diese
Menschen damals aufbrachten. Aus der Katastrophe heraus schufen sie sich
mit viel Fleiß und Ehrgeiz neue Existenzen aus dem Nichts heraus und begründeten damit das deutsche Wirtschaftwunder im Westen und den Neuanfang im Osten.
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Hof der Familie Streese im Jahre 2006
Es folgt Gastwirt Karl Neise, der die Gastwirtschaft - nach einer zeitgenössischen Postkarte „Zur Sonne“ - zusammen mit seiner zweiten Frau zeitweise
irgendwann in den zwanziger Jahren übernommen hatte. Vorher hatte er eine
Ziegelei in Tobelhof bei Berlinchen, die er aber nach dem Tod seiner ersten
Frau aufgab. Die Gaststätte in Giesenbrügge hatte er wohl nur zeitweise inne
und danach für sein Altenteil das ehemalige Schulgebäude vor der evangelischen Kirche mit seiner zweiten Frau gekauft. Karl Neise muss schon in den
dreißiger Jahren verstorben
sein. Die Gaststätte wurde
dann von Johannes Block
übernommen, der dort bereits
laut Adressbuch des Kreises
Soldin im Jahre 1925 /2/ als
Gastwirt geführt wird.
Danach folgen die Grundstücke von Natzenberg und von Schmidt.- letzteres
heute die Dorfstraße Nr. 63.
Anschließend finden wir das Gehöft von Georg Fenner, einem Bauern und sogenannten Kossäten. Die großen Bauern von Giesenbrügge hießen Klawitter,
Pahl, Hasselberg und Fenner. Georg Fenner hatte vier Kinder: Karl, Georg,
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Regina und Ursula. Vater Georg war Ortsbauernführer und vertrat in dieser
Funktion die Bauernschaft in Giesenbrügge. Karl und Georg wurden noch in
den Krieg eingezogen. Während Karl fiel, überlebte Georg Fenner und kam in
britische Gefangenschaft, blieb in Großbritannien und führte dort eine Schäferei. Regina und Ursula blieben nach der Flucht bei Niederfinow.
Hasselbergs Haus und links daneben Fenner
Die heutige Nr. 61 war der Hof von Friedrich und Wilhelm Hasselberg, den sie
gemeinsam bewirtschafteten. Vom damaligen Vierseithof steht heute nur noch
das Wohngebäude. Den Stall zur rechten Seite gibt es nicht mehr. Er wurde
abgerissen und die Klinkersteine in anderen Bauten verwendet. Die Scheune
war bei Kriegsende abgebrannt und wurde später durch die neuen polnischen
Bewohner durch einen Bretterbau
ersetzt. Die Brüder hatten den Hof
von ihrem schon 1914 verstorbenen Vater Hermann übernommen,
ein Kossät, der als Bauer und
Viehhändler tätig war und eine
Fleischerei mit Ladengeschäft im
Haus betrieben hatte.
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Hasselbergs Haus von hinten – damals und heute
Die Fleischerei war irgendwann nicht mehr rentabel und so konzentrierten sich
Friedrich und Wilhelm auf den Viehhandel. Wilhelm war der Chef des Bauernhofs. Wenngleich es nun kein Ladengeschäft mehr gab, gingen sie im Winter
zu Kunden auf die Höfe zu Hausschlachtungen. Friedrich Hasselberg wurde
beim Einmarsch der russischen Armee aus dem Dorf geführt und bei Arnoldshof erschossen. Seine und Wilhelms Mutter ebenso, die damals mit 78 Jahren
schon altersdement gewesen ist, aus dem Kreise der Familie weggelaufen war
und in einem Hausgarten aufgefunden wurde.
Hasselbergs Haus von hinten damals und heute Bruder Wilhelm litt an Asthma
und verstarb in einem Arbeitslager verschleppt nach Sibirien. Johanna Hasselberg musste wie alle anderen Bewohner des Dorfes mit den beiden Kindern
Ilse und Klaus fliehen und fand im Südosten Berlins eine neue Heimat. Diese
Einzelschicksale stehen stellvertretend für viele andere in dieser Zeit.
Dorfstrasse in Giesenbrügge – Höhe Hasselberg
links Lehmann, August Kuhr
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Gleich nebenan befand sich der Hof der Familie Wilhelm Seidler, der laut Adressbuch des Kreises Soldin von 1925 /2/ als Maschinenführer und auch als
Heizer auf dem Gutsbezirk ausgewiesen ist. Jedenfalls erinnert sich Ilse Richter daran, dass er auf dem Gut gearbeitet hat.
In der heutigen Nr. 59 war Familie Schatz ansässig; Julius Schatz war Getreide- und Futtermittelhändler. Er hatte eine eigene Schrotmühle. Sicherlich kauften dort nicht nur Märtens, Schmidts und Thimians ihr Schweinefutter, wie sie
berichten.
Die heutige Nr. 58a war ein großes Bauerngehöft und gehörte nach dem Adressbuch des Kreises Soldin aus dem Jahre 1925 /1/ dem Kossäten Wilhelm
Pahl. Georg Pahl, wahrscheinlich sein Sohn, wohnte dort bis zum Ende des
Krieges und war Bürgermeister von Giesenbrügge.
Anschließend folgt das alte Schulhaus. Besondere Bedeutung hat dieses
Schulhaus in Giesenbrügge für die Heimatgeschichte erlangt, weil der bekannte Soldatenkönig und Vater "Friedrich des Großen" die Schule im Jahre 1730
persönlich inspiziert hat /3/. In der Nationalgalerie in Berlin befindet sich ein
prächtiges Bild von Adolf Menzel mit
dem Titel " Schulbesuch Friedrich Wilhelms I. von Preußen". Der Gemeinde
Giesenbrügge hatte er das Material
zum Bau der Schule geschenkt und
einem Lehrer Namens Wendroth die
Stelle übertragen.
Im Schul- und Wohnhaus hatte sich
Gastwirt Karl Neise mit seiner zweite
Frau angesiedelt, nachdem er die
Wirtschaft im Dorf aufgegeben hatte.
Er verstarb schon lange vor Ende des
Krieges, seine Witwe wohnte jedoch
noch bis zum Jahre 1945 dort. Ingeborg Schmidt erinnert sich an einen
Turm der evangelischen Kirche vom Lehrerhaus aus gesehen
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Mann, der dort auch eine Zeitlang gewohnt und als eine Art Heilpraktiker von
den Dorfbewohnern bei leichteren Erkrankungen geholt worden sein muss.
Heute gibt es nur noch das inzwischen erweiterte ehemalige Wohnhaus des
Lehrers. Das Schulgebäude selber ist nicht mehr vorhanden.
Früheres Haus des Lehrers neben der evangelischen Kirche
Die Kinder des Ortes wurden in diesem Schulhaus schon mindestens seit dem
Jahre 1926 nicht mehr unterrichtet, sondern im Gutshaus.B Wahrscheinlich war
die alte Schule neben der Kirche angesichts der neu angesiedelten Menschen
aus dem Westen Deutschlands zu klein geworden. Die Familien aus Westfa-
B
Quelle: Webseite Familienverband der Familie Treskow/Gizyn (Giesenbrügge), 1897-1926
(http://www.treskowpage.com/03_orte/03_orte_gizyn.html) Das Gut Giesenbrügge im Kreis Soldin
(Myslibórz) war bereits durch viele Hände gegangen, als es 1897 von Alexander v. TreskowFriedrichsfelde (1856-1939) übernommen wurde, der im gleichen Jahr das elterliche Gut Chodowo bei
Kutno verkauft hatte. Er erwarb das 915 Hektar große Gut aus dem Nachlass von Heros v. Brocke
(1835-1895), der als Major der Nord-Virginia-Armee am Amerikanischen Bürgerkrieg teilgenommen
hatte. Brocke zog in Giesenbrügge angeblich bis zu seinem Lebensende die Flagge der Konföderierten
auf. Das spätbarocke Herrenhaus aus der zweiten Hälfte des 18. Jh. lag in einem sechs Hektar großen
Park am Rande der Soldiner Seenplatte. Friedrich Wilhelm I. hatte den von holländischen Kolonisten
gegründeten Ort in der Neumark 1730 besucht und die Dorfschule inspiziert – von Adolph Menzel 1858
in einem populären Bild festgehalten. Nach dem ersten Weltkrieg bis zum Jahre 1926 versuchte Alexanders Bruder Walter v. Treskow (1855-1923), der 1890 bereits die Dresdner Rennbahn begründet
hatte, in Giesenbrügge einen eigenen Rennstall aufzubauen. Die Bewirtschaftung von Giesenbrügge
erwies sich in der Zwischenkriegszeit als schwierig und unrentabel. 1926 wurde das Gut an die Preußische Ansiedlungskommission verkauft und in den Jahren bis 1929 für protestantische Familien aus
dem Raum Oldenburg, dem Emsland und Westfalen parzelliert. Das Gutshaus wurde fortan bis 1974
als Schulgebäude genutzt und 1975 abgetragen.
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len, dem Osnabrücker und Emsland hatten viele Kinder und so platzten die
Räumlichkeiten sicherlich bald aus allen Nähten.
Gleich daneben steht die alte evangelische Kirche, die seit dem Krieg von den
neu zugezogenen katholischen polnischen Einwohnern der Ortschaft nicht
mehr genutzt wird. Es gab ja in Giesenbrügge schon seit deren Zuzug in den
zwanziger Jahren die neue katholische und sicherlich schon damals auch modernere Kirche, die die Siedler gebaut hatten. Und so verfällt das schöne alte
Gebäude leider vollkommen. Die alte Pracht ist noch zu erahnen, wird aber
wohl auch bald das Zeitliche segnen.
Dorfstraße von Hasselberg aus gesehen Richtung Appel- und Pflaumenallee
Links Dorfteich und Lehrerhaus, verdeckt durch den Baum die Kirche
Rechts Boge, Ringer, Gesche, Thimian
Linkerhand hinter der Kirche Doppelhaus Lange und Wübbeling
Nun folgt ein Doppelhaus. Der Teil zur Kirche hin wurde bewohnt von Gärtner
Emil Lange. Er betrieb auch schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite
neben Thymians Grundstück seinen Garten.
Der andere und kleinere Teil des Hauses – mehr als eine Stube und Küche
können darin keinen Platz gehabt haben – wurde von einer Schneiderin,
Frau Wübbeling bewohnt. Sie hatte im Jahr 1943 für die junge Ingeborg Isler
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das Konfirmationskleid geschneidert. Es gab zwei Schneiderinnen im Ort, neben Frau Wübbelin schneiderte auch Frau Rechtien. Sie hatten beide keine
eigenen Werkstätten, sondern kamen zum Anmessen und Nähen nach Hause
und blieben zum Teil dann auch einmal bis zu einer ganzen Woche in der Familie vor Ort. Elisabeth Hilmes erinnert sich an die Anproben im heimischen
Wohnzimmer. In ihrer Zeit in den Häusern wurde dann für die ganze Familie
genäht und die Kinder bekamen alle zusammen neue Kleider nach gleichem
Schnitt. Auch damals wusste man, was Effizienz war.
C
Hinter Emil Lange geht links
ein Weg ab, der zum Gutsschloss mit seinem großen
Park und den uralten wunderschönen Linden- und Buchenbäumen und auch zur katholischen Kirche führte. Leider gibt
es dieses Schloss inzwischen
nicht mehr. Bis Ende der siebziger Jahre muss es noch existiert haben. Sogar
als Schule wurde es wohl bis 1974 noch genutzt. Dann wurde es jedoch abgetragen und es steht zu vermuten, dass die Steine als Baumaterialien anderorts
genutzt wurden.
Der Gutspark war bis Kriegsende zugleich auch der Schulhof und im Herbst
sammelten die Kinder unter den riesengroßen Buchen die Bucheckern, aus
denen in einer Ölmühle das Öl gepresst wurde.
Hört man den damaligen Kinder jener Zeit zu, so ist allen gemeinsam die Erinnerung an die übermächtigen Bäume auf dem Schulhof. Zum Teil stehen sie
bis heute. Allerdings ist der Park heute in Privatbesitz und nicht mehr ohne
weiteres begehbar.
An die großen Bäume knüpft eine ganz besondere Geschichte an, die vom
Räuber Masch erzähltD. Karl Friedrich Masch war ein übler Verbrecher, der in
C
Abbildung des Gutshausen von: http://www.treskowpage.com/index.html
http://www.kriminalia.de/2012/09/der-raubmorder-masch-und-seine-hohlen/ Der Räuber Karl Friedrich
Marsch trieb im 19. Jahrhundert sein Unwesen in der Neumark u.a Giesenbrügge.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-neue-pitaval-4813/3 „Aus der Kriminalgeschichte des Kreises Soldin“http://www.genealogienetz.de/reg/BRG/neumark/Soldin/ortesold.htm
D
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der Neumark im neunzehnten Jahrhundert sein Unwesen trieb und 1864 wegen mehrerer Morde zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Im Dorf erzähle man sich, er hätte eine Zeit lang in der dicken Linde neben dem Gutshaus gewohnt. Ob das wahr ist, vermag heute niemand mehr zu sagen. Tatsache ist laut alter Berichte, dass Masch immer wieder Zuflucht in der freien
Die großen Bäume im ehemaligen Gutspark gibt es bis heute
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Natur und selbst gebauten Höhlen gesucht und gefunden hatte. Elisabeth Hilmer erinnert sich noch an eine ausgehöhlte Linde, in der sich ganz oben zur
Zeiten ihrer Kindheit Töpfe und sogar ein Stuhl im Geäst befunden haben. Es
steht zu vermuten, dass diese Gerätschaften später in den Baum gekommen
sind. Die unheimliche Geschichte von dem Bösewicht fand jedoch darin offensichtlich einen gruseligen Nährboden, der den Kindern Spaß machte. Die Linde stand vor dem Schloss, jedoch schon außerhalb des Schulhofs und war so
gewaltig, dass man sich vorstellen konnte, dass hier ein Mensch Unterschlupf
hätte finden können.
Beeindruckend muss auch der große Wintergarten am Gutshaus gewesen
sein. Darin befanden sich zwei Wasserspender, aus dem man trinken konnte.
In den einfachen Gehöften kannte man solchen Luxus und Fortschritt nicht.
Und da das Gutsschloss als Schule zu einem quasi öffentlichen Gebäude geworden war, nutzte man es gerne.
Hinten im Park befand sich der Schulgarten. An den Schülergarten erinnert
sich Ilse Richter ganz besonders. Dort standen herrliche Walnussbäume und
die sammelte sie im Herbst auch fleißig auf. Sie lagen dann zu Weihnachten
auf dem bunten Teller oder wurden zu Kuchen verbacken. Im Schulgarten gab
es auch Maulbeerbäume. Im Krieg wurde dann in der unteren Etage des
Gutshauses, wo auch die Schule eingerichtet war, die Seidenraupenzucht gehalten. Die Raupen wurden ganz klein angeliefert und mussten Tag und Nacht
mit den Blättern der Maulbeerbäume dick und fett gefüttert werden. Das war so
eklig ! Auch nachts mussten die Kinder zum Füttern aufstehen. Die Raupen
spannen sich dann zu Puppen ein und wurden irgendwohin abgeliefert, damit
man aus den Kokons dann Fallschirmseide spinnen konnte.
Dann folgte das Gehöft von Landwirt Franz Kuhr. Genau gegenüber auf der
anderen Straßenseite mit der heutigen Nr. 21 Bernhard Kuhr. Er war ebenfalls
Landwirt und bei der Mühle und Genossenschaft angestellt laut D. Helwig
(1990) /1/. Die Kuhrs waren auch eine große Familie, die aus dem Emsland
eingewandert war. Heinrich Kuhr kam offenbar zusammen mit seinen Söhnen
Bernhard, Franz und Anton und August /1/ nach Giesenbrügge. Und alle vier
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Brüder hatten in Giesenbrügge einen Hof und betrieben Landwirtschaft. August Kuhr war nebenher auch Schuster.
Anschließend teilt sich die Hauptstraße und es geht links die Richnower Straße entlang nach Arnoldshof und geradeaus weiter die Karziger Straße nach
Kienitz und Karzig. Die linke Straße wurde jedoch früher unter den Bewohnern
nie anders als Appelallee wegen der sie säumenden Apfelbäume genannt. Die
Verlängerung der Dorfstraße geradeaus hieß wegen der Pflaumenbäume folgerichtig Pflaumenallee. Noch heute findet man diese uralten Obstbäume an
den alten Straßen und sie tragen fleißig ihre Früchte, wenn auch die Stämme
inzwischen faltig geworden und wild verholzt sind. Kommt man im Herbst in
diese Gegend, leuchtet das Obst in allen Farben in der tiefstehenden Sonne.
Jetzt wollen wir aber noch einmal die Dorfstraße zurückgehen und die rechte
Seite entlang spazieren.
Wir starten wieder am Dorfeingang nach den Gehöften der schon erwähnten
Wüstninghaus, Hügging, Stoller, Zabel, Silwedel, Hüve und Schwarte am Ende
der Glasower Straße, dort wo die Dorfstraße beginnt.
Dahinter geht es nach rechts zu den Friedhöfen, die etwas abgelegen vom
Dorf im Wald liegen. Der evangelische Friedhof der ehemaligen Bewohner von
Giesenbrügge ist zerstört, während der katholische Teil auch heute von den
jetzigen Giesenbrügger Bewohnern genutzt wird. Heute kündet dort nur noch
ein Gedenkstein, der im Jahre 2007 auf Initiative der früheren Bewohner bis
1945 hin errichtet wurden /4/, von der vergangenen Existenz der Vertriebenen.
Der evangelische Friedhof ist – wenn auch verfallen - jedoch historisch bedeutsam, da sich darauf das Grabmausoleum des Heros von Borcke und seiner Eltern befindet /5/. Der Familie von Borcke gehörte das Gut bevor die von
Treskows es 1897 übernahmen. Heros von Borcke erlangte Berühmtheit, weil
er im amerikanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Südstaaten mitkämpfte.
Am Abzweig zu den Friedhöfen direkt an der Ecke findet man noch heute das
alte Gemeindehaus. Darin waren auch Bedürftige untergebracht. Somit war es
auch das sogenannte Armenhaus des Dorfes. Früher war in diesem Haus die
Gutsschäferei, später wurde es zu Wohnungen ausgebaut. In dem Haus
wohnten in den dreißiger Jahren Familie Gehrke, Oma Alisch und Trude Mil-
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brand. Letztere gehörte zu Familie Gorkenand, die etwas weiter in der Straße
wohnte, wie wir noch hören werden, und deren Haus anschließend von August
Kuhr bezogen wurde. Im Obergeschoss wohnte Familie Nikolaitzak.
Grabmausoleum der Familie von Borcke mit dem Grab von Heros von Borcke
Ilse Richter erinnert sich ganz besonders an Oma Alisch, die dort wohnte und
sich ein wenig Geld als Kindermädchen bei Hasselbergs für Ilse und ihren
Bruder Klaus verdiente. Oma Alisch war der Erinnerung zufolge eine Kriegswitwe, deren Mann im ersten Weltkrieg gefallen war. Allerdings gibt es im Adressbuch des Kreises Soldin des Jahres 1925 /2/ es einen Gutsarbeiter Friedrich Alisch, verzeichnet für den Gutsbezirk Giesenbrügge. Welche Verwandtschaft hier bestand, ist nicht bekannt. Oma Alisch half auch bei allerlei häuslichen Arbeiten: Rüben putzen, Pflaumen brechen, Sirup und Pflaumenmuss
kochen, Enten und Gänse rupfen. Sie hatte dort im Hof einen Stall Hühner und
ein Stück Garten. Besonders gerne erinnert sich Ilse Richter daran, dass sie
bei Oma Alisch immer Weißbrot mit Griebenschmalz – dick bestrichen - bekommen hat. Wie hat das gut geschmeckt ! Zu Hause gab es so eine Leckerei
nicht, immer nur Graubrot.
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Noch eine andere ganz starke Erinnerung soll hier nicht unerwähnt bleiben.
Robert Gehrke – ein Sohn der dort wohnenden Familie - hat vom Lehrer
Dummer immer sehr viel Prügel bekommen. Vielleicht traute dieser grausame
Lehrer sich an den Kindern der einflussreichen Bauernfamilien des Ortes nicht
heran und ließ seine Wut an dem armen, schutzlosen Jungen aus. Sicherlich
auch eine der traurigen Geschichten über einen sadistischen Lehrer, der seinen Beruf nutzte, abnormen Neigungen nachgehen zu können.
Giesenbrügge vom evangelischen Friedhof aus gesehen
Zwischen Gemeindehaus und Friedhöfen befand sich die Gutsschäferei, wo
die Landwirte Rechtin – aus Alfhausen im damaligen Lankreis Bersenbrück im
Osnabrücker Land - und Kolchmeier – aus Handorf bei Oldenburg –ansässig
waren. Die Gartenfelder ihrer Gehöfte reichten bis zum Friedhof.
Anschließend breitet sich eine Fläche mit freiem Feld in die Landschaft aus,
vor Familie Lücke mit ihrem Gehöft. An das folgende Haus von Sikorski hat
Ilse Richter eine starke Erinnerung, obwohl sie zu den Bewohnern selber
nichts mehr zu sagen weiß. Dort gab es einen wilden Ganter, der sie einmal
verfolgte, als sie auf den Hof kam und furchtbar zubiss. Was hatte sie Angst !
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Nach einer weiteren freien Fläche, über die man über die Felder schauen
kann, folgte früher das Haus von Gustav und Otto Hoek. Laut Adressbuch des
Kreises Soldin des Jahres 1925 /2/ war Gustav Hoek von Beruf Maurer und
Otto Arbeiter. Heute gibt es dieses Haus nicht mehr.
Es folgte die heutige Nr. 13 - das Haus des Kaufmanns Gorkenand. Die älteren Leute wohnten dort noch bis in die dreißiger Jahre in Giesenbrügge. Es
muss dort auch eine Oma gegeben haben. Sie war wohl schon altersdement
oder anderweitig psychisch krank, als Ilse Richter ein Kind war. Oft lehnte sich
die alte Frau aus dem Fenster der oberen Etage und schrie und schimpfte
ganz schrecklich. Die Kinder hatten einerseits Angst vor ihr, machten sich aber
aus der sicheren Ferne auch lustig über sie. „Verrückte“ titulierte man damals
diese Menschen mangels des heute besseren Wissens und Verständnisses
über Krankheiten und Alter. Die Leute müssen dann aber irgendwann in den
dreißiger Jahre ausgezogen sein, denn danach wohnte dort Schuhmacher August Kuhr, letzterer ebenfalls ein Einwanderer aus dem Emsland.
In der folgenden heutigen Nr. 14 wohnte Familie Gustav Lehmann (gegenüber
von Hasselberg auf der anderen Straßenseite), laut Adressbuch 1925 /2/ als
Arbeiter ausgewiesen. Mit Anneliese Lehmann war mit Ilse Richter befreundet.
Es schließen sich Familie Silbernagel an und in der heutigen Nr. 16 Gustav
Boge, ein Kossät und Töpfermeister. Im Garten stand die Brennerei und Ilse
Richter erinnert sich vor allem, dass dort Ofenkacheln gebrannt wurden.
Dann folgt die heutige Nr. 17, in dem zwei unverheiratete Frauen wohnten. Da
gab es wohl zwei Schwestern – damals nannte man sie „alte Jungfern“. Ihr
Name war Ringer nach Giesela Königs Erinnerung. Im Adressbus von Soldin
des Jahres 1925 /2/ ist der Kossät Gustav Ringer verzeichnet, der in den dreißiger Jahren wohl verstorben war. Die beiden Frauen betrieben dort jedenfalls
allein aber sehr aktiv einen Bauernhof. Waren es wirklich zwei Schwestern, die
keinen Mann mehr „abbekommen“ hatten oder lebten die beiden Frauen als
Partnerinnen zusammen in einer Lebensgemeinschaft ? Man kann heute nur
darüber spekulieren und so modern hat man damals noch nicht gedacht.
In der heutigen Nr. 18 wohnte Familie Gesche.
Über Frau Gesche gibt es laut der Erinnerung von Ingeborg Schmidt zu berichten, sie war in erster Ehe mit einem Herrn Hudeler verheiratet und hatte mit
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ihm zwei Söhne. Der Ältere hieß wohl Paul. Wie der zweite hieß, ist nicht mehr
bekannt. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie dann Herrn Gesche.
In der Nr. 20 Familie Franz Thimian, daneben befand sich der Garten von
Gärtner Emil Lange, dessen Haus auf der anderen Straßenseite schon erwähnt ist und Nr. 21 gehörte nach wieder einem Zweig der Familie Kuhr, hier
Bernhard Kuhr. D. Helwig(1990) /1/ meint, dass Anton Kuhr um die Ecke nach
links auf der rechten Seite der Appelallee ansässig war.
Die Straße endet mit der heutigen Nr. 22 direkt an der Kreuzung mit Helmut Johns Kolonialwarenladen, in den Ilse Richters Mutter, Johanna Hasselberg, oft einkaufen ging. Ilse spielte oft mit Johns Tochter Marga, die ein Jahr
älter war. Im Dorf gab es ja noch Streeses Laden, aber man unterstützte sich
gegenseitig und nahm die Dienste aller Geschäftsleute gegenseitig in Anspruch. In den Jahren bis 1945 zeigte sich aber, trotz aller geschäftlichen Solidarität, dass Streeses Laden zunehmend florierte und dann wohl auch besser
aufgestellt war, weil es dort auch eine Bäckerei gab und vor allem die Zugezogenen dort besonders gerne einkauften.
Nun folgt die Appelallee nach links: Hier standen hintereinander die Anwesen
von Gutsinspektor Remus, Schulz und Wilhelm Rettschlag. Nach dem Adressbuch von Soldin aus dem Jahre 1925 /2/ gab es Otto, von Beruf Arbeiter, und
Wilhelm Rettschlag, Oberinspektor. Otto Rettschlag hatte sein Anwesen auf
der rechten Seite der Pflaumenalle. Ilse Richters Onkel Willy besuchte Frau
Rettschlag in der Appelallee oft. Sie war eine Schwester von Wilhelm.
Dann folgen nach Erinnerung von Ingeborg Isler und D. Helwig (1990) /1/ die
Landwirte Rüwe, Burke, Küpker, Bohmann, Sieve und Brinkmann. Agnes
Rüwe war auch eine gelegentliche Spielgefährtin von Ilse Richter. Familie
Brinkmann ist ebenfalls noch gut im Gedächtnis, weil sie mit Mutter, Bruder,
Tante und Cousine dort nach dem Einmarsch der Russen einquartiert war. Bei
Hasselbergs im Haus wurde die Kommandantur errichtet und so mussten sie
ausziehen. Brinkmanns Haus gehörte ebenfalls zu den Westfalenfamilien, die
sich um den Ortskern herum angesiedelt hatten.
Auf der rechten Seite der Appelallee wohnten laut Ingeborg Isler gleich an der
Kreuzung zur Dorfstraße ihre eigene Familie Schmidt/Märten.
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Ingeborgs Mutter entstammt der alteingesessenen Familie Märten. Gertrud
Märten hatte Ingeborgs Vater Max Schmidt aus Fahlenwerder geheiratet und
übernahm den Hof ihres Vaters Carl Friedrich Wilhelm Märten, den sie mit ihrem Mann weiter betrieb. Der Großvater war gelernter Stellmacher, gehörte zu
den sogenannten Kossäten und war auf dem Gut der Treskows als Gutsaufseher tätig gewesen. Seine Frau verstarb schon 1929 und er selber wenige
Tage vor dem Einmarsch der Russen in Giesenbrügge. So war es ihm nicht
mehr vergönnt, das Kriegsende zu erleben. Die Familie Märten/Schmidt betrieb also nach der Auflösung des Gutes die kleine Landwirtschaft vor Ort.
Max Schmidt half oft beim Schmied Rohr aus und hatte offenbar auch eine
„glückliche Hand“ für die Pferde. Man rief ihn gerne als „Tierarzt“ dazu, wenn
Not am Tier war.
Die Schmidts hatten vier Kinder: Ingeborg (Jg. 1928), die Zwillinge Waltraud
und Hannelore (1935) und Klaus (Jg. 1941).
Dann folgte das Haus des Maurers Anton Kuhr. D. Helwig (1990) /1/ listet
dann die Landwirte Thien, Köbbemann, August Schmidt und Rensen. August
Schmidts Hof war die heutige Nr. 35.
Vor dem Anwesen von Anton Kuhr führte ein Weg im Bogen von der Dorfstraße hin zum Gut und zur katholischen Kirche. Diese kleine Straße zweigte links
hinter der evangelischen Kirche von der Dorfstraße ab, verlief ein Stück parallel dazu entlang und dann wieder im Bogen auf die Dorfstrasse zu. Ein Seitenweg mündete dann in die Appelallee.
Gleich an der Rückfront des Hofs von Anton Kuhr befand sich das Anwesen
der Familie Hilmes. Das Haus gibt es heute leider nicht mehr. Es ist wohl deutlich nach dem Krieg einem Brand zum Opfer gefallen. Hilmes Haus gehörte
früher zum Gutshof und diente als Kutsch- und Pferdestall. Als die Familie in
den zwanziger Jahren aus dem Emsland nach Giesenbrügge einwanderte
konnten sie eines dieser Gebäude nutzen. Ob die Gebäude erst dann vollkommen umgebaut wurden oder sich zum Teil schon Wohnräume darin befunden haben, ist nicht mehr bekannt. Jedenfalls erinnert sich Elisabeth Hilmes an eine große Küche mit vielen Türen in ihrem damaligen Zuhause.
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August Hilmes hatte die Söhne Karl, Eduart und Alois mitgebracht. Alle drei
Söhne sollten im Krieg fallen. Eduart und Alois in Russland und Karl im Lazarett. Die Tochter Johanna heiratete den Nachbarn Franz Kuhr. Alois hielt es
nicht in Giesenbrügge. Er ging wieder zurück in die emsländische Heimat.
Eduart wurde früh verheiratet und zog in die ehemalige und aufgegebene
Försterei zwischen Giesenbrügge und Neuenburg.
In der heutigen Nr. 52a wohnte Landwirt Bernhard Iding mit vielen Kindern.
Ilse Richter erinnert sich an sechs Geschwister. Laut D. Helwig (1990) /1/
müssen es zehn gewesen sein, wobei ein Mädchen im Alter von zwei Jahren
1942 verstarb. Hedwig war so alt wie Ilse Richter und die Älteste der Geschwister. Nie hatte sie Zeit zum Spielen, immer musste sie Kinder hüten - ihre
jüngeren Geschwister.
Am Haus von Iding nach hinten heraus Richtung Adamsdorf von der Dorfstraße weg war das Haus von Landwirt Weiken gleich angebaut. Der Bauer hatte
Sauen und Fritz Hasselberg, Ilses Vater sagte immer: „Die sind so dünn und
mager, da ist nichts dran.“ Entsprechend sportlich waren die Tiere drauf. Sie
müssen wirklich nicht sehr fett gewesen sein, denn sie sprangen oft über den
Zaun und mussten dann wieder eingefangen werden.
An der Ecke wohnten Landwirt und Schneider Hüwe. Ilse Richters Vater Friedrich und sein Bruder Wilhelm ließen sich von ihm ihre Anzüge nähen. Ganz in
der Ecke gab es dann noch Fischer Rohrbach. Friedrich Hasselberg ging im
Winter manchmal mit ihm zum Eisfischen auf den See und brachte dann reichlich Fische mit. Nach eine leider nicht weiter verbürgten Quelle findet man im
Genealogienetz unter /7/, dass Fritz Rohrbach aus Glasow den Rest des Gutes nach der Aufsiedlung in der Größe von 54 Hektar des Adamsdorfer HausSees übernahm und dort eine intensive Fischerei betrieb. In einem Schlossarchiv /6/ ist Rohrbach ab 1929 als letzter Besitzer des Guts in Giesenbrügge –
offenbar seiner Siedlungsreste verzeichnet.
Und fast am See findet man dann die katholische Kirche, die noch heute in
Betrieb ist. Ilse Richter erinnert sich daran, dass die katholischen Siedler den
Frohnleichnahmstag immer festlich gestalteten. Die Siedler – jeweils zusammen jede der vier Straßenzüge - bauten dann einen eigenen Altar auf, der mit
Blumen und – in Ilse Richters Erinnerung - vor allem mit Lilien reichlich ge25
schmückt wurde. Und dann zog man in einer Prozession durch den Park an
allen Altären vorbei. Die Mädchen trugen weiße Kleider zur Kommunion.
Gutshaus
evang.
Kirche
katholische
Kirche
Emil Lange und
Schneiderin
Wübbeling
Rohrbach
Hüwe
Franz Kuhr
Iding/Weiken
Hilmes
Karree ehemaliges Gutshaus, evangelische und katholische Kirche.
In der Pflaumenallee wohnten von der Dorfstraße aus gesehen auf der rechten
Seite nach der Erinnerung von Giesela König: Otto Rettschlag, Weslewski,
Mai, Krause und Götz. und Klatte. Ilse Richter erinnert sich an Ursula May in
der Pflaumenallee, deren Konfirmationskleid sie noch im Frühjahr 1945 bei
ihrer Notkonfirmation getragen hat. Ihr Vater war Förster. Laut D. Helwig
(1990) /1/ folgten dann noch Landwirt Steffens.
Ingeborg Isler weiß, dass auf die Pflaumenaller auf der linken Seite mit Familie
Dürr startet. Nach Giesela Königs Erinnerung folgen dann Familie Hindersmann und nach D. Helwig (1990) /1/ anschließend Burs, Menke, Mersch und
Ostermeyer.
Bei Burs wohnte ehemals eine Familie Dürr, die später verzogen ist und an
den Sohn Hermann der Siedlerfamilie Burs aus der Pommerschen Straße verkauft hat. Das junge Ehepaar hatte in Ingeborg Schmidts Erinnerung ein kleines Kind.
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Referenzen:
1. Helwig, Dorothea: „Giesenbrügger Siedler“, Selbstverlag, Braunschweig 1990
Kreisadressbuch Soldin, 1925. Kontakt Gerd Carsten Schmegel;
2.
;
; Bearbeitungsstand:
Erfassung der Rohdaten: http://wikide.genealogy.net/Kreis_Soldin/Adressbuch_1925/D%C3%B6rfer#Giesenbr.C3.BCgge.2C_Guts
bezirk
3.
4.
5.
6.
7.
oder:
http://www.genealogienetz.de/reg/BRG/neumark/Soldin/kabs_5.htm
Dieser Besuch wird in verschiedenen Sekundärquellen erwähnt, welche die Information erkennbar voneinander übernehmen; es gibt eine Geschichte in einem Schulbuch
dazu. http://gei-digital.gei.de/viewer/fulltext/PPN647409852/157/; http://wikide.genealogy.net/Giesenbr%C3%BCgge;
http://www.treskowpage.com/03_orte/03_orte_gizyn.html
Neue Osnabrücker Zeitung, 08.07.2007:
http://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/250410/versohnung-uber-den-gr-auml-bern
Borcke, Wulf-Dietrich: „Heros von Borcke – Ein Reis von altem Stamm (1835-1895);
Iserlohn 1999/2007;
http://www.borcke.com/upload/content/geschichte/Heros_v.Borcke_letzte_Fassung.pdf
Schlossarchiv: http://www.schlossarchiv.de/haeuser/g/GI/Giesenbruegge.htm
Genealogienetz: http://wiki-de.genealogy.net/Giesenbr%C3%BCgge
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