Rein in die Kartoffeln, 10.9.2015, Reutlinger-General

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KARTOFFELFEST
DONNERSTAG, 10. SEPTEMBER 2015 – REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER
Es waren wieder einmal Tausende, die zum Kartoffelfest
auf den St. Johanner Gestütshof geströmt sind. Nicht nur,
um sich mit der neuen Ernte bester Erdäpfel einzudecken.
Lockstoff in Hülle und Fülle bietet auch der große Bauern-
markt mit 66 Anbietern regionaler Erzeugnisse, reichlich
Information zu Kartoffeln und über das Biosphärengebiet,
gutes Essen, schöne Dinge und klasse Unterhaltung. Nicht
zuletzt ist das Fest zum beliebten Treffpunkt geworden
Und los geht’s beim
Kartoffellesewettbewerb auf dem Acker.
Untere Reihe (von
links): Schlange stehen für die KartoffelProbier-Häppchen
beim Kreislandwirtschaftsamt, großer
Auftritt in Schale der
Protagonisten des
Fests und ein
voller Hof zur
Mittagszeit.
GEA-FOTOS: MARKUS
NIETHAMMER
Rein in die Kartoffeln
VON JULIE-SABINE GEIGER
UND CHRISTINE DEWALD
ST. JOHANN. Auf die Plätze, fertig und
rein in die Kartoffeln. Zumindest die Kinder, für die das Kartoffellesen auf dem
Acker beim Fohlenhof in jedem Jahr die
Attraktion ist. Schon weil sie von zwei
PS, den Schwarzwälder Hengsten des
Haupt- und Landgestüts Marbach, dorthin gebracht werden, und sich jeder
nach getaner Buddelarbeit ein Säckchen
voller von Oliver Blankenhorn aus Würtingen angebauten Belana-Erdäpfel mit
nach Hause nehmen darf. Botanische
und historische Kartoffelbildung gab es
obendrein von Hans Werner vom Kreislandwirtschaftsamt, der mit seinem
Team auf dem Acker die wetteifernden
Mannschaften in die Reihen dirigierte,
wo in diesem Jahr laut Oliver Blankenhorn weniger und kleinere Erdäpfel herausgekommen sind. Das hat die Kinder
nicht gestört. Sie waren mit Feuereifer
dabei und haben sich über ihre Preise gefreut.
Bewährtes Team: Fünf ziehen an einem Strang: Die Veranstalter der Großveranstaltung in der letzten Ferienwoche
sind inzwischen ein eingespieltes Team.
Neben dem Landkreis Reutlingen und
der Gemeinde St. Johann sind das Hauptund Landgestüt Marbach, die Biosphärengastgeber und der Reutlinger GeneralAnzeiger mit im Boot. Und alle Marktbeschicker wissen: unbedingt früh da sein.
Denn gleich zum Start ist der Ansturm
der Massen am größten.
Schupfnudeln sind sie ganz ordentlich.«
Den Teig fürs Wettformen hatten die
Kontrahenten unter der Anleitung der
Biosphären-Gastgeber Christian Schmid
und Thomas Frank aus der mehlig kochenden Kartoffel Laura produziert.
Wir präsentieren
die besten Events
in der Region
Reichskanzler und Ackersegen: Sie
sind wieder da, die Kartoffeln der Nachkriegszeit, von deren intensivem Geschmack die Älteren immer noch träumen. Allerdings nur zum Anschauen, dafür angebaut und ausgestellt vom Freilichtmuseum Beuren, damit im Gedächtnis bleibt, was die Zucht beflügelt hat.
Manche Sorten sind jetzt über 100 Jahre
alt. Ackersegen hat selbst Pflanzenbauberater Wendelin Heilig vom Acker verbannt, »weil die aus dem Boden kommt
und schon krank ist«.
Blaue St. Gallner und Rote Emmalie: »Augen zu und Sie raten, ob ich Ihnen eine rote oder eine blaue Kartoffel in
den Mund geschoben habe«, forderte
Landtagsabgeordneter
Karl-Wilhelm
Röhm (CDU) seinen Kollegen Klaus Käppeler (SPD) zur Blindverkostung am
Stand des Kreislandwirtschaftsamts auf.
Käppelers Urteil: »Schmeckt ganz normal.« Andere Tester sprachen den Bunten, die freilich nicht jedermanns Angelegenheit
sind,
Höchstlob
aus:
»Schmeckt et schlecht.«
Albgemüse: Was der karge Albboden
an Gemüse alles hervorbringt, wenn ein
Gärtner wie Andreas Werner im höchstgelegenen Gartenbaubetrieb der Region
in Wilmandingen den Pflänzchen gut zuredet, überrascht. Nach der Sommertrockenheit habe das Gemüse jüngst in der
zweiten Bodenfrostnacht ganz schön geschloddert, berichtete der Biolandgärtner, der schon die ersten Gelben-Zentner-Kürbisse, trockenheitsbedingt im
handlichen Format, aufs Fest gebracht
hat.
Vielfalt: Über 30 verschiedene Leckereien rund um die Kartoffel – von schlankem Finger-Food bis zum opulenten Gericht – haben die fünf beim Fest bewirtenden Biosphärengastgeber für das
hungrige Publikum kreiert. »Aus einer
solchen Vielfalt zu einem Thema auswählen zu können, das gibt’s sonst nirgends«, lobt Wolfgang Speidel vom
Ödenwaldstettener
Brauerei-Gasthof
Lamm die Kreativität seiner Berufskollegen. Manche der Kartoffelfest-Spezialitäten, die Lasagne aus Erdäpfeln beispielsweise, seien fast schon Klassiker. Neues
komme jedes Jahr dazu. Was Speidel an
solchen
Veranstaltungen
ebenfalls
schätzt, ist auch der für das Gastgewerbe
immer wieder bereichernde Kontakt mit
Landwirten und Direktvermarktern.
Wiesenmeister: Zehn Jahre nach der
ersten Wiesenmeisterschaft auf der
Schwäbischen Alb wurden in diesem
Jahr im Biosphärengebiet Schwäbische
Alb die Landwirte zum zweiten Wettbewerb um die Artenvielfalt aufgerufen.
Rund 40 Flächen waren von 22 Landwirten angemeldet worden. Die zehn Gewinner wurden beim Kartoffelfest bekannt gegeben. In der Kategorie artenreiche Magerwiese: 1. Dietmar Rapp, Naturlandhof, Granheim. 2. Schwäbischer
Albverein Metzingen. 3. Gudrun Reger,
Erbstetten. In der Kategorie artenreiche
Fettwiese: 1. Jörg Schmid, Owen. 2. Wal-
ter Mollenkopf, Pfullingen, 3. Sven Hild,
Neuffen. In der Kategorie artenreicher
Gesamtbetrieb: 1. Holzschuh, Hausen
(Schelklingen). 2. Edith Hascher,
Schmiechen. 3. Christoph Röhner, Gutenberg. Der Sonderpreis artenreiche
Weide ging an Michael Kuch vom Sulzburghof in Lenningen.
Wandlungsfähig: Wie der Geist der
Streuobstwiesen in Flaschen abgefüllt
wird, wollen immer mehr Besucher des
Biosphärengebiets wissen, hat Manuel
Strasser aus Dettingen festgestellt. Kostproben des Hochprozentigen aus Ermstalobst gab’s auf dem Kartoffelfest, wie
das Geistvolle aus Birne, Zwetschge oder
Kirsche entsteht, können Besucher in
seiner Schaubrennerei erleben und sich
davor, oder danach, im Obstbaumuseum
in Glems rundherum über den Streuobstbau informieren. Der Transfer kann mit
zwei PS gebucht werden. (GEA)
MEHR BILDER ONLINE
Mehr Bilder vom Kartoffelfest auf dem
Gestütshof St. Johann in der Online-Ausgabe des Reutlinger General-Anzeiger.
www.gea.de
Kartoffelfestpremiere:
Bestanden
hat St. Johanns fast noch neuer Bürgermeister Florian Bauer seine Kartoffelfestpremiere. Hausherrin und Marbach-Chefin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck hatte
sich gespannt geäußert, wie sich der Novize wohl so schlagen würde. »Unsere
Azubis fallen am ersten Tag ja immer in
den Brunnen.« Dererlei Taufe blieb Bauer erspart, zumal er auf dem Acker beim
Lesen mitangepackt und auch sonst bewiesen hat, dass er zu den Erdäpfeln
weit mehr als ein Bratkartoffelverhältnis
hat. Selbst beim Wettschupfen zum Abschluss hatte Bauer gegen zweifache
weibliche Konkurrenz die Nase vorn –
wenn auch seine Herausforderin Kerstin
Lamparter, aus St. Johann stammende
Landtags-Kandidatin der Grünen, zum
Ergebnis der bürgermeisterlichen Bemühungen süffisant meinte: »Für FDP-
30 Kartoffelgerichte
haben die fünf Biosphärengastgeber
aufgetischt. Mit
Schäfchen, Wacholderkönigin Jasmin
Strohm, zwei Mädchen schleppen Kartoffeln ab und in die
große Kastanie des
Gestütshofs sind
Mia und Florian geklettert.