BA_D1 Diskussionsvorlage für Interview Lesen Sie nachstehenden Artikel und fassen Sie die wesentlichsten Punkte zusammen. Inwiefern können Sie von den Maßnahmen/Entwicklungen betroffen sein? Aus welchen Gründen ist der angesprochene Politikbereich der EU für Sie ein wesentlicher Bereich der EU Politik? Bereiten Sie sich vor, zu den oben genannten Punkten 5 Minuten frei zu sprechen! Jobs: EU erholt sich, Österreich nicht Laut Eurostat verzeichnet die EU die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2009. Nur in zwei Ländern ist diese im vergangenen Jahr gestiegen: in Finnland und in Österreich. 07.01.2016 | 17:34 | von Dominik Perlaki (Die Presse) Wien. Das statistische Amt der EU, Eurostat, hat die Arbeitslosenquoten für November 2015 bekannt gegeben. Für die EU ist das Ergebnis erfreulich: Insgesamt liegt die Arbeitslosenquote in den 28 Mitgliedstaaten nach EU-Berechnung bei 9,1 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit Juli 2009. Mit 5,8 Prozent liegt Österreich EU-weit auf Rang fünf hinter Deutschland, Tschechien, Malta und Großbritannien. Anlass zu Freude bereitet das hierzulande aber nicht, denn noch vor einem Jahr belegte das Land den zweiten Rang hinter Deutschland. Seither ist die Arbeitslosigkeit fast überall in der EU gesunken. Österreich hingegen ist eines von nur zwei Ländern, wo sie im selben Zeitraum gestiegen ist – sonst teilt nur Finnland dieses Schicksal. Aufatmen in der EU Die EU findet langsam den Weg aus der Krise. Insgesamt liegt in den EU-28 die Quote zwar noch immer weit über jener vor der Wirtschaftskrise – 2008 lag sie für die Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at gesamte Union noch bei sieben Prozent. Aber seit 2013, als mit 10,9 Prozent das höchste Jahresmittel bislang erreicht wurde, ist sie wieder gesunken. Zurückzuführen ist die allgemeine Verbesserung stark auf eine Stabilisierung der Arbeitsmarktsituation in Südeuropa. Den stärksten Rückgang bei der Arbeitslosigkeit verzeichnen nämlich die Sorgenkinder Spanien (um 2,3 Prozentpunkte) und Italien (um 1,8 Prozentpunkte). Spanien startete allerdings Ende 2014 auf einem extrem hohen Niveau. Auch jetzt hat das Land mit 21,4 Prozent noch die zweithöchste Arbeitslosigkeit in der Union nach Griechenland. Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) führt die sinkende Arbeitslosenzahl in Spanien aber nicht nur auf das zuletzt stärkere Wirtschaftswachstum des Landes zurück: Auch Abwanderung führe dort zu einer Entspannung der Arbeitsmarktsituation. Großes Arbeitskräfteangebot Für Österreich stellt Hofer eine gegenteilige Diagnose. Das Steigen der Quote führt er auf zwei entscheidende Gründe zurück: Österreich habe im Moment mit geringem Wachstum zu kämpfen. Zugleich gebe es aber ein großes Arbeitskräfteangebot. Denn im Gegensatz zu vielen anderen EU-Staaten erlebt Österreich seit Jahren eine starke Zuwanderung, vor allem aus den Staaten, die seit 2004 der EU beigetreten sind. Jedes Jahr kommen mehr Menschen aus diesen Ländern. 2014 kamen mit rund 66.000 Personen etwa doppelt so viele wie noch 2010. Auch den gesellschaftlichen Wandel führt Hofer als Ursache für das erhöhte Arbeitskräfteangebot ins Treffen: Hausfrauen gebe es heute praktisch nicht mehr, und die steigende Frauenerwerbsquote bringe auch mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt. Hinzu kommt dann noch der Versuch, das faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Spätere Pensionierungen bedeuten zugleich auch mehr Arbeitskräfte. Hier sieht Hofer auch einen entscheidenden Unterschied zu Deutschland: Dort sei man beim demografischen Wandel schon weiter. Das heißt, während unser Nachbarland die größte Pensionierungswelle schon hinter sich hat, steht diese Österreich noch bevor. Danach werde sich der Arbeitsmarkt auch hierzulande wieder beruhigen. Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Auch Finnland rutscht ab Deutschland kann seine Position an der EU-Spitze weiterhin halten. Zwischen November 2014 und der aktuellen Erhebung ist die Arbeitslosenquote dort sogar um weitere 0,4 Prozentpunkte gesunken. Angesichts der guten Konjunkturlage ist dies wenig überraschend. Rang zwei hingegen geht an ein Land, das noch vor Kurzem gar nicht so gut dagestanden ist: Tschechien. Noch 2013 lag die Arbeitslosenquote dort bei sieben Prozent. Nach den Krisenjahren gibt es dort aber inzwischen einen kleinen Wirtschaftsboom: In den neun Monaten bis September 2015 wuchs die tschechische Wirtschaft nach Angaben von Eurostat um vier Prozent. Kein anderes EU-Land kam in dem Zeitraum an unser nördliches Nachbarland heran. Im August des Vorjahres gab es etwa 100.000 offene Stellen – und einen Fachkräftemangel. Am anderen Ende der Statistik steht Finnland. Dort ist die Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr um 0,4 Prozent gestiegen, und die Aussichten sind weiterhin Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at düster. Denn auch die Wirtschaft ist in den ersten drei Quartalen 2015 nur um 0,1 Prozent gewachsen. Seit dem Niedergang des früheren Handy-Weltmarktführers Nokia kommt das Land nicht aus der Krise. ("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016) http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/4899836/Jobs_EU-erholt-sichOsterreich-nicht?_vl_backlink=/home/wirtschaft/international/index.do (download 13.Jänner 2016) Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at BA_D2 Diskussionsvorlage für Interview Lesen Sie nachstehenden Artikel und fassen Sie die wesentlichsten Punkte zusammen. Inwiefern können Sie von den Maßnahmen/Entwicklungen betroffen sein? Aus welchen Gründen ist der angesprochene Politikbereich der EU für Sie ein wesentlicher Bereich der EU Politik? Bereiten Sie sich vor, zu den oben genannten Punkten 5 Minuten frei zu sprechen! TTIP: Nichts zu gewinnen, viel zu verlieren Andras Szigetvari 17. Jänner 2016, 18:59 DerStandard Das Freihandelsabkommen stand im Burgtheater im Zentrum einer hitzigen Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern Wien – Zwei Stunden und 55 Minuten benötigte der Serbe Novak Djokovic am 12. Juli 2015 dazu, sich im Finale von Wimbledon gegen Roger Federer den ersten Matchball zu erspielen. Für die Zuschauer wird es nicht von Interesse gewesen sein. Aber der Ball, den Djokovic in jenem Augenblick servierte, hatte eine besondere Reise hinter sich. Forscher an der Warwick Business School haben errechnet, dass der Tennisball 80.400 Kilometer zurücklegt, ehe er in Wimbledon ankommt. Der Produzent, eine britische Firma namens Slazenger, lässt die Bälle seit einigen Jahren auf den Philippinen herstellen. Die dort verarbeiteten Einzelteile werden aus elf Ländern geliefert, darunter Neuseeland, China, Taiwan, Indonesien, Japan, Griechenland und die USA. Der Wimbledon-Ball spielte am Sonntag im Burgtheater in der Diskussion zu der Frage "Wozu brauchen wir TTIP?" eine nicht unwesentliche Rolle. Denn für Lutz Güllner, den Vertreter der EUKommission in der Debatte vor rund 800 Zuhörern, ist der Tennisball ein perfektes Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Beispiel dafür, dass die EU vom geplanten Freihandelsabkommen mit den USA stark profitieren könnte. foto: cremer TTIP ist besonders in Österreich umstritten. Rund 800 Zuhörer lauschten der Diskussion über das Abkommen am Sonntag im Wiener Burgtheater. Der Ball ist tatsächlich repräsentativ für die veränderte Realität in der internationalen Warenproduktion. Während früher vor allem mit Fertigprodukten gehandelt wurde, bestehen heute 70 Prozent des Welthandels aus der Verschiffung von Einzelteilen. Es haben sich regionale Wertschöpfungsketten gebildet – in Asien, Südamerika und Europa -, an denen immer mehr Staaten beteiligt sind. Zugleich aber fehlt, wie Güllner ausführte, jede internationale Ordnungsmacht für den Freihandel. In der Welthandelsorganisation WTO stecken entsprechende Verhandlungen seit Jahren fest. Deshalb erproben immer mehr Länder regionale Partnerschaften. In diesen werden Produktnormen festgelegt und Standards für Umweltschutz und Arbeitsrecht definiert. Wenn die EU bei dieser Entwicklung nicht nur "passiv" zusehen wolle, müsse sie selbst aktiv werden, so Güllner. TTIP werde Europa in seinen Augen nicht nur mehr Wohlstand bringen. Das Abkommen sorge zusätzlich dafür, dass die EU künftig die Marschrichtung für den Handel mitbestimmen kann. foto: cremer Éva Dessewffy von der Arbeiterkammer befürchtet Deregulierung. Diese Thesen provozierten bei der von Shalini Randeria, der Rektorin des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), geleiteten Diskussion jede Menge Widerspruch. Und das belebte die ohnehin recht kurzweilige Debatte umso mehr. Vehement gegen TTIP argumentierten am Podium im Burgtheater Éva Dessewffy von der Arbeiterkammer und die Autorin und Zeit-Journalistin Petra Pinzler. Beide beklagten, dass die EU trotz aller Lippenbekenntnisse wenig dafür tue, um höhere Standards im Vertrag mit den USA durchzusetzen. Beispiel Arbeitnehmerschutz: Die Vereinigten Staaten haben nur zwei von acht wichtigen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet. So haben die USA nie jenen ILO-Vertrag angenommen, der Arbeitnehmern ein Recht auf Kollektivverträge zuspricht. Doch die EU übe an diesem Punkt auch keinen Druck aus, so Dessewffy. Die Autorin Petra Pinzler: Bürger haben kein Mitspracherecht bei TTIP. Dabei führen weniger Kollektivverträge und der in den USA geringere Einfluss von Gewerkschaften dazu, dass bestimmte Sektoren billiger als in Europa produzieren können. Sollte TTIP in Kraft treten, werde Europa deshalb die eigenen Standards absenken müssen, weil man ansonsten nicht konkurrenzfähig bleibe. Dessewffy kritisierte zudem, dass die EU auch öffentliche Dienstleistungen nicht aus Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at dem Anwendungsbereich des Abkommens ausnehmen wolle. Das brachte ihr wütende Zwischenrufe Güllners ein: "Das stimmt nicht. Sie können nicht einfach etwas behaupten, was nicht den Fakten entspricht." Druck aus Übersee Die Kritik der TTIP-Gegner provozierte den streitbaren Chef des Thinktanks Agenda Austria, Franz Schellhorn. "Haben Sie wirklich das Gefühl, dass in Amerika alles so schrecklich ist?", fragte er Dessewffy. Es sei doch ein völliger Irrglaube, dass die Standards in Europa um so vieles höher seien. Der VW-Skandal, von dem Europas Pkw-Aufseher jahrelang nichts mitbekommen habe, sei der beste Beleg dafür. Mit TTIP habe die EU nicht unbedingt etwas zu gewinnen. Aber ohne den Vertrag werde die Zukunft des globalen Welthandels an Europa vorbeilaufen, die Union habe also viel zu verlieren, so Schellhorn. Der Jurist Peter-Tobias Stoll. Lutz Güllner von der EUKommission Peter-Tobias Stoll merkte dazu an, dass die EU-Kommission zu hohe Erwartungen schüre. Es gebe weltweit mehr als 400 Freihandelsabkommen. Wer davon wie profitiert, sei serös gar nicht abschätzbar. Wenn die globalen Produktionsketten immer mehr Länder einbeziehen, sei auch uneinsichtig, warum die EU ihr Heil ausgerechnet in bilateralen Abkommen wie TTIP suche. Die Autorin Pinzler kritisierte, dass bei den TTIP-Verhandlungen von Anfang an vieles falsch gelaufen sei: So wurden die Gespräche unter großer Geheimhaltung geführt. Nicht einmal das Verhandlungsmandat der EU-Kommission sei zunächst veröffentlicht worden. Aber nicht nur die Verhandlungen liefen intransparent. Wenn es einmal ein Ergebnis gibt, hätten die Bürger kein Mitspracherecht. So wurde tatsächlich im vergangenen Jahr das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) ausverhandelt. Die EU-Kommission will den Vertrag als Ganzes durch die nationalen Parlamente und das EU-Parlament durchwinken und warnt davor, Änderungen hineinzuverhandeln, weil dies Begehrlichkeiten bei den Kanadiern wecken könnte. Pinzler: "Dadurch bekommen die EU-Bürger aber das Gefühl, dass solche Verträge überhaupt nicht mehr rückgängig gemacht werden können." Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria. Gegen Ende der Diskussionsveranstaltung, die in Kooperation mit dem IWM, dem Burgtheater, der Erste-Stiftung und dem STANDARD stattfand, wurde es dann noch einmal hitzig, als die Sprache auf die Investorenschiedsgerichte kam. Schellhorn kritisierte, dass die TTIP-Gegner gern falsche Argumente aus dem Hut zaubern: Da werde ständig behauptet, dass Länder wegen der Klagen von Firmen vor Schiedsgerichten ihre Gesetze ändern müssen. Als Beleg dafür werde etwa die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall angeführt, das Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Unternehmen geht ja gegen die Bundesrepublik Deutschland nach deren Atomausstieg vor. Tatsächlich wolle der Konzern aber nicht die Gesetze ändern, sondern eine Entschädigung, weil Atomkraftwerke entgegen früheren Versprechungen der Politik abgedreht werden. "Schlimm genug", sagte Dessewffy. Warum soll die Allgemeinheit für legitime politische Anliegen eine Strafe bezahlen? Gewonnen hat übrigens Novak Djokovic, also nicht in der Diskussion, sondern beim Wimbledon-Finale. (András Szigetvari, 18.1.2016) http://derstandard.at/2000029234489/TTIP-Nichts-zugewinnen-viel-zu-verlieren (Download 18.Jänner 2016) Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at BA_D3 Diskussionsvorlage für Interview Lesen Sie nachstehenden Artikel und fassen Sie die wesentlichsten Punkte zusammen. Inwiefern können Sie von den Maßnahmen/Entwicklungen betroffen sein? Aus welchen Gründen ist der angesprochene Politikbereich der EU für Sie ein wesentlicher Bereich der EU Politik? Bereiten Sie sich vor, zu den oben genannten Punkten 5 Minuten frei zu sprechen! Brodelndes Wachstum für Europa gesucht Kommentar der anderenKarl Aiginger 8. Jänner 2016, 17:02, DerStandard Der Euro, ein niedriger Ölpreis – die Chancen stehen gut für die EU, die Finanzkrise endgültig hinter sich zu lassen. Dafür allerdings müssen wir uns von Mythen verabschieden und Ambitionen zeigen Europa befindet sich in einer langsamen Erholungsphase. Die Wirtschaftsleistung hat aber 2015 im Euroraum gerade das Vorkrisenniveau erreicht, während es in den USA um zehn Prozent darüber liegt. Gemessen an den Verlusten gegenüber dem bisherigen Wachstumspfad, angesichts des niedrigen Euro und der gefallenen Erdölpreise müsste das europäische Wachstum viel höher sein. Fünf falsche Lösungsvorschläge ("Mythen") haben die Erholung bisher behindert: Mythos 1: Wachstum kehrt zurück und senkt die Arbeitslosigkeit Die Finanzkrise sei nun endlich überwunden, und das mittelfristige Wachstum werde ausreichen, um die Arbeitslosigkeit von heute zehn auf fünf Prozent zu senken. Ein höheres Wachstum sollte angestrebt werden. Das Wachstum muss allerdings anders sein ("Reprogrammierung") als in der Vergangenheit. Und ein Wachstum im Ausmaß der Vergangenheit ist unwahrscheinlich. Erstens folgt nach Finanzkrisen immer eine Phase niedrigen Wachstums. Zweitens prognostiziert die "Theorie der säkularen Stagnation" einen Mangel an radikalen neuen Technologien. Drittens stößt Wachstum an "natürliche Grenzen". Ein Wachstum der Weltwirtschaft von drei Prozent bedeutet eine Verdreifachung des Outputs bis 2050 und mehr als Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at eine Verzehnfachung bis 2100. Alle internationalen Prognosen gehen für Industrieländer von einem Wachstum unter zwei Prozent aus, für Europa meist noch weniger. Mythos 2: Öffentliche Schulden müssen rasch und ohne Wenn und Aber zurückgeführt werden Defizite in vielen europäischen Ländern sind hoch, ebenso die Staatsschulden. Diese müsse rasch unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt werden. In allen Länden gleichzeitig. Die Empirie zeigt, dass der Erfolg einer Schuldensenkung von ihrem Zeitpunkt, den Prioritäten und von der Entwicklung bei den Nachbarn abhängig ist. Erfolgreiche Konsolidierungen müssen als fair betrachtet werden, sie benötigen eine Aktivkomponente und eine Vision über die Stärken eines Landes nach der Konsolidierung. Gleichzeitige und perspektivenlose Konsolidierung gelingt nicht. Eine Vergemeinschaftung der Schulden bis zu einer gewissen Grenze ist wichtig. Die Zukunftsinvestitionen müssen allerdings auch während der Konsolidie-rung finanziert werden, niedrige Einkommen müssen entlastet werden. Mythos 3: Öffentliches Geld ist knapp, alle Ausgaben müssen gekürzt werden Die Zwischenevaluierung der EU-2020-Strategie hat gezeigt, dass Forschungs- und Armutsziele krass verfehlt werden. Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energie liegen weit unter den Notwendigkeiten, wie sie beim Paris-Gipfel definiert wurden. Die Knappheit der öffentlichen Mittel ist nicht nachvollziehbar, denn: Europa leistet sich auch Subventionen für fossile Energie und beschränkt damit die Chance erneuerbarer Energien. Große Budgets werden für Agrarsubventionen ausgegeben, damit werden Großbetriebe ohne relevante Auflagen finanziert. Europa verzichtet auf die Besteuerung spekulativer Finanztransaktionen, erlaubt die Verschiebung der Gewinne in Steueroasen und lässt Steuerbetrug zu. Die 28 Mitgliedsländer haben höhere Militärausgaben als China und Russland zusammen und können damit weder Fluchtwege kontrollieren, Grenzen überwachen oder zur Stabilität in der Nachbarschaft beitragen. Alle vier Ineffizienzen zusammen würden eine erhebliche Senkung der Steuern auf Arbeit und die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen ermöglichen. Mythos 4: Fehlende Gewinne behindern private Investitionen Investitionen haben sich seit der Finanzkrise nicht erholt. Gewinne sind niedrig, Kredite knapp. Unternehmen nutzen ihre Gewinne zur Schuldenrückzahlung. Das liegt an der pessimistischen Beurteilung der Wachstumschancen und fehlenden Anreizen, in neue Technologien zu investieren. Investitionsanreize, anspruchsvolle Standards und Kreditfinanzierung Unterstützung ist nicht für knapp, neue Technologien allerdings würde wären notwendig. Crowdfinancing Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at eine Investitionsoffensive stützen. Mythos 5: Die Arbeitsproduktivität steigt zu langsam Viele Studien beklagen den zu geringen Anstieg der Arbeitsproduktivität. Dieser ist niedriger als in anderen Erholungsphasen. Allerdings ist der Anstieg der Arbeitsproduktivität kein Ziel, sondern es sollte die Gesamtproduktivität steigen. Wenn die Arbeitsproduktivität steigt, sinkt der Beschäftigungsgehalt des Wachstums, und ein höheres Wachstum ist nötig, um Arbeitslosigkeit abzubauen. Priorität wäre ein Anstieg der Ressourcen und der Energieproduktivität. Diese steigt viel schwächer als die Arbeitsproduktivität, weil die Energiepreise niedrig und die Besteuerung der Arbeit hoch ist. Ziele wie die Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent in 30 Jahren bedeuten einen Effizienzgewinn von weniger als ein Prozent p. a. Eine Steuerreform zur Umschichtung der Steuern von Arbeit und zu Energie würde Beschäftigung reduzieren. und Europas Wachstum Chancen ankurbeln liegen und vielmehr klimaschädliche in einer Emissionen anspruchsvollen Positivstrategie zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ("High Road"-Strategie). Sie muss auf Ausbildung, Innovation und anspruchsvollen Umweltstandards und einer aktvierenden Sozialpolitik ("soziale Investitionen") beruhen. Lohnsenkungen, Abbau des Sozialnetzes und geringe Umweltstandards ("Low Road"-Strategie) verhindern die Erreichung der Wohlfahrtsziele und sind von Ländern mit niedrigen Löhnen leicht kopierbar. Die Strategie muss auf einer Vision aufbauen, mit welchen Stärken Europa in der globalisierten Weltwirtschaft konkurrenzfähig ist. Diese Strategie wird in dem Projekt "WWWforEurope – ein neuer Wachstumspfad für Europa" entwickelt. Kernelemente sind: Eine stärkere Dynamik auf Basis von Innovation, Ausbildung und neuen Technologien. Einkommensdifferenzen müssen reduziert, Beschäftigung muss erhöht werden. Europa soll die Führungsrolle in Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und Umwelttechnologie übernehmen und diese Leistungen weltweit vermarkten. Der Finanzsektor muss stabiler werden und der Realwirtschaft dienen. Europa muss in dieser Strategie vorausschauend die Nachbarn einbeziehen, nicht unter deren Problemen leiden. Europa hat die Chance, aus seiner Midlife-Crisis herauszukommen, indem es sein eigenes Modell verbessert. Dazu ist es notwendig, das Wohlfahrtsmodell von der Schutzfunktion zum Investitionsmodell umzubauen. Der Staat darf keine Wohnungen bauen, die dann wegen hoher Betriebskosten "saniert" werden müssen. Neue Antriebe in den Bereichen Pkw, Lkw, Busse müssen forciert werden, indem gegebene Vorschriften auch kontrolliert werden und alternative Investitionen gefördert werden. 2016 ist die letzte Chance Europas, aus Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at der Finanzkrise herauszuwachsen. Der niedrige Ölpreis und der Euro bieten eine Chance, allerdings muss sie zu einer ambitionierten Strategie genützt werden – mit sozialen Investitionen und ökologischen Innovationen. (Karl Aiginger, 8.1.2016) Karl Aiginger (Jahrgang 1948) leitet seit 2005 das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) in Wien. Der Text basiert auf Forschungsergebnissen von WWWforEurope, eines EU-Projektes, in dem sich 34 Partnerinstitute unter Führung des Wifo Gedanken über einen neuen Wachstumspfad für Europa machen. http://derstandard.at/2000028708636/Brodelndes-Wachstum-fuer-Europa-gesucht (download 18. Jänner 2016) Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at BA_D4 Diskussionsvorlage für Interview Lesen Sie nachstehenden Artikel und fassen Sie die wesentlichsten Punkte zusammen. Inwiefern können Sie von den Maßnahmen/Entwicklungen betroffen sein? Aus welchen Gründen ist der angesprochene Politikbereich der EU für Sie ein wesentlicher Bereich der EU Politik? Bereiten Sie sich vor, zu den oben genannten Punkten 5 Minuten frei zu sprechen! Atomabkommen : USA und EU heben Sanktionen gegen Iran auf Die Islamische Republik hat laut der Atomenergiebehörde alle Auflagen des Abkommens erfüllt. Nun hofft die deutsche Wirtschaft auf Aufträge im Iran. Von Martin Gehlen 16. Januar 2016, 22:04 Uhr / Aktualisiert am 16. Januar 2016, 23:09 Uhr / Die Zeit Sieben Monate nach dem Atomvertrag von Genf ist das Atomabkommen mit dem Iran in Kraft getreten. Die Atombehörde IAEA teilte in Wien mit, die Islamische Republik habe ihren Teil des Vertrages erfüllt und vollständig umgesetzt. Daraufhin hoben die USA und die EU die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran auf. Für die nicht gerade von Erfolg verwöhnte internationale Nahost-Diplomatie war das ein historischer Tag. "Da der Iran seine Verpflichtungen erfüllt hat, werden heute die multilateralen und nationalen wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen im Zusammenhang mit Irans Atomprogramm aufgehoben", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Irans Außenminister Mohammed Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Dschawad Sarif in Wien. "Das ist ein guter Tag für das iranische Volk und ein guter Tag für unsere Region", beteuerte Sarif. Das US-Außenministerium teilte mit, die in dem Abkommen genannten Verpflichtungen der USA seien "in Kraft getreten". Waffen und Raketenteile wollen die Vereinten Nationen hingegen weitere fünf beziehungsweise acht Jahre lang nicht in den Iran importieren oder von dort exportieren. Steinmeier würdigt "historischen Erfolg der Diplomatie" UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte die Umsetzung des Abkommens einen Meilenstein. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) würdigte die Einigung als "historischen Erfolg der Diplomatie". "Seit heute haben wir die Gewissheit, dass der Iran alle in Wien getroffenen Vereinbarungen eingehalten und in vollem Umfang umgesetzt hat", sagte Steinmeier in Berlin. Auch für ihn persönlich sei das ein großer Moment. Steinmeier hatte selbst an vielen Verhandlungsrunden teilgenommen. Mit dem Inkrafttreten des Abkommens bestehe trotz anhaltender Meinungsverschiedenheiten und Interessenkonflikte die Chance für eine neue Phase der Beziehungen mit dem Iran. Erst vor wenigen Tagen hatte die Islamische Republik den Nuklearkern des Schwerwasserreaktors in der Stadt Arak abmontiert, die Brennkammer mit Beton ausgefüllt und damit faktisch unbrauchbar gemacht. In den Wochen zuvor hatte das Land nahezu seine kompletten Vorräte an angereichertem Uran an Russland übergeben, wo sie zu Brennstäben für den Atomreaktor in Bushehr verarbeitet werden sollen. Der Restbestand soll 15 Jahre lang auf maximal 300 Kilogramm mit einem Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent beschränkt bleiben. In dem hochkomplexen und detaillierten Vertragswerk verpflichtet sich der Iran zudem, zwei Drittel seiner 19.000 Uranzentrifugen abzubauen und unter IAEAAufsicht zu stellen. Bis 2030 darf eine Anreicherung nur in der Stadt Natanz stattfinden, nicht in der zweiten unterirdischen Anlage von Fodor, die zu einer Forschungseinrichtung umgebaut wird. Zudem erhält die IAEA für das nächste Vierteljahrhundert außerordentliche Kontrollrechte. Ruhani verspricht Iranern Wohlstand Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Präsident Hassan Ruhani hatte seine 78 Millionen Landsleute schon in der vergangenen Woche auf eine neue Phase der internationalen Beziehungen eingestimmt und ihnen "ein Jahr mit wirtschaftlichem Wohlstand" in Aussicht gestellt. Als Teil der Sanktionen waren mehr als 100 Milliarden Dollar iranischer Öleinnahmen auf ausländischen Konten eingefroren; das Geld soll in den kommenden Jahren zurückfließen. Mit dem Motto "Außenpolitik ist Innenpolitik" hatte Ruhani bei seiner Wahl 2013 die absolute Mehrheit seiner Landsleute überzeugt. Damals versprach er den Iran wieder zu einem weltweit respektierten Partner zu machen und die Willkürmacht der islamischen Staatsherrschaft durch eine Grundrechtecharta für alle Bürger zu ersetzen. Zwei Jahre lang hielten seine Anhänger still und ertrugen das Treiben der Hardliner, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst das Atomproblem lösen muss. In dieser Zeit kletterte die Zahl der Hinrichtungen auf Rekordniveau. Politische Aktivisten wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Journalisten verhaftet sowie Frauen drangsaliert und diskriminiert. Seit einigen Wochen läuft eine massive Einschüchterungskampagne von Justiz und Revolutionären Garden gegen kritische Intellektuelle, Filmemacher, Künstler und Musiker – all das angeblich, "um die revolutionären Prinzipien zu schützen". So wurde vor wenigen Tagen auf dem Teheraner Flughafen die Dichterin Hila Sedighi verhaftet, wie eine Kriminelle in einem Käfig zum Gefängnis gefahren und dort 48 Stunden lang wie eine Mörderin behandelt, wie sie anschließend auf ihrer Facebook-Seite berichtete. Zuvor waren die beiden Lyrikerinnen Fatemeh Ekhtesari und Mehdi Moosavi von einem Revolutionsgericht zu neun und elf Jahren Haft sowie jeweils 99 Peitschenhieben verurteilt worden. Ruhani und seine Mitstreiter hoffen, bei den Parlamentswahlen am 26. Februar für ihre Entspannungspolitik belohnt zu werden. Denn die ausländischen Investoren geben sich in Teheran mittlerweile die Klinke in die Hand – allen voran die Energiebranche, Autohersteller, Kommunikationsunternehmen und Pharmakonzerne. Nach Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) reiste im Januar auch Gerhard Schröder in die iranische Hauptstadt. Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Deutsche Wirtschaft hofft auf Aufträge "Deutsche Firmen und Geschäftsleute stehen bereit, sich auf allen wirtschaftlichen und industriellen Feldern zu engagieren", sagte der deutsche Altkanzler. Der Siemens-Konzern hofft, eine 925 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Teheran und der Pilgermetropole Maschhad im Osten bauen und 500 Züge liefern zu können. Obendrein fehlen dem Iran mindestens 100 neue Passagierflugzeuge. Seine Öl- und Gasindustrie hat einen Investitionsrückstau von 50 bis 100 Milliarden Dollar. Die Hälfte der 20 Millionen Autos ist inzwischen mehr als 25 Jahre alt. "Iran wird ein Riesengeschäft", frohlockt ein westlicher Wirtschaftsexperte. "Die Islamische Republik ist eine Goldgrube." http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-01/iran-atomvertrag-sanktionen-iaea-wien (download 18. Jänner 2016) Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at BA_D5 Diskussionsvorlage für Interview Lesen Sie nachstehenden Artikel und fassen Sie die wesentlichsten Punkte zusammen. Inwiefern können Sie von den Maßnahmen/Entwicklungen betroffen sein? Aus welchen Gründen ist der angesprochene Politikbereich der EU für Sie ein wesentlicher Bereich der EU Politik? Bereiten Sie sich vor, zu den oben genannten Punkten 5 Minuten frei zu sprechen! "Wir brauchen einen europäischen Finanzminister" Wolfgang Schäuble will die Macht der EU-Kommission beschneiden. Dabei war sie in der Griechenland-Krise eher zu schwach, findet Wirtschaftsprofessor Henrik Enderlein. Interview: Nadine Oberhuber August 2015, 11:28 Uhr ZEIT ONLINE: Herr Enderlein, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fordert, der EU-Kommission einen Teil ihrer Aufgaben zu entziehen. Ist sie ihm zu politisch geworden? Henrik Enderlein: Zu politisch wäre falsch formuliert. Die Kommission ist ja nicht nur auf dem Papier eine politische Institution, sie muss auch politisch handeln. Ich finde daher die Grundaussage von Präsident Jean-Claude Juncker eher positiv: "Wir sind eine politische Kommission." Das heißt ja auch, dass sich dieses Gremium stärker einmischt und endlich als Akteurin das europäische Interesse vertritt. Europa arbeitet grundsätzlich mit zwei Methoden: Auf der einen Seite entscheiden die Mitgliedstaaten untereinander, was in Europa passieren soll. Auf der anderen Seite gibt es auch ein gemeinschaftlich europäisches Interesse, das vertreten werden muss. Das macht die Kommission. Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at ZEIT ONLINE: Herr Schäuble findet aber anscheinend, dass die EU eine stärkere Gewaltenteilung braucht, zwischen denen, die Gesetze machen und denen, die sie überwachen. Henrik Enderlein Henrik Enderlein ist Politik- und Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin. 2014 wurde er zudem Gründungsdirektor des Jacques Delors Instituts, das auf Initiative des Ex-EUKommissionschefs Jacques Delors gegründet wurde. Enderlein: Es gibt von Wolfgang Schäuble noch keine detaillierte Ausformulierung dessen, was er sich da vorstellt. Es wäre gut, wenn er sich bald erklären würde. Einiges mag ja richtig sein. So kann man die Frage stellen, ob wir nicht ein unabhängiges europäisches Kartellamt brauchen. Die eigentliche Frage von Herrn Schäuble scheint mir aber zu sein, ob sich die Kommission bei den GriechenlandVerhandlungen zu stark eingemischt hat. Und wenn er das meint, würde ich ihm widersprechen: ganz im Gegenteil. Ich glaube, es ist wichtig, dass die EUKommission als Vertreterin des gesamteuropäischen Interesses an allen Verhandlungen beteiligt ist und dann eben auch die Streithähne an einem Tisch versammelt und Lösungen hervorbringt. ZEIT ONLINE: Genau das war aber der Kritikpunkt: Die Kommission habe im Ringen um das dritte Hilfsprogramm zu stark gefordert, Griechenland müsse im Euro bleiben. Enderlein: War das nicht genau ihre Aufgabe? Im Vertrag steht, dass eine Mitgliedschaft im Euro unumkehrbar ist. Ich habe oft gesagt, ein Grexit würde allen schaden. Die Kommission hat also richtig gehandelt. Was das Hickhack um Griechenland aber gezeigt hat, ist, dass Europa stärkere und transparentere Verfahren für Konfliktsituationen braucht. Wenn Europa nur noch über Ultimaten und Drohungen funktioniert, ist das zu allererst ein Armutszeugnis für die Struktur der Europäischen Union. Sie stolpert von Sondergipfel zu Sondergipfel, verhandelt immer bis Mitternacht und am Ende gibt es kein Ergebnis. Starke Institutionen und transparente Prozesse sind dafür da, so ein Durchwursteln zu verhindern. Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at ZEIT ONLINE: Welche Institution müsste man einführen? Enderlein: Für internationale Krisen gibt es den Internationalen Währungsfonds. Europa sollte sich daran orientieren und den europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zu einem europäischen Währungsfonds ausbauen. Und an dessen Spitze müsste dann auch ein europäischer Finanzminister stehen, der als die gesamteuropäische Stimme der Vernunft auftritt und die Verhandlungen mit den Krisenländern führt. Warum muss unsere Bundeskanzlerin das tun? ZEIT ONLINE: Den europäischen Finanzminister hat ja Schäuble selbst gefordert. Enderlein: Deshalb bin ich auch nicht sicher, ob die Aussage stimmt, er wolle keine stärkere Kommission. Herr Schäuble hat sich immer für ein politisch starkes Europa eingesetzt. Und für den europäischen Finanzminister könnte ich mir eine Art Doppelhut vorstellen, jemanden, der sowohl der Kommission angehört, aber auch gleichzeitig Chef der Eurogruppe ist und damit als Mr. Euro den starken politischen Counterpart bildet zum starken Chef der Europäischen Zentralbank EZB. EZBVorstand Benoît Coeuré sagte ja kürzlich im Interview: Die EZB braucht einen stärkeren politischen Counterpart. ZEIT ONLINE: Das heißt, die EZB macht, was sie will? Enderlein: Nein: Die EZB wird in Entscheidungen gedrängt, für die sie kein Mandat hat und die sie auch nicht treffen möchte. Mario Draghi hat sehr oft betont, dass die EZB keine politische Institution ist. Die EZB fühlt sich eher unwohl mit den Verantwortlichkeiten, die sie in der Krise an sich gezogen hat, weil es keine politische Entscheidung gab. Fakt ist, seit diese Krise läuft, gibt es auf europäischer Ebene ein politisches Vakuum, weil niemand klar entscheidet, in welche Richtung die Krise gelöst wird – und am Ende springt die EZB ein, obwohl sie sich damit an der Grenze ihres eigenes Mandats bewegt. Dieses Vakuum muss dringend gefüllt werden. Ich bin überzeugt, dass Wolfgang Schäuble das auch so sieht. Ihm ist die Unabhängigkeit der EZB ja sehr wichtig. ZEIT ONLINE: Nun soll die EU-Kommission die Exekutive sein und über die Gesetze wachen, aber nicht selber die Gesetze auf den Weg bringen. Hält sie sich denn an diese Rolle? Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at Enderlein: Die Kommission spielt tatsächlich die Rolle eines Exekutivorgans. Sie übernimmt aber auch oft die Rolle einer europäischen Regierung. Initiativen, die in Europa ergriffen werden, gehen in der Regel von der Kommission aus, deshalb hat sie ganz natürlich ein starkes politisches Mandat. Dass bei der letzten Europawahl Spitzenkandidaten aufgestellt waren, von denen einer heute Kommissionspräsident ist, zeigt, dass diese Kommission auch ein immer direkter von den Bürgern legitimiertes Organ wird oder zumindest in diese Rolle hineinwächst. ZEIT ONLINE: Ist das wirklich so? Der Hauptkritikpunkt ist doch, die Kommission sei nicht direkt gewählt, werde aber auch von keinem wirklich überwacht. Enderlein: So etwas muss wachsen. Die Barroso-Kommission, mit der ich persönlich eher unzufrieden war, hat nur noch als technokratischer Hintergrundmotor agiert, in dem sich weder die Bevölkerung wiedergefunden hat, noch die europäische Öffentlichkeit. Die Barroso-Kommission war in der Finanzmarkt- und Eurokrise doch sehr, sehr abwesend. So stelle ich mir eine Europäische Kommission nicht vor. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik ist sie nicht mit einer starken Stimme sichtbar geworden. Die Juncker-Kommission setzt sich das richtige Ziel, stärker politisch zu agieren, aber sie muss sich das Vertrauen der Bürger noch erarbeiten. Sie muss zeigen, dass sie für Europa spricht. Ich erinnere gern an die auch sehr aktive Kommission unter Jacques Delors, durch die Europa zum Binnenmarkt geführt worden ist. Alles, was viele von uns heute als sehr positiv wahrnehmen, ist damals entstanden, von den offenen Grenzen über die Reisefreiheit bis zur Ansiedlungsfreizügigkeit. Brüssel muss in vielen Bereichen deutlich stärker werden ZEIT ONLINE: Muss es trotzdem neue Kontrollbehörden für die Kommission geben? Enderlein: Das Europäische Parlament kontrolliert die EU-Kommission bereits. Ich sehe überhaupt keinen Bedarf für eine Veränderung der Zuständigkeiten. Manche Funktionen wie die Wettbewerbsbehörde kann man unabhängiger machen, das halte ich für vertretbar. Aber der Kern der Debatte ist: Wenn es politische Entscheidungen gibt, sei es bei Asyl oder Währungsunion, dann braucht man eine starke europäische Stimme. Das Flüchtlingsproblem kann man nicht nationalstaatlich lösen und sagen: Jeder behält seine Flüchtlinge. Da muss eine europäische Lösung her, in der man Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at regelt, wie man die Flüchtlinge und die Finanzierung der Unterbringung auf die einzelnen Länder aufteilt. ZEIT ONLINE: Kritiker im Ausland sagen, Schäubles Vorschlag sei eine "sehr deutsche Lösung". Enderlein: Wolfgang Schäuble ist ein ausgesprochener Pro-Europäer, der oft vertreten hat, Europa solle durch eine starke europäische Stimme gesteuert werden. Es geht hier nicht um die Frage: deutsch oder nicht-deutsch? Sondern darum, wie viel Vertrauen man in die europäischen Institutionen hat. Natürlich ist das Vertrauen in den letzten Jahren beschädigt worden. Aber wenn wir jetzt eine Kommission bekommen, die Europa stärkt, dann muss das zumindest für diejenigen, die an Europa glauben, im deutschen Interesse sein. ZEIT ONLINE: Auch im europäischen Interesse? Enderlein: Wenn Sie die Politik nationalstaatlich denken, ist eine starke Kommission natürlich nicht in Ihrem Interesse. Wenn Sie aber daran glauben, dass wir schon lange auf dem Weg in eine Mehr-Ebenen-Politik sind, in der lokale, landes- und bundesstaatliche und die europäische Ebene miteinander agieren, dann ist es in unser aller Interesse, eine starke EU-Kommission zu haben. Natürlich müssen wir auch fragen: Wo ist Politik auf europäischer Ebene überzogen? Wo müsste man einschränken? Der europäische Haushalt zum Beispiel ist völlig dysfunktional und könnte sogar kleiner sein, wenn man diese merkwürdigen Agrarhilfen endlich streichen könnte. Umgekehrt muss Brüssel in vielen Bereichen deutlich stärker werden: Stichwort europäischer Finanzminister, EU-Steuer, Asylpolitik, TTIP und Außenhandel. Aber ich glaube nicht, dass Glühbirnen und ähnliche Themen unbedingt von Europa aus entschieden werden müssen. http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-08/eu-griechenland-krise-reform-eukommission/komplettansicht (download 18.Jänner 2016) Fachhochschule des bfi Wien Ges.m.b.H., Wohlmutstraße 22, 1020 Wien Tel: ++43/1/720 12 86, Fax: ++43/1/720 12 86-19, [email protected], www.fh-vie.ac.at
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