AUSGABE 5/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG HUNGER IST EIN LÖSBARES PROBLEM. Editorial von … Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller EINEWELT OHNE HUNGER Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik DIE SONDERINITIATIVE DES BMZ DEM HUNGER DEN KAMPF ANSAGEN. Die wichtigsten HUNGER BRAUCHT INNOVATIONEN. In den Grünen Zentren des BMZ entsteht die Zukunft der Landwirtschaft FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND ARMUT. Ein Bericht aus dem Südsudan von Entwicklungsexpertin Hilde Johnson BMZeit · Ausgabe 5/2015 EINEWELT OHNE HUNGER IST MÖGLICH www.bmz.de/hunger LIEBE LESERINNEN UND LIEBE LESER, Die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger wurde Anfang 2014 von Bundesentwicklungsminister Müller gegründet. Auf den folgenden Seiten berichten wir, wie die Hunger ist der größte Skandal auf diesem Pla Sonderinitiative mit ihren innovativen Programmen be- neten. Noch immer gibt es rund zwei Milliarden sonders kleinbäuerliche Familienbetriebe weiterbringt. Menschen auf der Welt, die hungern oder mangelernährt Zunächst stellen wir Ihnen hier die sechs Schwerpunkte sind. Dabei ist genug für alle da. Es wächst ausreichend Nah von EINEWELT ohne Hunger vor: rung, um deutlich mehr als sieben Milliarden Menschen zu ger und 2 Milliarden an Mangelernährung. Mehrere hundert Millionen von ihnen leben in Gebieten mit anhaltenden Eine Welt ohne Hunger ist also möglich! Wir dürfen uns nur Krisen, die ihre Ernährung massiv gefährden. Der Klima nicht im wahrsten Sinne des Wortes den Boden entziehen. wandel, immer knapper werdende Ressourcen und unklare 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden gehen jährlich Landrechte verschärfen die Situation. Meist sind es gerade durch Nutzung verloren – vergiftet, versiegelt oder schlicht die Verwundbarsten – Frauen und Kleinkinder –, die von übernutzt. Jährlich werden 13 Millionen Hektar Wald ver solchen Krisen am härtesten getroffen werden und deren nichtet vor allem für Anbauflächen. Zu Lasten des Klimas. Ernährung dadurch besonders stark gefährdet ist. Die Weltgemeinschaft steht vor enormen Aufgaben. Wenn DIE ZIELE: Die Ernährungssicherung für Mütter und Klein wir versagen, sind wir alle betroffen. Eine Welt mit Hunger kinder ist besonders wichtig, denn eine gesunde Ernährung kann keine friedliche Welt sein. Sie verursacht unsägliches in den ersten 1000 Tagen eines Kindes ist entscheidend für Leid, ist Nährboden für Terror und Unsicherheit, sie treibt sein ganzes Leben. Dabei geht es auch um die Qualität der Menschen zur Flucht. Ernährung, also die Versorgung der Menschen mit nähr stoffreicher und qualitativ hochwertiger Nahrung und den Dabei haben wir das Werkzeug, das Wissen, die Technik und Frauen und Kinder einer Kleinbauernfamilie in Ostäthiopien fen. Das BMZ stellt sich mit seiner gleichnamigen Sonder initiative dieser Herausforderung. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr müssen HUNGERSNÖTEN ENTGEGEN WIRKEN DIE SITUATION: 795 Millionen Menschen leiden an Hun ernähren. die Innovationen, um , EINEWELT ohne Hunger zu schaf 2 1 Zugang zu sauberem Trinkwasser und Gesundheitsversor gung. Das zweite Ziel ist, die Anpassungsfähigkeiten von Menschen, aber auch von Institutionen zu fördern, damit Hungerkrisen vermieden bzw. bewältigt werden können. wir bekanntes Wissen besser nutzen und Nachhaltigkeit ment unserer Partner setzen. Wir fördern nicht einfach Ge bäude oder Technik, sondern gute Ideen. Hunger ist kein Schicksal. Sondern das größte lösbare Problem vor dem die Menschheit heute steht. Wir neh men diese Verantwortung an. EINEWELT ohne Hunger ist möglich! ERNÄHRUNG SICHERN DIE SITUATION in den Entwicklungs und Schwellenlän dern: Hauptursache von Hunger und Mangelernährung ist Armut – und nicht, wie oft fälschlicherweise vermutet, das Fehlen von Nahrungsmitteln. Millionen Menschen verdie nen einfach nicht genug Geld, um sich die für die Ernährung ihrer Familien notwendigen Lebensmittel kaufen zu kön nen. Und selbst wenn es den Kleinbauernfamilien in den Dr. Gerd Müller, MdB Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Berlin und Bonn, November 2015 → www.bmz.de/mueller ländlichen Gegenden gelingt, sich selbst zu versorgen: Sub sistenzwirtschaft ist keine nachhaltige Zukunftsstrategie, da so oft das Geld für die Schulbildung der Kinder oder die me dizinische Versorgung nicht ausreicht. Oft fehlt nicht nur Vor drohenden Hungerkatastrophen fliehen hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat. das Geld für genügend Nahrung, sondern vor allem auch der Zugang zu Lebensmitteln, die eine gesunde und ausgewo gene Ernährung ermöglichen. Etwa 2 Millionen Menschen leiden am sogenannten verstecktem Hunger, einem Mangel an lebenswichtigen Nährstoffen. DIE ZIELE der deutschen Entwicklungszusammenarbeit: Das BMZ setzt sich dafür ein, dass jedes Kind, jede Frau, je der Mann jederzeit Zugang zu den Nahrungsmitteln erhält, 3 INNOVATIONEN FÖRDERN die für ein geistig und körperlich gesundes Leben erforder lich sind. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei neben den DIE SITUATION: Damit sich die wachsende Weltbevöl kleinbäuerlichen Familienbetrieben den Frauen. Sie sind oft kerung auch in Zukunft ernähren kann, muss die globale die Hauptverantwortlichen für das Wohlergehen der ganzen Landwirtschaftsproduktion bis 2050 um 60 Prozent gestei Familie und werden doch in vielen Ländern benachteiligt. gert und dabei die natürlichen Ressourcen geschont wer den. Für Entwicklungsländer gilt in gleicher Weise wie für Industriestaaten: Längst ist es nicht mehr der wachsende Einsatz von Dünger, Wasser und Fläche, der den entschei Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller lässt ich in Rukka/ Indien beim Besuch der Landwirtschaftsakademie Green College ein neuartiges Pflanzverfahren für Reispflanzen erklären. denden Fortschritt bringt, sondern das Wissen um deren effizienten und effektiven Einsatz. Fotos: Michael Gottschalk, Thomas Köhler/photothek.net; Marcus Zumbansen/zumbansenfotografie.de zum Leitmotiv machen. Und wir müssen auf das Engage 2/3 HUNGER HAT VIELE FORMEN DIE ZIELE: Nur eine innovative Landwirtschaft kann Motor DIE ZIELE: Das BMZ investiert in die Aus und Fortbildung für eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung sein. Deshalb von Entscheidungsträgern aus den Partnerländern. Um die unterstützt das BMZ den Aufbau von 13 Grünen Zentren. Absicherung von Landrechten zu unterstützen, hat das BMZ Hier werden Bäuerinnen und Bauern unter Beachtung der in Addis Abeba gemeinsam mit der VNWirtschaftskom lokalen Gegebenheiten ausgebildet und Wissensnetzwerke mission für Afrika (ECA), der Afrikanischen Union (AU) und gegründet. Hier werden Agrarforschungsergebnisse ange der Weltbank ein neues Exzellenznetzwerk für Landpolitik wandt, z. B. um die lokale Landwirtschaft an die Auswirkun gegründet. Hier werden Verwaltungskräfte ausgebildet, die gen des Klimawandels anzupassen. Hier wird gezeigt, wie die eine faire, transparente und entwicklungsorientierte Bo gesamte Wertschöpfungskette vom Acker über Lagerung, denordnung umsetzen können, die insbesondere die Rech Transport und Weiterverarbeitung bis zum Teller gestärkt te der Kleinbauern einschließt. Darüber hinaus fördert das werden kann, um Ernteerträge und Einkommen der lokalen BMZ die Umsetzung der Leitlinien des Welternährungsaus Bevölkerung zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und die lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln zu erhöhen. Folge der Dürre: ausgetrockneter Ackerboden in Mozambique schusses. Darin ist beispielsweise festgehalten, dass auch die Gewohnheitsrechte der traditionellen Nutzer berücksichtigt werden müssen. Damit können die Rechte besonders armer 4 5 und an den Rand gedrängter Gruppen geschützt werden. Diese Leitlinien legt das BMZ in seinen eigenen Program men zugrunde und berät die Partnerländer dabei, sie zur Grundlage der Formulierung ihrer Landpolitik zu machen. PERSPEKTIVEN SCHAFFEN BODEN REHABILITIEREN DIE SITUATION: Wer auf dem Land lebt, ist in Entwick DIE SITUATION: Pro Jahr gehen weltweit rund sechs Mil lungs und Schwellenländern eher von Armut und Hunger lionen Hektar fruchtbarer Boden verloren. Übernutzung betroffen als in der Stadt. Sieben von zehn Hungernden le oder falsche Nutzung führen zu Nährstoffverarmung, Erosi ben in ländlichen Gebieten. Hunger und Armut sind wich on und anderen Formen der sogenannten Degradation. Der tige Gründe, warum Menschen ihre ländliche Heimat ver Klimawandel verstärkt diese Dynamik. Dadurch verringert lassen. Städte versprechen Arbeit, höhere Löhne und eine sich die Produktivität der Böden, und die landwirtschaftlich bessere medizinische Versorgung. Auf dem Land sind die nutzbare Fläche nimmt ab. Bildungs und Aufstiegschancen oft schlechter, soziale Leis DIE ZIELE: Nachhaltige und klimaverträgliche Landwirt schaft schützt natürliche Ressourcen und insbesondere Bö DIE ZIELE: Produktive Landwirtschaft benötigt ein för den. Die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger fördert derliches Umfeld, etwa durch Energie oder Transportan die Rehabilitierung von Boden, damit er wieder fruchtbar bindung an die städtischen Zentren. Der Strukturwandel wird und so zur langfristigen Ernährungssicherheit beitra abnehmender Beschäftigung in der Landwirtschaft betrifft gen kann. Außerdem setzt sich das BMZ international für alle ländlichen Räume der Welt. Wichtig ist für ländliche die Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung von Wüs Gebiete, dass die Wertschöpfung im Lande bleibt, die Zahl tenausbreitung (UNCCD) ein. DER VERSTECKTE HUNGER attraktiver Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft Etwa jeder dritte Mensch – und dies nicht nur in Entwick wächst und junge Menschen in den ländlichen Räumen lungsländern – leidet an einer Unterversorgung mit Vita 6 eine Zukunftsperspektive finden. Das BMZ unterstützt ei nen sozial und ökologisch verträglichen Strukturwandel LANDEIGENTUM SICHERN DIE SITUATION: Für einen Großteil der ländlichen Bevöl kerung hängt die Lebensgrundlage direkt vom Zugang zu Land ab. Viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern weltweit haben nur informelle Landrechte, die nicht anerkannt und ausreichend geschützt sind. Frauen sind vielerorts aufgrund des traditionellen Erb oder Familienrechts benachteiligt. Ohne gesicherte Landrechte ist der Zugang zu Krediten und die Investition in die Verbesserung des bestellten Bodens erschwert. Fruchtbares Land gerät außerdem zunehmend ins Blickfeld ausländischer und einheimischer Investoren. Sie kaufen oder pachten große Flächen, teilweise auch um darauf Nahrungs und Futtermittel für den Export oder die Junge Männer, wie hier in Marokko, finden Arbeit in der Landwirtschaft immer attraktiver. genannt, weil viele Menschen diese Mangelernährung gar nicht erkennen und weil die Symptome unspezifisch sind: des ländlichen Raumes und fördert ländliche Entwicklung als Schwerpunkt in 17 Partnerländern. minen und Mineralstoffen, dem »versteckten Hunger«, so Biomasse für Treibstoffe anzubauen. Wird das Land, das die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nutzen, verkauft, bleibt ihnen oft keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Vor allem in Ländern mit schlechter Regierungsführung und schwachen Verwaltungsstrukturen können Vertreibungen oder Um siedlungen die Folge sein. Appetitlosigkeit, Erschöpfung, Anfälligkeit für Infekte. Einen besonders hohen Bedarf an Mikronährstoffen haben schwangere und stillende Frauen sowie Kinder in den ersten 1000 Tagen zwischen Empfängnis und ihrem 2. Geburtstag. Wenn dieser Bedarf nicht gedeckt ist, droht sogar der Tod. Der Mangel führt zu einem geschwächten Immunsystem und kann in Verbindung mit allgemeiner Unterernährung zu körperlichen und geistigen Fehlentwicklungen führen. Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung ist die Vor aussetzung für ein gesundes Leben. Doch viele Menschen haben keinen Zugang zu guten Nahrungsmitteln, weil sie vor Ort nicht verfügbar sind oder weil ihnen das notwen dige Wissen fehlt. Langfristig kann der versteckte Hunger nur überwunden werden, wenn die zugrundeliegenden Probleme gelöst werden: Strategien zur Ernährungssiche rung müssen neben dem Zugang zu angemessener Nahrung auch die Nahrungsqualität, also die Vielfalt der Ernährung, fördern und lokale Ernährungssysteme stärken. → www.bmz.de/ernaehrung Fotos: Ute Grabowsky, Thomas Trutschel/photothek.net; Marcus Zumbansen/zumbansenfotografie.de tungen gibt es kaum. Ohne die Existenz von Grundbüchern sind die Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden oft völlig ungeklärt. BMZeit · Ausgabe 5/2015 GRÜNE ZENTREN FÜR DIE ZUKUNFT DER LANDWIRTSCHAFT SO ARBEITET DAS BMZ Grüne Zentren gibt es in Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Ghana, Kamerun, Kenia, Malawi, Mali, Nigeria, Sambia, Togo, Tunesien und Indien. Partner sind die jeweiligen Regierungen, deutsche und lokale Wissen schaftseinrichtungen, Verbände, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen. → www.bmz.de/hunger Im Versuchsgarten eines Grünen Zentrums. Hier werden neue und bewährte Bewässerungs methoden angewendet. POTENZIALE ERSCHLIESSEN, IDEEN HABEN, CHANCEN NUTZEN Ein Morgen in dem Grünen Zentrum des BMZ in Katibougou, verbessert, die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln einer Kleinstadt südlich von Bamako, der Hauptstadt von gesteigert und neue Jobs in der Weiterverarbeitung geschaf Mali. Ein Laborant arbeitet an der Verbesserung der fen werden. Widerstandskraft von Kartoffelsetzlingen. Ein Bauer und seine Frau lassen sich darüber aufklä Innovation meint dabei keineswegs „Hochtech ren, welche Vorteile ihnen die Mitgliedschaft in nologie“, sondern umfasst den lokalen Gege der neuen Erzeugergemeinschaft bringt. Eine benheiten angepasste Techniken: etwa den Bau Gruppe von Studenten diskutiert mit ihrer von Wasserreservoirs, die Mechanisierung der Lehrerin, wie man Berufe in der Landwirtschaft Anbauprozesse, die Verbesserung von Saatgut über einem Bewerbungsformular. In einem Work shop wird Wissen über Nährstoffe vermittelt. und Dünger, die Einführung von Kühlketten und die Schaffung neuer Transportwege. Über die Tech nik hinaus geht es aber auch um die Vermittlung betriebs wirtschaftlichen Knowhows, z. B. für die Gründung von Forschung, Erprobung, Bildung, Ausbildung, Beratung und kleinen und mittleren Unternehmen. Zudem ermöglicht Anwendung im Alltag – neue Ideen, neue Chancen, neue der Aufbau von Erzeuger und Vertriebsgemeinschaften Herausforderungen werden bestmöglich miteinander ver neue Formen von Zusammenarbeit und die Selbstorgani zahnt, um die Ernährungssituation der ländlichen Bevölke sation in Verbänden verschafft den Kleinbäuerinnen und rung in dem westafrikanischen Staat wirtschaftlich nach Kleinbauern eine politische Stimme. haltig, sozial und umweltverträglich zu verbessern. Idealerweise bilden die Grünen Zentren einen Zusammen Trotz enormer landwirtschaftlicher Potenziale werden in schluss von sich ergänzenden Einrichtungen der Wissensge Mali wie in vielen anderen Regionen weltweit nicht ausrei nerierung und vermittlung wie Forschungseinrichtungen, chend Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung produ verschiedenen Demonstrations und Versuchsbetrieben, ziert. Das BMZ unterstützt die Erschließung der Potenziale Landwirtschaftsschulen, dezentralen Aus und Weiterbil durch die Förderung von 13 Grünen Zentren hauptsächlich dungsangeboten sowie breitenwirksamen Beratungsdiensten. auf dem afrikanischen Kontinent mit einem Etat von 135,8 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Durch Wesentliche Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg der Innovationen in der Agrar und Ernährungswirtschaft kön Grünen Zentren sind der politische Wille und die Eigenver nen das Einkommen kleinbäuerlicher Familienbetriebe antwortung der Partnerregierungen. Fotos: Klaus Wohlmann/GIZ ; Thomas Trutschel/photothek.net begehrter machen kann. Zwei junge Frauen sitzen 4/5 INNOVATIONEN MÜSSEN IN DER PRAXIS ANKOMMEN ZIELE HABEN, WÜNSCHE ERFÜLLEN Morgens um 5 Uhr in einem Dorf in WestKenia: Ibrahim Odera (Foto), ein 49jähriger Kleinbau er, beginnt sein Tagwerk mit dem Melken sei ner vier Kühe. Der Ertrag: rund 20 Liter Milch, die er auf dem Markt verkaufen kann. Von den Erlösen seine fünf Kinder zu ernähren, das Schulgeld zu bezahlen und alle sonstigen Haus haltsausgaben zu decken, ist schwierig. Einen ange stellten Helfer kann sich Ibrahim jedenfalls nicht leisten. Ohne seine Frau und den 18jährigen erstgeborenen Sohn, der jeden Tag nach der Schule mitarbeitet, könnte er den Hof nicht bewirtschaften. Ibrahim Odera hat viele Ideen, wie er seine Situation verbes sern kann. Praktische Ideen wie diese: „Wenn ich ein Motor rad hätte, dann könnte ich schneller zum Markt kommen als auf meinem alten Fahrrad“, sagt er. „Ich hätte dann mehr Zeit, um auf meinem Hof zu arbeiten und könnte meine Frau entlasten.“ Strategische Ideen wie diese: „Ich wür könnte ich mehr Futtergras anbauen und mir mehr Kühe leisten, bessere Erträge haben und mehr Geld verdienen. “ SO ARBEITET DAS BMZ Neben einem Kredit wünscht sich Ibrahim Odera vor allem Die Oderas mit ihren fünf Kindern sind eine der auch mehr Wissen. Wie kann er einfache Viehkrankheiten vielen Millionen typischen kleinbäuerlichen selbst behandeln, ohne den teuren Tierarzt rufen zu müs Familien, die das Rückgrat des afrikanischen sen? Macht es Sinn, sein Milchangebot auf dem Markt um Kontinents bilden. Ihre Förderung steht im Joghurt und Dickmilch zu erweitern? Wie baut er einen Mittelpunkt der BMZSonderinitiative EINEWELT Silo für die Lagerung von Futtergras? Wie kann sich seine ohne Hunger. Familie gesünder ernähren? Könnte er mit seinen vier Kü hen bereits eine kleine Biogasanlage für die Erzeugung von → www.bmz.de/hunger eigenem Strom bauen? Viehmärkte in Afrika: Hier wird nicht nur gehandelt Seit er im Rahmen des Grünen Zentrums das Agricultural und gefeilscht, hier werden vor allem auch Nachrichten Training Center im nahen Bukura besucht, hat Ibrahim et ausgetauscht. liche seiner Fragen beantwortet bekommen, und er schaut wesentlich optimistischer in die Zukunft. Fotos: Marcus Zumbansen/zumbansenfotografie.de; GIZ.de de gern Land kaufen und nicht wie bisher pachten. Dann BMZeit · Ausgabe 5/2015 6 FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND ARMUT Hilde Johnson, die ehemalige norwegische Entwicklungsministerin, ist eine erfahrene Flüchtlingsexpertin. In den vergangenen Jahren war sie als Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für das Krisenland Südsudan Leiterin der UNMISS Friedensmission. Hilde Johnson kennt sich aus: Als Tochter einer christlichen Missionarsfamilie ist sie in Tansania aufgewachsen und als Anthropologin weiß sie Mentalitäten und kulturelle Unter schiede einzuordnen. Johnson ist eine energische Frau und scheut vor unkonventionellen Entscheidungen nicht zu rück. Als im Dezember 2013 die Situation im Südsudan es kalierte, stand es für sie außer Frage, die Tore des VNStütz punktes im Zentrum der Hauptstadt Juba für Tausende um ihr Leben fürchtende Menschen zu öffnen. In einer einzigen Nacht wurde aus dem Stützpunkt der Vereinten Nationen ein Flüchtlingslager, mitten in der Stadt. „Es geht in einer solchen Situation nur um die Menschen, vor unserer Tür standen Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, die um ihr Leben fürchteten. “ berichtet sie. Im Laufe weni ger Woche wuchs das Camp auf mehr als 20.000 Menschen an, in VNStützpunkten in anderen Provinzen waren es noch einmal 100.000 Menschen. Die in Teilen des Landes immer wieder auftretenden kriege rischen Auseinandersetzungen haben mehr als 1,5 Millionen Menschen in die Flucht getrieben, in Nachbarländer wie Uganda, Äthiopien und Kenia, vor allem aber auch als Binnen flüchtlinge in die wenigen sicheren Gegenden des Landes. „Die Situation besonders in der Landwirtschaft ist katastro phal. Die Bauern mussten ihre Dörfer verlassen, ihre Felder verfallen, ihre Tiere sterben“, sagt sie. Die Nahrungsmit telproduktion liegt in großen Teilen des Landes brach. „Es Ausmaßen.“ Ohne die Hilfe durch Partnerländer wie zum Beispiel Deutschland und durch internationale Nichtregierungsor ganisationen, die die Nahrungsmittelverteilung und auch die medizinische Versorgung übernommen haben, würde die Situation eskalieren. „In Krisengebieten wie dem Südsudan hat die Herstellung von dauerhaftem Frieden oberste Priorität,“ sagt Johnson. Wiederherstellung der Landwirtschaft und Förderung der Berufsausbildung müssen parallel angegangen werden. „Die Menschen wollen heraus aus dem Teufelskreis von Gewalt, Armut und Hunger. Sie wollen zurück in ihre Heimat,“ weiß sie aus Hunderten von Gesprächen mit Flüchtlingen, die trotz aller Gefahren und Bedrohungen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgeben wollen. SO ARBEITET DAS BMZ Die Bundesregierung sieht sich verpflichtet, den südsudanesischen Binnenflüchtlingen und Flücht lingen in den Nachbarländern Kenia, Uganda und Äthiopien rasch und wirksam zu helfen. Das BMZ unterstützt die Arbeit von Nichtregierungsorganisa tionen, fördert z.B. Projekte von AMREF, der Welt hungerhilfe und von Tierärzte ohne Grenzen. → www.bmz.de/flucht Ein Mädchen in einem Flüchtlingslager im Südsudan. Soldaten der Vereinten Nationen sorgen für die Sicherheit. Fotos: Thomas Trutschel/photothek.net (2) droht eine Hungerkatastrophe von bisher nicht gekannten
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