Hunger - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

AUSGABE 5/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM
FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG
HUNGER IST EIN LÖSBARES PROBLEM. Editorial von
…
Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller
EINEWELT
OHNE
HUNGER
Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik
DIE SONDERINITIATIVE DES BMZ
DEM HUNGER DEN KAMPF ANSAGEN. Die wichtigsten
HUNGER BRAUCHT INNOVATIONEN. In den Grünen Zentren
des BMZ entsteht die Zukunft der Landwirtschaft
FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND ARMUT. Ein Bericht aus
dem Südsudan von Entwicklungsexpertin Hilde Johnson
BMZeit · Ausgabe 5/2015
EINEWELT OHNE HUNGER
IST MÖGLICH
www.bmz.de/hunger
LIEBE LESERINNEN
UND LIEBE LESER,
Die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger wurde Anfang 2014 von Bundesentwicklungsminister Müller gegründet. Auf den folgenden Seiten berichten wir, wie die
Hunger ist der größte Skandal auf diesem Pla­
Sonderinitiative mit ihren innovativen Programmen be-
neten. Noch immer gibt es rund zwei Milliarden
sonders kleinbäuerliche Familienbetriebe weiterbringt.
Menschen auf der Welt, die hungern oder mangelernährt
Zunächst stellen wir Ihnen hier die sechs Schwerpunkte
sind. Dabei ist genug für alle da. Es wächst ausreichend Nah­
von EINEWELT ohne Hunger vor:
rung, um deutlich mehr als sieben Milliarden Menschen zu
ger und 2 Milliarden an Mangelernährung. Mehrere hundert
Millionen von ihnen leben in Gebieten mit anhaltenden
Eine Welt ohne Hunger ist also möglich! Wir dürfen uns nur
Krisen, die ihre Ernährung massiv gefährden. Der Klima­
nicht im wahrsten Sinne des Wortes den Boden entziehen.
wandel, immer knapper werdende Ressourcen und unklare
24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden gehen jährlich
Landrechte verschärfen die Situation. Meist sind es gerade
durch Nutzung verloren – vergiftet, versiegelt oder schlicht
die Verwundbarsten – Frauen und Kleinkinder –, die von
übernutzt. Jährlich werden 13 Millionen Hektar Wald ver­
solchen Krisen am härtesten getroffen werden und deren
nichtet vor allem für Anbauflächen. Zu Lasten des Klimas.
Ernährung dadurch besonders stark gefährdet ist.
Die Weltgemeinschaft steht vor enormen Aufgaben. Wenn
DIE ZIELE: Die Ernährungssicherung für Mütter und Klein­
wir versagen, sind wir alle betroffen. Eine Welt mit Hunger
kinder ist besonders wichtig, denn eine gesunde Ernährung
kann keine friedliche Welt sein. Sie verursacht unsägliches
in den ersten 1000 Tagen eines Kindes ist entscheidend für
Leid, ist Nährboden für Terror und Unsicherheit, sie treibt
sein ganzes Leben. Dabei geht es auch um die Qualität der
Menschen zur Flucht.
Ernährung, also die Versorgung der Menschen mit nähr­
stoffreicher und qualitativ hochwertiger Nahrung und den
Dabei haben wir das Werkzeug, das Wissen, die Technik und
Frauen und Kinder einer Kleinbauernfamilie in Ostäthiopien
fen. Das BMZ stellt sich mit seiner gleichnamigen Sonder­
initiative dieser Herausforderung.
Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr müssen
HUNGERSNÖTEN
ENTGEGEN WIRKEN
DIE SITUATION: 795 Millionen Menschen leiden an Hun­
ernähren.
die Innovationen, um , EINEWELT ohne Hunger zu schaf­
2
1
Zugang zu sauberem Trinkwasser und Gesundheitsversor­
gung. Das zweite Ziel ist, die Anpassungsfähigkeiten von
Menschen, aber auch von Institutionen zu fördern, damit
Hungerkrisen vermieden bzw. bewältigt werden können.
wir bekanntes Wissen besser nutzen und Nachhaltigkeit
ment unserer Partner setzen. Wir fördern nicht einfach Ge­
bäude oder Technik, sondern gute Ideen.
Hunger ist kein Schicksal. Sondern das größte lösbare
Problem vor dem die Menschheit heute steht. Wir neh­
men diese Verantwortung an. EINEWELT ohne Hunger ist
möglich!
ERNÄHRUNG
SICHERN
DIE SITUATION in den Entwicklungs­ und Schwellenlän­
dern: Hauptursache von Hunger und Mangelernährung ist
Armut – und nicht, wie oft fälschlicherweise vermutet, das
Fehlen von Nahrungsmitteln. Millionen Menschen verdie­
nen einfach nicht genug Geld, um sich die für die Ernährung
ihrer Familien notwendigen Lebensmittel kaufen zu kön­
nen. Und selbst wenn es den Kleinbauernfamilien in den
Dr. Gerd Müller, MdB
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Berlin und Bonn, November 2015
→ www.bmz.de/mueller
ländlichen Gegenden gelingt, sich selbst zu versorgen: Sub­
sistenzwirtschaft ist keine nachhaltige Zukunftsstrategie, da
so oft das Geld für die Schulbildung der Kinder oder die me­
dizinische Versorgung nicht ausreicht. Oft fehlt nicht nur
Vor drohenden Hungerkatastrophen fliehen hunderttausende
Menschen aus ihrer Heimat.
das Geld für genügend Nahrung, sondern vor allem auch der
Zugang zu Lebensmitteln, die eine gesunde und ausgewo­
gene Ernährung ermöglichen. Etwa 2 Millionen Menschen
leiden am sogenannten verstecktem Hunger, einem Mangel
an lebenswichtigen Nährstoffen.
DIE ZIELE der deutschen Entwicklungszusammenarbeit:
Das BMZ setzt sich dafür ein, dass jedes Kind, jede Frau, je­
der Mann jederzeit Zugang zu den Nahrungsmitteln erhält,
3
INNOVATIONEN
FÖRDERN
die für ein geistig und körperlich gesundes Leben erforder­
lich sind. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei neben den
DIE SITUATION: Damit sich die wachsende Weltbevöl­
kleinbäuerlichen Familienbetrieben den Frauen. Sie sind oft
kerung auch in Zukunft ernähren kann, muss die globale
die Hauptverantwortlichen für das Wohlergehen der ganzen
Landwirtschaftsproduktion bis 2050 um 60 Prozent gestei­
Familie und werden doch in vielen Ländern benachteiligt.
gert und dabei die natürlichen Ressourcen geschont wer­
den. Für Entwicklungsländer gilt in gleicher Weise wie für
Industriestaaten: Längst ist es nicht mehr der wachsende
Einsatz von Dünger, Wasser und Fläche, der den entschei­
Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller lässt ich in Rukka/
Indien beim Besuch der Landwirtschaftsakademie Green College ein
neuartiges Pflanzverfahren für Reispflanzen erklären.
denden Fortschritt bringt, sondern das Wissen um deren
effizienten und effektiven Einsatz.
Fotos: Michael Gottschalk, Thomas Köhler/photothek.net; Marcus Zumbansen/zumbansen­fotografie.de
zum Leitmotiv machen. Und wir müssen auf das Engage­
2/3
HUNGER HAT VIELE FORMEN
DIE ZIELE: Nur eine innovative Landwirtschaft kann Motor
DIE ZIELE: Das BMZ investiert in die Aus­ und Fortbildung
für eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung sein. Deshalb
von Entscheidungsträgern aus den Partnerländern. Um die
unterstützt das BMZ den Aufbau von 13 Grünen Zentren.
Absicherung von Landrechten zu unterstützen, hat das BMZ
Hier werden Bäuerinnen und Bauern unter Beachtung der
in Addis Abeba gemeinsam mit der VN­Wirtschaftskom­
lokalen Gegebenheiten ausgebildet und Wissensnetzwerke
mission für Afrika (ECA), der Afrikanischen Union (AU) und
gegründet. Hier werden Agrarforschungsergebnisse ange­
der Weltbank ein neues Exzellenznetzwerk für Landpolitik
wandt, z. B. um die lokale Landwirtschaft an die Auswirkun­
gegründet. Hier werden Verwaltungskräfte ausgebildet, die
gen des Klimawandels anzupassen. Hier wird gezeigt, wie die
eine faire, transparente und entwicklungsorientierte Bo­
gesamte Wertschöpfungskette vom Acker über Lagerung,
denordnung umsetzen können, die insbesondere die Rech­
Transport und Weiterverarbeitung bis zum Teller gestärkt
te der Kleinbauern einschließt. Darüber hinaus fördert das
werden kann, um Ernteerträge und Einkommen der lokalen
BMZ die Umsetzung der Leitlinien des Welternährungsaus­
Bevölkerung zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und die
lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln zu erhöhen.
Folge der Dürre: ausgetrockneter Ackerboden in Mozambique
schusses. Darin ist beispielsweise festgehalten, dass auch die
Gewohnheitsrechte der traditionellen Nutzer berücksichtigt
werden müssen. Damit können die Rechte besonders armer
4
5
und an den Rand gedrängter Gruppen geschützt werden.
Diese Leitlinien legt das BMZ in seinen eigenen Program­
men zugrunde und berät die Partnerländer dabei, sie zur
Grundlage der Formulierung ihrer Landpolitik zu machen.
PERSPEKTIVEN
SCHAFFEN
BODEN
REHABILITIEREN
DIE SITUATION: Wer auf dem Land lebt, ist in Entwick­
DIE SITUATION: Pro Jahr gehen weltweit rund sechs Mil­
lungs­ und Schwellenländern eher von Armut und Hunger
lionen Hektar fruchtbarer Boden verloren. Übernutzung
betroffen als in der Stadt. Sieben von zehn Hungernden le­
oder falsche Nutzung führen zu Nährstoffverarmung, Erosi­
ben in ländlichen Gebieten. Hunger und Armut sind wich­
on und anderen Formen der sogenannten Degradation. Der
tige Gründe, warum Menschen ihre ländliche Heimat ver­
Klimawandel verstärkt diese Dynamik. Dadurch verringert
lassen. Städte versprechen Arbeit, höhere Löhne und eine
sich die Produktivität der Böden, und die landwirtschaftlich
bessere medizinische Versorgung. Auf dem Land sind die
nutzbare Fläche nimmt ab.
Bildungs­ und Aufstiegschancen oft schlechter, soziale Leis­
DIE ZIELE: Nachhaltige und klimaverträgliche Landwirt­
schaft schützt natürliche Ressourcen und insbesondere Bö­
DIE ZIELE: Produktive Landwirtschaft benötigt ein för­
den. Die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger fördert
derliches Umfeld, etwa durch Energie oder Transportan­
die Rehabilitierung von Boden, damit er wieder fruchtbar
bindung an die städtischen Zentren. Der Strukturwandel
wird und so zur langfristigen Ernährungssicherheit beitra­
abnehmender Beschäftigung in der Landwirtschaft betrifft
gen kann. Außerdem setzt sich das BMZ international für
alle ländlichen Räume der Welt. Wichtig ist für ländliche
die Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung von Wüs­
Gebiete, dass die Wertschöpfung im Lande bleibt, die Zahl
tenausbreitung (UNCCD) ein.
DER VERSTECKTE
HUNGER
attraktiver Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft
Etwa jeder dritte Mensch – und dies nicht nur in Entwick­
wächst und junge Menschen in den ländlichen Räumen
lungsländern – leidet an einer Unterversorgung mit Vita­
6
eine Zukunftsperspektive finden. Das BMZ unterstützt ei­
nen sozial und ökologisch verträglichen Strukturwandel
LANDEIGENTUM
SICHERN
DIE SITUATION: Für einen Großteil der ländlichen Bevöl­
kerung hängt die Lebensgrundlage direkt vom Zugang zu
Land ab. Viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern weltweit
haben nur informelle Landrechte, die nicht anerkannt und
ausreichend geschützt sind. Frauen sind vielerorts aufgrund
des traditionellen Erb­ oder Familienrechts benachteiligt.
Ohne gesicherte Landrechte ist der Zugang zu Krediten und
die Investition in die Verbesserung des bestellten Bodens
erschwert. Fruchtbares Land gerät außerdem zunehmend
ins Blickfeld ausländischer und einheimischer Investoren.
Sie kaufen oder pachten große Flächen, teilweise auch um
darauf Nahrungs­ und Futtermittel für den Export oder die
Junge Männer, wie hier in Marokko, finden Arbeit in der
Landwirtschaft immer attraktiver.
genannt, weil viele Menschen diese Mangelernährung gar
nicht erkennen und weil die Symptome unspezifisch sind:
des ländlichen Raumes und fördert ländliche Entwicklung
als Schwerpunkt in 17 Partnerländern.
minen und Mineralstoffen, dem »versteckten Hunger«, so
Biomasse für Treibstoffe anzubauen. Wird das Land, das die
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nutzen, verkauft, bleibt
ihnen oft keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Vor allem in
Ländern mit schlechter Regierungsführung und schwachen
Verwaltungsstrukturen können Vertreibungen oder Um­
siedlungen die Folge sein.
Appetitlosigkeit, Erschöpfung, Anfälligkeit für Infekte.
Einen besonders hohen Bedarf an Mikronährstoffen haben
schwangere und stillende Frauen sowie Kinder in den ersten
1000 Tagen zwischen Empfängnis und ihrem 2. Geburtstag.
Wenn dieser Bedarf nicht gedeckt ist, droht sogar der Tod.
Der Mangel führt zu einem geschwächten Immunsystem
und kann in Verbindung mit allgemeiner Unterernährung
zu körperlichen und geistigen Fehlentwicklungen führen.
Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung ist die Vor­
aussetzung für ein gesundes Leben. Doch viele Menschen
haben keinen Zugang zu guten Nahrungsmitteln, weil sie
vor Ort nicht verfügbar sind oder weil ihnen das notwen­
dige Wissen fehlt. Langfristig kann der versteckte Hunger
nur überwunden werden, wenn die zugrundeliegenden
Probleme gelöst werden: Strategien zur Ernährungssiche­
rung müssen neben dem Zugang zu angemessener Nahrung
auch die Nahrungsqualität, also die Vielfalt der Ernährung,
fördern und lokale Ernährungssysteme stärken.
→ www.bmz.de/ernaehrung
Fotos: Ute Grabowsky, Thomas Trutschel/photothek.net; Marcus Zumbansen/zumbansen­fotografie.de
tungen gibt es kaum.
Ohne die Existenz von Grundbüchern sind die Eigentumsverhältnisse
von Grund und Boden oft völlig ungeklärt.
BMZeit · Ausgabe 5/2015
GRÜNE ZENTREN FÜR DIE ZUKUNFT
DER LANDWIRTSCHAFT
SO ARBEITET DAS BMZ
Grüne Zentren gibt es in Äthiopien, Benin, Burkina
Faso, Ghana, Kamerun, Kenia, Malawi, Mali, Nigeria,
Sambia, Togo, Tunesien und Indien. Partner sind die
jeweiligen Regierungen, deutsche und lokale Wissen­
schaftseinrichtungen, Verbände, Unternehmen und
Nichtregierungsorganisationen.
→ www.bmz.de/hunger
Im Versuchsgarten eines Grünen Zentrums.
Hier werden neue und bewährte Bewässerungs­
methoden angewendet.
POTENZIALE ERSCHLIESSEN, IDEEN HABEN,
CHANCEN NUTZEN
Ein Morgen in dem Grünen Zentrum des BMZ in Katibougou,
verbessert, die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln
einer Kleinstadt südlich von Bamako, der Hauptstadt von
gesteigert und neue Jobs in der Weiterverarbeitung geschaf­
Mali. Ein Laborant arbeitet an der Verbesserung der
fen werden.
Widerstandskraft von Kartoffelsetzlingen. Ein
Bauer und seine Frau lassen sich darüber aufklä­
Innovation meint dabei keineswegs „Hochtech­
ren, welche Vorteile ihnen die Mitgliedschaft in
nologie“, sondern umfasst den lokalen Gege­
der neuen Erzeugergemeinschaft bringt. Eine
benheiten angepasste Techniken: etwa den Bau
Gruppe von Studenten diskutiert mit ihrer
von Wasserreservoirs, die Mechanisierung der
Lehrerin, wie man Berufe in der Landwirtschaft
Anbauprozesse, die Verbesserung von Saatgut
über einem Bewerbungsformular. In einem Work­
shop wird Wissen über Nährstoffe vermittelt.
und Dünger, die Einführung von Kühlketten und
die Schaffung neuer Transportwege. Über die Tech­
nik hinaus geht es aber auch um die Vermittlung betriebs­
wirtschaftlichen Knowhows, z. B. für die Gründung von
Forschung, Erprobung, Bildung, Ausbildung, Beratung und
kleinen und mittleren Unternehmen. Zudem ermöglicht
Anwendung im Alltag – neue Ideen, neue Chancen, neue
der Aufbau von Erzeuger­ und Vertriebsgemeinschaften
Herausforderungen werden bestmöglich miteinander ver­
neue Formen von Zusammenarbeit und die Selbstorgani­
zahnt, um die Ernährungssituation der ländlichen Bevölke­
sation in Verbänden verschafft den Kleinbäuerinnen und
rung in dem westafrikanischen Staat wirtschaftlich nach­
Kleinbauern eine politische Stimme.
haltig, sozial­ und umweltverträglich zu verbessern.
Idealerweise bilden die Grünen Zentren einen Zusammen­
Trotz enormer landwirtschaftlicher Potenziale werden in
schluss von sich ergänzenden Einrichtungen der Wissensge­
Mali wie in vielen anderen Regionen weltweit nicht ausrei­
nerierung und ­vermittlung wie Forschungseinrichtungen,
chend Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung produ­
verschiedenen Demonstrations­ und Versuchsbetrieben,
ziert. Das BMZ unterstützt die Erschließung der Potenziale
Landwirtschaftsschulen, dezentralen Aus­ und Weiterbil­
durch die Förderung von 13 Grünen Zentren hauptsächlich
dungsangeboten sowie breitenwirksamen Beratungsdiensten.
auf dem afrikanischen Kontinent mit einem Etat von 135,8
Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Durch
Wesentliche Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg der
Innovationen in der Agrar­ und Ernährungswirtschaft kön­
Grünen Zentren sind der politische Wille und die Eigenver­
nen das Einkommen kleinbäuerlicher Familienbetriebe
antwortung der Partnerregierungen.
Fotos: Klaus Wohlmann/GIZ ; Thomas Trutschel/photothek.net
begehrter machen kann. Zwei junge Frauen sitzen
4/5
INNOVATIONEN MÜSSEN
IN DER PRAXIS ANKOMMEN
ZIELE HABEN,
WÜNSCHE ERFÜLLEN
Morgens um 5 Uhr in einem Dorf in West­Kenia:
Ibrahim Odera (Foto), ein 49­jähriger Kleinbau­
er, beginnt sein Tagwerk mit dem Melken sei­
ner vier Kühe. Der Ertrag: rund 20 Liter Milch,
die er auf dem Markt verkaufen kann. Von den
Erlösen seine fünf Kinder zu ernähren, das
Schulgeld zu bezahlen und alle sonstigen Haus­
haltsausgaben zu decken, ist schwierig. Einen ange­
stellten Helfer kann sich Ibrahim jedenfalls nicht leisten.
Ohne seine Frau und den 18­jährigen erstgeborenen Sohn,
der jeden Tag nach der Schule mitarbeitet, könnte er den
Hof nicht bewirtschaften.
Ibrahim Odera hat viele Ideen, wie er seine Situation verbes­
sern kann. Praktische Ideen wie diese: „Wenn ich ein Motor­
rad hätte, dann könnte ich schneller zum Markt kommen
als auf meinem alten Fahrrad“, sagt er. „Ich hätte dann mehr
Zeit, um auf meinem Hof zu arbeiten und könnte meine
Frau entlasten.“ Strategische Ideen wie diese: „Ich wür­
könnte ich mehr Futtergras anbauen und mir mehr Kühe
leisten, bessere Erträge haben und mehr Geld verdienen. “
SO ARBEITET DAS BMZ
Neben einem Kredit wünscht sich Ibrahim Odera vor allem
Die Oderas mit ihren fünf Kindern sind eine der
auch mehr Wissen. Wie kann er einfache Viehkrankheiten
vielen Millionen typischen kleinbäuerlichen
selbst behandeln, ohne den teuren Tierarzt rufen zu müs­
Familien, die das Rückgrat des afrikanischen
sen? Macht es Sinn, sein Milchangebot auf dem Markt um
Kontinents bilden. Ihre Förderung steht im
Joghurt und Dickmilch zu erweitern? Wie baut er einen
Mittelpunkt der BMZ­Sonderinitiative EINEWELT
Silo für die Lagerung von Futtergras? Wie kann sich seine
ohne Hunger.
Familie gesünder ernähren? Könnte er mit seinen vier Kü­
hen bereits eine kleine Biogasanlage für die Erzeugung von
→ www.bmz.de/hunger
eigenem Strom bauen?
Viehmärkte in Afrika: Hier wird nicht nur gehandelt
Seit er im Rahmen des Grünen Zentrums das Agricultural
und gefeilscht, hier werden vor allem auch Nachrichten
Training Center im nahen Bukura besucht, hat Ibrahim et­
ausgetauscht.
liche seiner Fragen beantwortet bekommen, und er schaut
wesentlich optimistischer in die Zukunft.
Fotos: Marcus Zumbansen/zumbansen­fotografie.de; GIZ.de
de gern Land kaufen und nicht wie bisher pachten. Dann
BMZeit · Ausgabe 5/2015
6
FLUCHT VOR HUNGER,
KRISEN UND ARMUT
Hilde Johnson, die ehemalige norwegische Entwicklungsministerin, ist eine erfahrene Flüchtlingsexpertin. In den
vergangenen Jahren war sie als Sonderbeauftragte der
Vereinten Nationen für das Krisenland Südsudan Leiterin
der UNMISS Friedensmission.
Hilde Johnson kennt sich aus: Als Tochter einer christlichen
Missionarsfamilie ist sie in Tansania aufgewachsen und als
Anthropologin weiß sie Mentalitäten und kulturelle Unter­
schiede einzuordnen. Johnson ist eine energische Frau und
scheut vor unkonventionellen Entscheidungen nicht zu­
rück. Als im Dezember 2013 die Situation im Südsudan es­
kalierte, stand es für sie außer Frage, die Tore des VN­Stütz­
punktes im Zentrum der Hauptstadt Juba für Tausende um
ihr Leben fürchtende Menschen zu öffnen. In einer einzigen
Nacht wurde aus dem Stützpunkt der Vereinten Nationen
ein Flüchtlingslager, mitten in der Stadt.
„Es geht in einer solchen Situation nur um die Menschen,
vor unserer Tür standen Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder,
die um ihr Leben fürchteten. “ berichtet sie. Im Laufe weni­
ger Woche wuchs das Camp auf mehr als 20.000 Menschen
an, in VN­Stützpunkten in anderen Provinzen waren es
noch einmal 100.000 Menschen.
Die in Teilen des Landes immer wieder auftretenden kriege­
rischen Auseinandersetzungen haben mehr als 1,5 Millionen
Menschen in die Flucht getrieben, in Nachbarländer wie
Uganda, Äthiopien und Kenia, vor allem aber auch als Binnen­
flüchtlinge in die wenigen sicheren Gegenden des Landes.
„Die Situation besonders in der Landwirtschaft ist katastro­
phal. Die Bauern mussten ihre Dörfer verlassen, ihre Felder
verfallen, ihre Tiere sterben“, sagt sie. Die Nahrungsmit­
telproduktion liegt in großen Teilen des Landes brach. „Es
Ausmaßen.“
Ohne die Hilfe durch Partnerländer wie zum Beispiel
Deutschland und durch internationale Nichtregierungsor­
ganisationen, die die Nahrungsmittelverteilung und auch
die medizinische Versorgung übernommen haben, würde
die Situation eskalieren.
„In Krisengebieten wie dem Südsudan hat die Herstellung
von dauerhaftem Frieden oberste Priorität,“ sagt Johnson.
Wiederherstellung der Landwirtschaft und Förderung der
Berufsausbildung müssen parallel angegangen werden. „Die
Menschen wollen heraus aus dem Teufelskreis von Gewalt,
Armut und Hunger. Sie wollen zurück in ihre Heimat,“ weiß
sie aus Hunderten von Gesprächen mit Flüchtlingen, die
trotz aller Gefahren und Bedrohungen die Hoffnung auf
eine bessere Zukunft nicht aufgeben wollen.
SO ARBEITET DAS BMZ
Die Bundesregierung sieht sich verpflichtet, den
südsudanesischen Binnenflüchtlingen und Flücht­
lingen in den Nachbarländern Kenia, Uganda und
Äthiopien rasch und wirksam zu helfen. Das BMZ
unterstützt die Arbeit von Nichtregierungsorganisa­
tionen, fördert z.B. Projekte von AMREF, der Welt­
hungerhilfe und von Tierärzte ohne Grenzen.
→ www.bmz.de/flucht
Ein Mädchen in einem Flüchtlingslager im Südsudan.
Soldaten der Vereinten Nationen sorgen für die
Sicherheit.
Fotos: Thomas Trutschel/photothek.net (2)
droht eine Hungerkatastrophe von bisher nicht gekannten