MARCO POLONI

342 - 345
MARCO POLONI
* 1962 IN AMSTERDAM (NIEDERLANDE)
LEBT UND ARBEITET IN GENF (SCHWEIZ)
UND CHICAGO/IL (USA)
Es ist längst eine Binsenweisheit,dass gesellschaftliche
Wirklichkeit durch die immense zetigenössische Bildproduktion eindeutig mitgestaltet wird.Marco Poloni ist
einer jener Künstler, die sich in ihren Arbeiten auf alltagskulturell wirksame Bildmuster beziehen. Die Ausgangspunkte seiner Projekte liegen in Beobachtungen
über die Rolle von Bildern bei der Wahrnehmung, der
Einschätzung und der Deutung von Wirklichkeit. Dabei
eignet sich der Künstler bekannte Bildsprachen an und
bezieht sich auf eine bewährte Ästhetik, um den Betrachter beständig mit der Rolle von Bildern zu konfrontieren, die sie bei der Herstellung von Bedeutung,
von Erzählungen und Rückschlüssen auf Ereignisse
spielen.
In Permutit – Scenes from a Film (2005) konstruiert
Poloni in 42 Fotografien durch Anklänge an Filmstandbilder und Aufnahmen, die eine Art detektivischer Verfolgung suggerieren, eine (fiktive) Geschichte. Poloni
bedient sich dabei eines Bildwissens, das er voraussetzen kann, weil es Teil einer Medienkompetenz der
westlichen Kultur geworden ist. Er untersucht also die
Bedingungen, unter denen wir Bilder auf eine bestimmte Weise interpretieren und auf die Wirklichkeit übertragen. Den Betrachter lässt er dabei gezielt zwischen
Täuschung und Enttäuschung,Wirklichkeit und Einbildung, Folgerichtigkeit und Paradox pendeln.
In einer aktuellen Serie, Displacement Island (2006),
wendet sich Poloni erneut dieser Frage von Wirklichkeitskonstruktion zu. In 67 Fotografien,die der Künstler
zum Teil selbst aufgenommen hat, die aber zum Teil
auch aus verschiedenen Printmedien reproduziert wurden, zeigt er das Bild einer Ferieninsel, die zugleich
Schauplatz von Migrantenschicksalen geworden ist. Die
Serie siedelt sich im Widerspruch zwischen Tourismus
und illegaler Migration an. Poloni demonstriert, dass
diese parallel und zum Teil in Abhängigkeit voneinander
auftretenden globalen Phänomene auf der Ferieninsel
als völlig voneinander getrennte Welten in Erscheinung
treten.Durch die Mischung von eigenen Fotografien mit
Abbildungen aus Zeitungen und Magazinen werden wir
zwar mit einer subjektiven Version der Situation konfrontiert, die allerdings diese Trennung markiert und damit
als eine Konstruktion von Macht sichtbar werden lässt,
in der Bilder eine zentrale Rolle spielen. Erneut spricht
Poloni ein Bildwissen der Betrachter an, das er hier allerdings direkt mit einer öffentlichen Bildpolitik und damit
mit der Politisierung von Öffentlichkeiten verschränkt.
REINHARD BRAUN
ALLE ABBILDUNGEN AUS DER SERIE
> DISPLACEMENT ISLAND <, 2006
67 INKJET-PRINTS, PIGMENTTINTE AUF FASERPAPIER, DIVERSE MASSE
MARCO POLONI
MARCO POLONI
MARCO POLONI
MARCO POLONI