Themen Abschlussarbeiten AG Sozialpsychologie Stand: November 2015 Die folgende Auflistung gibt thematische Beispiele für mögliche Abschlussarbeiten (BSc-, oder Masterarbeiten) in der Abteilung Sozialpsychologie. Der primäre methodische Ansatz ist das sozialpsychologische Experiment, andere Herangehensweisen sind aber möglich. Inhaltliche Schwerpunkte der Abteilung liegen in der Erforschung des Verhaltens innerhalb und zwischen Gruppen, der sozialen Motivationsforschung sowie der Psychologie der globalen Umweltkrise. Bei Interesse sprechen Sie uns an! Übersicht Themenblock 1: Die soziale Eigengruppe als psychische Ressource: Gruppenbasierte Kontrolle Persönliche Hilflosigkeit als Determinante Kollektiven Handelns? Kontrolle durch externe Agenten oder durch das soziale Selbst? Themenblock 2: Der Einfluss von Bedrohung auf soziale Normen: Konformität, Wandel oder Neubildung Themenblock 3: Gruppenverhalten unter dem Einfluss von Bedrohung Themenblock 4: Wahrnehmungen und Auswirkungen von Geschichte Motivated History Versöhnung zwischen Opfer- und Tätergruppen Themenblock 5: Nachwuchs als Ressource im Umgang mit der eigenen Sterblichkeit Themenblock 6: Die Sozialpsychologie der Umweltkrise und des sozialen Wandels Themenblock 7: Ungleichheit und Gerechtigkeitswahrnehmung Themenblock 1: Die soziale Eigengruppe als psychische Ressource: Gruppenbasierte Kontrolle Die Zusammenarbeit in sozialen Gruppen hat es dem Menschen ermöglicht, seine eingeschränkten individuellen Kontrollmöglichkeiten über die Umwelt zu erweitern. Im Denken von Individuen könnten Gruppenmitgliedschaft und das Handeln als Gruppenmitglied daher ebenfalls die Funktion erfüllen, mit wahrgenommenen generellen Einschränkungen persönlicher Kontrolle umzugehen. So sollte kollektives Denken und Handeln als Gruppenmitglied (das Selbst als „wir“) insbesondere dann bedeutsam werden, wenn Menschen mit der Bedrohung individueller Kontrolle konfrontiert sind. Derzeit werden an der Abteilung theoretische Modelle zur gruppenbasierten Kontrolle (Fritsche, Jonas & Fankhänel, 2008, JPSP; Fritsche et al., 2013, JESP; Fritsche, Jonas & Kessler, 2011, SIPR; Stollberg, Fritsche & Bäcker, 2015) entwickelt und empirisch geprüft. 1.1 Persönliche Hilflosigkeit als Determinante kollektiven Handelns? Ein Bereich, zu dem Abschlussarbeiten möglich sind, beschäftigt sich mit der Frage, welche Gruppen besonders geeignet sind um Kontrolle wiederherzustellen. Kontrolle über wichtige Dinge in der eigenen Umwelt wahrzunehmen sollte dem Bedürfnis entsprechen, sich selbst als handlungsfähige Person zu sehen, zum Beispiel als Teil einer handlungsfähigen Gruppe. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Bedrohung des individuellen Kontrollempfindens, neben kollektiven Prädiktoren (Van Zomeren & Iyer, 2009), zur Erklärung der Teilnahmebereitschaft an collective action beitragen kann. Daraus ergeben sich folgende mögliche Themen (Ansprechperson: Fritsche): Führt die Vergewisserung der Mitgliedschaft in handlungsfähigen Gruppen zu erhöhten Kontrollwahrnehmungen bei Individuen? Steigt die Teilnahmebereitschaft an kollektiven Bewegungen unter Kontrollbedrohung an? Gibt es dabei Unterschiede in der Teilnahmebereitschaft, je nachdem, ob die Bewegung aktiv ein klares Ziel verfolgt oder lediglich Aktionismus zeigt? Welche Folgen hat die doppelte Bedrohung persönlicher und kollektiver Kontrolle? Erhöhtes Engagement für die Gruppe oder Rückzug? Eine weitere Erklärung des Umgangs mit persönlicher Bedrohung und Zielkonflikten nimmt an, dass Menschen unter Bedrohung eine Annäherungsorientierung annehmen und verstärkt Ziele verfolgen. Mit Zielverfolgung ist die Ausblendung alternativer Ziele (z.B. solche, die mit der Bedrohung verbunden sind) verbunden, die hier für die Unterdrückung bedrohlicher Gedanken genutzt wird. Unter solcher „reactive approach motivation“ (McGregor et al., 2010, JPSP) sollten insbesondere idealistische Ziele verfolgt werden, da diese für das Individuum hoch verfügbar sind, eine dauerhafte Beschäftigung mit ihnen ermöglichen (da sie i.d.R. nie vollständig erreicht werden) und das Streben nach Idealen gegen vollständige Fehlschläge gefeit ist. Obgleich empirische Evidenz die Bedeutung von Idealen für reactive approach untermauert, bleibt die Frage, worauf die besondere Bedeutung von Idealen zurückgeht. Aus einer gruppenpsychologischen Perspektive könnte angenommen werden, dass eine weitere – bislang nicht im Modell berücksichtigte – Eigenschaft von Idealen von entscheidender Bedeutung ist: Ihre soziale Geteiltheit. Kollektive Ziele sind durch ihre Geteiltheit validiert, ihre Verfolgung ist sozial erwünscht (reduzierte Gefahr des Scheiterns) und Personen erfahren Unterstützung durch Andere. In einer möglichen Abschlussarbeit sollte es darum gehen, die Rolle kollektiv geteilter (vs. rein individueller) Ideale für die Bewältigung persönlicher Bedrohung zu untersuchen und damit mögliche Verbindungen zu Prozessen gruppenbasierter Kontrolle zu prüfen. (Ansprechperson: Fritsche) 1.2 Kontrolle durch externe Agenten oder durch das soziale Selbst Einen weiteren Forschungsbereich stellt die Abgrenzung des Modells gruppenbasierter Kontrolle vom Ansatz kompensatorischer Kontrolle (Kay et al., 2008) dar. Letzteres nimmt an, dass Personen unter Kontrollbedrohung ein allgemeines Bedürfnis nach Struktur und Ordnung haben, unabhängig davon ob dies durch externe kontrollierende Instanzen (politische Systeme, Regierungen, Götter) oder durch das Selbst gewährleistet wird. Mögliche Themen können sein: Unter welchen Bedingungen sind Personen bei Bedrohung ihrer persönlichen Kontrolle eher Repräsentanten des Selbst (z.B. eigene Gruppe, eigene Götter) und wann unterstützen sie externe Agenten (z.B. externe, stabilisierende Systeme; China oder Russland als Investoren zur Stützung der europäischen Wirtschaft) (Ansprechpartner: Fritsche) Themenblock 2: Der Einfluss von Bedrohung auf soziale Normen: Konformität, Wandel oder Neubildung Wenig ist darüber bekannt warum und wann Personen unter Bedrohung eher soziale Normen befolgen. Im Rahmen eines DFG-geförderten Forschungsprojekts wollen wir die Prozesse untersuchen, die normbezogenem Verhalten unter Bedrohung unterliegen und genauer klären, wann es zu Normkonformität, Normbildung oder Versuchen, bestehende Normen zu ändern, kommt. Wir nehmen an, dass zwei motivierte sozial-kognitive Prozesse hier relevant sind (normative Vigilanz und agency appraisals). Mögliche Themen können sein: Mechanismen von erhöhter Normbefolgung unter persönlicher Bedrohung: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass persönliche Bedrohung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Menschen saliente Normen befolgen (z. B. Jonas et al., 2008). Dieser Befund ist mehrfach repliziert worden und erscheint relativ robust. Wenig bis gar nicht untersucht wurde bisher die Frage, welche Mechanismen diesem Effekt zugrunde liegen. Es wird vermutet, dass sowohl sozial-kognitive als auch motivationale Gruppenprozesse hier eine Rolle spielen. So könnte es bspw. sein, dass persönliche Bedrohung die Aufmerksamkeit und Verarbeitungstiefe für normrelevante Hinweisreize erhöht. Gleichzeitig sollte dieser Prozess gruppenbasiert und daher unabhängig von generellen Mustererkennungsprozessen unter Kontrollbedrohung (z. B. Whitson & Galinsky, 2008) sein. (Ansprechperson: Jugert/Fritsche) Normbildung unter Bedrohung: Informationen dazu, was in einer Situation normatives Verhalten darstellt, sind nicht immer vorhanden bzw. zugänglich. Dies sollte v. a. auf Situationen zutreffen, in denen Gruppen neu zusammenkommen und noch keine klaren Gruppennormen etabliert sind. Eine Hypothese ist, dass unter persönlicher Bedrohung, die Motivation von Personen steigt, Gruppennormen zu etablieren, um Kontrolle durch die Handlungsfähigkeit der Gruppe widerherzustellen. Gruppen mit klaren Normen sollten als handlungsfähiger wahrgenommen werden und daher sollte unter Bedrohung die Bereitschaft steigen sich aktiv daran zu beteiligen, die Gruppen handlungsfähig zu machen, indem klare Gruppennormen etabliert werden. Dadurch kann auch unter Bedrohung Innovation entstehen. (Ansprechperson: Jugert/Fritsche) Normkonformität vs. Normveränderung: Die Rolle von Group Agency: Alternativ zur Befolgung salienter Gruppennormen könnten Personen nach Kontrollbedrohung auch die Veränderung von existierenden Normen anstreben, wenn diese als wenig agentisch wahrgenommen werden. Analog zu individuellen Reaktanzeffekten nehmen wir an, dass Personen existierende soziale Normen ablehnen, die in Ihrer Wahrnehmung die Wirkmächtigkeit der Gruppe und ihre Fähigkeit Kontrolle auf Ihre Umgebung auszuüben, einschränken. In diesem Fall sollten Personen, bestehende Normen ablehnen und alternative Normen bevorzugen. (Ansprechperson: Jugert/Fritsche) Kontrollrestauration durch Gruppenverhalten: Eine wichtige Annahme des Modells gruppenbasierter Kontrolle ist, dass Personen sich nach Kontrollbedrohung deshalb salienten Eigengruppen zuwenden, weil diese Ihnen helfen können, das Gefühl allgemeiner Handlungsfähigkeit und Kontrolle wiederherzustellen. Die Evidenz für diese These ist allerdings bisher lückenhaft. Es ist z. B. nicht ganz klar, ob das Gefühl von Kontrolle nur auf der Gruppenebene entsteht oder auch auf die individuelle Ebene zurückwirkt. (Ansprechperson: Jugert/Fritsche) Kollektive Reaktionen auf Ungleichheit in Gruppen mit geringem sozio-ökonomischen Status: Es soll untersucht werden, wie Mitglieder statusniedriger Gruppen nicht erfüllte Kontrollbedürfnisse auf Gruppenebene (wieder-)herstellen können. Wir wollen uns hier mit kollektiven Handlungen als Mittel zur Kontrollrestauration beschäftigen. Dies kann Collective Action mit dem Ziel den Status der Eigengruppe zu verbessern, sein. Es sind aber auch alternative kollektive Reaktionen möglich, bei denen die Gruppe die Möglichkeit bietet, Kontrolle auszuüben, ohne dass der Status der Gruppe verändert wird (z. B. Identifikation mit alternativen Gruppen, Abwertung anderer sozialer Gruppen). Es wird angenommen, dass letztere Strategie eher zu unproduktivem maladaptiven Intergruppenkonflikten und der Stabilisierung sozioökonomischer Ungleichheiten führen. (Ansprechperson: Jugert/Fritsche) Themenblock 3: Gruppenverhalten unter dem Einfluss von Bedrohung Die wahrgenommene Bedrohung psychischer Grundbedürfnisse kann defensives kollektives Verhalten von Menschen erhöhen. Öffentlich diskutiert wird beispielsweise der Einfluss sozialer Abstiegsängste (z.B. in Folge von Wirtschaftskrisen) oder die Wahrnehmung terroristischer Bedrohung auf steigende Identifikation mit eigenen Gruppen, wie z.B. Nationen, aber auch auf die Intoleranz gegenüber Mitgliedern abweichender Gruppen. Aufbauend auf Ansätzen motivierter Gruppenprozesse (z.B. Unsicherheitsreduktion, Gruppenbasierte Kontrolle, Terror Management; Überblick bei Fritsche, Jonas & Kessler, 2011, SIPR oder bei Jonas et al., 2015) sollen die psychologischen Prozesse untersucht werden, die diesen Phänomenen unterliegen. In Forschungsarbeiten der Abteilung werden diese Prozesse in ihren Grundlagen und Anwendungen untersucht. Eigene Untersuchungsideen sind willkommen. Aus den gegenwärtigen Forschungsschwerpunkten lassen sich u. a. folgende Themenvorschläge ableiten. Wahrgenommene Bedrohung durch den globalen Klimawandel erhöht allgemeine autoritäre Denk- und Verhaltensweisen und führt zur Abwertung systembedrohender gesellschaftlicher Subgruppen (Fritsche, Cohrs, Kessler & Bauer, 2012). Diese – scheinbar automatischen – Prozesse können gesellschaftliche Konflikte verschärfen. Wie können diese Effekte erklärt werden? Auf welche Gruppen lassen sich diese Effekte verallgemeinern (z.B. Klimawandelflüchtlinge) und gibt es Bedingungen, unter denen die Wahrnehmung globaler Bedrohung zu erhöhter Toleranz gegenüber Andersartigkeit führen kann? (Ansprechperson: Fritsche) Bedrohung und aktuelle Einstellungen gegenüber neuen rechtspopulistischen Bewegungen und dem Umgang mit aktuellen Migrationsbewegungen. In der Forschung sowie der Öffentlichkeit wird derzeit intensiv diskutiert, welche Auswirkungen wahrgenommene Bedrohung (z.B. persönliche Hilflosigkeit oder auch Wahrnehmungen gesellschaftlicher Krisen, wie Terrorismus oder Wirtschaftskrisen) auf die Akzeptanz rechtspopulistischer und fremdenfeindlicher Einstellungen hat. Entgegen der weitverbreiteten Ansicht, dass Bedrohungen diese Einstellungen grundsätzlich befördern, legt das Modell gruppenbasierter Kontrolle (Fritsche et al., 2013; Stollberg, Fritsche & Bäcker, 2015) nahe, dass Bedrohung auch Engagement gegen rechtspopulistische (Fremd-)Gruppen und fremdenfeindliche Einstellungen erhöhen kann. Dies sollte dann geschehen, wenn Rechtspopulisten als Fremdgruppe und Fremdenfeindlichkeit als sozialer Regelverstoß verstanden werden. Beispielsweise mittels experimenteller Fragebogenstudien könnte diese Fragestellung beispielsweise unter Studierenden untersucht werden. (Ansprechperson: Fritsche) Kollektive Bedrohungsreaktionen bei jungen und älteren Erwachsenen (Kooperation mit der Entwicklungspsychologie). Entwicklungspsychologische Forschungen zeigen eine altersbezogene Abnahme im Ärger, der typischerweise mit der Blockade selbstbezogener Ziele einhergeht (z.B. Kunzmann, Richter & Schmukle, 2013). Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass selbstbezogene Ziele über das Erwachsenenalter hinweg an Bedeutung verlieren, während generative, das Selbst transzendierende Ziele an Bedeutung gewinnen (Brandstädter, Rothermund, Kranz & Kühn, 2010). Es soll untersucht werden, ob Ärgerreaktionen auf die Verletzung selbst-transzendenter, kollektiver Normen bei älteren (im Vergleich zu jungen) Personen zunehmen (während Ärgerreaktionen gegenüber persönlichen Verletzungen abnehmen). (Ansprechpersonen: Fritsche/Kunzmann) Themenblock 4: Wahrnehmungen und Auswirkungen von Geschichte Diese Projekte befassen sich mit einer von zwei sozialpsychologischen Perspektiven auf historische Prozesse. Zum einen wird betrachtet, wie aktuelle Motivationen der/des Einzelnen ihre/seine Wahrnehmung von Geschichte bestimmen (z.B. die Täter- oder Opferrolle der eigenen Nation). Zum anderen geht es darum, wie historische Rollen von Gruppen heutige Intergruppenbeziehungen (hier: Versöhnungsprozesse) beeinflussen können. 4.1 Motivated History In einem durch die DFG geförderten Forschungsprojekt untersuchen wir gemeinsam mit der Universität Warschau motivationale Verzerrungen in der Wahrnehmung kollektiver Geschichte. Innerhalb dieses Projekts werden auch Abschlussarbeiten vergeben. Lesen Sie im Folgenden die Projektzusammenfassung. Representations of groups’ history are motivated and therefore they are flexible and selective. The project is set out to uncover these motivational dynamics by testing an integrated multi-motive perspective on national history in Poland and Germany, both in terms of individual-level and collective level motivations. We aim at determining how different depictions of historical roles of the ingroup (victims, perpetrators, passive bystanders, heroic helpers) can be affected by specific psychological needs for control and moral acceptance and how depictions of ingroup history as either agentic or moral may differentially satisfy these motives. In a set of 22 experimental studies we will induce need for control or need for morality (on collective or individual level). This will allow to capture the effects of current psychological motivations on historical representations measured, for instance, as spontaneously generated depictions of history or perceived ingroup and outgroup continuity. We will also investigate how current needs affect the acceptance of different historical roles and how the memory of victim or perpetrator episodes in the past can help to satisfy current needs. Finally, we will investigate the role perceptions of collective continuity and homogeneity play in mediating the hypothesized effects. The results will contribute to the understanding of intergroup reconciliation after historical crimes. The dominant paradigm in this field – a needs-based model of reconciliation (Nadler & Shnabel, 2008) focuses on how historical representations threaten specific psychological needs. On the contrary, we view the representations of history as people’s reactions to current threats to control or morality and analyze the motivational underpinnings of preferred historical representations within and beyond the context of intergroup reconciliation. Thorough analysis of this problem will significantly advance psychological theory on motivated collective cognition and intergroup conflicts, but also will help practitioners creating curricula, museum exhibits and policy makers in better understanding of the motivational underpinnings of historical representations. This can obviously improve the quality of historical education in both Poland and Germany. Beispielthema: Wir sind die schlimmsten Täter! Gruppenbasierte Kontrolle als palliative Funktion von Täterschaft? Die Angehörigen von Tätergruppen sollten – im Gegensatz zu Mitgliedern von Opfergruppen – ein erhöhtes Ausmaß kollektiver Kontrolle erleben. Obgleich die Täterrolle von Gruppen in der Regel abgelehnt wird, könnte sich dies ändern, sobald Personen ein Bedürfnis haben, eigene Kontrollwahrnehmungen wiederherzustellen. So könnte angenommen werden, dass Personen unter Kontrollverlusterleben eher bereit sind, den Täterstatus ihrer Gruppe (z.B. Deutsche im zweiten Weltkrieg) einzugestehen bzw. diesen zu betonen. Welche unterschiedlichen Effekte dies für die Möglichkeit von Versöhnungsprozessen hat, sollte ebenfalls in der Arbeit untersucht werden. So wäre denkbar, dass trotz steigender Bereitschaft, den Täterstatus einzugestehen, das Interesse reduziert ist, durch Versöhnung den Täterstatus zu vermindern. Dies könnte Versöhnungsprozessen eher im Wege stehen. (Ansprechpersonen: Fritsche/Barth) 4.2 Versöhnung zwischen Opfer- und Tätergruppen, sozial-motivationale Grundlagen Kontrolle in Versöhnungsprozessen zwischen Gruppen. Die aktuelle sozialpsychologische Forschung zur Versöhnung zwischen Opfer- und Tätergruppen zeigt, dass Versöhnungsprozesse erst möglich werden, wenn die (unterschiedlichen!) psychischen Bedürfnisse von Opfern und Tätern befriedigt sind. Gemäß Shnabel, Nadler und Kollegen werden Opfer dann versöhnungsbereit, wenn sie (verlorengegangene) Kontrolle wieder herstellen können. Täter hingegen bedürfen nicht der Wiederherstellung von Kontrolle (diese liegt aufgrund des Täterstatus bereits vor) sondern hier stellt die Wiederherstellung eines positiven moralischen Bildes der Gruppe die zentrale Voraussetzung für Versöhnung dar. Differenzielle Bedürfnisse von Opfer- und Tätergruppen: Wir interessieren uns dafür, auf welche Weise die psychischen Bedürfnisse von historischen Täter- und Opfergruppen (Deutsche, Polen, Juden) befriedigt werden und die Parteien auf diese Weise versöhnungsbereit werden können. (a) Vorhandene Studien zeigen erhöhte Versöhnungsbereitschaft von Juden, die an den Widerstand im Warschauer Ghetto erinnert wurden. Polnische Nicht-Juden (Tätergruppe) wurden hingegen versöhnungsbereit bei der Konfrontation mit polnischen Zeitzeugen, die Juden geschützt haben. Eine entsprechende Qualifikationsarbeit könnte diesen Prozess in Deutschland (z.B. Deutsche als Tätergruppe) untersuchen. Auch Zusammenarbeit mit der Universität Warschau möglich. (b) Als weitere mögliche Fragestellung untersuchen wir, ob die Befriedigung von Opfer- und Täterbedürfnissen nur durch die Anerkennung durch die andere Konfliktpartei (z.B. polnische Repräsentanten würdigen Deutschlands moralische Integrität) oder auch durch eine vom Konflikt unabhängige Bestätigung der eigenen Gruppe (z.B. gutes Abschneiden in einem Länder-Ranking) erfolgen kann. (Ansprechpersonen: Fritsche/Barth) Die Rolle von Vermittlern in intergruppalen Konflikten: Die direkte Interaktion zwischen Konfliktparteien wird als eine wichtige Voraussetzung für Versöhnung angesehen. Ob und wie genau dritte Parteien diesen Prozess unterstützen oder behindern können, wurde bisher noch nicht systematisch unterstützt. Es wäre etwa anzunehmen, dass nicht jede Gruppe gleich gut geeignet ist, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln. Auch spezifische Rahmenbedingungen (sind die Parteien schon bereit, direkt miteinander zu sprechen) können in diesem Zusammenhang untersucht werden. (Ansprechperson: Barth) Unterschiede im Selbstfokus zwischen Tätern und Opfern: Eine aktuelle Untersuchungsreihe konnte zeigen, dass zwischen Tätern und Opfern Unterschiede im Selbstfokus bestehen. Während Täter stärker auf ihr Gegenüber orientiert sind, kreisen die Gedanken der Opfer stärker um die eigene Person. Ein starker Selbstfokus war zugleich auch mit Distanzierung und Ablehnung von Versöhnungsmöglichkeiten verbunden. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich neue Fragen zu förderlichen und hemmenden Faktoren beim Versöhnungsprozess. Insbesondere könnte exploriert werden, ob der Selbstfokus flexibel ist und damit als Ziel für Interventionen dienen könnte und ob die beobachteten Effekte auf interindividueller Ebene sich auch auf Gruppenebene finden. (Ansprechperson: Barth) Themenblock 5: Nachwuchs als Ressource im Umgang mit der eigenen Sterblichkeit (Ansprechpersonen: Hoppe/Fritsche) Das unweigerliche Ende des physischen Selbst stellt Menschen vor das Problem, das Potenzial paralysierender existenzieller Angst im Alltag kontrollieren zu müssen. Gemäß der Terror Management-Theorie (Greenberg, Solomon & Pyszczynski, 1997, Adv. Exp. Soc. Psych.) geschieht dies durch automatische Angstpufferprozesse, über die Menschen sich ihrer symbolischen Unsterblichkeit vergewissern. Beispielsweise stützen und verteidigen Menschen eigene kulturelle Gruppen und deren Weltsichten sowie die Vorstellung selbst wertvolle Mitglieder dieser Gruppen zu sein besonders, wenn sie an ihre Sterblichkeit erinnert werden (Burke, Martens & Faucher, 2010, PSPR). In Studien wurde gezeigt, dass das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit zu einem erhöhten Kinderwunsch führt (Fritsche et al., 2007, Wisman & Goldenberg, 2005). Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass eigener Nachwuchs ein Gefühl der Unsterblichkeit erzeugt, da eigene Kinder das Selbst, eigene Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen fortführen können. Demnach können Kinder zu einem Gefühl der Kontinuität der eigenen Identität beitragen. In Forschungsarbeiten der Abteilung werden diese Prozesse in ihren Grundlagen und Anwendungen untersucht. In einer Studie soll untersucht werden, inwieweit die angstpuffernde Wirkung von Nachwuchs von anderen Determinanten (z.B. Karrierestreben) beeinflusst wird oder durch andere Angstpuffer (Kultur, Bindung, Partnerschaft) bedingt ist. Außerdem soll überprüft werden, inwiefern der Gedanke an eine transgenerationale Gruppe (Vorfahren, Selbst, Nachfahren) die Angst vor dem Tod reduzieren kann. Weiterhin wurde nachgewiesen, dass Religionen einen wichtigen Schutzmechanismus bei existentieller Bedrohung bieten (Jonas & Fischer, 2006; Norenzayan & Hansen, 2006; Vail et al., 2010; 2012, Jong et al., 2012; Tongeren et al., 2013). Religionen versprechen in der Regel ein Leben nach dem Tod. Aus Sicht der TMT ist dies der Grund für ihre Existenz. Diese Zusammenhänge sollen in einer weiteren Studie genauer untersucht werden. Bedrohung erhöht die Konformität mit sozialen Normen wie Prosozialität (Gailliot et al., 2008; Jonas et al., 2002; 2008). In einer weiteren Studie soll diese Reaktion in Bezug auf gewalthaltige Computerspiele, welche ebenfalls Bedrohungen wie Mortalität oder Kontrollverlust salient machen, überprüft werden. Dabei soll überprüft werden, ob gewalthaltige Computerspiele und Salienz bestimmter Normen Verhaltensweisen wie z.B. prosoziales Verhalten verstärken können. (Ansprechpersonen: Hoppe/Fritsche) Themenblock 6: Die Sozialpsychologie der Umweltkrise und des sozialen Wandels Die globale Umweltkrise, wie sie sich beispielsweise im Phänomen des anthropogenen Klimawandels zeigt, stellt die Menschheit vor ungekannte Herausforderungen. Es ist zu fragen, ob und inwiefern die Mechanismen sozialen Denkens und Handelns für die Bewältigung globaler Umweltprobleme geeignet sind. In der Abteilung Sozialpsychologie werden diese Mechanismen (vorwiegend mit experimenteller Methodik) untersucht. Abschlussarbeiten können sich beispielsweise auf folgende aktuelle Forschungsschwerpunkte beziehen. Klimawandelskeptizismus als motivierte Kognition: Erste eigene experimentelle Studien zeigen, dass die Skepsis gegenüber einem menschgemachten bedrohlichen Klimawandel dann ansteigt, wenn Menschen mit der Forderung nach schwerwiegenden eigenen Verhaltensänderungen konfrontiert werden, welche ihre persönliche Identität gefährden. Diese Befunde sollen repliziert und erklärt werden. Gleichzeitig geht es um die Frage, wie motivierter Klimawandelskeptizismus reduziert werden kann. (Ansprechperson: Fritsche) Wahrgenommene Bedrohung durch den globalen Klimawandel erhöht allgemeine autoritäre Denk- und Verhaltensweisen und führt zur Abwertung systembedrohender gesellschaftlicher Subgruppen (Fritsche, Cohrs, Kessler & Bauer, 2012). Diese – scheinbar automatischen – Prozesse können gesellschaftliche Konflikte verschärfen. Wie können diese Effekte erklärt werden? Auf welche Gruppen lassen sich diese Effekte verallgemeinern und gibt es Bedingungen, unter denen die Wahrnehmung globaler Bedrohung zu erhöhter Toleranz gegenüber Andersartigkeit führen kann? (Ansprechperson: Fritsche) Bedingungen der Teilnahme an kollektiven Umweltbewegungen: Engagement in sozialen Bewegungen wird derzeit oft dadurch erklärt, dass Menschen eine ungerechte Behandlung ihrer Gruppe (im Vergleich zu anderen Gruppen) wahrnehmen. Weniger Forschung gibt es zur Entstehung von Engagement in Umweltschutzbewegungen, die nicht die Interessen einer Gruppe sondern die Interessen der gesamten Menschheit verfolgen (van Zomeren, Spears & Leach, 2010, JEnvP). Die motivationalen und sozialen Determinanten der Teilnahme in lokalen und globalen Umweltbewegungen sollen untersucht werden. (Ansprechperson: Jugert/Barth) Soziale Diversität als Katalysator der „Großen Transformation“: Motivationale Bedingungen kollektiver Effektivität in heterogenen Graswurzelbewegungen: Des Weiteren sind Forschungsarbeiten zum Vergleich hoch- und gering entitativer Umweltgruppen (z.B. Graswurzelbewegungen) möglich. Es soll untersucht werden, wann beide Arten von Bewegungen unter Bedingungen wahrgenommener Kontrollbedrohung (z.B. infolge eigenen Hilflosigkeitserlebens gegenüber globalen Umweltproblemen) zu gruppenbasierten Kontrollüberzeugungen beitragen können und wie dies die Attraktivität und die Engagementbereitschaft innerhalb dieser Gruppen beeinflusst. (Ansprechpersonen: Fritsche) Determinanten der Nutzung umweltfreundlicher Mobilitätsangebote: Im Rahmen eines drittmittelgeförderten Projekts zur Akzeptanz und Nutzung von Elektromobilität suchen wir laufend Studierende, die im Rahmen des Projekts Prozesse sozialer Identität, kollektive Effektivitätserwartungen, wahrgenommene Normen sowie das Zusammenspiel mit Bedrohung durch den Klimawandel untersuchen wollen (mehr Infos unter: http://www.biphaps.uni-leipzig.de/sozpsy/forschung/elektromobilitaetsprojekt.html) (Ansprechpersonen: Barth/Jugert/Fritsche) Diagnostizität deskriptiver Normen als Prädiktor für sozialen Wandel: Ob deskriptive Normen individuelles Verhalten beeinflussen, hängt möglicherweise auch damit zusammen, ob die deskriptive Norm als diagnostisch für gesellschaftliche oder andere Entwicklungen wahrgenommen wird. Diagnostizität könnte damit eine neue unabhängige Variable sein, um innovatives Verhalten zu erklären. Gleichzeitig ist die Wirksamkeit dieses Konstrukts möglicherweise an zeitliche Rahmenbedingungen geknüpft. Ganz neue Verhaltensweisen werden vielleicht gar nicht oder nur gering diagnostisch wahrgenommen während etablierten Verhaltensweisen hohe Diagnostizität unterstellt wird. In einer Erweiterung dieses Ansatzes wäre zu prüfen, ob aktuelle gesellschaftspolitische Strömungen (z.B. die Diskussion um Flüchtlinge in Deutschland) auch durch Diagnostizitätsüberlegungen beeinflusst werden und das Konstrukt auch für soziale Bewegungsbeteiligung von Relevanz ist. (Ansprechperson: Barth) Tierschutz: Menschliche Bemühungen für den Tierschutz sind ein bemerkenswertes Phänomen, da es sich nicht um interpersonales oder intergruppales prosoziales Verhalten zwischen Menschen handelt sondern um prosoziales Verhalten zwischen Spezies. Dieser Form von Hilfeverhalten hat die sozialpsychologische Forschung bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Erste grundlegende Untersuchungen sollen daher zentrale psychologische Prädiktoren für Schutzverhalten oder Schutzabsichten identifizieren und die damit verknüpften psychologischen Prozesse aufklären und mit Prozessen aus dem interpersonalen oder intergruppalen Kontext vergleichen. (Ansprechperson: Barth) Themenblock 7: Ungleichheit und Gerechtigkeitswahrnehmung Es sollen Faktoren untersucht werden, die die Wahrnehmung eines Sachverhaltes als gerecht bzw. ungerecht beeinflussen. Insbesondere im Kontext sozialer Ungleichheit ist diese Frage bedeutsam. Ein besseres Verständnis für die beteiligten Prozesse könnte helfen, für aktuelle soziale Herausforderungen zu sensibilisieren und individuelle oder kollektive Aktionen zur Wiederherstellung von Gleichheit zu fördern. Im Vordergrund soll nicht die Auseinandersetzung mit Gerechtigkeitstheorien stehen, sondern die Identifikation weniger offensichtlicher Einflussvariablen. Darüber hinaus liegt ein zweiter Schwerpunkt bei der Untersuchung der Flexibilität von Gerechtigkeitsstandards in Intergruppensituationen. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass ein Sachverhalt in Abhängigkeit der Gruppenzugehörigkeit der Betroffenen als mehr oder weniger ungerecht empfunden wird. Diese Befunde sollen durch weitere experimentelle Studien gestützt werden. (Ansprechperson: Barth) Literatur Brandtstädter, J., Rothermund, K., Kranz, D. & Kühn, W. (2010). Final decentrations: Personal goals, rationality perspectives, and the awareness of life’s finitude. European Psychologist, 15, 152163. Dépret, E. & Fiske, S. T. (1993). Social Cognition and Power. In G. Weary (Ed.), Control Motivation and Social Cognition (S. XXX-XXX). New York: Springer. Florian, V., & Mikulincer, M. (1997). Fear of death and the judgment of social transgressions: A multidimensional test of terror management theory. Journal of Personality and Social Psychology, 73, 369-380. Fiske, S. T. (1993). 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