22 Autismusbegleithunde: Olina – Eine Familie berichtet 16

Ausgabe 78 – Oktober 2015
4 Erinnerungen an André Meyer
10 Blindenführhunde: Festival delle lingue
16 Sozialhunde im Pflegeheim
22 Autismusbegleithunde: Olina – Eine Familie berichtet
28 Assistenzhunde: Mein Leben mit Kenzo
Stiftung Schweizerische Schule
für Blindenführhunde
AutismusBegleithunde
Sozialhunde
Assistenzhunde
GESCHÄFTSLEITUNG
S
eit Juli 2014 arbeite ich hier an der Schule und habe Anfang
November die Aufgaben von Silvana Gross übernommen.
Mein erstes Jahr verging wie im Flug. Ich habe viel gelernt,
vieles gibt es noch zu lernen.
Angefangen bei den Welpen habe ich meine Kolleginnen
und Kollegen in allen Bereichen unserer Schule im Alltag begleitet,
ich habe diverse Kurse absolviert und an speziellen
Anlässen teilgenommen. Wir durften unsere Stiftung
bei vielen Anlässen, Messen und Veranstaltungen
vorstellen, dies in der Schule, aber auch an vielen anderen Orten in der Schweiz. Das kostet einige Kraft,
doch ich bereue keine Minute. Ich wurde von meinen
Kolleginnen und Kollegen sehr offen und herzlich
empfangen, professionell eingeführt und verstehe nun
immer mehr Zusammenhänge der doch komplexen
und vernetzten Abläufe.
J
Gérard Guye,
Geschäftsleiter
ede Sparte ist ähnlich im Aufbau, unterscheidet sich jedoch
erheblich in den Bedürfnissen unserer Kunden. Dies ist in der
Ausbildung der Hunde und in der Einführung und Betreuung
der Kunden entsprechend zu berücksichtigen. Selbstverständlich geschieht dies alles mit unserem hohen Anspruch an Qualität und Nachhaltigkeit, immer das Wohl von Mensch und Hund
berücksichtigend. So wie wir dies schon seit Jahrzenten von unserer
Schule kennen und wollen.
1
Es ist mir auch viel bewusster geworden, wie gross unsere Schule
ist. Die Schule sind nicht nur wir, die 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Stiftungsrat und dessen Ausschuss, es ist auch
unser ganzes Umfeld von Patenfamilien, Haltern von Zuchttieren,
pensionierten und Familienhunden, weiteren freiwilligen Helfern
sowie unseren Kunden selbst, welche uns in vielfacher Form tagtäglich zur Seite stehen, ohne den geringsten Dank zu erwarten.
Herzlichen Dank dafür!
In diesem ersten Jahr durfte ich viele interessante betroffene wie
auch helfende Menschen kennen- und schätzen lernen, welche
teilweise unter sehr schwierigen Lebenssituationen sehr gewandt
und glücklich durchs Leben gehen. Weiter auch Personen, welche
uns mit einer Selbstverständlichkeit und Solidarität unterstützen,
die ihresgleichen sucht. Dies empfinde ich als Privileg und ich
freue mich, ein Teil einer Institution zu sein, welche sich dank Ihrer
Unterstützung im Sinne der Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigungen einsetzen darf.
D
ieses Jahr finden wieder unsere Weiterbildungskurse für
unsere Führhundehalter statt. Das bedingt viel Vor- und Nachbereitung hauptsächlich für unsere Ausbilder, aber auch für
unsere Administration. Die Durchführung fordert uns wie auch
unsere Führhundehalter, welche von überall aus der Schweiz
und Deutschland anreisen. Die erste Serie der Kurse im April ergab
sehr positive Rückmeldungen und hat uns und den Teilnehmern
auch viel Spass gebracht. Wir werden erst im nächsten Bulletin
ausführlicher über die Weiterbildungskurse berichten, um das Programm nicht schon vorab zu verraten.
Unsere neuen Sparten entwickeln sich gut. Die Anzahl ausgebildeter Autismusbegleithunde wächst rasant, gleichzeitig schreitet
auch die Ausbildung der Lehrlinge in diesem Bereich rasch voran.
Die Abläufe der Sparte Assistenzhunde werden noch weiter an die
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der anderen Sparten angeglichen. Dies steigert die Effizienz und
fördert Synergien, welche sich administrativ und auch für unsere
Kunden sehr positiv auswirken. Auch hier erwarten wir weiteres
Wachstum. Die Nachfrage in allen Sparten wächst also insgesamt
stetig und unsere Schule damit ebenfalls. Daher ist es möglich, dass
wir auf absehbare Zeit an unsere Kapazitätsgrenzen stossen. Auch
diesbezüglich machen wir uns bereits heute Gedanken.
I
n diesem Jahr mussten wir von unserem langjährigen Freund
und Kollegen André Meyer Abschied nehmen. Seit Gründung
der Schule war er ein wichtiger Teil von ihr und für uns war
er auch ein guter Freund und Kollege. Sein Tod hat uns sehr
betroffen gemacht, er bleibt uns durch sein Wirken in der Schule
jedoch in lebendiger Erinnerung. Silvana Gross wird im Gedenken
an André von einigen Erlebnissen mit ihm berichten.
Weiter haben wir wieder Berichte aus allen Sparten für Sie bereit,
ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen und danke Ihnen nochmals für Ihre Unterstützung.
Herzliche Grüsse
Gérard Guye
Vorsitz der Geschäftsleitung
3
NACHRUF
ERINNERUNGEN AN
ANDRÉ MEYER,
EINEN KOLLEGEN
UND FREUND
Am 15. April dieses Jahres ist unser lang­jähriger Arbeits­
kollege und Freund, André Meyer, verstorben.
Wir wussten, dass André ernsthaft krank war, haben aber
alle auf eine glückliche Wendung gehofft. Leider ist kein
Wunder geschehen und André hat den Kampf gegen die
dass er sich an der Schule
bewarb und die Lehre als
Blindenführhundeausbilder
absolvierte.
Krankheit verloren.
A
Von SILVANA GROSS
4
uch wenn es mir
kaum möglich
scheint, das Leben
und Wirken von André in
der Kürze eines Textes zu­
sammenzufassen und ihm
dabei gerecht zu werden,
ist es mir eine Ehre, dies zu
versuchen. André hat be­
reits 1982, als ich, gleich­
zeitig mit Lorenz Casparis,
meine Stelle antrat, in der
Schule als Blindenführ­
hundeausbilder gearbeitet.
Wir sind zusammen einen
langen Weg gegangen.
B
ereits als Zwanzig­
jähriger lernte André
Walter Rupp, den
Gründer und damaligen
Leiter der Blindenführhun­
deschule Allschwil, ken­
nen. André mochte Hunde
und die Ausbildung von
Blindenführhunden weckte
seine Neugier so sehr,
D
ie Schule steckte
noch in den Kinder­
schuhen, und die
finanzielle Situation war
nicht rosig. So mussten
sich die 4 Mitarbeiter alle
Aufgaben teilen. Die Tage
waren lang und der Lohn
gering. Nebst viel Idealis­
mus mussten sie Freude an
der Arbeit und eine grosse
Einsatzbereitschaft mitbrin­
gen. André hatte immer
beides. Er bezog die kleine
Einzimmerwohnung im
alten Waldheim (das erste
Gebäude der Schule) und
übernahm von da an nebst
der Ausbildung der Hunde,
den Einführungen und
Nachbetreuungen bei den
Führhundehaltern auch
die Betreuung der Hunde
an den Wochenenden
und Feiertagen sowie den
abendlichen Kontrollgang.
M
it den Jahren
ist die Schule
gewachsen und
André hat neue Aufgaben
übernommen. Er war ein
begabter Handwerker, der
mit den verschiedensten
Materialien arbeiten konn­
te. Wann immer eine Idee
auftauchte, sei es für neue
Hindernisse für die Aus­
bildung oder Spielgeräte
für die Hunde, André hat
sie umgesetzt. Besonders
wertvoll war seine Arbeit
an den Führgeschirren.
5
André hat laufend Verbes­
serungen erarbeitet, damit
das Geschirr für Hund und
Mensch möglichst optimal
eingesetzt werden kann.
Heute ist das Führgeschirr
der Allschwiler Schule
weltweit bekannt und
begehrt und wird von der
Schule in Berlin und von
der grössten amerikani­
schen Schule verwendet.
E
s war auch André,
der als erster Führ­
hundeausbilder in
der Schweiz den Lehrgang
zum Orientierungs- und
Mobilitätstrainer absolvier­
te. Dies ermöglichte ihm
ein besseres Verständnis
für die Bedürfnisse der
blinden und sehbehinder­
ten Klienten. Dieses
Wis­sen hat er in den
folgenden Jahren auch den
angehenden Ausbildern
weitergegeben und so
einen wertvollen Beitrag
6
bei der Ausbildung der
Lehrlinge geleistet.
B
ereits in den 80erJahren hat André
die Fotoarbeiten
übernommen, sei es, um
die Ausbildung zu doku­
mentieren oder für die PRArbeit der Schule. Er war
unermüdlich, oft auch in
seiner Freizeit und in den
Ferien im hohen Norden,
mit einem oder mehreren
seiner Hunde und dem
Fotoapparat unterwegs. In
den letzten Jahren haben
ihm seine Frau Monika und
seine Kinder Mischa und
Sina oft beim Fotografieren
assistiert. André kannte die
Hunde gut und konnte sie
«lesen»: Er wusste immer
genau, wann er abdrü­
cken musste. Seine Liebe
zur Natur liess ihm jeweils
auch den passenden Rah­
men finden. So entstanden
Tausende von erstklassigen
Bildern: für die Bulletins
und das Werbematerial.
Auch das Fotobuch, die
Ansichtskarten und die bis
heute beliebten Kalender
sind Andrés Werk. Einige
seiner Bilder hängen in den
Gängen der Schule und
haben auch nach vielen
Jahren nichts von ihrer
Kraft verloren.
D
ass André durch
seine Fachkenntnis­
se der Hundeausbil­
dung, sein handwerkliches
Geschick und sein Talent
zum Fotografieren sowie
seine Verlässlichkeit, sein
Verantwortungsbewusst­
sein und sein Pflichtgefühl
eine äusserst wertvolle
Stütze der Schule war, ist
ohne Zweifel.
Lächeln entlockt, ist sein
Humor. Er war eher ein
ruhiger Mensch, reserviert
und diskret, aber stets mit
dem Schalk im Nacken. Er
war immer zu einem guten
und vor allem unerwarte­
ten Streich bereit. Ich
glaube, dass jeder von uns
mal reingefallen ist.
W
A
as uns allen in
der Schule aber
auch in Erin­
nerung bleiben wird und
uns auch in der Trauer ein
ndré hat es verstan­
den, seine Hunde
auszubilden, ohne
deren Spass zu vergessen.
So hat er oft bei einem
seiner Schüler auch eine
besondere Fähigkeit
gesehen und ihm einen
Extratrick beigebracht, den
es zwar für die Führarbeit
nicht brauchte, aber den
Hunden, und später oft
auch ihren Haltern, Spass
machte. Ich erinnere mich
an Hunde, die angeblich
zählen konnten, die ein
Hundebiskuit auf der Nase
balancierten oder auf ein
Hörzeichen hin anfingen,
sich am Boden zu wälzen,
ihrem Schwanz hinterher­
zurennen, bevor sie ihre
Futterschüssel leerten.
7
P
robleme waren für
André da, um gelöst
zu werden – ihm
ist immer eine praktische
Lösung eingefallen, die er
gleich auch umsetzte. Ich
erinnere mich an einen
Vorfall während einer von
der Schule organisierten
Wanderwoche auf der
Riederalp mit unseren
Führhundehaltern. Als
die Wanderwoche ausge­
schrieben wurde, meldete
sich eine Führhundehal­
8
terin mit einer älteren
Führhündin und teilte uns
traurig mit, dass sie sehr
gerne kommen würde,
aber ihre Hündin sei
inkontinent und würde oft
Kot verlieren, dies mache
den Aufenthalt in einem
Hotel unmöglich. André,
der ihren Hund ausgebildet
hatte, sagte sofort, dies sei
kein Hindernis, er würde
eine Lösung finden, sie
solle sich ruhig anmelden.
Kaum waren wir im Hotel
angekommen, packte
André eine riesige Rolle
Plastikfolie und Klebstrei­
fen aus und legte noch am
ersten Abend das ganze
Hotelzimmer der Führhun­
dehalterin damit aus.
Ü
ber 30 Jahre lang
habe ich mit
André zusammen­
gearbeitet, wir haben, mit
anderen unserer älteren
Kollegen, einiges erlebt:
Schönes, Lustiges, Gross­
artiges und auch Trauriges.
Wir haben dabei gelernt,
dass wir einander vertrau­
en können.
I
m Andenken an André
haben wir im Garten der
Schule eine junge Birke
gepflanzt und wir haben
im Wald ein Feuer ange­
zündet. Wir sind lange und
schweigend mit Andrés
Frau und seinen Kindern
um Baum und Feuer
gestanden. Ich glaube,
wir haben uns noch nie so
stark als ein Team gefühlt
wie in diesem Moment
und ich bin mir sicher,
André war auch dabei.
Danke, André, für die Zeit,
die du mit uns verbracht
hast.
K
ürzlich bin ich an
der Schule vorbei­
spaziert: Die Birke
ist bereits gewachsen, sie
ist stark und lebendig.
Wie unsere Erinnerung an
André.
9
BLINDENFÜHRHUNDE
Seit 2010 bietet der Kanton Tessin jährlich
während zweier Wochen den 14/15-jährigen
Schulabgängern die Möglichkeit, einen Tag
lang an verschiedenen, ungewöhnlichen
Lektionen in einer Fremdsprache (mehr­
heitlich in den Sprachen, die gelernt werden
Nathaly, Dagmar und Susanne
beantworten die Fragen der Schüler.
müssen) teil­zunehmen.
Von DAGMAR BALESTRA,
Ehefrau eines Führhundehalters
10
Dagmar Balestra: «Frau Maria Loglio, als Verantwortliche dieses festival delle lingue 2015 können Sie
uns bestimmt erzählen, wie, wann
und warum dieses Festival und die
Blindenführhundeschule zusammengekommen sind?»
Maria Loglio: «Auf der Suche nach
immer neuen und interessanten Aktivi­
täten für unsere Schüler trafen wir auf
einen Prospekt der Blindenführhunde­
schule und riefen umgehend dort an,
um nachzufragen, ob ein mehrmaliges
Atelier während unseres Festivals mög­
lich sei. Nach einem ausführlichen Tele­
fongespräch organisierten wir ein Tref­
fen, um einige Details zu diskutieren.»
Die Schüler haben sehr gut auf die erste
Präsentation reagiert und nicht nur
sprachlich (z.B. Wegbeschreibungen,
Fragen, Imperative …), sondern auch
menschlich viel dazugelernt. Zudem ver­
deutlicht die Konfrontation mit einem
Menschen, der nicht sehen kann und
sich im täglichen Leben auf die Führung
eines Hundes verlässt, wie «lebens»wichtig auch hier die Funktion der Spra­
che bzw. der Kommunikation ist.
Dagmar Balestra: «Ronny Ramseier, Therese Reichert und Nathaly
11
j Während Nathaly die
taktilen Hilfsmittel
erklärt …
wichtig, dass man gerade die Jugendli­
chen für solche Themen sensibilisiert.»
f Dagmar Balestra
händigt den Schülern
Informationsmaterial
aus.
Jossi, als Führhundehalter habt ihr,
verteilt auf 10 Treffen von je 5/4
Stunden, ca. 250 jungen Menschen
ermöglicht, mithilfe von euren Erklärungen, vielen Fotos und praktischen Übungen auf die Frage zu
antworten: Kann der Hund Grün
und Rot der Ampel unterscheiden
12
Ronny Ramseier: «Das Festival finde
ich ein spannendes Angebot für die Ju­
gendlichen. Vince, mein Führhund, und
ich haben nun schon zwei Mal daran
teilgenommen. Nachdem Susanne uns
durch ihre Erzählungen einen Einblick
in ihre wertvolle Arbeit als Patenhunde­
halterin gab, durfte ich aus der Praxis
als Führhundehalter plaudern. Ein paar
wenige Gruppen haben sehr interessiert
mitgemacht und auch aktiv mitgehol­
fen, die Lektion zu gestalten.
und euch über die Strasse führen?
Wie habt ihr dabei die Schüler erlebt? Und wie habt ihr euch in ihrer
Mitte gefühlt?»
Nathaly Jossi: «Für mich war es eine
neue Erfahrung, zu so vielen Leuten
gleichzeitig sprechen zu dürfen. Doch
dadurch, dass die Schüler sehr interes­
siert zuhörten, fiel es mir nicht schwer,
meine Erlebnisse aus meinem Alltag
mitzuteilen. Am besten gefallen hat mir,
dass einzelne Schüler den Mut auf­
brachten, mir direkt Fragen zu stellen,
und ich diese auch entsprechend beant­
worten konnte. Ich glaube, die Schüler
konnten viel aus den Lektionen mitneh­
men und können sich nun ein Bild da­
von machen, wie das Leben mit einem
Führhund ist. Es hat mir wirklich viel
Spass gemacht, und ich finde es sehr
Leider waren die meisten Gruppen
durch die Fremdsprache zu sehr ge­
hemmt, um aus sich herauszukommen
und aktiv mitzumachen. Man musste sie
ziemlich ‹nötigen›, etwas zu sagen. Je­
doch beim aktiven Teil, wo die Jugend­
lichen lernen sollten, eine blinde Person
korrekt zu führen, haben die meisten
sehr gut und konzentriert mitgemacht.
Als am Ende jeder Lektion die Mög­
lichkeit bestand, Fragen in der Mutter­
sprache Italienisch zu stellen, tauten die
meisten endgültig auf.
Durch das passive Verhalten der Teilneh­
mer bin ich mir manchmal unsicher bis
13
ein wenig überflüssig vorgekommen.
Allen Schwierigkeiten zum Trotz finde
ich das Festival eine tolle Sache. Ich bin
überzeugt, dass alle Teilnehmer etwas
von diesen Lektionen mitnehmen konn­
ten. Die angebotenen Flyer wurden auf
jeden Fall gerne mitgenommen.»
f … gönnt sich Grace
eine Pause.
Ein Führhund kann nur dann zuverläs­
sig, selbstständig und mit Freude arbei­
ten, wenn er nebst einer guten Ausbil­
dung eine glückliche Kindheit erleben
durfte, eine Kindheit, die ihm Vertrauen
in den Menschen und dessen Umwelt
ermöglicht hat.
«Susanne Schwaninger, sicher hast
du den jungen Menschen deine
Freude und Faszination an deiner
Arbeit mit den Welpen weitergeben
können. Immerhin hast du bereits
den sechsten Welpen im Haus! Welche Beobachtungen und Fragen haben die Schüler an dich gerichtet?»
Susanne Schwaninger: «Oft werde ich
beispielsweise gefragt:
‹Findest du es nicht wahnsinnig
schlimm, deinen Hund nach einem Jahr
wieder abzugeben?›
Doch, es fällt mir immer sehr schwer,
mich von meinem jungen Hund zu
14
trennen, aber ich mache es mit dem
guten Gedanken, dass mein Hund ein­
mal einer sehbehinderten Person helfen
kann, sich sicher zu bewegen.
‹Weshalb ist dein Hund so entspannt
und ruhig, obwohl er noch ein Welpe
ist?›
Weil ich jeden Tag sehr viel mit ihm
arbeite und versuche, aus ihm einen
folgsamen und ausgeglichenen Hund zu
machen. Wir unternehmen viel Spazier­
gänge in der Natur, wo er sich austoben
kann, machen aber auch viele Übungen
in der Stadt, damit mein Hund alles
lernt, was er später mal als Blindenführ­
hund können muss.
‹Macht dein Hund viel kaputt in deiner
Wohnung, wenn er allein ist?›
Nein, weil ich dem Hund Schritt für
Schritt beibringe, auch mal alleine zu
Hause zu sein.»
Von ganzem Herzen danke ich euch
Ronny und Vince, Therese und Magic und Nathaly und Grace für euren
Mut, euch einem völlig unbekann-
ten Publikum gestellt und die weite
Reise unter die Füsse genommen zu
haben, und euch 250 jungen Menschen dafür, dass ihr uns eure Aufmerksamkeit geschenkt und eure
kritischen Fragen gestellt habt.
Dir, Susanne, wünsche ich, dass
dir deine Bereitschaft, dich immer
wieder auf die kleinen Vierbeiner
neu einzustellen, mit ihnen viel zu
lernen und zu versuchen, die Welt
durch ihre Augen zu sehen, erhalten
bleiben möge.
Arrivederci im April 2016!
15
SOZIALHUNDE
Seit über 20 Jahren bin ich Leiter eines
Pflegeheimes und stets ist mein Golden Retriever
als treuer Begleiter bei der Arbeit dabei.
Von ADRIAN KUMMER,
MAS Gerontologe FH
SOZIALHUNDE
Vor fünf Jahren bin ich auf die
Sozialhundeausbildung aufmerksam geworden.
Ich durfte mit meinem Hund Nico die Ausbildung
absolvieren.
Dabei hat es mir, wie man so schön sagt, «den
Ärmel reingenommen». Diese Ausbildung
überzeugt mich und deshalb beteilige ich mich als
Traineranwärter aktiv an der Ausbildung.
Ich habe immer an die positiven Effekte von
Tieren im Umgang mit Menschen im hohen Alter
geglaubt. Heute kann ich aufgrund
meiner eigenen Erfahrung und von
einigen wissenschaftlichen Studien
diese Gefühle auch belegen.
16
j Adrian Kummer
IM PFLEGE-
HEIM
Wissenschaftliche Studien
Marianne Gäng und Dennis C. Turner
(Buch «Mit Tieren leben im Alter» von
2005) fassen die positiven Effekte,
welche Tiere besonders auf ältere
Menschen haben, wie folgt zusammen:
❤ Hilft gegen Einsamkeitsgefühle.
❤ Hilft gegen Isolationsgefühle.
❤ Fördert die Kontaktaufnahme.
❤ Hilft, den Sinn des Lebens wieder zu
spüren oder zu sehen.
❤ Hilft, den Tag zu strukturieren.
❤ Hilft, Liebe zu erhalten und zu
geben.
❤ Hilft, sich wertvoll und liebenswert
zu fühlen.
❤ Hilft, Gesprächsstoff zu haben.
❤ Hilft, Erinnerungen aufzufrischen.
Es kann festgehalten werden, dass der
Kontakt zwischen Mensch und Tier,
speziell zwischen Mensch und Hund,
unter Beachtung gewisser Spielregeln
17
f
Sozialhunde
Nico
und Sky
unkompliziert verläuft. Im Sinne der ge­
rontologischen Kontinuitätshypothese
(Buch «Lebensphase Alter» von Gertrud
M. Backes und Wolfgang Clemens von
1998) gibt es eigentlich keinen Grund,
warum Menschen, die lebenslang mit
Hunden und anderen Tieren in Kontakt
18
waren, dies nun plötzlich nicht tun sol­
len. Aus gerontologischer Sicht beson­
ders erfreulich und wirkungsvoll ist der
Ansatz der tiergestützten Fördermass­
nahmen, welcher in der Ausbildung der
Sozialhundeteams einen wichtigen Platz
einnimmt.
Durch die regelmässigen Besuche der
Sozialhundeteams wird so viel Positives in
den Heimalltag gebracht.
Es werden durch die Hunde viele Dinge
möglich, die sonst nicht stattfinden.
19
j
Sozialhunde bringen
Freude und Abwechslung in den Alltag der
besuchten Personen.
Sozialhunde im Pflegeheim sind
wichtig und wertvoll
Im Alterszentrum Alban-Breite finden
auch regelmässig Ausbildungstage für
die zukünftigen Sozialhundehalter bzw.
Sozialhundeteams statt. Diese Trainings
sind im Pflegeheim ganz besondere
Tage. An diesen Tagen sieht man sehr
eindrücklich, wie stark das Interesse der
Bewohner am Kontakt mit Hunden ist.
Bereits morgens um 8 Uhr warten die
ersten Bewohner in der Eingangshalle
auf die Hundeteams (angekündigter
Beginn 9 Uhr). Die Bewohner werden in
die verschiedenen Ausbildungsbereiche
einbezogen und machen mit Begeis­
terung als Figuranten mit. So gegen
10.30 Uhr wechseln die Teams auf die
verschiedenen Stockwerke, um in der
Gruppe oder bei einem Einzelbesuch
weitere Erfahrungen zu sammeln.
20
Haus. Wir haben hier eine klassische
Win-win-Situation.
Die Bewohner können sich im Vorfeld
für einen solchen Besuch anmelden.
Beim letzten Training meldeten sich
16 Bewohner, die gerne den Besuch
eines Hundeteams in ihrem Zimmer
wünschten. Diese Zahl spricht für sich!
Lediglich in der Umsetzung stellten
diese Wünsche das Trainerteam vor
eine fast unlösbare Aufgabe (zum Glück
konnte ich einige Bewohner auf den
Montag und auf einen Besuch mit Nico
vertrösten). Die Trainingseinheiten, die
im Garten stattfanden, wurden eben­
falls mit grossem Interesse teils aus den
Zimmern teils direkt vor Ort verfolgt.
Diese Trainingstage sind noch tage­
lang ein Gesprächsthema in unserem
Dank an alle Beteiligten
Durch die regelmässigen Besuche
der Sozialhundeteams wird so viel
Positives in den Heimalltag gebracht.
Die Besuchten erfahren Wertschätzung,
Zuneigung, fühlen sich ernst genom­
men und sehr wichtig. Es werden durch
die Hunde viele Dinge möglich, die
sonst nicht stattfinden. Hochbetagte,
die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind,
können sich plötzlich bis zum Boden
bücken, um dem Hund ein Spielzeug zu
werfen, sie können sich Tage im Voraus
auf diese Besuche freuen, sie sprechen
mehr miteinander und sehen einen
Sinn.
Allen Haltern von Sozialhunden
möchte ich für ihren freiwilligen und
ehrenamtlichen Einsatz danken. Dank
gebührt auch dem Trainerteam, wel­
ches mit viel Einfühlungsvermögen und
Professionalität die Teams ausbildet.
Mein Dank gilt aber auch der Leitung
der Blindenführhundeschule, die diese
tolle Dienstleistung ermöglicht und die
nötigen Gelder und Infrastrukturen zur
Verfügung stellt.
Ausbildung ist wichtig!
Zum Abschluss möchte ich als Heim­
verantwortlicher betonen, wie wichtig
es ist, dass Hund und Hundehalter gut
ausgebildet werden. Sobald Hunde in
unseren Institutionen mehr als B
­ esucher
sind, ist es eine unabdingbare Voraus­
setzung, um die Sicherheit und den
positiven Nutzen auch weiterhin zu
gewährleisten.
21
OLINA
AUTISMUSBEGLEITHUNDE
Von FAMILIE OZORIO
Fotos CHER KAUFMANN
«
IST
FÜR UNS VIEL MEHR
ALS EINE AUTISMUS­
BEGLEITHÜNDIN!»
Marcel ist unser heute 8-jähriges liebes Einzelkind, das
schon in seinem zweiten Lebensjahr mit frühkindli­
chem Autismus diagnostiziert worden ist. Als kleines
Kind ­haben ihn Menschen und Tiere wenig interessiert
– im Gegensatz zu «nicht leben­
den ­Sachen» wie Autos, Räder,
­Blöcke, M
­ aschinen usw., die ihn
immer fasziniert haben.
22
A
ls Marcel ungefähr 6 Jahre
alt war, merkten wir, wie er
das erste Mal mit Freude und
Neugier auf Hunde reagierte,
ihre Nähe suchte er aber nicht. Eines
Tages gab uns dann ein besonderes
Ereignis ein klares Signal: Als wir Ferien
am Strand in der Türkei machten, lief
uns ein Strassenhund zu, mit dem wir
richtig viel Spass beim Spielen hatten.
Die sehr gute Interaktion zwischen Mar­
cel und «Bob» überraschte uns völlig.
n Marcel macht die ersten Schritte
zusammen mit einem Autismusbegleithund in Ausbildung.
Zurück aus den Ferien, fragte er immer
wieder mal nach «Bob». Für uns war es
dann klar: Ein Hund wäre eine Bereiche­
rung für unsere Familie!
Im Internet fanden wir das Programm
für Autismusbegleithunde. Wir nahmen
gleich mit Peter Kaufmann Kontakt auf.
Wenige Wochen danach besuchten wir
die Schule in Allschwil. Wow, so viele
Hunde zusammen! Marcel war sichtlich
begeistert. Als Nächstes trafen wir uns
für ein gegenseitiges Kennenlernen er­
neut in Allschwil, wo wir anschliessend
einen Spaziergang mit einem Autismus­
begleithund in Ausbildung machten.
Wir waren gespannt, wie Marcel darauf
reagieren würde, einen Hund in seiner
Nähe zu haben und noch dazu mit
ihm verbunden zu sein. Es klappte
super! Von diesem Tag an hörten wir
immer wieder von Marcel: «Hund
spaziergehen!» Wir nutzten dann alle
weiteren monatlichen Besuchstage der
Schule, um einerseits diesen Wunsch
von Marcel erfüllen zu können und uns
andererseits auch besser vorstellen zu
können, wie es wäre, einen Autismus­
begleithund zu haben.
A
ls wir gefragt wurden, ob
wir bereit wären, Olina in
unsere Familie aufzunehmen,
antworteten wir mit einem
100-prozentig überzeugten Ja. Trotz
unserer Überzeugung beschäftigten wir
uns natürlich immer wieder mit Fra­
gen, die uns nur die Zeit beantworten
würde: Würden wir es schaffen, Olina
in unseren Alltag zu integrieren? Wie
23
n Nach dem Familieninterview in der
Schule wurde ein gemeinsamer Spaziergang im Dorf unternommen.
aufwendig würde es sein, sie zu halten?
Würde sie sich bei uns wohlfühlen? Wie
würde Marcel auf sie reagieren? Wie
würde Olina unser Leben erleichtern?
Nur um einige zu nennen. Freude und
eine gewisse Unsicherheit waren die
dominierenden Gefühle bei uns.
D
ann endlich kam die Zeit:
Mama fuhr für eine Woche
zum Einführungs­kurs nach
Allschwil. Papa nahm die Wo­
che frei und plante Ferien mit Marcel.
Schon jene Tage waren für uns sehr
aufregend, weil Marcel nie zuvor eine
komplette Woche nur mit Papa ver­
bracht hatte. Es war uns nicht ganz klar,
wie der Kurs ablaufen und wie einfach
es Olina fallen würde, ihre vertraute
Umgebung zu verlassen, um sich bei
24
n Begleitarbeit
n Olina ist für Marcel wie ein
ist ­immer auch
Teamarbeit.
einer neuen Familie einzugewöhnen.
Doch das funktionierte alles gut.
Mama und Olina verstanden sich sehr
schnell gut und verliebten sich auch
irgendwie gleich ineinander. Marcel und
Papa hatten zusammen eine Menge
Spass. Während jener Woche lernte
Mama sehr viel über Hunde, Autismus­
begleithunde und insbesondere über
Olina. Es war uns aber auch schnell
klar, dass es zeitintensiv ist, einen Hund
richtig zu halten.
Als unsere Familie nach jener Wo­
che wieder vereint war, geben wir
zu, wurden wir mit der Situation fast
überfordert. Olina braucht viel Auslauf,
um mit anderen Hunden zu spielen,
muss selbstverständlich auch gefüttert
und gepflegt werden und braucht dazu
noch viel von unserer Aufmerksamkeit.
Wir mussten ihre Bedürfnisse erfüllen
guter Freund, mit dem man
viel Spass hat.
j
Das Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln zusammen mit
einem Autismusbegleithund wird im
Einführungskurs bereits an der Leine
geübt.
und gleichzeitig unsere tägliche
Routine mit Arbeit, Haus, Marcel
usw. weiterführen.
A
m Anfang war das
alles schon eine
extra Belastung für
uns. Es gab auch
ein paar Schwierigkeiten mit
Marcel, weil er jetzt Mamas
und Papas Aufmerksamkeit
mit Olina teilen musste ...
Das Interessante ist, dass
25
n Dank Olina sind heute Fahrten
n Bei der Pflege begegnet man sich auf
mit dem ÖV für die ganze Familie
entspannter.
die Arbeit am Geschirr (oder mit Olina
unterwegs zu sein) nie ein Problem war.
Ganz im Gegenteil: Marcel machte es
von Anfang an immer sehr gerne. Heute
wissen wir, wie wichtig der ständige
Kontakt mit Peter Kaufmann und seinen
Autismusbegleithunden in Ausbildung
in der Anfangsphase dafür war.
Die Umstellung unseres Alltags dau­
erte nicht lange. Olina wurde schnell
Teil der Familie. Vieles, was am Anfang
als Belastung empfunden wurde, bringt
uns heute richtig Freude. Was zum Bei­
spiel früher «Olinas freie Auslaufrunde»
war, ist jetzt zu einem gemeinsamen
Familienspaziergang geworden. Eine
26
Augenhöhe. Das macht beiden Spass und
fördert das gegenseitige Vertrauen.
iessen.
n
eit gen
m die Freiz
Gemeinsa
Zeit, die wir zusammen geniessen.
Unseren Alltag haben wir auch etwas
umorganisiert, damit wir alle unsere
Bedürfnisse erfüllen können, ohne auf
irgendwas verzichten zu müssen. So wie
immer sind wir in unserer Freizeit sehr
gerne unterwegs und Olina entdeckt
Europa mit uns – sei es mit Auto, Zug,
Wohnmobil, Schiff oder sogar Flugzeug.
Wir sind sicher, dass unser vierbeiniger
Begleiter eine Menge Spass dabei hat.
W
as Marcels Autismus
betrifft, so ist eine be­
merkenswerte Besserung
eingetreten. Inwieweit
das alleine Olinas Beitrag ist, können
wir natürlich nicht abschätzen. Uns ist
aber klar: Wegen Olina werden wir viel
öfters von fremden Leuten angespro­
chen. Unserer Meinung nach hat dies
sehr viel dazu beigetragen, dass Marcels
Bereitschaft zur verbalen Kommunika­
tion und seine Sozialkompetenz geför­
dert wurden.
Ob Olina unser Leben leichter macht?
Definitiv! Für uns ist sie viel mehr als
eine Autismusbegleithündin. Sie hilft
uns nicht nur mit ihrer wertvollen Arbeit
am Geschirr. Ihre Begleitung bringt uns
auch viel mehr Rücksicht und Verständ­
nis in der Öffentlichkeit und Marcel hat
viel mehr Sicherheit und Freiheit.
Wir sind der Schule, Peter Kaufmann
und seinem Team sowie natürlich den
Patenfamilien unendlich dankbar für
die wundervolle Arbeit, die sie leisten.
Vielen lieben Dank!
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ASSISTENZHUNDE
MEIN LEBEN MIT
Von RENÉ RACLE
n «Grembo» – Auf dieses Hörzeichen hin stellt Kenzo seine
Vorderpfoten auf Renés Schoss, um an- oder abgeleint
werden zu können.
Vor vier Jahren wurde mein Leben positiv auf den Kopf
gestellt: Kenzo, mein Assistenzhund, trat in mein Leben
und ist seither eine grosse Hilfe für mich.
Seit meiner Geburt bin ich zerebral gelähmt und bin auf
einen Elektrorollstuhl angewiesen. Mein Kenzo fordert
mich und mir geht es gesundheit­
lich viel besser.
In meinem Alltag unterstützt
mich Kenzo sehr und wir erleben
so einiges zusammen.
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W
enn wir gemeinsam
unterwegs sind, achtet
er auf mich und keiner
läuft mir vor den Roll­
stuhl. Wenn ich Geld vom Bancomaten
brauche, muss ich mir keine Sorgen
machen, denn er passt ja auf. Fällt mir
mal die Geldbörse zu Boden, apportiert
er mir sie zuverlässig. Als wir einmal auf
einem Spaziergang waren, versuchten
Taschendiebe, mich zu bestehlen. Kenzo
kam automatisch auf meine Knie und,
ohne zu bellen, verjagte er die Diebe.
In Oerlikon, wo ich meine Einkäufe
tätige, hat Kenzo viele Fans. Er kennt
die Metzgerei Ziegler ganz genau und
die Leute dort kennen ihn. Trotz den
vielen Reizen legt er sich brav hin und
bleibt ruhig. Die Passanten staunen nur.
In der Käserei geniesst er den kalten
Boden. Trotz seiner Weste kriegt er
Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten.
Es ist manchmal schwierig, den Leuten
zu erklären, dass der Hund am Arbeiten
ist und nicht gestört werden sollte …
A
ls mal wieder ein Besuch bei
meiner Zahnärztin anstand,
klärte ich vorgängig ab, ob
Kenzo mitkommen ­dürfte.
Mir wurde gesagt, dass das kein
Problem sei und dass er im Wartezim­
mer bleiben dürfe, solange ich in der
Behandlung sei. Also nichts wie los. Da
sich die Praxis meiner Zahnärztin im
Zürcher Niederdorf befindet, mussten
wir zuerst Tram fahren, dann durch
die Strassen gehen und den Rollstuhl
parkieren. Ich kann noch einige Schritte
mit den Krücken gehen. Die Assisten­
tin war so freundlich und holte mich
unten bei der Türe ab. Kenzo ging mit
ihr ins Wartezimmer mit und legte sich
auf seine Decke, während ich auf dem
Behandlungsstuhl Platz nahm. Mitten
in der Behandlung kam die Lehrtochter
schmunzelnd herein und verkündete:
«Der Hund schläft und schnarcht.»
Auch als wir meinen Augenarzt
besuchten, sorgte Kenzo für Erstaunen.
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René und Kenzo ­geniessen
die gemeinsamen
Spaziergänge.
rf
n «Ich bin enorm dankbar,
dass ich Kenzo habe.»
Der Arzt hat selber einen Hund und war
überrascht, was Kenzo alles kann. Er
rief sein Personal zusammen und mein
Hund stand im Mittelpunkt. Besonders
als sie sahen, dass Kenzo meine Brille
sucht und mir diese bringt. Denn wenn
ich meine Jacke über den Kopf ziehe,
verliere ich manchmal die Brille und bin
froh, wenn Kenzo sie apportiert.
n
Kenzo hat gelernt, die Gehhilfe
zu apportieren.
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K
enzo und ich sind jeden Tag die
gleiche Strecke mit dem Bus
unterwegs. Auch unter den
Chauffeuren hat er Fans, dann
heisst es «Hallo Kenzo». Der Chauffeur
legt die Rampe aus und wir fahren an
«Kenzo hat
mir Selbstvertrauen
gegeben.»
den Rollstuhlplatz, wo sich Kenzo auf
die linke Seite des Rollstuhls legt. Früher
hatte ich Respekt vor dem ÖV. Heute
benutze ich ihn ganz selbstverständlich.
Kenzo hat mir Selbstvertrauen gegeben.
Wir fahren auch gerne zusammen nach
Basel, um seine Paten mit ihrem Sozial­
hund zu treffen. Gemeinsam unterneh­
men wir lange Spaziergänge, trinken
Kaffee, lassen die Hunde spielen und
alle sind glücklich.
manchmal mit einer Krücke unterwegs
bin, bringt er mir die zweite, wenn ich
diese benötige. Eine grosse Erleich­
terung ist es auch, wenn er sich auf
meine Füsse legt, während mich die
Spasmen plagen. Seit vier Jahren bringt
er mich jeden Tag zum Lächeln und ich
bin enorm dankbar, dass ich ihn habe.
W
A
enn er mir nach einem
ereignisreichen Tag beim
Auskleiden hilft, ist er
eine wertvolle Hilfe für
mich. Oder wenn ich in der Wohnung
ber das grösste Geschenk
ist seine moralische Unter­
stützung. Als mein Vater vor
Kurzem krank wurde und
starb, hat er mich und meine Familie
31
n Zusammen auf
Einkaufstour
f
Auch das Warten
auf den Bus will
gelernt sein.
«Seit vier Jahren bringt er
mich jeden Tag zum Lächeln.»
getröstet. Er war überall dabei und ist
für meine Mutter der vierbeinige Enkel.
Mit seinem Charme hat er mir viele
neue Bekanntschaften ermöglicht und
viel Freude in mein Leben gebracht.
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Ich danke allen, die daran beteiligt
waren und noch sind.
Seit ich meinen Kenzo habe, stehe
ich mit einem Lächeln auf und gehe
mit einem Lächeln zu Bett.