Auf den Schultern von Leo Putz von Sabina Fliri „Ohne die Scholle wäre ich Miniaturmaler Als sich im November 1899 zehn junge Künst- geworden”: Diesen Mythos, Leo Putz habe ler im Münchner Café Maximilian zu einer seine künstlerische Karriere der Scholle zu Vereinigung, die sich anfangs Gruppe G und verdanken, hatte Wilhelm Michel in seiner dann Scholle nannte, zusammenschlossen, Putz-Biografie geschaffen. Die Zugehörigkeit war Leo Putz nicht dabei. Aber er war sicher- von Leo Putz zur Scholle war jedoch für seine lich über die Formierung der Scholle bestens Karriere nicht so wichtig. Vielmehr waren es informiert. Denn er kannte die meisten Mit- die Ausstellungen der Münchner Secession, glieder persönlich: aus der Atelierklasse von sowie jene in Berlin, Wien und anderen Städ- Paul Höcker an der Münchner Akademie, von ten, durch die Putz berühmt wurde. gemeinsam bestrittenen Ausstellungen in der Secession oder aus dem Cococello-Club. Der schon berühmte Putz schloss sich der Künstlergruppe erst einige Zeit später an. Ein genaues Datum für den Beitritt ist nicht überliefert. Wahrscheinlich 1903, das Jahr, in dem sein Name auch im Vereinsregister erscheint. 1904 stellte Leo Putz zum ersten Mal mit der Scholle im Münchner Glaspalast aus. Sein Gemälde „Picknick” wurde gleich aus der Ausstellung von der Neuen Königlichen Pinakothek für 3000 Mark erworben. Es war der erste Ankauf eines Putz-Gemäldes für die Sammlung. Am 1. Juni 1905 wurde die Kunstausstellung im Glaspalast mit Beteiligung Eine schwere Entscheidung: Großformat oder Miniatur? Leo Putz hat sich in der „Jugend“ von 1905 selbst karikiert 54 der beiden Münchner Künstlervereinigungen Secession und Scholle eröffnet. „Den drei großen Sälen der Secession reiht sich die Scholle Der erste Ankauf: Leo Putz’ Gemälde Picknick wurde gleich aus der Scholle-Ausstellung 1904 im Münchner Glaspalast von der Neuen Königlichen Pinakothek erworben an. Sie steht auf den Schultern von Leo Putz”. Franz Joseph Brakl und sein Teilhaber Heinrich Damit war es eindeutig, dass die Lösung von Thannhauser zeigten moderne französische der Secession und zur Scholle vollzogen war. und deutsche Malerei. Bereits in der zweiten Die Scholle wurde für die innovative Präsen- Ausstellung, im Dezember 1905, wurden Ge- tation der Gemälde gelobt. “Wendet man sich mälde von Putz und seinen Scholle-Kollegen von der Secession zur Scholle wird einem, als Eichler, Fritz und Erich Erler präsentiert. träte man aus einer etwas dumpfen, trüben Atmosphäre in helles, junges Licht.” Brakl arbeitete mit bisher unbekannten Me- Die Eröffnung der Modernen Kunsthandlung thoden der Vermarktung. Er kümmerte sich in der Goethestraße im November 1905 präg- um die Presse, schaltete Anzeigen, finan- te nicht nur das Kunstleben der Stadt, sondern zierte Publikationen und organisierte Wan- auch die Karriere von Leo Putz grundlegend. derausstellungen. Brakl war aber nicht nur 55 Er vermarktete die Scholle so erfolgreich: der Kunsthändler Franz Josef Brakl. Auf der Zeichnung von Leo Putz aus dem Jahr 1907 wird er als Bonvivant lebendig So wurde die Scholle beworben: Eine Anzeige aus den Münchner Neuesten Nachrichten der Förderer von Leo Putz, sondern verstand Zum Jahreswechsel 1908/09 erschien die er- sich auch als Kunsthändler der Scholle. In sei- ste Monographie, verfasst von Wilhelm Mi- nen Räumen stellte er regelmäßig Püttner, chel, in Zusammenarbeit mit Brakl und dem Feldbauer, Eichler, Münzer sowie die Brüder Kunstkritiker Georg Bierbaum aus Leipzig. Erler aus, denen er auch Angebote für eine Putz war auf dem Höhepunkt seiner künst- Exklusivvertretung unterbreitete. Jedoch mit lerischen Laufbahn, er war einer der erfolg- keinem anderen Künstler scheint die Zusam- reichsten Künstler Münchens. 1909 wurde menarbeit so fruchtbar gewesen zu sein wie dem vierzigjährigen Putz der Königlich-Bay- mit Putz. Er wurde der Vorzeigekünstler der rische Professorentitel verliehen und damit Modernen Kunsthandlung. Regelmäßig or- auch die bayrische Staatsangehörigkeit. ganisierte Brakl Putz-Ausstellungen. Die Mitglieder der Scholle hatten sich im Ver- Die Preise für Gemälde von Leo Putz beweg- lauf der Zeit ganz unterschiedlich entwickelt. ten sich in diesen Jahren zwischen 2500 und Das ursprüngliche Ziel, juryfrei ausstellen zu 4000 Mark, mit Spitzen sogar bis zu 5000 können, hatte sich spätestens im Jahr 1906 Mark. In weniger als drei Jahren hatten sich erübrigt. Der private Kunsthandel hatte die Künstler und Galerist somit zu einem über- Rolle der Künstlerförderung übernommen. aus erfolgreichen Gespann entwickelt. Trotz Leo Putz profitierte von den gewaltigen Ver- der aktiven Produktion für Brakl ließ Leo Putz änderungen des Kunstmarkts am meisten. es sich nicht nehmen, alljährlich mit der Die Presse hatte ihn dann sogar zum führen- Scholle im Glaspalast aufzutreten. den Vertreter der Gruppe auserkoren. 57
© Copyright 2024 ExpyDoc